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Gliederung der Vorlesung:

 

01. Gegenstand und Aufgaben

02. Währungspolitik: Historische Einführung

03. Währungspolitik: Theoretische Grundlagen

04. Währungspolitik: Das Instrumentarium

05. Währungspolitik: Die policy-mix-Strategie

06. Handelspolitik: Historische Einführung

07. Handelspolitik: Theoretische Grundlagen

08. Handelspolitik: Das handelspolitische Instrumentarium

09. Arbeitsmarktpolitik

10. Kapitalmarktpolitik

11. Integrationspolitik 

12. Politik  zugunsten der Entwicklungsländer

 

Kapitel 5: Währungspolitik: Die policy-mix-Strategie

 

 

Gliederung:

 

01. Das Problem

02. Entwicklung der Politiklinien

03. Stabilität des policy-mix

04. Kritik an den Annahmen des Modells

 

 

01. Das Problem

 

Im vorhergehenden Kapitel hatten wir gesehen, dass sich alle bekannten Währungssysteme dadurch auszeichnen, dass mindestens eines der Ziele der Außenwirtschafts- und Konjunkturpolitik nicht erreicht wird.

 

Es wurde nun von Harry G. Johnson und Robert A. Mundell die These entwickelt, dass dieser Zielkonflikt darauf zurückzuführen sei, dass im Sinne Jan Tinbergens die Anzahl der selbständigen Mittel um eins kleiner sei als die Anzahl der Ziele, dass aber dann, wenn die traditionelle Kopplung zwischen Geld- und Fiskalpolitik aufgehoben würde, dieser Zielkonflikt vermieden werden könnte, weil dann den vier Zielen auch vier unabhängige Mittel gegenüberstünden. Man sprach in diesem Zusammenhang von einer policy mix-Strategie.

 

Die für die Außenwirtschaft relevanten vier Ziele sind:

 

·        die Wechselkursstabilität,

·        der DB-Ausgleich,

·        die freie Konvertibilität und

·        eine autonome Konjunkturpolitik.

 

Zu den Mitteln der Außenwirtschaftspolitik zählen in diesem Falle:

 

·        die Zinsänderungen,

·        die Staatsausgaben,

·        die Devisenkontrollen sowie

·        die Wechselkursvariationen.

 

Im Rahmen der bisherigen keynesianischen Konjunkturpolitik war die Notenbank stets gehalten, die fiskalpolitischen Maßnahmen der Regierung zu unterstützen. Verfolgte die Regierung eine expansive Fiskalpolitik, in dem sie die Staatsausgaben bei Konstanz der Steuereinnahmen vergrößerte, hatte die Notenbank diese Politik dadurch zu unterstützen, dass sie ebenfalls eine expansive Geldpolitik einleitete und bei gleichbleibenden Zinssätzen die umlaufende Geldmenge ausweitete. In gleicher Weise sollte eine kontraktive Fiskalpolitik des Staates durch eine kontraktive Geldpolitik begleitet werden.

 

Folgt man nun den Empfehlungen Johnsons und Mundell‘s, so sollte die Notenbank mit ihrer Diskontsatzpolitik lediglich einen Devisenbilanz-Ausgleich verfolgen. Der Staat hingegen sollte mit seiner Fiskalpolitik lediglich eine Konjunkturstabilisierung anstreben. Die These von Mundell lautet:

 

Wenn die Notenbank den Diskontsatz an der Devisenbilanz ausrichtet, der Staat hingegen sein Defizit an der konjunkturpolitisch angestrebten Inlandsprodukt-Höhe, könnten beide Ziele (Devisenbilanzausgleich sowie  Konjunkturstabilisierung) zur gleichen Zeit voll realisiert werden. Während bisher der Zinssatz an den vom Staat vorgegebenen konjunkturpolitischen Erfordernissen auszurichten war und deshalb die Geldpolitik neben der Fiskalpolitik gar nicht als ein unabhängiges Instrument angesehen werden konnte, gehen nun – folgt man dem Vorschlag der policy mix Strategie  – Geld- und Fiskalpolitik eigene Wege, sie sind nun voneinander unabhängige Mittel.

