Arbeitszeitreduzierung
als Mittel zur
Beseitigung der Arbeitslosigkeit
Gliederung:
1. Ausgangspunkt
2. Hypothesen zur Stagnation in der
Arbeitsnachfrage
3. Die Pläne zur
Arbeitsreduzierung
4. Die Argumentation der
Gewerkschaften
5. Schwierigkeiten der
Umsetzung in Kleinbetrieben
6. Der Anstieg der
Kapitalkosten
7. Forderung nach vollem
Lohnausgleich?
8. Bringt ein Abbau von
Überstunden zusätzliche Arbeitsplätze?
9. Frühverrentung, ein Ausweg
aus der Sackgasse?
8. Kritik an den Thesen zur
Stagnation in der Arbeitsnachfrage
1. Ausgangspunkt
Massenarbeitslosigkeit
besteht in der Mehrzahl der hochentwickelten Staaten seit den 80er Jahren des letzten
Jahrhunderts. Auch in den Zeiten des Konjunkturaufschwungs ließ sich lange Zeit
keine spürbare Reduzierung der Arbeitslosigkeit feststellen. Dieser Sachverhalt
wird im Allgemeinen als Hysterese bezeichnet.
Mit dem Begriff: "Hysterese"
werden im Allgemeinen zwei unterschiedliche Merkmale verbunden: Auf der einen Seite verweist der Begriff darauf, dass
bestimmte wirtschaftliche Phänomene wie vor allem die Arbeitslosigkeit in ihrem
Niveau verharren und sich somit keine Gleichgewichtstendenzen zeigen.
Diese Verharrungstendenz wird darauf zurückgeführt, dass
die heutige Arbeitslosigkeit weniger von den Nachfragefaktoren der heutigen
Periode als vielmehr von vergangenen Ereignissen bestimmt wird. Das hohe Niveau
der heutigen Arbeitslosigkeit wird auf das ebenfalls bereits hohe Niveau der
Arbeitslosigkeit in der Vergangenheit zurückgeführt.
Im Rahmen des human capital-Ansatzes
wird darauf hingewiesen, dass ein Arbeitsloser mit wachsender Dauer der
Arbeitslosigkeit "human capital" verliere und dass sich deshalb die
Chancen, wieder eingestellt zu werden, mit zunehmender Dauer der
Arbeitslosigkeit verschlechtern.
Diese Tendenzen werden bei älteren
Arbeitslosen dadurch noch verstärkt, dass Neueinstellungen für Unternehmungen
immer eine Investition bedeuten, bei denen in den ersten Jahren die Kosten -
Kosten der Anwerbung, Anlernkosten etc. - die Erträge übersteigen, sodass die
Unternehmungen nur dann zu Neueinstellungen bereit sind, wenn eine mehrjährige
Beschäftigungszeit und damit das Hereinholen der anfänglichen Kosten zu
erwarten ist. Weiterhin werden insbesondere Angebotsschocks in der
Vergangenheit für die heutige Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht.
Auf der anderen Seite versteht man unter
"Hysterese" das Abkoppeln des Arbeitsmarktes vom Gütermarkt. Dies gilt insbesondere für Zeiten des
Konjunkturaufschwunges: Obwohl der Gütermarkt bereits einen
Konjunkturaufschwung (einen Nachfrageanstieg und dadurch ausgelöst eine
Mehrproduktion) erkennen lässt, kommt es weder zu einem Anstieg in der Beschäftigung
noch zu einem Rückgang in der Arbeitslosigkeit.
Mögliche Gründe für das Abkoppeln des
Arbeitsmarktes können erstens in einem rigorosen Kündigungsschutz liegen; wenn
in Zeiten der Depression nur wenige Arbeitnehmer entlassen werden, haben die
Unternehmungen in Zeiten des Aufschwunges auch einen geringeren Bedarf an
Neueinstellungen, sie können auf bereits eingestellte Arbeitskräfte zurückgreifen,
die bisher nicht voll eingesetzt wurden, aber trotzdem wegen des Kündigungsschutzes
nicht entlassen werden konnten.
Damit ist jedoch nicht das hohe Niveau
der Arbeitslosigkeit erklärt. Ein rigoroser Kündigungsschutz vermindert und
verzögert jedoch unabhängig vom Arbeiterhorten in der Abschwungsphase den
Umfang der Neueinstellungen in der Aufschwungsphase noch aufgrund eines
weiteren Tatbestandes.
Zu Beginn des Aufschwunges ist für
Unternehmungen noch nicht sicher, ob zusätzliche Aufträge von Dauer sind. Sie
werden deshalb nur dann neue Arbeitskräfte einstellen, wenn sie diese wieder
entlassen können, sofern sie die Konjunkturlage zu optimistisch eingeschätzt
haben. Sie werden eher auf Überstunden ausweichen. Werden nun Überstunden
verboten, besteht die Gefahr, dass die Unternehmungen auf die Ausführung
zusätzlicher Aufträge solange verzichten, als nicht sicher ist, dass dieser
Auftragszuwachs längerfristig anhält. In diesem Falle gehen Produktion und
Beschäftigung weiter zurück. Wir werden auf diesen Zusammenhang weiter unten
noch ausführlich zu sprechen kommen.
Neben einem rigorosen Kündigungsschutz kann auch das
Verhalten der Gewerkschaften zu Hysterese-Erscheinungen beitragen. Versuchen
die Gewerkschaften ein hohes Lohnniveau zu halten, obwohl die Nachfrage nach
Arbeit aus konjunkturellen Gründen zurückgeht, steigt die Arbeitslosigkeit an.
Eine solche expansive Lohnpolitik
widerspricht zwar dem Interesse der gesamten Arbeitnehmerschaft, trotzdem ist
eine solche Politik denkbar, wenn die Gewerkschaftsentscheidungen von den
Arbeitnehmern dominiert werden, die von Kündigungen nicht oder weniger
betroffen werden.
