Gliederung:
0. Das Problem
1. Erscheinungsformen der Krise
a. Die Schuldenkrise
b. Die Flüchtlingskrise
2. Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten
a. Die europäische Werteordnung
b. Der Verzicht auf kriegerische Auseinandersetzungen
c. Die vier Grundfreiheiten
d. Der optimale Währungsraum
e. Der optimale Wirtschaftsraum
3. Lösungsmöglichkeiten
a. Überwindung der Schuldenkrise
b. Lösungsmöglichkeiten der Flüchtlingskrise
c. Freihandel versus Wirtschaftsunion
4. Schlussbemerkungen
0. Das Problem
In
den letzten Jahren stand Europa wiederholt vor Problemen, aufgrund derer in der
Öffentlichkeit die Befürchtung geäußert wurde, dass Europa an der Lösung dieser
Probleme scheitere und zusammenfalle.
Diese
Befürchtung gilt nicht nur für das im Augenblick anstehende Problem der
Flüchtlingskrise, zu der die Europaunion sowie die einzelnen europäischen Staaten
über die richtige Lösung zur Zeit heftig streiten und zu der auch keine Einigung
in Sicht ist. Krisenerscheinungen begannen sehr viel früher, vor allem als vor
einigen Jahren ein großer Teil der europäischen Länder in eine Schuldenkrise
geriet, aus der mehrere verschuldete Länder nicht mehr aus eigener Kraft herausgefunden
haben und deshalb die finanzielle Unterstützung der Europäischen Union
benötigten haben.
Aber
es sind nicht nur diese konkreten Probleme, welche die Krise in Europa
ausmachen, es ist vielmehr auch der Umstand, dass einige Länder einige in der
europäischen Ordnung niedergelegten Grundprinzipien in Frage gestellt haben. So
haben Politiker Großbritanniens, das noch nicht einmal die letzte Integrationsstufe
der Währungsunion übernommen hatte, schon sehr früh die Grundgedanken einer
europäischen Staatsordnung in Zweifel gezogen und die Europäische Gemeinschaft
eher als eine Art Freihandel verstanden.
Andere
Staaten, wie z. B. Ungarn und neuerdings auch die frisch gewählte polnische
Regierung haben Schritte getan, welche im übrigen Europa als Verletzung einiger
rechtsstaatlicher Prinzipien, wie vor allem der Gewaltenteilung zwischen
Regierung und Gerichtsbarkeit sowie der Pressefreiheit verstanden wurden.
Schließlich
trägt das Verhalten einiger europäischer Institutionen dazu bei, das Gedeihen
der europäischen Wirtschaft zu strapazieren. So hat die Europäische Notenbank
vor allem unter ihrem Präsidenten Draghi einen Weg beschritten, der
letztendlich dazu führt, dass die marktwirtschaftliche Ordnung ihre Aufgabe der
Ausrichtung der Produktion am Bedarf der Konsumenten nicht mehr voll wahrnehmen
kann. Auch der Europäische Gerichtshof hat durch einige jüngste Entscheidungen
eine Situation hervorgerufen, aufgrund derer ganze Wirtschaftszweige, wie vor
allem der Markt der Lebensversicherungen in Frage gestellt wurden.
Dass
im Zusammenhang mit diesen Krisen die Funktionsfähigkeit der Europäischen
Gemeinschaft als solche in Frage gestellt wurde, liegt natürlich weniger an den
hier aufgezählten Problemen. Jedes Staatsgebilde muss mit dem Auftreten
schwieriger und neuartiger Probleme rechnen, ein Staat, der nur bei schönem
Wetter funktioniert, ist kein funktionsfähiger Staat, die Güte eines
Staatsgebildes misst sich gerade daran, wieweit es mit Problemen, mit denen
immer gerechnet werden muss, fertig wird.
Fragen
wir uns also, was falsch gelaufen ist, warum Europa in diese Krise tatsächlich
geraten ist. Als erstes muss man sich darüber klar werden, dass nicht jedes
beliebige Land die Voraussetzungen erfüllt, um sich an einer übergreifenden
staatlichen Ordnung zu beteiligen. Ein Land muss eine Reihe Voraussetzungen
erfüllen, um sich an einem staatlichen Zusammenschluss mit Erfolg beteiligen zu
können. Es fragt sich, ob z. B. die Eignung eines Landes für eine Währungsunion
wirklich nur daran gemessen werden kann, ob es die von der Europäischen Union
formulierten Aufnahmekriterien erfüllt. Wir werden weiter unten sehen, dass es
so etwas wie einen optimalen Währungsraum gibt und dass die Frage, ob ein Land
diese Voraussetzungen erfüllt, keineswegs nur von diesen Aufnahmekriterien
abhängt.
Wir
müssen uns weiterhin fragen, ob unter Umständen diese Kriterien nicht richtig
erkannt wurden oder ob die Überprüfung dieser Voraussetzungen auch tatsächlich
korrekt durchgeführt wurde. So ist z. B. bekannt, dass Griechenland im
Zeitpunkt der Aufnahme in die Europäische Währungsunion die Aufnahmekriterien
de facto nicht erfüllt hatte und dass es darüber hinaus diese Kriterien als
Mitglied der Währungsunion wiederholt verletzt hatte.