 

 

02. Entwicklung der Politiklinien

 

Wir wollen im Folgenden die policy mix-Strategie anhand eines Diagramms erläutern, auf dessen Abszisse der von der Notenbank festgelegte Leitzins (i) und auf dessen Ordinate der Umfang der Staatsausgaben (G) abgetragen wird. Der Einfachheit halber wollen wir unterstellen, dass der Umfang der Steuereinnahmen von den Variationen der Staatsausgaben nicht beeinflusst wird. Man hätte auf der Ordinate anstelle der Staatsausgaben auch die Höhe des Budgetdefizites abtragen können.

 

Zur Darstellung der Funktionsweise der policy mix- Strategie benötigen wir zwei Kurven, die sogenannte Konjunkturlinie sowie die Zahlungsbilanzlinie. Es soll als erstes die Konjunkturlinie entwickelt werden. Sie gibt an, welche Staatsausgabenhöhe bei alternativen Zinssätzen notwendig ist, um das konjunkturpolitische Ziel der Regierung zu erreichen.

 

Ziel der staatlichen Fiskalpolitik ist es, die Staatsausgabenhöhe so festzulegen, dass ein Inlandsprodukt erreicht wird, bei dem Vollbeschäftigung herrscht. Anstelle dass wir als einziges konjunkturpolitisches Ziel lediglich Vollbeschäftigung anstreben, könnte man allerdings auch als konjunkturpolitisches Ziel zusätzlich die Geldwertstabilität anstreben. Zwar ist es primäre Aufgabe der Notenbank, Geldwertstabilität zu garantieren. Trotzdem gilt es zu berücksichtigen, dass bei Zunahme der effektiven Nachfrage von einem bestimmten Produktionsumfang an nicht nur das reale Inlandsprodukt ansteigt, sondern gleichzeitig das Preisniveau. Man könnte dann von einem politisch formulierten Kompromiss ausgehen und eine Höhe des Inlandsproduktes bestimmen, bei der die Arbeitslosigkeit weitgehend abgebaut wurde und gleichzeitig die Inflationsrate noch relativ gering ist.

 

Das Inlandsprodukt hängt nun aber nicht nur von der Höhe der Staatsausgaben ab, sondern wird vom Umfang der gesamten effektiven Nachfrage bestimmt. Wenn wir der Einfachheit halber von einer vorgegebenen Sparneigung ausgehen, so hängt die Frage, bei welcher Staatsausgabenhöhe ein Vollbeschäftigungseinkommen erzielt wird, vor allem auch davon ab, welchen Umfang die privaten Investitionen erreichen. Die Investitionssumme hängt jedoch selbst wiederum von der Zinshöhe ab. Je höher nämlich der Zinssatz ist, umso geringer ist das Investitionsvolumen und umso höher müssen deshalb die Staatsausgaben angesetzt werden, um das Vollbeschäftigungsziel zu erreichen.

 

Die Konjunkturlinie gibt nun an, bei welchen Kombinationen von Staatsausgabensumme und Zinssatzhöhe das konjunkturpolitische Ziel erreicht wird.

 

Anstatt dass man das Defizit des Staatsbudgets als konjunkturpolitisches Instrument der Regierung ansieht, könnte man mit Haavelmo berücksichtigen, dass auch von der Zunahme im Umfang eines ausgeglichenen Budgets gewisse expansive Effekte auf das Inlandsprodukt ausgehen und wir könnten als konjunkturpolitisches Instrument den Umfang des Staatsbudgets bestimmen.