2. Hypothesen zur Stagnation in der Arbeitsnachfrage
Es wird von der
Vorstellung ausgegangen, dass der Umfang der Nachfrage nach Arbeit – in
Arbeitsstunden gerechnet – auf politischem Wege nicht vergrößert werden kann.
Diese Auffassung widerspricht natürlich der neoklassischen Theorie, die von der
Annahme ausgeht, dass – wie alle Märkte – auch der Arbeitsmarkt eine
automatische Tendenz zum Abbau von Ungleichgewichten aufweist, sofern einige
wichtige Voraussetzungen wie vor allem Wettbewerb auf beiden Marktseiten
gegeben sind.
Diese Auffassung
widerspricht aber auch der keynesianischen Theorie, die zwar von der Annahme
ausgeht, dass der Markt auf sich allein gelassen ein Gleichgewicht auf den Gütermärkten
ansteuert, bei dem Unterbeschäftigung herrscht, die aber doch von der optimistischen
Überzeugung getragen ist, dass durch eine expansive Fiskalpolitik sehr wohl
Vollbeschäftigung nachträglich erreicht werden kann.
Als Begründung für den
Glauben, dass durch politische Maßnahmen die Massenarbeitslosigkeit nicht
nachhaltig beseitigt werden kann, dass man also von einer vorgegebenen beschränkten
Arbeitsnachfrage ausgehen müsse, welche nicht ausreicht, um allen arbeitswilligen
und arbeitsfähigen Arbeitnehmern einen Arbeitsplatz zu garantieren, werden
folgende beiden Hypothesen in der Öffentlichkeit vorgetragen:
Man geht davon
aus, dass die Arbeitsnachfrage letztendlich von der Nachfrage nach Konsumgütern
abhängt. Die Nachfrage nach Investitionsgütern wird also hier als letztendlich
von der Konsumgüternachfrage induziert angesehen.
B = f(C) mit B: Arbeitsnachfrage, C: Konsumnachfrage
Wenn also die Arbeitsnachfrage nicht
ausreicht, Vollbeschäftigung zu garantieren, so kann dies entweder daran
liegen, dass in der Nachfrage nach Konsumgütern eine Sättigung eingetreten ist
(Sättigungsthese) oder aber, dass zwar die Konsumnachfrage bei gleich bleibender
Technik ausreichen würde, genügend Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, dass
aber aufgrund technischen Fortschritts zur Erstellung einer Konsumgütereinheit
immer weniger Arbeitskräfte benötigt werden (Roboterisierungsthese).
Wenden wir uns zunächst
der Sättigungs-Hypothese zu: Die Bedürfnisse seien danach begrenzt; das
durchschnittliche Realeinkommen sei nämlich in den letzten Jahrzehnten so stark
gestiegen, dass ein weiterer Nachfragezuwachs nach Konsumgütern in größerem Umfange
nicht zu erwarten sei. Es sei vor allem nicht mehr damit zu rechnen, dass die
durchschnittliche Nachfrage nach Konsumgütern so stark ansteige, dass die
Arbeitslosigkeit in starkem Umfang reduziert werden könne.
Weitere Begründungen für
die Stagnation in der Arbeitsnachfrage liegen in der Hypothese der
Roboterisierung: Zusätzlich wird nämlich die Meinung vertreten, dass der
technische Fortschritt notwendigerweise dazu führe, dass Arbeit immer mehr
durch Kapital ersetzt werde, und zwar dadurch, dass immer mehr Arbeitsvorgänge
von Robotern übernommen werden. Dieser Mechanisierungsprozess führe dazu, dass
immer mehr Arbeitsplätze vernichtet werden und dass die verbleibenden
Arbeitsplätze – trotz hoher Konsumnachfrage – nicht mehr ausreichen, um
Vollbeschäftigung zu ermöglichen.
3. Die Pläne zur
Arbeitsreduzierung
Aus diesen Überlegungen
heraus wurde die politische Vorstellung entwickelt, es sei ungerecht, dass immer
nur ein Teil der Arbeitnehmer - etwa 10% Arbeitslose - die Last dieser
politisch nicht veränderbaren Tatsache einer zu geringen Arbeitsnachfrage
allein zu tragen habe. Aus Gerechtigkeitsgründen müsse gefordert werden, dass
diese Last auf alle Arbeitnehmer gleichmäßig verteilt werde und zwar dadurch,
dass jeder Arbeitnehmer seine Arbeitszeit einschränke, dass jeder Arbeitnehmer
- wenn man so will - ein wenig arbeitslos werde.
Folgende Pläne zur
Realisierung der Einschränkung der Arbeitszeit werden diskutiert:
a) Reduzierung der
wöchentlichen Arbeitszeit,
b) Reduzierung der Überstunden durch Verbot von
Überstunden oder durch die Einrichtung von Freizeitkonten, wobei kurzfristig
geleistete Überstunden wiederum "abgefeiert" werden müssen,
c) Früheres Ausscheiden
aus dem Erwerbsleben und damit Reduzierung des Angebotes von Arbeitskräften.
4. Die Argumentation der Gewerkschaften
Wir beginnen mit dem vor
allem von Gewerkschaften vorgetragenen Plan, die wöchentliche Arbeitszeit zu
reduzieren. Ausgangspunkt bildet die Annahme, es sei technisch möglich, die
gesamte Arbeitsnachfrage (N) - in Arbeitsstunden pro Woche gerechnet - beliebig
auf die einzelnen Arbeitnehmer aufzuteilen.
Es gilt dann folgende
Formel:
N = A * a
wobei N: die Anzahl der
gesamtwirtschaftlich in einer Woche benötigten Arbeitsstunden, A: die Anzahl
der beschäftigten Arbeitnehmer und a: die Anzahl der vom einzelnen Arbeitnehmer
zu leistenden Arbeitsstunden pro Woche bedeuten.