Des
Weiteren entsteht die Frage, was denn geschieht, wenn ein Land als Mitglied
dieser Europäischen Gemeinschaft diese Regeln permanent verletzt. Wie wird
diese Verletzung festgestellt und welche Sanktionen sind vorgesehen, wenn ein
Land diese Regeln bricht? Es ist zu untersuchen, ob dieser Sanktionsmechanismus
überhaupt durchgeführt werden kann und in der Lage ist, die Situation zu
verbessern. Und es ist weiterhin zu überprüfen, ob diese Sanktionen bisher auch
konsequent bei Verstößen gegen diese Regeln angewandt wurden.
Gerade
dann, wenn dieser Sanktionsmechanismus nicht funktioniert und einzelne Staaten
immer wieder gegen die allgemeinen Regeln verstoßen, müsste es eigentlich eine
Regelung geben, einzelne Staaten gegebenenfalls aus der europäischen
Staatengemeinschaft auszuschließen. Eine solche Möglichkeit ist jedoch in den
Europäischen Verträgen überhaupt nicht vorgesehen.
Es
gibt keine Möglichkeit, ein Land aus der europäischen Union, noch nicht einmal
aus der Europäischen Währungsunion – auch nicht vorübergehend – auszuschließen.
Die einzige Möglichkeit besteht darin, dass ein einzelnes Land von sich aus der
Europäischen Union (oder einem Teil dieser Union wie z. B. der Währungsunion)
den Rücken kehrt. Zwar wird diese Möglichkeit in den Europäischen Verträgen
auch nicht vorgesehen, aber gerade deshalb kann die Europäische Gemeinschaft
auch keinen Staat zwingen, in der Europäischen Union zu verbleiben.
Es
gibt aber eigentlich keinen Grund, weshalb man die Europäische Staatengemeinschaft
genau so wie z. B. die Ehe im christlichen Verständnis als unauflöslich
ansieht, die Europaunion ist ja nicht von Gott gegründet, sodass für sie ja
auch nicht wie für die christliche Ehe der Satz gelten kann, was Gott geschlossen,
darf der Mensch nicht lösen.
Wir
haben oben festgestellt, dass die einzelnen Staaten für das Funktionieren einer
europäischen Staatengemeinschaft gewisse Voraussetzungen erfüllen müssen. Es
muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass ein Staat diese Voraussetzungen
wiederum verliert oder dass ein Staat zu Unrecht ohne diese Voraussetzungen zu
erfüllen, irrtümlicher Weise in die Gemeinschaft aufgenommen wurde. Also
bedürfte es einer Regelung, welche das Ausscheiden eines Landes aus der
Europäischen Gemeinschaft festlegt.
Wie
kann jedoch eine solche Regelung nachträglich in das europäische Verfassungswerk
eingefügt werden? Eine Änderung des Vertrages würde ja voraussetzen, dass alle
Länder dieser Änderung zustimmen. Aber gerade ein solcher Fall muss unter
realistischen Bedingungen ausgeschlossen werden, da ja wohl kein Land bereit
wäre, gegen sein eigenes Interesse für seinen Ausschluss zu stimmen.
Wir
werden am Schluss dieses Artikels sehen: Eine Lösung kann nur dadurch erreicht
werden, dass die übrigen Staaten, welche die Voraussetzungen nachwievor
erfüllen, von sich aus die Mitgliedschaft in den bisherigen europäischen Organen
aufkündigen und gemeinsam neue, besser funktionsfähige Gemeinschaften bilden.
Hierbei ist es keinesfalls notwendig, dass das gesamte bisher gültige Vertragswerk
aufgegeben wird, es ist durchaus auch möglich, dass nur Teile der Europäischen
Union wie z. B. die Währungsunion auf diese Weise verlassen werden und ein
neuer, dieses Mal funktionierender Währungsraum geschaffen wird.
1. Erscheinungsformen der Krise
a. Die Schuldenkrise
Eine
erste ernsthafte Bedrohung der Europäischen Union und hier vor allem der
Europäischen Währungsunion erfolgte aufgrund der Tatsache, dass einzelne Länder
(allen voran Griechenland, später Irland, Portugal, Spanien) sich so stark
verschuldet hatten, dass sie aus eigener Kraft nicht mehr zu einer Entschuldung
in der Lage waren. Es wurden Stimmen laut, dass die Europäische Gemeinschaft
verpflichtet sei, solidarisch diesen Ländern finanziell zu helfen. Einen
automatischen Finanzausgleich wird jedoch in den europäischen Verträgen eigens
ausgeschlossen, da ein solcher Mechanismus die Bereitschaft der Mitgliedsstaaten,
alles Mögliche für die Einhaltung der Stabilitätskriterien zu tun, untergraben
würde. Damit würde jedoch das wichtigste Ziel der Währungsunion: die Erhaltung
der Geldwertstabilität aufgegeben.