 

 

 

 

Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist eine bestimmte, von der Notenbank herbeigeführte Höhe des Zinssatzes und eine bisherige Höhe der Staatsausgaben. Dies entspricht in unserem Diagramm einem ganz bestimmten Punkt. Wir unterstellen nun, dass das Niveau der privaten Investitionen und das bisherige Volumen der Staatsausgaben nicht ausreichen, um das konjunkturpolitische Ziel voll zu erreichen. Wir fragen deshalb, welcher Zuwachs an Staatsausgaben notwendig ist, damit das konjunkturpolitische Ziel gerade erreicht wird. Wir erhalten auf diese Weise einen ersten Punkt der Konjunkturlinie.

 

Ausgehend von diesem Punkt stellen wir fest, welche Staatsausgabenhöhe bei allen möglichen Zinssätzen zur Erfüllung der konjunkturpolitischen Ziele notwendig ist. Verbinden wir schließlich all diese Punkte miteinander, erhalten wir die Konjunkturlinie.

 

Jeder Punkt, welcher in unserem Diagramm oberhalb der Konjunkturlinie liegt, führt zu dem Ergebnis, dass eine Inflation zu erwarten ist, da ja hier ex definitione die Staatsausgabensumme höher ausfällt als zur Erreichung des konjunkturpolitischen Zieles notwendig ist, ein zu hohes Volkseinkommen bedeutet jedoch, dass die Nachfrage zu groß ist und dass deshalb die Preise generell steigen.

 

Analog hierzu gilt, dass jeder Punkt, der unterhalb der Konjunkturlinie liegt, zum Ausdruck bringt, dass das Beschäftigungsziel noch nicht erreicht ist und dass deshalb unter Umständen mit Preissenkungen zu rechnen ist. Die Fläche unterhalb der Konjunkturlinie markiert deshalb die Deflations- (Unterbeschäftigungs-)Zone. 

 

Als zweites soll die Zahlungsbilanzlinie entwickelt werden. Sie gibt an, welcher Zinssatz der Notenbank notwendig ist, um bei alternativem Umfang der Staatsausgaben das Ziel des Devisenbilanzausgleichs zu erreichen. 

 

Der von der Notenbank gewählte Zinssatz beeinflusst nun die Höhe des Kapitalexportes bzw. des Kapitalimportes. Wir unterstellen hierbei stillschweigend, dass die ausländische Notenbank ihren Zinssatz nicht ihrerseits an die Zinsänderungen der inländischen Notenbank angepasst hat. In diesem Falle führt die Erhöhung des inländischen Zinssatzes zu einer gleichgroßen Erhöhung des Zinsgefälles zwischen In- und Ausland. Wir können deshalb davon ausgehen, dass eine Zunahme des inländischen Zinssatzes zu einem vermehrten Kapitalimport führen wird.

 

Da nun der inländische Zinssatz im Vergleich zum ausländischen Zinssatz angestiegen ist, lohnt es sich für die Ausländer, ihr Kapital vermehrt zu exportieren. Dieser Kapitalexport (aus der Sicht des Inlandes) schlägt sich in einem Überschuss in der inländischen Kapitalbilanz und damit auch ceteris paribus der Devisenbilanz nieder.

 

Ziel der Notenbanken ist die Stabilisierung der Wechselkurse, also des Verhältnisses der Währungen zueinander und diese angestrebte Stabilität wird genau dann erreicht, wenn die Devisenbilanz ausgeglichen ist und wenn deshalb auf einem freien Devisenmarkt keine Veränderungen im Devisenkurs zu erwarten sind.

 

 

 

Zur Entwicklung der Zahlungsbilanzlinie wollen wir auch hier wiederum von einem beliebigen Punkt unseres Diagramms ausgehen, dem ein ganz bestimmter Zinssatz und eine ganz bestimmte Staatsausgabensumme entsprechen. Um eine Devisenkursstabilität zu erreichen, muss nun der Zinssatz so verändert werden, dass die Devisenbilanz gerade ausgeglichen ist. Dies ist der erste Punkt der Zahlungsbilanzlinie.