Es wird dabei
stillschweigend unterstellt, dass die Gesamtnachfrage (N) konstant bleibt, wenn
diese Gesamtsumme anders als bisher auf (A) und (a) aufgeteilt wird.
Gehen wir (der Einfachheit
halber) von einer Arbeitslosenrate von circa 10% aus. Wenn demnach die
Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers um ca. 10 % reduziert werde, sei es
auch möglich, etwa 10 % mehr Arbeitnehmer zu beschäftigen, mit der Folge, dass
die Arbeitslosigkeit um diesen Betrag abgebaut und damit Vollbeschäftigung
hergestellt werden könnte.
Bringen wir ein
Beispiel, wobei wir der Einfachheit halber von folgenden Annahmen ausgehen:
Anzahl der
unselbstständigen Arbeitnehmer: 50 Mio.
Zahl der Beschäftigten: 45 Mio.
Zahl der Arbeitslosen:
(10%) 5 Mio.
wöchentliche
Arbeitszeit: 40 Std. pro Woche
Gesamtwirtschaftliche
Nachfrage
nach Arbeitsstunden pro
Woche: 1,8 Mrd. Std.
Es gilt die Gleichung:
N
= A * a also: 1,8 Mrd. Std. = 45 Mio. * 40 Std.
Nach einer etwa 10%-igen
Kürzung der Arbeitszeit auf 36 Std. erhalten wir folgende Gleichung:
1,6 Mrd.= 45 Mio. * 36
Std.
Machen wir uns diese Zusammenhänge anhand untenstehender
Graphik klar. Wir tragen auf der Ordinate die durchschnittliche wöchentliche
Arbeitszeit (a) und auf der Abszisse die Anzahl der Beschäftigten Arbeitnehmer
(A) ab. Wir zeichnen in dieses Diagramm die Arbeitsnachfragekurve ein, die in
diesem Zusammenhang angibt, wie bei einer vorgegebenen und konstant bleibenden
Gesamtarbeitsnachfrage (N) – in Arbeitsstunden pro Woche ausgedrückt – die
Nachfrage nach Arbeitnehmern (A) von der wöchentlichen durchschnittlichen
Arbeitszeit (a) abhängt.
Da – wie bereits
gesagt – die gesamte Arbeitsnachfrage konstant bleibt, stellt die Arbeitsnachfragekurve
eine isoelastische Kurve dar; das Produkt aus Arbeitnehmerzahl (A) und
wöchentlicher Arbeitszeit (a) bleibt also ex definitione konstant.
Wie die Graphik
erkennen lässt, gilt folgende Gleichung:
mit anderen Worten: Eine
prozentuale Kürzung in der wöchentlichen Arbeitszeit um x% führt zu einer
Mehrbeschäftigung von ebenfalls gerade x%. Wenn wir also eine Arbeitslosigkeit
von circa 10% haben und diese auf dem Wege der Arbeitszeitverkürzung beseitigen
wollen, reicht es aus, die wöchentliche Zeit um circa 10% zu verkürzen.
5. Schwierigkeiten der Umsetzung in Kleinbetrieben
Diese Überlegungen
unterliegen allerdings der Kritik. Die Anwendung der Beschäftigungsformel stößt
erstens in Kleinbetrieben auf Schwierigkeiten. Unterstellen wir eine Arbeitszeitreduzierung
von einer Stunde. Bei Betrieben unter 39 Arbeitnehmern reicht die Summe der
frei werdenden Arbeitsstunden nicht aus, einen Arbeitnehmer in Vollzeit (39
Stunden) zu beschäftigen. Unter Umständen besteht allerdings die Möglichkeit,
Teilzeitarbeitsplätze zu schaffen.
Es entsteht auch die
Frage, ob die frei werdenden Arbeitsstunden auf andere Unternehmungen
übertragen werden können. Sicherlich wäre dies nur durch Verlagerung der Produktion
möglich, in diesem Falle wären jedoch in den schrumpfenden Unternehmungen
weitere Arbeitsplätze gefährdet.
Wahrscheinlicher ist es,
dass die betroffenen Unternehmungen durch Rationalisierung das geringere
Arbeitsangebot auszugleichen versuchen. Es entsteht in diesem Falle auch keine
neue Nachfrage nach Arbeitnehmern.
Auch in Klein-Betrieben,
die 39 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigen, entstehen Schwierigkeiten bei der
Umsetzung dieses Planes. Bringen wir wiederum ein Beispiel: In einem Betrieb
mit 39 Beschäftigten, von denen jeder eine andere Aufgabe besitzt und deshalb
auch im Prinzip andere Qualifikationen aufweist, reichen zwar rein rechnerisch
die frei werdenden Arbeitsstunden aus, um mindestens eine neue Arbeitskräfte
einzustellen. Faktisch sind jedoch trotzdem diese Möglichkeiten nicht gegeben.
Diese Arbeitskraft müsste nämlich über ein Allround-Wissen verfügen, da sie
ohne Änderung in Technik und Organisation 39 unterschiedliche Arbeiten für je 1
Stunde verrichten müsste.
Damit dieser Plan entsprechend
der oben genannten Formel voll umgesetzt werden kann, muss ein Betrieb in
unserem Beispiel (Arbeitszeitkürzung von einer Stunde) von jeder beruflichen
Qualifikation mindestens 39 Arbeitnehmer beschäftigen. Da vor allem im Verwaltungsbereich
auch Arbeitskräfte gleicher Qualifikation oftmals individuell eingesetzt werden,
würde es in unserem Beispiel noch nicht einmal ausreichen, dass von jeder
Qualifikation im Verwaltungsbereich mindestens 39 Angestellte beschäftigt
werden.