Wie
konnte es überhaupt zu dieser Verschuldung einzelner Staaten kommen? Im Vorfeld
der Bildung der Europäischen Währungszone wurden Kriterien entwickelt, die
festlegen, welche Länder überhaupt die Voraussetzung erfüllen, um Mitglied
dieser Währungsunion werden zu können. Zu diesen Kriterien zählte vor allem die
Bestimmung, dass nur solche Länder der Europäischen Währungsunion beitreten
konnten, deren Budget kein Defizit aufwies, das über 3% lag und deren
Verschuldung aufgrund defizitärer Budgets in der Vergangenheit nicht 60% des
Bruttoinlandsprodukt überstiegen hatte. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass die
Mitgliedsländer dieser Währungsunion auch in Zukunft diese Grenzen einhalten
sollten, ja es wurde sogar beschlossen, diese Grenzen in naher Zukunft so zu
verringern, dass am Ende dieses Prozesses alle Mitgliedsländer ein
ausgeglichenes Budget aufweisen.
Die
Begründung für diese Aufnahmekriterien lagen auf der Hand. Ein Budgetdefizit lässt die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage über das verfügbare Inlandsprodukt ansteigen und führt deshalb auf
lange Sicht zu allgemeinen Preissteigerungen. Gehört ein Land keiner
Währungsunion an, so erhöht sich im Wesentlichen lediglich das Preisniveau eben
dieses Landes, das diese Verschuldung betrieben hatte. Gehört jedoch ein Land
einer Währungsunion an, so verbreitet sich die Inflation auf alle
Mitgliedsländer aus.
Der
Umstand, dass also in diesem Falle auch die Länder benachteiligt werden, welche
sich um eine Stabilisierung bemüht haben, führt notwendiger Weise dazu, dass
auch die bisher stabilitätsbewussten Staaten in ihren Bemühungen um
Währungsstabilität nachlassen. Und da die Verbreitung der Inflationstendenzen
nun für das Land, das diese Verschuldung ausgelöst hatte, geringer ausfällt als
dann, wenn dieses Land nicht der Währungsunion angehört hätte, besteht ein
weiterer Anreiz, die Verschuldung zu erhöhen, wird sie doch nun von den anderen
Ländern mitgetragen.
Würde
man also den Mitgliedsstaaten einer Währungsunion erlauben, sich beliebig zu
verschulden, so wäre das Ziel der Währungsstabilität ernsthaft gefährdet. Es
kommt noch hinzu, dass ein Land, das einer Währungsunion angehört, weniger
Möglichkeiten besitzt, sich aus eigener Kraft aus einer Verschuldung gegenüber
dem Ausland zu befreien. Ein Land, das keiner Währungsunion angehört und
gegenüber dem Ausland ein Defizit in der Devisenbilanz aufweist, hat nämlich
die Möglichkeit, die eigene Währung gegenüber den Fremdwährungen abzuwerten,
was automatisch zu einem Anstieg in den Exporten und einer Reduzierung der
Importe und damit zu einem Abbau des Devisenbilanzdefizits führt. Mit den
Exporterlösen steigen jedoch auch zumeist die Gewinne und die Steuereinnahmen
mit der Folge, dass auch das Budgetdefizit des Staates vermindert wird.
Diese
Möglichkeiten einer automatischen Sanierung über die Abwertung der eigenen
Währung entfällt nun, wenn ein Land einer Währungsunion angehört, da ja alle
Länder der Währungsunion die gleiche Währung haben und die Währung deshalb
gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten nicht abgewertet werden kann.
Wie
war es aber nun möglich, dass sich einzelne Mitglieder der Währungsunion trotz
dieser Kriterien verschulden konnten? Als erstes muss festgestellt werden, dass
die Aufnahmekriterien der Bewerber um eine Mitgliedschaft in der Währungsunion
nur sehr oberflächlich überprüft wurden. Dies gilt z. B. für Griechenland.
Eigentlich war Kennern der griechischen Regierung bekannt, dass Griechenland
schon immer, auch in dem Zeitpunkt, in dem es einen Antrag auf Aufnahme in die Europäische Währungsunion
gestellt hatte, de facto ein hohes Budgetdefizit aufwies und deshalb eigentlich
hätte gar nicht Mitglied dieser Währungsunion werden dürfen.
Des
Weiteren unternahm die Europäische Gemeinschaft auch keine ernsthaften
Bemühungen, solche Mitgliedsländer, welche die erlaubte Verschuldung überschritten,
durch Sanktionen zur Einhaltung dieser Kriterien ernsthaft anzuhalten. Zwar
konnte der Ministerrat Sanktionen verhängen, wenn ein Land die Stabilitätskriterien
nicht einhielt. Da aber nahezu alle Länder – sogar das an und für sich
stabilitätsbewusste Deutschland – irgendwann einmal diese Kriterien
überschritten und ein Defizit aufwiesen, das bedeutend größer war als die erlaubten
3 %, entwickelte sich bei der Abstimmung über mögliche Sanktionen im
Ministerrat ein ‚vote trading‘.
Die
einzelnen Länder versprachen sich auf diesem Wege gegenseitig, sich bei einer
Abstimmung gegen Sanktionen auszusprechen, wenn sich die betroffenen Länder
verpflichteten, sich ihrerseits gegen Sanktionen dieser Länder auszusprechen,
wenn diese die Stabilitätskriterien nicht eingehalten haben und wenn deshalb
diesen eine Sanktion droht.
Zwar
lässt sich ein solches vote trading im Ernstfall gerichtlich nicht durchsetzen.