 

Wir können nun allen möglichen Staatsausgabensummen einen Zinssatz zuordnen, bei dem dann wiederum die Devisenbilanz ausgeglichen ist. Wenn also z. B. die Staatsausgaben erhöht werden, dann wird auch das Leistungsbilanzdefizit erhöht, da wir ja davon ausgehen können, dass aufgrund der Steigerung im Volkseinkommen auch mehr Güter importiert werden. Mit der Leistungsbilanz gerät auch die Devisenbilanz ins Ungleichgewicht. Die Notenbank hat nun entsprechend der policy mix-Strategie den Zinssatz so zu verändern, dass das so entstehende Ungleichgewicht in der Kapitalbilanz gerade das Defizit in der Leistungsbilanz ausgleicht. Verbinden wir wiederum alle diese Punkte miteinander, erhalten wir die Zahlungsbilanzlinie.

 

Jeder Punkt, welcher in unserem Diagramm rechts von der Zahlungsbilanzlinie liegt, führt zu dem Ergebnis, dass die Devisenbilanz einen Überschuss aufweist, da ja hier ex definitione der Zinssatz höher angehoben wurde als zur Erreichung des außenwirtschaftlichen Zieles notwendig ist, ein zu hoher Zinssatz bedeutet jedoch, dass auch der Kapitalexport und damit auch der positive Saldo der Devisenbilanz zu hoch ausfallen.

 

Analog hierzu gilt, dass jeder Punkt, der links von der Zahlungsbilanzlinie liegt, zum Ausdruck bringt, dass zu viel Kapitalimporte stattfinden, dass deshalb die Kapitalbilanz und mit ihr wiederum die Devisenbilanz ein Defizit aufweisen. Die Fläche unterhalb der Zahlungsbilanzlinie markiert deshalb die Zone des Devisenbilanzdefizits.

 

Beide Linien (die Konjunkturlinie sowie die Zahlungsbilanzlinie weisen nun im Allgemeinen einen Schnittpunkt auf und in diesem Punkt, also bei der diesem Punkt entsprechenden Kombination von Zinssatz und Staatsausgabensumme werden annahmegemäß sowohl das konjunkturpolitische als auch das Ziel der Währungsstabilität erreicht, liegt doch dieser Punkt sowohl auf der einen als auch auf der anderen Linie.

 

Folgende Animation zeigt die Entwicklung beider Kurven auf:     Animation_1

 

 

03. Stabilität des policy-mix

 

Wir wollen nun überprüfen, ob bzw. unter welchen Bedingungen dieser Schnittpunkt der Zahlungsbilanzlinie mit der Konjunkturlinie ein stabiles Gleichgewicht in dem Sinne garantiert, dass dann, wenn dieser Punkt einmal erreicht ist, weder die Regierung noch die Notenbank einen Grund haben, ihre Instrumentenvariable zu verändern.

 

Ausgangspunkt sei eine Kombination von Staatsausgaben und Zinssatz oberhalb des Schnittpunktes beider Linien. Dieser Ausgangspunkt liegt oberhalb der Konjunkturlinie (im inflationären Bereich) und unterhalb der Zahlungsbilanzlinie (im Bereich des DB-Überschusses). Der Staat wird deshalb seine Ausgaben reduzieren, die Notenbank hingegen wird den Zinssatz senken. Beide Maßnahmen zielen auf eine Reduktion des Ungleichgewichtes ab. Insofern findet also eine Tendenz zum Gleichgewicht statt.

 

 

 

 

Ausgangspunkt sei nun weiterhin eine Kombination von Staatsausgaben und Zinssatz unterhalb des Schnittpunktes beider Linien. Dieser Ausgangspunkt liegt nach wie vor oberhalb der Konjunkturlinie (im inflationären Bereich) und unterhalb der Zahlungsbilanzlinie (im Bereich des DB-Überschusses). Der Staat wird deshalb seine Ausgaben reduzieren, die Notenbank hingegen wird den Zinssatz senken. Beide Maßnahmen bewirken eine Entfernung vom Gleichgewichtspunkt. Insofern findet also in diesem Falle keine Tendenz zum Gleichgewicht statt.