Somit lassen sich diese
Pläne der Arbeitszeitverkürzung nur in Großunternehmungen und dort nur in den
Produktionsbereichen im engeren Sinne verwirklichen; gleichzeitig funktioniert
die Umsetzung in der Regel nur dort, wo größere Änderungen in der Produktionstechnik
und Organisation möglich sind.
Ein Beispiel einer
solchen Lösung ist der Übergang zum Schichtbetrieb. Allerdings muss hinzugefügt
werden, dass sich keinesfalls alle Produktionen zum Schichtbetrieb eignen. Und
auch dort, wo aus technischen Gründen Schichtbetrieb an und für sich technisch
möglich ist, steht diese Lösung oftmals nicht mehr zur Verfügung, da ein
Großteil von Unternehmungen von diesen Möglichkeiten bereits Gebrauch gemacht
hat. Es ergibt sich also folgendes Fazit: Die Umsetzung dieses Planes wird in
praxi zu einem wesentlich geringeren Zuwachs von Arbeitsplätzen führen als die
oben genannte Formel vermuten lässt.
6. Der Anstieg der Kapitalkosten
Eine zweite
Schwierigkeit entsteht dadurch, dass die Umsetzung dieser Pläne zur Arbeitszeitkürzung
in der Regel zu einer Zunahme der Kapitalkosten führt. Dies gilt insbesondere
für den Verwaltungsbereich. Nehmen wir das Beispiel eines Büros mit
Schreibkräften. Eine neue Schreibkraft benötigt auch einen neuen Arbeitsplatz
(mit zusätzlichem Raumbedarf, Arbeitsmöbel, Computer etc.) Nur in den
seltensten Fällen dürfte es möglich sein, die neu eingestellten Arbeitskräfte
während der Zeiten zu beschäftigen, in denen die bisher Beschäftigten Freizeit
in Anspruch nehmen und sie an die Arbeitsplätze zu setzen, die zu anderen
Zeiten von anderen Beschäftigten belegt sind. Überall dort, wo technische und
organisatorische Änderungen notwendig werden, entstehen ebenfalls zusätzliche
Kosten, einmalige Kosten der Umsetzung der Änderung, sowie in der Regel auch laufende
Kosten.
Wie sich dieser erhöhte
Kapitalbedarf auf die Beschäftigung auswirkt, hängt entscheidend von der Art
der Arbeitslosigkeit ab. Es entspricht allgemeiner Überzeugung, dass die heutige
Arbeitslosigkeit schwergewichtig klassischer Natur ist, dies bedeutet, dass ein
Anstieg in den Stückkosten automatisch dazu führt, dass die Gesamtzahl der
nachgefragten Arbeitsstunden zurückgeht.
Die Annahme, die
Gesamtarbeitsstundenzahl (N) bleibe konstant, ist in diesem Falle falsch, und
der partiell beschäftigungssteigernde Effekt aufgrund der
Arbeitszeitreduzierung wird zum Teil dadurch wiederum aufgehoben, dass die
Gesamtarbeitsstundenzahl (N) zurückgeht. Trotzdem mag immer noch ein gewisser
positiver beschäftigungssteigernder Nettoeffekt bestehen bleiben.
7. Forderung nach vollem
Lohnausgleich?
Ob und in welchem Umfang
der erwünschte Beschäftigungseffekt eintritt, hängt drittens entscheidend davon
ab, inwieweit der gewerkschaftlichen Forderung nach vollständigem Lohnausgleich
entsprochen wird.
Unter vollständigem Lohnausgleich
versteht man eine Regelung, bei welcher der einzelne Arbeitnehmer trotz
Reduzierung der Arbeitszeit die gleiche Lohnsumme pro Woche (Monat) erhält. Die
Forderung nach vollständigem Lohnausgleich ist somit identisch mit der
Forderung, den Lohnsatz pro Arbeitsstunde (l) um den gleichen Prozentsatz zu
erhöhen, zu dem die Arbeitszeit (a) reduziert wird.
Die Realisierung eines
vollständigen Lohnausgleiches ist allerdings zu unterscheiden von der Frage,
wie sich in einer konkreten Tarifverhandlung die tatsächliche Lohnsumme pro
Woche verändert. Wir haben davon auszugehen, dass in der Regel Produktivitätssteigerungen
erzielt werden, aufgrund derer eine Lohnsatzsteigerung und damit auch ceteris paribus
eine Lohnsummensteigerung möglich wird. Denkbar wäre also durchaus, dass trotz
Verzichtes auf einen vollständigen Lohnausgleich bei einer Arbeitszeitkürzung
die Lohnsumme konstant bleibt.
Bringen wir wiederum ein
Beispiel: Die geplante Arbeitszeitverkürzung betrage 3%. Auch die erwartete
Zunahme in der Arbeitsproduktivität belaufe sich auf 3%. Es finde kein
Lohnausgleich statt, aber es würde eine Lohnerhöhung entsprechend der
Produktivitätssteigerung zwischen den Tarifparteien vereinbart. In diesem Falle
führt die Produktivitätsanpassung partiell zu einer Lohnsummenerhöhung von ca.
3%, die Arbeitszeitverkürzung zu einem partiellen Rückgang der Lohnsumme wiederum
von 3%, so dass die Lohnsumme per Saldo ungefähr konstant bleibt. Trotzdem kann
man hier nicht von einem vollen Lohnausgleich sprechen.
Die Haltung der
Gewerkschaften zu der Frage nach vollständigem Lohnausgleich ist unterschiedlich.
Auf der Ebene des DGB wird bisweilen sehr wohl akzeptiert, dass die Forderung
nach vollem Lohnausgleich aufgegeben werden müsse; auf der Ebene der
tarifverhandlungsführenden Industriegewerkschaften wird - vor allem in
Zusammenhang mit konkreten Tarifverhandlungen - fast immer an der Forderung
nach einem vollen Lohnausgleich festgehalten. Auch die Haltung der Arbeitnehmer
selbst entspricht eher der Forderung nach vollem Lohnausgleich. Man ist nicht
bereit, zur Verringerung der Arbeitslosigkeit auf Lohneinkommen zu verzichten.