Trotzdem hielten sich die einzelnen Länder an diese Versprechungen, da sie
wussten, dass sie in Zukunft sehr bald selbst die Zustimmung der heutigen
Schuldnerländer benötigen und diese Zustimmung nur dann erhalten, wenn sie sich
ebenfalls in der Vergangenheit an diese Spielregeln gehalten haben.
Weiterhin
muss kritisiert werden, dass dann, wenn der Ministerrat einmal Sanktionen
verhängt hatte, diese zumeist in der Zahlung von Strafgeldern bestanden. Aber
gerade diese Praxis erschwert den Schuldnerländern, das Defizit abzubauen.
Strafgelder bewirken ja, dass zunächst einmal das Defizit des gerügten
Schuldnerlandes um die Summe des Strafgeldes ansteigt.
Sanktionen
könnten nur dann eine Wirkung zeitigen, wenn das Stimmrecht der sanktionierten
Länder vorübergehend eingeschränkt würde. Aber gerade eine solche harte
Maßnahme wird unwahrscheinlich, wenn eine solche Sanktion nicht automatisch
verhängt wird, sondern im Ministerrat eigens beschlossen werden muss. Die
Beziehungen zwischen den einzelnen Staaten würden in diesem Falle stark
strapaziert und die Kompromissbereitschaft im Allgemeinen verringert. Gerade
deshalb scheuten in der Vergangenheit die einzelnen Mitgliedsstaaten davor,
solch harte Strafen zu verhängen.
Die
denkbar härteste Strafe bei andauerndem Fehlverhalten eines Landes bestünde in
einem Ausschluss eines Landes. Aber die Verträge der Europäischen Gemeinschaft
sehen – wie erwähnt – einen solchen Ausschluss nicht vor. Deshalb könnte ein
Land nur dann die Gemeinschaft verlassen, wenn es von sich aus der
Währungsunion den Rücken kehren würde. Aber wie könnte es willens sein, die
Europäische Gemeinschaft zu verlassen, von der sie sich finanzielle Hilfen
erwartet?
Obwohl
also die Europäischen Verträge keinen automatischen Finanzausgleich erlauben,
war die Europäische Union bemüht, den verschuldeten Ländern einmalige
finanzielle Hilfen zu gewähren. Die Kreditvergabe wurde allerdings an die
Erfüllung bestimmter Auflagen gebunden. Diese Auflagen dienten dazu, sicherzustellen,
dass das verschuldete Land alle möglichen Anstrengungen unternimmt, die
Verschuldung zu überwinden. Welche Anstrengungen das verschuldete Land im
Einzelfall übernimmt, ist eigentlich Sache des Landes selbst. Da aber die
Gefahr bestand, dass das verschuldete Land keine hierzu geeigneten Maßnahmen
vorschlägt, machten die Kreditgeber selbst Vorschläge, welche sehr oft den
betroffenen Ländern wie ein demütigendes Diktat erschienen.
Es
muss allerdings bezweifelt werden, ob dieses Verfahren tatsächlich zum Erfolg
führt, also die Länder endgültig von ihrer Schuldenlast befreit. Es hat den
Anschein, dass ein Teil dieser Länder, allen voran Griechenland, auf diesem
Wege auch nach langer Zeit nicht zu normalen Finanzverhältnissen zurückfinden
kann. Ein anderer Teil der Länder wie z. B. Spanien hat es zwar geschafft, auf
diesem Wege entschuldet zu werden, aber nur auf einem Wege, der diesen Ländern
unverhältnismäßig hohe Entbehrungen beschert hatte.
Kritisch
muss festgestellt werden, dass die von der Troika im Allgemeinen vorgeschlagenen
Maßnahmen zu sehr nur darauf ausgerichtet waren, dass die eingegangenen
Schulden rechtzeitig zurückgezahlt werden können, aber kaum geeignet waren, die
Wirtschaftskraft dieser Länder schnell zu stärken und damit die eigentlichen
Ursachen der Verschuldung zu verringern. Ganz im Gegenteil trug ein Teil der
durchgeführten Maßnahmen dazu bei, dass das Inlandsprodukt und mit ihm die
Steuersumme zunächst um ein weiteres verringert wurde.
Warum
aber sollte die Europäische Währungsunion aufgrund dieser Schuldenkrise
einzelner Mitgliedsstaaten zusammenbrechen? Das Volumen der bisher von der
Schuldenkrise betroffenen Staaten ist verglichen mit der Wirtschaftskraft des
gesamten europäischen Wirtschaftsraum immerhin noch so gering, dass die
Gemeinschaft es durchaus verkraften könnte, wenn einzelne Staaten wie z. B.
Griechenland auch in den nächsten beiden Jahrzehnten nicht in der Lage wären,
ihre Schulden zurückzuzahlen und ihre eigene Volkswirtschaft zu sanieren.
Trotzdem
dürfte die Sorge um den Erhalt der Europäischen Währungszone durchaus
berechtigt sein. Auf der einen Seite hat Griechenland sehr viel mehr
Zugeständnisse erreicht als die bisherigen Schuldnerstaaten und es ist mehr als
zweifelhaft, ob Griechenland zu einer grundlegenden Sanierung bereit sein wird.
