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Friday for Future

 

Unter dem Stichwort “Freitag für die Zukunft“ gehen seit einiger Zeit zahlreiche Schüler auf der ganzen Welt jeden Freitag auf die Straße, um die Politiker in der Umweltpolitik zu einem Umlenken zu bewegen. Ihr Vorbild ist Greta Thunberg, welche als erste zu solchen Protestaktionen aufgerufen hatte.

 

Die Streikenden behaupten, die Politiker würden ganz allgemein umweltpolitische Fragen sträflich vernachlässigen, es finde eine „schon lange bestehende reale Bedrohung für die Erde und die Menschheit“ statt, die Zukunft der Demonstranten und der nachfolgenden Generationen sei bedroht. Der Kampf für einen radikalen Wandel gegenüber Umweltfragen sei wichtiger als in den Schulen für eine Zukunft zu lernen, welche nicht lebenswert sei. Mit solchen Argumenten verteidigen sie auch ihr Fernbleiben Freitags von der Schule.

 

Das öffentliche Echo auf diese Protestaktionen ist sehr unterschiedlich, es reicht von einer vorbehaltslosen Befürwortung dieser Aktionen bis zu der Forderung, die Schule dürfe dieses systematische Schwänzen des Unterrichts nicht dulden und müsse diejenigen Schüler, welche zu solchen Aktionen aktiv aufrufen, auch bestrafen.

 

Mir scheint diese Reaktion auf diese Bewegung ausgesprochen unangemessen. Dies gilt sowohl für die geäußerte Kritik wie aber auch für die Art von Lob, welches in der Öffentlichkeit geäußert wurde.

 

Wenn Schüler, vor allem der höheren Klassen, nicht immer am Schulunterricht teilnehmen, ist das keine Katastrophe. Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft, eines der wichtigsten Werte unserer Demokratien liegt in dem Recht jedes Einzelnen, über seine Belange selbst zu entscheiden, so lange diese Entscheidungen nicht selbst wiederum die Freiheitsrechte der jeweils Anderen verletzen.

 

Trotzdem sind unsere Politiker immer wieder bemüht, meritorisch, also in verdienstvoller  Absicht, den Bürgern ihr Verhalten auch dort vorzuschreiben, wo nur die Belange der Einzelnen berührt sind.

 

Diese meritorische Haltung begegnet uns vor allem in der Erziehung sowohl in den Familien wie auch in den Schulen. Man geht offensichtlich von der Annahme aus, dass verantwortungsvolles Handeln nicht selbst erlernt werden müsste, man könne den Heranwachsenden im Zeitpunkt des Erwachsenenwerdens quasi ins Wasser werfen, schwimmen könne er von selbst. In Wirklichkeit ist gerade die selbstverantwortliche Handlung äußerst komplex und bedarf deshalb einer intensiven Vorbereitung. Auch sie muss gelernt werden.

 

In Anbetracht dieser Zusammenhänge sollte man gerade den Schülern der obersten Klassen frei stellen, auf welche Weise sie sich den Lernstoff aneignen. Natürlich wäre es unakzeptabel, wenn die Schulbehörden aufgrund der verminderten Teilnahme am Unterricht vieler Schüler den Lernstoff kürzen würde. Aber dass Schüler sich vermehrt mit Umweltproblemen befassen und sich hierbei den Lernstoff nicht gerade im Unterricht aneignen, ist als solches keinesfalls bedenklich.

 

Viel bedenklicher scheint mir die konkrete Vorgehensweise  dieser Schüler bei ihrem Protest zu sein. Sie gehen hier bei ihren Massendemonstrationen einen Weg, den üblicher Weise Ideologen, Verschwörungstheoretiker und Populisten gehen.

 

Bereits Gustave Le Bon hatte darauf hingewiesen, dass der einzelne Mensch in Massen seine Selbstverantwortlichkeit aufgibt und zu Handlungen fähig ist, welche er allein in Selbstverantwortung nicht gegangen wäre.

 

Das Einsinken in der Masse mag für den Einzelnen angenehm erscheinen, solange er die Meinungen der Masse teilt, wehe jedoch, wenn er anderer Meinung ist und diese Meinung auch öffentlich äußern wollte, er würde niedergeschrien, man würde ihn gar nicht zu Wort kommen lassen und ihn als Feind des Volkes und als Verräter brandmarken.

 

Das Schwenken von Fahnen und das gedankenlose Nachplappern, was die Anführer der Massen vorgeben, mag zwar den Zusammenhalt in der Gruppe stärken (aus diesen Grunde wenden ja die Populisten gerade diese Mittel an), es unterdrückt jedoch gleichzeitig die individuelle Meinungsfreiheit.

 

Wie Massenveranstaltungen die freie Meinung der Einzelnen unterdrücken können, hat das Beispiel Joseph Goebbels gezeigt, als er Ende des zweiten Weltkrieges, am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast die Menge der Anwesenden fragte, ob sie den totalen Krieg wollten.

 

Die Menge bejahte frenetisch diese Frage. Und dies, obwohl der größte Teil der Bevölkerung schon längst kriegsmüde war und auch keine Hoffnung mehr hatte, dass der Krieg noch zugunsten Nazi-Deutschlands gewonnen werden konnte.