Wie wirkt sich nun die
Durchsetzung eines vollen Lohnausgleiches auf die Beschäftigung aus? Die Erhöhung
der Lohnsätze pro Stunde kommt einer Erhöhung der Stückkosten gleich mit der
Folge, dass bei Vorliegen klassischer Arbeitslosigkeit die Gesamtnachfrage nach
Arbeitsstunden (N) zurückgeht.
Während jedoch bei
unseren bisherigen Überlegungen davon ausgegangen werden konnte, dass zwar die
Zunahme in der Zahl der Beschäftigten längst nicht so groß ausfällt, wie es die
Formel rechnerisch vermuten lässt, dass aber trotzdem ein positiver,
beschäftigungssteigender Effekt bestehen bleibt, ist mit der Forderung nach
vollständigem Lohnausgleich die Gefahr verbunden, dass per Saldo u. U. sogar
die Zahl der Beschäftigten zurückgeht.
Für die Frage der
Beschäftigungswirkung per Saldo ist nämlich von entscheidender Bedeutung, um
wie viel Prozent die Gesamtnachfrage nach Arbeitsstunden (N) zurückgeht, wenn
die Arbeitszeit um x% (mit vollem Lohnausgleich) verkürzt wird. Unterstellen
wir den zwar unrealistischen, aber günstigsten Fall, dass eine x % ige
Arbeitszeitverkürzung erstens in den einzelnen Betrieben voll umgesetzt werden
könnte und dass zweitens auch keine zusätzlichen Kapitalkosten anfallen würden.
In diesem Falle würde
bei gleichbleibendem (N) die Zahl der Beschäftigten (A) um ca. x % partiell
steigen. Gleichzeitig würde jedoch (N) und damit natürlich auch wiederum (A) aufgrund
der Lohnsatzsteigerung um ca. y % entsprechend der Beschäftigungsfunktion partiell
sinken.
Wie groß diese partielle
Beschäftigungsminderung (N) ausfällt, hängt von der Nachfrageelastizität nach
Arbeit ab. Im Zusammenhang mit der Diskussion über die Kaufkrafttheorie konnte
nun gezeigt werden, dass bei Annahme einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion die
Nachfrageelastizität notwendiger Weise größer 1 ist.
In diesem Falle ist der
partielle Beschäftigungsrückgang aufgrund der Lohnsatzsteigerung um y % auf
jeden Fall größer als x %, mit der Folge, dass per Saldo die Zahl der Beschäftigten
sogar absolut zurückgeht.
Betrachten wir hierzu
das untenstehende 4-Quadranten-Diagramm. Im Nordost-Quadranten tragen wir auf
der Ordinate den Lohnsatz (l) und auf der Abszisse die Beschäftigung (N) ab.
Die Beschäftigungsfunktion gibt hierbei an, wie sich die BBeschäftigung (N) mit
wachsendem Lohnsatz (l) verändert. Wir unterstellen eine
Cobb-Douglas-Produktionsfunktion mit einer Produktionselastizität der Arbeit
größer eins. Im Südost-Quadranten tragen wir auf beiden Achsen die
Beschäftigung (N) ab, mit Hilfe der 45°-Linie können wir die dem Lohnsatz (l)
jeweils entsprechende Beschäftigung in den Südwest-Quadranten übertragen.
Dieser Quadrant misst
auf der Ordinate wiederum die Beschäftigung (N), auf der Abszisse hingegen die
wöchentliche, durchschnittliche Arbeitszeit (a). Der Winkel (Tangens N/a) gibt
dann die Anzahl der benötigten Arbeitskräfte (A) an. Der Nordwest-Quadrant
schließlich zeichnet die Beziehungen zwischen Lohnsatz (l) und Arbeitszeit (a)
auf, bei Unterstellung eines vollen Lohnausgleiches handelt es sich hierbei ex
definitione um eine isoelastische Kurve, die Lohnsumme: das Produkt aus Lohnsatz
(l) mal Arbeitszeit (a) bleibt konstant.
Die
Lohnsatzsteigerung (über den Produktivitätszuwachs hinaus) führt entsprechend
der Beschäftigungsfunktion im Nordost-Quadranten zu einem Rückgang der
Beschäftigung (N) mit der Folge, dass auch die Nachfrage nach Arbeitskräften (A)
notwendigerweise sinkt. Da wir eine Elastizität der Arbeitsnachfrage größer
eins unterstellen, ist der partielle Rückgang der Nachfrage nach Arbeitskräften
ex definitione größer als der partielle Zuwachs an Arbeitsnachfrage aufgrund
der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit (a).
Fassen wir die
Ergebnisse zusammen: Ob eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit zu einer
Mehrbeschäftigung führt, hängt entscheidend davon ab, ob in den Tarifverhandlungen
ein voller Lohnausgleich vereinbart wird. Bei vollem Lohnausgleich muss sogar
mit einer Zunahme der Arbeitslosigkeit gerechnet werden, zumindest dann, wenn
wir Produktionsfunktionen vom Typ Cobb Douglas voraussetzen. Ohne Lohnausgleich
führt zwar die Arbeitszeitverkürzung in der Regel zu einer gewissen
Mehrbeschäftigung, die aber im Allgemeinen wesentlich geringer ausfällt als die
aufgezeigte Formel vermuten lässt.
8. Bringt ein Abbau von Überstunden zusätzliche Arbeitsplätze?
Wenden wir uns nun dem Plan zu, die Arbeitszeitverkürzung
auf dem Wege zu erreichen, dass ein Abbau von Überstunden erfolge, entweder
dadurch, dass Überstunden generell verboten würden oder dadurch, dass
Überstunden innerhalb eines Zeitraumes (z. B. eines Jahres) wiederum durch
Inanspruchnahme von zusätzlicher Freizeit abgefeiert werden müssten.