Ein solches Verhalten und der Umstand, dass die Europäische Gemeinschaft in
starkem Maße auf die Forderungen Griechenlands eingegangen war, hat natürlich
Folgen für das zukünftige Vorgehen, wenn weitere Länder die finanziellen Hilfen
Europas beantragen müssen. Dies bedeutet, dass weitere Hilfsmaßnahmen Europa
vermutlich finanziell mehr als in der Vergangenheit belasten wird.
Auf
der anderen Seite weisen auch größere Staaten wie z. B. Italien und selbst
Frankreich ein so hohes Schuldenniveau auf, dass durchaus mit der Gefahr gerechnet
werden muss, dass in Zukunft auch diese beiden Länder zahlungsunfähig werden.
Damit wäre jedoch ein so großer Teil der europäischen Währungszone verschuldet
und die hierdurch bedingte notwendige Finanzspritze seitens der Europäischen
Gemeinschaft so groß, dass diese Lasten von den verbleibenden finanziell
relativ gesunden Staaten (vorwiegend von der Bundesrepublik Deutschland) keinesfalls übernommen werden können.
Diese
Gefahren werden dann noch verschärft, wenn die Pläne für die Ausgabe
europäischer Anleihen, für welche alle Länder haften, Wirklichkeit werden. Von
der Kollektivierung der Haftung würden starke Anreize ausgehen, die Verpflichtung
zur Einhaltung der Stabilitätskriterien nicht mehr ernst zu nehmen. Anstelle
einer Stabilitätsgemeinschaft entstünde eine europäische Schulden- und Inflationsgemeinschaft.
Auch die Bereitschaft der europäischen Notenbank, die maroden Staatspapiere
aufzukaufen, trägt dazu bei, dass immer weniger Staaten bereit sind, die
Stabilitätskriterien einzuhalten. Sie müssen in diesem Falle weniger
befürchten, dass sie in ernstzunehmende finanzielle Schwierigkeiten geraten, da
ja die Notenbank notfalls diese marode gewordenen Staatspapiere aufkaufen wird.
b. Die Flüchtlingskrise
Wenden
wir uns der Flüchtlingsproblematik zu, der zweiten Ursache dafür, dass von
einem Zusammenbruch der Europäischen Gemeinschaft immer häufiger gesprochen
wird. In der Tat hatte Europa im vergangenen Jahr den wohl größten Zuwachs an
Flüchtlingen erlebt, allein nach Deutschland kamen mehr als eine Million
Flüchtlinge. Es wurde die Befürchtung geäußert, dass Europa bei dem Versuch,
dieses gewaltige Heer von Flüchtlingen aufzunehmen, überfordert sei und deshalb
die Europäische Union zusammenbreche.
Im
Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik müssen zwei Arten von Flüchtlingen
unterschieden werden: die Asylflüchtlinge, welche in ihren Heimatländern
politisch verfolgt werden oder aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen
fliehen sowie die Wirtschaftsflüchtlinge, welche wegen Armut und
Arbeitslosigkeit zu Hause nach Europa flüchten.
Im
Hinblick auf politische Flüchtlinge garantiert unser Grundgesetz ein Recht auf
Asyl, wobei allerdings der deutsche Staat selbst bestimmt, ob von einer politischen
Verfolgung gesprochen werden kann, ein Grund für ein Asyl besteht nicht, wenn
das Land, aus dem die Flüchtlinge kommen, von der BRD als sicheres Land
eingestuft wird.
Für
Wirtschaftsflüchtlinge gilt dieses Grundrecht nicht. Zwar wird man aus humanitären
Gründen fordern müssen, den Ärmsten der Armen – wenn irgendwie möglich – zu
helfen und ihnen in Europa eine neue Bleibe zu verschaffen, ein einklagbares
Anrecht besteht hierzu nicht, es liegt im Ansinnen der Staaten, inwieweit sie
bereit sind, auch Wirtschaftsflüchtlinge aufzunehmen.
Es
gibt noch einen zweiten Unterschied zwischen wirtschaftlichen und politischen
Flüchtlingen. Die Not der
Wirtschaftsflüchtlinge kann auch dadurch bekämpft werden, dass die wirtschaftlich
hochentwickelten Länder den Entwicklungsländern eine großzügige
Entwicklungshilfe gewähren und auf diese Weise dazu beitragen, dass die Armut
und Arbeitslosigkeit in diesen Ländern verringert wird und somit der Grund für
die Flucht entfällt.
Diese
Möglichkeit besteht bei den politischen Flüchtlingen nicht, da die freiheitlichen
und demokratischen Staaten im Allgemeinen nicht die Möglichkeit haben, die
Machthaber in den Diktaturen dazu zu bewegen, auf eine Verfolgung Einzelner zu
verzichten. Die Verfolgung kann nur dadurch abgewendet werden, dass die
potentiell Verfolgten fliehen und sich damit dem Zugriff seitens des Verfolgungsstaates
entziehen. Auch ist es für die Europäische Gemeinschaft sehr schwer, dazu
beizutragen, dass kriegerische Auseinandersetzungen wie in Syrien beendet
werden, ohne dass Europa bereit ist, selbst militärisch in diesen Krieg
einzugreifen und damit die Gefahr heraufzubeschwören, einen Flächenbrand
auszulösen.