 

 

 

Wir haben in unserem Diagramm stillschweigend die Zahlungsbilanzlinie steiler gezeichnet als die Konjunkturlinie. In der Literatur wird die Meinung geäußert, dass die Zahlungsbilanzlinie tatsächlich steiler verlaufe als die Konjunkturlinie. Gehen wir – zur Überprüfung dieser These – vom Schnittpunkt beider Kurven aus und unterstellen ein Wachstum entlang der Konjunkturlinie. Staatsausgaben und Zinsen – so sei unterstellt - steigen.

 

Da eine Bewegung entlang der Konjunkturlinie bedeutet, dass das Inlandsprodukt ex definitione konstant bleibt, muss notwendigerweise auch  der Leistungsbilanzsaldo konstant bleiben. Da aber der Zinssatz steigt und mit ihm der Kapitalbilanzüberschuss, könnte ein Devisenbilanzausgleich (Bedingung für eine Bewegung entlang der Zahlungsbilanzlinie) nur erzielt werden, wenn gleichzeitig der Leistungsbilanzsaldo im gleichen Umfang negativ werden würde. Somit dürfte in aller Regel die Zahlungsbilanzlinie einen steileren Verlauf als die Konjunkturlinie aufweisen und dies ist – wie gezeigt – die Voraussetzung dafür, dass der Schnittpunkt beider Kurven in den meisten Fällen ein stabiles Gleichgewicht darstellt.

 

 

 

 

 

04. Kritik an den Annahmen des Modells

 

Wovon hängt jedoch die Steigung der Konjunkturlinie ab? Die Steigung wird bestimmt durch den Multiplikator. Die Größe des Multiplikators ist einerseits von der Sparquote (s), aber auch vom „Crowding out“ abhängig. Damit sinkt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die Konjunkturlinie flacher verläuft als die Zahlungsbilanzlinie!

 

Die Steigung der Konjunkturlinie hängt nämlich einmal von der Zinselastizität der Investitionen, zum andern von der Größe des Multiplikators ab, welcher in einem einfachen Modell gerade dem Kehrwert der Sparquote entspricht. Je geringer der Investitionsrückgang aufgrund der Erhöhung des Zinssatzes ausfällt und je größer die multiplikative Wirkung der Steigerung in den Staatsausgaben ist, umso geringer ist der notwendige Zuwachs der Staatsausgaben, um die - durch Zinserhöhungen ausgelöste -  restriktive Wirkung zu kompensieren.

 

 

 

 

Keynesianer gehen im Allgemeinen davon aus, dass die Zinselastizität gering, der Einkommensmultiplikator jedoch relativ hoch ist. In einer keynesianischen Welt wird man also erwarten können, dass die Konjunkturlinie relativ flach verläuft und dass deshalb die Chance, dass die Konjunkturlinie eine geringere Steigung aufweist als die Zahlungsbilanzlinie, relativ groß ist.

 

Wovon hängt nun die Steigung der ZB-Linie ab? Die Steigung wird bestimmt durch die Kapitalmobilität. Kapitalbewegungen werden jedoch auch durch Wechselkursspekulationen ausgelöst. Je geringer die Zinselastizität der Kapitalbewegung ist, umso höhere Zinserhöhungen sind notwendig, um den erwünschten Erfolg herbeizuführen. Eine erfolgreiche policy-mix Strategie ist deshalb nur in einer keynesianischen Welt mit relativ geringen spekulativen Bewegungen zu erwarten.

 

Die Steigung der Zahlungsbilanzlinie wird somit einmal dadurch bestimmt, wie hoch der Importzuwachs ist, der von einem Anstieg in den Staatsausgaben aufgrund der Einkommenssteigerung induziert wird, zum andern dadurch, wie groß die internationale Kapitalmobilität ist.