Rein rechnerisch gilt auch hier wiederum, dass in dem
Umfang, in dem Überstunden abgebaut werden, neue Arbeitskräfte eingestellt
werden können. Bringen wir auch hier ein Beispiel: Wir wollen unterstellen,
dass 45 Mill. Arbeitnehmer beschäftigt werden und dass jeder Arbeitnehmer im
Durchschnitt in der Woche 4 Überstunden leiste, das sind bei einer
40-Stundenwoche gerade 10% der Arbeitszeit. Würde es nun gelingen, alle
Überstunden abzubauen, dann würde den Unternehmungen ein Ausfall von 45 Mill.
(Arbeitnehmer) mal 4 = 180 Mill. Arbeitsstunden pro Woche entstehen. Würde die
Gesamtarbeitsnachfrage (N) hiervon unberührt bleiben, müssten die Arbeitgeber
insgesamt 180 Mill. / 40 (Arbeitsstunden/pro Woche) = 4,5 Mill. Arbeitskräfte
neu einstellen. Also auch auf diesem Wege könnte rein rechnerisch die
Arbeitslosigkeit fast vollkommen beseitigt werden.
In der Realität würde sich natürlich auch dann, wenn die
Gesamtbeschäftigung (N) konstant bliebe, eine wesentlich geringere
Mehrbeschäftigung an Arbeitnehmern errechnen, da davon ausgegangen werden
müsste, dass auch bei einem generellen Überstundenverbot immer zahlreiche
Ausnahmen vorgesehen werden müssten. Aufgrund von Unfällen und einmaligen
Ereignissen werden immer bestimmte Arbeiten verrichtet werden müssen, die über
die normale Arbeitszeit hinausgehen. Wollte man auch in diesem Falle die
Möglichkeit von Überstunden ausschließen, käme es notwendigerweise zu
zahlreichen Produktionsausfällen; die Arbeitslosigkeit würde noch mehr steigen.
Aber auch die
Annahme, dass die Gesamtarbeitsnachfrage (N) von der Reduzierung der
Überstunden unberührt bleibe, ist unrealistisch. Wenn sich die
Absatzmöglichkeiten einer Unternehmung vergrößern, hat die Unternehmung im
Allgemeinen zwei Möglichkeiten, auf diese Verbesserung der Absatzlage zu
reagieren. Sie kann den Versuch unternehmen, diese neuen Aufträge dadurch zu
erfüllen, dass die Mehrproduktion von der bereits bestehenden Belegschaft und
zwar durch Überstunden geleistet wird. Oder aber die Unternehmung stellt zur
Realisierung der Mehrproduktion neue Arbeitskräfte ein.
Welche dieser beiden Alternativen eine
Unternehmung wählt, hängt entscheidend davon ab, ob die Unternehmung davon ausgeht,
dass die zusätzlichen Aufträge von Dauer oder nur einmaliger Natur sind. Im
Grunde genommen handelt es sich hierbei um eine Kostenfrage. Geht die
Unternehmung davon aus, dass die zusätzlichen Aufträge einmaliger Natur sind,
lohnt es sich für sie nicht, neue Arbeitskräfte einzustellen. Mit jeder
Neueinstellung sind einmalige Fixkosten verbunden, es müssen Werbungskosten
aufgebracht werden, um neue Arbeitskräfte zu finden und die besten
Arbeitskräfte auszuwählen; diese neueingestellten Arbeitskräfte müssen aber
auch eingelernt werden, um die zu verrichtenden Arbeiten erfüllen zu können.
Es ist nun falsch zu meinen, man könne
durch Verbot von Überstunden die Unternehmungen zwingen, zusätzliche Aufträge
stets durch Neueinstellung zu erfüllen. Solange nämlich eine Unternehmung davon
ausgehen muss, dass die zusätzlichen Aufträge einmaliger Natur sind, lohnt es
sich in der Regel nicht, die mit der Neueinstellung verbundenen einmaligen
Zusatzkosten aufzubringen, die Unternehmung stellt sich u. U. besser, diesen
Zusatzauftrag gar nicht anzunehmen. Dies bedeutet aber, dass die Gesamtnachfrage
(N) zurückgeht. Diese Gefahr, dass zusätzliche Aufträge gar nicht angenommen
werden, wenn die Möglichkeit zu Überstunden entfällt, ist nun besonders groß,
wenn wir einen rigorosen Kündigungsschutz haben. Von rigorosem Kündigungsschutz
spricht man immer dann, wenn betriebsbedingte Kündigungen unmöglich oder
erschwert werden.
Nehmen wir an, dass eine Unternehmung
aufgrund einiger Zusatzaufträge neue Arbeitskräfte eingestellt habe, dass sie
aber nachträglich feststellen musste, dass es sich um einmalige Aufträge
gehandelt hat und dass die neu eingestellten Arbeitskräfte nicht mehr benötigt
werden. Wenn aufgrund des rigorosen Kündigungsschutzes diese neu eingestellten
Arbeitskräfte nicht mehr oder nur unter Aufwendung hoher Kosten (z. B.
Gerichtskosten) entlassen werden können, entstehen der Unternehmung im
Zusammenhang mit der Neueinstellung nicht nur einmalige Kosten der Anwerbung
und des Anlernens, sondern über ein längere Zeit hinweg Arbeitskosten, ohne
dass diese Arbeitnehmer ertragsbringend eingesetzt werden können. Dieser
Umstand wird die Unternehmer vermehrt dazu bringen, auf Zusatzaufträge zu
verzichten, wenn sie nicht sicher sein können, dass mit Zusatzaufträge auf
Dauer zu rechnen ist.