 

Man war einfach des Krieges müde, da ein Großteil der Bevölkerung durch die täglichen Bombenangriffe ihre Wohnungen eingebüßt und/oder die Kinder ihre Väter, die Eltern ihre Söhne im Felde verloren hatten.

 

Natürlich verfolgen die demonstrierenden Schüler hehre Ziele im Gegensatz zu den verbrecherischen Zielen der Nationalsozialisten. Trotzdem ist dieser Weg äußerst gefährlich. Nicht nur, dass abweichende Meinungen in der Masse unterdrückt werden. Vielmehr sind bei einer solchen Vorgehensweise negative Auswirkungen vorprogrammiert.

 

Die zugrundeliegenden Probleme sind nicht so einfach, dass sie auf Transparenten zufriedenstellend dargestellt werden können. Gerade im Zusammenhang mit der Umweltproblematik handelt es sich um eine vielschichtige Problematik. Mehrere Ursachen wirken zusammen und deshalb reichen auch einzelne Maßnahmen nicht aus, um die vorliegenden Probleme befriedigend zu lösen.

 

Vor allem wird nur eine vorherige Ursachenforschung uns in die Lage versetzen, sachgerechte Lösungen zu finden. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse mögen zwar für die Findung der Ziele von ausschlaggebender Bedeutung sein, die Findung der richtigen Mittel setzt jedoch ebenso die Kenntnis der Wirkungsweise unserer Gesellschaftssysteme voraus.

 

Vor allem ist es jedoch fatal, dass bei Massendemonstrationen die Bereitschaft fehlt, anzuerkennen, dass es in der Politik stets um eine Vielzahl von gleichberechtigten Zielen geht, dass diese Ziele zumeist in einem Konflikt zueinander stehen und dass deshalb eine befriedigende Lösung fast ausnahmslos voraussetzt, dass von allen Zielen Abstriche gemacht werden müssen. Eine Lösung, welche darauf aus ist, lediglich ein einziges Ziel auf Kosten der anderen Ziele zu erreichen, ist immer einer Lösung unterlegen, welche einen fairen Kompromiss bei allen Zielen ansteuert.

 

Vor allem ist es falsch zu behaupten, dass die derzeitige Politik einseitig die Interessen der erwachsenen Generationen auf Kosten der jungen, heranwachsenden Generationen verfolge.

 

In keiner Generation vor uns wurde soviel für die jüngeren Generationen getan wie gerade von der heutigen Generation der Erwachsenen. Auf der einen Seite sind die materiellen Zuwendungen der Eltern für ihre Kinder so hoch wie noch nie.

 

Auf der anderen Seite ist der Anteil der Jugendlichen, welchen eine höhere Ausbildung (Gymnasium und Hochschule) ermöglicht wird, gerade in den letzten Jahrzehnten sprunghaft angestiegen. Ausbildung der Jugendlichen ist jedoch die wichtigste Voraussetzung dafür, dass es der nächsten Generation besser als der heutigen Generation geht.

 

Es ist aber auch falsch zu behaupten, dass politische Maßnahmen, welche neben den umweltpolitischen Zielen bestrebt sind, wirtschaftliches Wachstum und Vollbeschäftigung zu garantieren, einseitig zugunsten der erwachsenen Generationen und zu Lasten der heranwachsenden Generationen erfolgen.

 

Wachstum und Vollbeschäftigung kommen gleichermaßen den Jugendlichen zugute, da bei einem Rückgang der Durchschnittseinkommen automatisch auch die Zuwendungen an die Kinder zurückgehen, auch werden arbeitslose Eltern eher darauf drängen, dass ihre Kinder die Ausbildung abbrechen und  möglichst bald in der Lage sind, sich durch Erwerbsarbeit selbst zu ernähren.

 

Das Ziel, das die Schülerdemonstranten verfolgen, kann zwar bejaht werden, nicht aber die Mittel, welche sie beschreiten. Es wäre besser gewesen, wenn sich diese Schüler an ihre Lehrer und an die Schulbehörden gewandt hätten, mit der Bitte oder auch Forderung, die Umweltproblematik in stärkerem Maße als bisher in den Unterrichtsplänen zu verankern.

 

Es sollten in den einzelnen Klassen Diskussionen über dieses Thema vermehrt geführt werden und die einzelnen Parteien und Gruppierungen sowie unabhängige Sachverständige zu diesen Diskussionen hinzugezogen werden.

 

Im Klassenzimmer ist das Diskussionsklima viel sachlicher als auf der Straße, schon die wesentlich geringere Größe einer Klasse trägt zu einer mehr emotionslosen, sachlichen Diskussion bei. Auch Minderheitsmeinungen können hier zur Sprache kommen und die die Diskussion leitenden Lehrer können verhindern, dass unsachlich diskutiert wird und dass Minderheitsmeinungen unterdrückt werden. Auch die Sachverständigen können populistische, ins nichts begründende Argumente schnell widerlegen.

 

Auch hier gilt wiederum, dass gute Gesinnung nicht ausreicht, um befriedigende Lösungen herbeizuführen und dass nur dann befriedigende Ergebnisse erzielt werden können, wenn vor politischen Entscheidungen eine nüchterne, sachliche Ursachenforschung  erfolgt, welche die Vielfalt der Ursachen und die Komplexität unserer Gesellschaft angemessen berücksichtigt.