 

Je geringer der Importzuwachs ausfällt und je flexibler die Kapitalmobilität auf Zinsänderungen reagiert, umso geringer ist der notwendige Zinsanstieg, um durch Kapitalimporte das Defizit in der Handelsbilanz auszugleichen. Umso steiler verläuft somit die Zahlungsbilanzlinie. Die Zinsreagibilität des gesamten internationalen Kapitalverkehrs hängt allerdings davon ab, welchen Anteil spekulative Kapitalbewegungen haben.

 

Je größer nämlich der Anteil der spekulativen Kapitalbewegungen am Gesamtkapitalverkehr ist, umso geringer reagiert der Kapitalstrom auf Zinsänderungen, umso höher müssen die Zinsänderungen ausfallen, um ein Defizit in der Handelsbilanz zu kompensieren und umso flacher verläuft deshalb die Zahlungsbilanzlinie. Dies ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass bei stark spekulativen Kapitalströmen die Chance sinkt, dass die Zahlungsbilanzlinie steiler verläuft als die Konjunkturlinie und dass deshalb die policy-mix-Strategie stabil ist.

 

 

 

 

Wenden wir uns einem weiteren Problem zu. Es wird oftmals die These vertreten, durch den policy-mix werde lediglich der eine Zielkonflikt zwischen Wechselkursstabilität und Vollbeschäftigung durch einen anderen Zielkonflikt ersetzt. So würde der traditionelle Zielkonflikt abgelöst durch einen Konflikt zwischen Konjunkturpolitik und Wohlfahrtspolitik. Langfristig sollten die Infrastrukturinvestitionen und damit das Defizit im Staatshaushalt mit dem wirtschaftlichen Wachstum ansteigen. Dies wird aber unter Umständen verhindert, wenn das Defizit des Staatshaushaltes nur an der kurzfristigen Konjunkturlage ausgerichtet wird.

 

Weiterhin komme es zu einem Konflikt zwischen dem Ziel der Währungsstabilität und dem Ziel der Wohlfahrtspolitik. Langfristig sollte das Verhältnis des inländischen und ausländischen Zinssatzes dem internationalen Verhältnis der Kapitalproduktivität entsprechen. Wird der Zinssatz nur an dem kurzfristigen Ziel des Devisenbilanzausgleichs ausgerichtet, besteht die Gefahr, dass der Zinssatz nicht mehr die Kapitalproduktivität widerspiegelt und dass auf diesem Wege ein Optimum der weltwirtschaftlichen Wohlfahrt verhindert wird.

 

 

Zusammenfassung:

 

01. H. G. Johnson und R. A. Mundell entwickelten die policy-mix-Strategie um den Zielkonflikt zwischen Konjunkturpolitik und Außenwirtschaftspolitik zu vermeiden. Danach soll die Notenbank den Diskontsatz so festlegen, dass das Ziel des Devisenbilanzausgleichs erfüllt wird, während der Staat seine Ausgaben (das Haushaltsdefizit) so festlegt, dass das konjunkturpolitische Ziel (ein Kompromiss zwischen Geldwertstabilität und Vollbeschäftigung) erreicht wird. In diesem Falle werden die geld- und fiskalpolitischen Instrumente unabhängig voneinander eingesetzt.

 

02. Den vier Zielen: Devisenbilanzausgleich, Wechselkursstabilität, freie Konvertibilität und autonome Konjunkturpolitik stehen vier unabhängige Instrumente: Wechselkursvariationen, Diskontsatzänderungen, Änderungen im Defizit des Staatshaushaltes und Devisenkontrolle gegenüber. Die Ursache für den Zielkonflikt ist hiermit beseitigt.

 

03. Die Lösung dieser Strategie lässt sich im Rahmen eines Modells durch Entwicklung der Konjunktur- und der Zahlungsbilanzlinie aufzeigen. Die Konjunkturlinie gibt an, bei welchen Kombinationen der geld- und fiskalpolitischen Instrumente das konjunkturpolitische Ziel erreicht wird. Die Konjunkturlinie weist eine positive Steigung auf.