Gerade dieser aufgezeigte Zusammenhang
ist vor allem beim Beginn eines Konjunkturaufschwunges von besonderer Bedeutung.
Ein Konjunkturaufschwung vollzieht sich im Allgemeinen dadurch, dass sich die
Auftragslage zunächst vereinzelt verbessert und dass im Aufschwung zunächst
überhaupt nicht klar ist, ob es sich nur um vereinzelte Zusatzaufträge handelt
oder ob diese Zusatzaufträge den Beginn eines allgemeinen Aufschwunges anzeigen.
Gerade in einer solchen Situation kann das Verbot, auf eine vorübergehende Überstundenregelung
auszuweichen, dazu führen, dass der Aufschwung hinausgezögert wird, mit der
Folge, dass die oben bereits geschilderten Hystereseerscheinungen auftreten und
das Nachhinken des Arbeitsmarktes hinter der Aufwärtsentwicklung auf den
Gütermärkten bewirken. Wir können somit festhalten: Ein generelles Überstundenverbot
ist sicherlich kein geeignetes Mittel, auf diesem Wege die Arbeitslosigkeit
entscheidend abzubauen.
9. Frühverrentung, ein Ausweg aus der Sackgasse?
Wenden wir uns schließlich dem dritten zur Diskussion stehenden
Plan einer Arbeitszeitverkürzung: der Möglichkeit einer Frühverrentung zu. Auch
hier gilt wiederum: Rein rechnerisch kann davon ausgegangen werden, dass bei
Konstanz der Gesamtarbeitsnachfrage (N) genauso viel Arbeitnehmer zusätzlich
neu eingestellt werden können wie ältere Arbeitskräfte aufgrund der Möglichkeit
der Frühverrentung aus dem Erwerbsleben vorzeitig ausscheiden.
Aber auch hier
gibt es mehrere Gründe, die daran Zweifel erwecken, ob diese positive Beschäftigungswirkung
tatsächlich eintritt. Als erstes muss mit der Gefahr gerechnet werden, dass die
Unternehmungen die Frühverrentung ihrer älteren Arbeitskräfte zum Anlass
nehmen, die Produktion auf ein kapitalintensiveres Produktionsverfahren
umzustellen. Es ist möglich, dass eine solche Umstellung für die Unternehmungen
schon sehr lange vorteilhaft gewesen wäre, dass diese aber aufgrund des Kündigungsschutzes
vor allem der älteren Arbeitnehmer bisher nicht möglich war.
Kommt es zu einer
solchen Umstellung im technischen Verfahren, so geht die Gesamtarbeitsnachfrage
(N) ceteris paribus, d. h. bei gegebener Güterproduktion zurück, es werden
deshalb auch sehr viel weniger Arbeitskräfte neu eingestellt als ältere
Arbeitskräfte vorzeitig aus der Unternehmung ausscheiden. Wie groß dieses
Missverhältnis im Einzelnen ist, hängt natürlich von der Kapitalintensität der
neu gewählten technischen Verfahren ab, wobei die Kapitalintensität der
Produktionsverfahren vor allem von dem vorherrschenden Lohn-Zins Verhältnis
bestimmt wird.
Je mehr die Gewerkschaften
im Rahmen einer expansiven Lohnpolitik den Versuch unternehmen, die Löhne
stärker als die Arbeitsproduktivität wachsen zu lassen und je mehr die
Notenbank über eine expansive Geldpolitik, also über Zinssenkungen die
Konjunktur anzuheizen versucht, umso größer ist das Lohn/Zins-Verhältnis und
damit das aufgezeigte Missverhältnis und umso größer ist der Anreiz der
Unternehmungen, zu kapitalintensiveren Produktionsverfahren überzugehen.
Es muss weiterhin
überprüft werden, welchen Einfluss eine allgemeine Frühverrentung auf die
Konsumgüternachfrage und damit indirekt auf die Gesamtnachfrage nach Arbeitskräften
(N) hat. Zwei Wirkungsketten sind hierbei von Bedeutung: Auf der einen Seite
wird die Konsumquote der älteren Arbeitnehmer, die von der Frühverrentung
betroffen sind, stark zurückgehen. Auf der anderen Seite dürfte die Konsumquote
der bisher arbeitslosen und nun neu eingestellten Arbeitnehmer ansteigen. Man
kann nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass der partielle Rückgang der
Konsumquote der älteren Arbeitskräfte gerade kompensiert oder sogar
überkompensiert wird durch den partiellen Anstieg bei den neu eingestellten
Arbeitnehmern. Die gesamtwirtschaftliche Konsumquote kann auch zurückgehen und
dass wiederum würde bedeuten, dass die Möglichkeit einer Reduzierung der
Arbeitslosigkeit um ein weiteres reduziert würde.
Viel wichtiger als
die hier bereits besprochenen Einwände ist der Umstand, dass bei einer
Frühverrentung vielleicht zwar das eine große soziale Problem der heutigen
Zeit: die Massenarbeitslosigkeit in geringem Umfang verringert werden kann,
dass aber dieser Erfolg in der Beschäftigungspolitik dadurch erkauft wird, dass
das andere große soziale Problem unserer Zeit: die Finanzkrise in der
gesetzlichen Rentenversicherung auf diese Weise weiter verschärft würde.
Die gesetzliche
Rentenversicherung steht vor dem Problem, dass seit mehreren Jahrzehnten auf
der einen Seite die Geburtenrate zurückgegangen ist und auf der anderen Seite
die Lebenserwartung der Menschen in starkem Maße angestiegen ist. Beide
Faktoren tragen dazu bei, dass sich das Zahlenverhältnis zwischen der
arbeitenden Bevölkerung, welche letztendlich für die Finanzierung der Renten
aufkommen muss, und den aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen älteren Personen
drastisch verschlechtert hat. So kamen auf einen Rentner in der Zeit
unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg noch etwa drei erwerbstätige Erwerbspersonen,
während für das Jahr 2030, in welchem der Gipfelpunkt der Verschlechterung in
der Bevölkerungsstruktur erreicht sein dürfte, auf jeden Rentner etwa fast nur
noch ein Erwerbstätiger (genau 70%) kommen wird.