Dass
der Flüchtlingsstrom zu einem ernsthaften Problem wurde, liegt vor allem daran,
dass die Zahl der Flüchtlinge ab dem letzten Jahr dramatisch angestiegen ist,
ich erwähnte bereits, dass im vergangenen Jahr allein nach Deutschland mehr als
eine Million Flüchtlinge kamen. Es wurde so zum vordringlichen Problem, zu
bestimmen, wo denn die Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen liegt.
Hierbei
ist es unbestritten, dass ein Land wie die BRD nicht unbegrenzt Flüchtlinge
aufnehmen kann. Deshalb ist es eigentlich unverständlich, weshalb trotzdem in
der öffentlichen Diskussion die Frage nach der Obergrenze für die Aufnahme von
Flüchtlingen als unüberbrückbares Grundsatzproblem diskutiert wird.
Die
einen – allen voran die CSU – fordern die Benennung einer Obergrenze, etwa
200000 pro Jahr, während andere – vor allem auch die Bundeskanzlerin Angelika
Merkel – zwar ebenfalls daraufhin wirken wollen, dass der Flüchtlingsstrom
merklich zurückgeht, aber es ausdrücklich ablehnen, eine genaue Zahl für die
Aufnahmefähigkeit festzulegen, da eine solche exakte Obergrenze niemals
eingehalten werden könne.
In
der öffentlichen Diskussion um solche Obergrenzen sollte klar zwischen einer
kurzfristigen und langfristigen Sicht bezw. zwischen einer ex post und ex ante
Betrachtung unterschieden werden.
Kurzfristig
wird die Aufnahmefähigkeit vor allem von zwei Faktoren bestimmt. Erstens müssen
die Flüchtlinge registriert werden und zweitens muss eine Unterkunft bereit
gestellt werden, in denen die Flüchtlinge vorübergehend bis zur Registrierung
bzw. auch bis zur endgültigen Entscheidung über das Bleiberecht untergebracht
werden können.
Eine
Registrierung aller Flüchtlinge ist selbst wiederum aus zweierlei Gründen
unerlässlich. Es kann nur durch eine lückenlose Erfassung aller Flüchtlinge verhindert
werden, dass auch Terroristen unter dem Deckmantel eines Flüchtlinges
einwandern, um auf diese Weise Terrorakte zu begehen.
Zum
andern hängt der Umfang der benötigten Infrastrukturinvestitionen (wie z. B.
Kindergärten, Schulen, Verkehrsmittel) entscheidend davon ab, wie viel
Flüchtlinge auf Dauer in der BRD bleiben.
Die
Registrierung erfolgt durch Beamte und es ist klar, dass ein einzelner Beamter
pro Zeiteinheit (Tag oder Monat) immer nur eine begrenzte Höchstzahl von
Überprüfungen vornehmen kann. Also bestimmt auch die Zahl der für diese
Aufgaben abgestellten Beamten letztlich in kurzfristiger Sicht die Zahl der maximal
möglichen Überprüfungen.
Es
dürfte hier technisch gesehen kaum möglich sein, für einen längeren Zeitraum
die Aufnahmefähigkeit in Zahlen exakt anzugeben, sie hängt ja nicht nur von der
Anzahl der für diesen Zweck eingesetzten Beamten ab, sondern auch von
Zufälligkeiten, in Zeiten einer Grippeepidemie kann z. B. die Zahl der augenblicklich
zur Verfügung stehenden Beamten in starkem Maße dezimiert sein.
In
ähnlicher Weise stellen auch die zur Verfügung stehenden vorübergehenden
Unterkünfte kurzfristig eine Begrenzung der Unterbringungsmöglichkeit von
Flüchtlingen dar und die Aufnahme von Flüchtlingen kann einfach dadurch begrenzt
sein, dass kurzfristig nicht genügend Unterbringungsstätten zur Verfügung
stehen.
Auf
längere Sicht kann natürlich sowohl das hierfür vorgesehene Personal aufgestockt
und weitere Unterkünfte hergestellt werden. Wir müssen uns aber darüber klar sein,
dass in beiden Fällen einige Zeit vergeht, bis auf diese Weise mehr Beamte
beschäftigt oder Unterkünfte fertiggestellt sind. Es reicht auch nicht aus,
dass einfach weitere Personen für diese Aufgabe eingestellt oder von anderen
Aufgaben abgezogen werden, sie müssen erst auf ihre Tauglichkeit für diese
Aufgabe überprüft und hierauf für diese Aufgabe angelernt werden.
Auch
der Erwerb und die Herstellung von Unterkünften benötigt Zeit. Es mag
vielleicht möglich sein, in Sommermonaten relativ schnell durch Aufstellen von
Zelten die Kapazität für Unterkünfte zu vergrößern, da aber Zelte nicht ausreichend
Schutz vor Kälte und Nässe bieten, werden in den Wintermonaten feste Bauten für
die Unterbringung benötigt.
Es
wäre jedoch falsch, wenn man vermuten würde, dass auf lange Sicht die Aufnahmekapazität
von Flüchtlingen unbegrenzt nach oben korrigiert werden könnte. Langfristig
hängt die Aufnahmefähigkeit von zwei weiteren Voraussetzungen ab. Es ist klar,
dass in dem Maße, in dem mehr Beamte für diesen Zweck eingestellt werden oder
neue Unterkünfte geschaffen werden, materielle Ressourcen von den bisherigen
anderen Verwendungsarten abgezogen werden. Dem Staat und den Gemeinden sind
bestimmte Aufgaben übertragen, die zumindest genauso wichtig oder sogar wichtiger
sind als die Lösung der Flüchtlingsfrage.