Bei einer solchen
Entwicklung in der Bevölkerungsstruktur müsste – bei Beibehaltung der
bisherigen Erwerbslebenszeit – der Beitragssatz zur Rentenversicherung auf über
40% angehoben werden oder aber die durchschnittliche Rente etwa halbiert
werden. Es ist ganz klar, dass beide Extremlösungen unakzeptabel sind und dass
deshalb der einzige mögliche Weg aus der Krise darin bestand, dass die Große
Koalition eine stufenweise Verlängerung der Erwerbszeit auf 67 Jahre
beschlossen hat. Wollte man hingegen die Erwerbszeit allgemein reduzieren,
wären die Folgen für die Rentenversicherung noch größer als bereits aufgezeigt.
Die Frühverrentung ist somit kein akzeptabler Ausweg zur Reduzierung der
Arbeitslosigkeit.
10. Kritik an den Thesen zur Stagnation der Arbeitsnachfrage
Bei unseren bisherigen
Überlegungen unterstellten wir stillschweigend, dass die Gesamtnachfrage nach
Arbeitsstunden auf politischem Wege wegen der Gültigkeit der Sättigungsthese
und/oder der Roboterisierungsthese nicht entscheidend vergrößert werden könne.
Beide Thesen sind jedoch fragwürdig.
Wie vor allem Joseph
Alois Schumpeter bereits aufgezeigt hat, traten im Verlaufe der Geschichte
schon seit dem Altertum immer wieder in Zeiten wirtschaftlicher Rückschläge Autoren
auf, die eine Sättigung der Nachfrage behaupteten und die im Sinne einer
Unterkonsumtionstheorie nachzuweisen versuchten, dass diese Sättigung zu
Arbeitslosigkeit führen müsse.
Schumpeter hat gezeigt,
dass diese These von der Sättigung immer wieder durch wirtschaftliche
Aufschwünge widerlegt wurde. Die These von der Sättigung gilt nämlich immer nur
für eine relativ kleine, reiche Bevölkerungsschicht. Wenn wir die heutige Zeit
nehmen, so gilt die Sättigungsthese sicherlich nicht für die einzelnen
Entwicklungsländer, aber auch nicht für diejenigen Industrienationen, die nicht
an der Spitze der ersten zehn reichsten Nationen stehen.
Aber auch für die
wenigen reichen Nationen gilt, dass allenfalls eine Minderheit bereits ein
Konsumniveau erreicht hat, bei dem eine weitere Ausweitung des Konsums nicht
mehr möglich erscheint. Auch gelten diese Thesen immer nur für einen gegebenen
Wissensstand, wiederholt wurden durch technische Erfindungen neue Bedürfnisse
kreiert. Auch im Hinblick auf die Frage der Erwünschtheit einer Mehrnachfrage
ist auf Verbesserungen im Unfallbereich, im Umweltbereich, in der Bauweise usw.
hinzuweisen.
In ähnlicher Weise ist auch
die Roboterisierungsthese fragwürdig. Namhafte Wissenschaftler, wie z. B. Erich
Streißler haben nachgewiesen, dass der technische Fortschritt der Vergangenheit
im Durchschnitt keinesfalls ausschließlich oder auch nur überwiegend arbeitssparend
(kapitalverbrauchend) war. Trotzdem mag es richtig sein, dass in den beiden letzten
Jahrzehnten der technische Fortschritt vorwiegend arbeitssparend ausgefallen
ist.
Dieser Bias erklärt sich
jedoch nicht daraus, dass diese Entwicklung technisch eindeutig und unveränderlich
vorgegeben ist, sie ist vielmehr Ergebnis einer ganz bestimmten Entwicklung in
den Lohn-Zins-Verhältnissen. Je höher das Lohn-Zins-Verhältnis ist, umso mehr
lohnt sich für die Unternehmungen die Steigerung der Kapitalintensität und die
Einführung arbeitssparenden technischen Fortschritts.
Die Zunahme des
Lohn-Zinsverhältnisses wurde selbst wiederum ausgelöst einmal durch eine
expansive Lohnpolitik der Arbeitnehmer, insbesondere im unteren Lohnbereich,
sowie durch eine keynesianische Politik des billigen Geldes. Steigt der
Lohnsatz und sinkt gleichzeitig der Zinssatz, so steigt das
Lohn-Zins-Verhältnis (l/i ) besonders stark, wenn
sowohl (l) als auch (i) sinken .
Arbeitssparender
technischer Fortschritt ist zwar sinnvoll, wenn der Arbeitsfaktor knapp wird.
Die langfristige Entwicklung einer Volkswirtschaft tendiert in der Tat in diese
Richtung, da auf der einen Seite der Faktor Kapital zunimmt, auf der anderen
Seite Arbeit wegen Bevölkerungsstagnation und wegen eines größeren
Freizeitbedürfnisses zurückgeht.
Es stellt jedoch keinen
wirtschaftlichen Fortschritt dar, wenn größere Arbeitslosigkeit besteht und
trotzdem arbeitssparender technischer Fortschritt durchgeführt wird. Hier wäre
die Wohlfahrtssteigerung größer, wenn auf bestimmte arbeitssparende
Rationalisierungen verzichtet würde und wenn deshalb weniger Arbeitnehmer
arbeitslos würden. Eine solche Technikentwicklung wäre durchaus möglich, wenn
das Lohn-Zins-Verhältnis die Knappheiten der Produktionsfaktoren widerspiegeln
würde.