So
verfügen z. B. die Gemeinden, in denen ja letztendlich sowohl die Registrierung
als auch die Unterbringung der Flüchtlinge zu erfolgen hat, nur über begrenzte
Mittel, sodass bei einer Aufstockung der Mittel für die Lösung der
Flüchtlingsproblematik recht bald für die anderen Aufgaben notwendige Ressourcen
fehlen.
Auch
im Hinblick auf die Zurverfügungstellung von Unterkünften können z. B. nicht unbegrenzt
Sporthallen und andere öffentliche Gebäude für längere Zeit umgewidmet werden.
Auch
der Einwand, dass dann eben die Steuersätze erhöht werden müssen, stößt sehr
bald an unüberwindbare Grenzen. Es ist falsch zu meinen, dass die Steuereinnahmen
durch Erhöhung der Steuersätze beliebig vergrößert werden können. Fast jede
Erhöhung des Steuersatzes führt nämlich im Allgemeinen zu einer Verringerung
der Steuerbasis. Wird z. B. der Einkommensteuersatz erhöht, hat dies in aller
Regel eine Reduzierung des Bruttoeinkommens zur Folge und dies bedeutet
hinwiederum, dass von einem kritischen Steuersatz an jede weitere Erhöhung des
Steuersatzes zu einer Verminderung und keineswegs zu einer Erhöhung der
Steuereinnahmen führt.
Langfristig
wird jedoch die Aufnahmefähigkeit von Flüchtlingen noch aufgrund weiterer
Faktoren begrenzt. Eine Integration von Migranten kann nicht unbegrenzt
erfolgen, sie braucht auf der einen Seite Zeit, auf der anderen Seite verkraftet
eine Kulturgemeinschaft sicherlich nicht jeden beliebigen Anteil von Migranten.
Integration
benötigt also erstens Zeit, die Ankommenden müssen die deutsche Sprache
erlernen, um sich mit den übrigen Bewohnern verständigen zu können. Weiterhin
braucht es auch Zeit, bis die Migranten sich an andere kulturelle Werte
angepasst haben. Eine Volksgemeinschaft wird nur dann Bestand haben, wenn die
Grundwerte, die ein kulturelles System ausmachen, von allen, auch den
Zugewanderten, eingehalten und bejaht werden.
Von
einem bestimmten Alter ab wird kaum mehr damit gerechnet werden können, dass
die Migranten, welche in Ihren
Herkunftsländern ganz anderen Werten verpflichtet waren, noch in der
Lage und bereit sind, ihre bisherigen Werte aufzugeben und sich in die
Werteordnung des Gastlandes einzuordnen. Eine Integration erfolgt im
Wesentlichen durch die jüngere Generation, die ganz allgemein eher bereit ist,
Traditionen der Elterngeneration aufzugeben, um sich auf diese Weise von den
Bindungen der Elterngeneration zu lösen.
Im
Zusammenhang mit der Frage, wie viel Migranten ein Land verkraften kann, ohne
ernsthafte innere Spannungen zur Folge zu haben, kommt es weniger darauf an, ob
ein Migrant als Flüchtling in das Land kam oder z. B. von Unternehmungen
angefordert wurde, sondern viel stärker darauf, wie unterschiedlich die
Kulturwerte zwischen dem Herkunftsland und dem Zuwanderungsland sind und wie
bereit die Migranten sind, die neuen Kulturwerte zu übernehmen. Im Allgemeinen
kann man davon ausgehen, dass die Anpassungsfähigkeit einmal vom Alter, zum
andern vom Bildungsgrad der einzelnen Migranten abhängt. Je jünger ein Migrant
ist, um so größer ist die Bereitschaft zur Übernahme der Kulturwerte des
Einwanderungslandes. Gleichzeitig steigt die Anpassungsfähigkeit auch mit dem
Bildungsgrad.
Bei
der Diskussion über die Kapazitätsgrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen
spielt auch die Frage der Familienzusammenführung eine bedeutende Rolle. Bei
einem großen Teil der Flüchtlinge kommen zunächst nur die Eltern, die jedoch
beabsichtigen, ihre Kinder dann nachkommen zu lassen, wenn sie eine
Asylberechtigung erlangt haben. Bisweilen werden jedoch auch zunächst die
Kinder von ihren Eltern zur Flucht geschickt, um dann später nachzukommen.
Es
ist klar, dass eine solche Familienzusammenführung das Problem der Aufnahmekapazität
unmittelbar berührt. Wenn bereits bei der Eingliederung der Erwachsenen die
äußerste Grenze der Aufnahmefähigkeit erreicht wurde, kann natürlich aus
logischen Gründen kein Nachkommen der Kinder oder anderer Familienangehörigen
garantiert werden.
Jedoch
der Beschluss, das Nachkommen der Kinder für mindestens zwei Jahre auszusetzen,
ist aus verschiedenen Gründen außerordentlich fragwürdig. Wenn man die Not der
Erwachsenen und der Kinder miteinander vergleicht, ist die Not der Kinder eher
größer als die der Erwachsenen. Die Erwachsenen haben es gelernt, mit den
Problemen und Beschwerden umzugehen,
Kinder sind zunächst gegenüber diesen Gefahren vollkommen unerfahren und
hilflos und der hierdurch entstehende Schaden ist für die Kinder noch größer
als der Schaden, den die Erwachsenen erfahren.
Darüber
hinaus dürfte die Integration der Migranten stark erschwert und behindert sein,
wenn den Eltern verwehrt wird, ihre Kinder nachkommen zu lassen. Der
Zusammenhalt in der Familie zählt zu den wichtigsten Grundwerten unseres
Kultursystems.
Auch
ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Migranten eines Tages voll in den
Produktionsprozess übernommen werden können, bei den Kindern viel größer als
bei den Erwachsenen, denen zu einem beachtlichen Teil die bildungspolitischen Voraussetzungen
für eine Erwerbstätigkeit fehlen, Voraussetzungen, die auch nur sehr schwer
nachgeholt werden können. Die Zeit, welche verstreicht, bis die Kinder die
Erwerbsfähigkeit erlangen, ist groß genug, um sie auf die bildungspolitischen
Voraussetzungen der Erwerbsfähigkeit vorzubereiten. Dies heißt nicht, dass es
nicht besonderer Anstrengungen bedarf, um diese Voraussetzungen zu erreichen.
Der
einzig richtige Weg in der Frage der Zusammenführung besteht darin, dass
bereits bei der Registrierung und beim Aufnahmeverfahren die Frage, wie viel
Kinder die einzelnen Flüchtlinge zuhause gelassen haben, geklärt wird und dementsprechend
diese zusätzliche Anzahl von Kindern bei der Feststellung der Höchstgrenzen
berücksichtigt wird.
Es
sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass bei dieser enorm hohen Zahl von
Flüchtlingen ein einziges Land oder einige wenige Länder überfordert wären,
sollten sie allein Flüchtlinge aufnehmen. Der Umstand, dass es zu diesem enormen
Flüchtlingsstrom kommen konnte, ist zumindest für die politischen Flüchtlinge
nicht primär von einzelnen Ländern der Europäischen Gemeinschaft ausgelöst
worden und deshalb kann nur eine gemeinsame europäische Lösung, an der sich
alle Mitgliedsstaaten angemessen beteiligen, zum Erfolg führen.
Hierbei
sollte durchaus berücksichtigt werden, dass bei der Aufteilung der Flüchtlinge
diejenigen Länder weniger Flüchtlinge aufzunehmen haben, bei denen ein großer
Teil der Bevölkerung bereits anderen Kulturkreisen entstammt. Dies gilt z. B.
für Ungarn, Großbritannien und für Polen. Wir hatten ja oben bereits
festgestellt, dass auf lange Sicht eine kulturelle Wertordnung nur garantiert
ist, wenn der Anteil der Migranten aus anderen Kultursystemen in der Minderheit
bleibt.
Die
augenblickliche Schwierigkeit besteht darin, dass sich einige europäische
Länder weigern, an einer gemeinsamen Lösung des Flüchtlingsproblems mitzuarbeiten,
sie lehnen es kategorisch ab, dass die Festlegung der Aufnahmequoten der
einzelnen Länder verbindlich gemeinsam festgelegt wird.
Anbetracht
der Gefahr, dass keine gemeinsame Lösung zustande kommt, haben mehrere Länder
mit einer nationalen Lösung begonnen und ihre Grenzen für Flüchtlinge
geschlossen oder die Grenzen nur für eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen geöffnet.
Auch für Deutschland wird diese Forderung unter anderem von der CSU gefordert.
Bisweilen
wird dieser Weg als Druckmittel beschritten, um auf diese Weise doch noch eine
europäische Lösung zu erzwingen, bei der jeweils an den Außengrenzen der Europäischen
Gemeinschaft nur eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen aufgenommen wird und der
Flüchtlingsstrom gerecht auf alle Mitgliedsstaaten der Europäischen
Gemeinschaft aufgeteilt wird.
Es
wird darauf hingewiesen, dass eine Kontrolle und Schließung der nationalen
Grenzen gleichbedeutend sei mit der Beendigung des Schengener Abkommens, das
innerhalb Europas einen freien Zugang von Personen und Gütern zu allen Ländern
garantiert hatte. Die Rückkehr zu nationalen Grenzen würde den Güterverkehr
beträchtlich behindern, zu hohen Kosten und damit zu Wachstumsverlusten mit
hoher Arbeitslosigkeit führen.
Wenn
auch der Hinweis auf die verheerenden wirtschaftlichen Folgen bei Aufgabe des
Schengener Abkommens sicherlich zutrifft, sollte doch angemerkt werden, dass bisher
keiner der Staaten, welche Grenzkontrollen eingeführt hat, die Absicht bekundet
hatte, das Schengener Abkommen auf Dauer auszusetzen, bisher haben diese
Staaten lediglich zum Ausdruck gebracht, diese Kontrollen vorübergehend,
solange der überaus große Flüchtlingsstrom anhält, beizubehalten und vor allem
auf diesem Wege eine europäische Lösung zu erzwingen.
Fortsetzung folgt!