 

04. In ähnlicher Weise gibt die Zahlungsbilanzlinie an, bei welchen Kombinationen der geld- und fiskalpolitischen Instrumente das Ziel des Devisenbilanzausgleichs erreicht wird. Auch diese Linie weist eine positive Steigung auf.

 

05. Der Schnittpunkt der Zahlungsbilanzlinie mit der Konjunkturlinie gibt an, bei welcher Kombination von Diskontsatz und Staatsausgaben beide Ziele voll realisiert werden. Allerdings wird die policy-mix-Strategie nur dann stets zu einer Auflösung der Konfliktsituation führen, wenn die Zahlungsbilanzlinie einen steileren Verlauf aufweist als die Konjunkturlinie. In der Literatur wurde die Vermutung geäußert, dass diese Stabilitätsbedingung stets erfüllt sei.

 

06. Wenn man sich nämlich entlang der Konjunkturlinie nach rechts-oben bewegt, bleibt mit dem Volkseinkommen auch das Handelsbilanzdefizit  konstant; wegen des Zinsanstieges wird jedoch die Kapitalbilanz ungleichgewichtig. Dieser Devisenüberschuss könnte nur dann verhindert werden, wenn die Handelsbilanz negativ würde; dies wäre jedoch genau dann der Fall, wenn die Staatsausgaben und damit auch das Volkseinkommen und die Importwertsumme angestiegen wären.

 

07. Diese Schlussfolgerung ist gleichbedeutend damit, dass die Zahlungsbilanzlinie - vom Schnittpunkt aus nach rechts bewegend - oberhalb der Konjunkturlinie liegen muss, also einen steileren Verlauf aufweist als die Konjunkturlinie.

 

08. Die Steigung der Konjunkturlinie hängt einmal von der Zinselastizität der Investitionen, zum andern von der Größe des Multiplikators ab. Je geringer der Investitionsrückgang aufgrund der Erhöhung des Zinssatzes ausfällt und je größer die multiplikative Wirkung der Steigerung in den Staatsausgaben ist, umso geringer ist der notwendige Zuwachs der Staatsausgaben, um die durch Zinserhöhungen ausgelöste restriktive Wirkung zu kompensieren. Keynesianer gehen im Allgemeinen davon aus, dass die Zinselastizität gering, der Einkommensmultiplikator jedoch relativ hoch ist.

 

09. In einer keynesianischen Welt wird man also erwarten können, dass die Konjunkturlinie relativ flach verläuft und dass deshalb die Chance, dass die Konjunkturlinie eine geringere Steigung aufweist als die Zahlungsbilanzlinie, relativ groß ist. Die Steigung der Zahlungsbilanzlinie wird ihrerseits einmal dadurch bestimmt, wie hoch der Importzuwachs ist, der von einem Anstieg in den Staatsausgaben aufgrund der Einkommenssteigerung induziert wird, zum andern dadurch, wie hoch die internationale Kapitalmobilität ist.

 

10. Je geringer der Importzuwachs ausfällt und je flexibler die Kapitalmobilität auf Zinsänderungen reagiert, umso geringer ist der notwendige Zinsanstieg, um durch Kapitalimporte das Defizit in der Handelsbilanz auszugleichen und umso steiler verläuft somit die Zahlungsbilanzlinie. Die Zinsreagibilität des gesamten internationalen Kapitalverkehrs hängt allerdings davon ab, welchen Anteil spekulative Kapitalbewegungen haben.

 

11. Je größer der Anteil der spekulativen Kapitalbewegungen am Gesamtkapitalverkehr ist, umso geringer reagiert der Kapitalstrom auf Zinsänderungen, umso höher müssen die Zinsänderungen ausfallen, um ein Defizit in der Handelsbilanz zu kompensieren und umso flacher verläuft deshalb die Zahlungsbilanzlinie. Dies ist gleich bedeutend mit der Aussage, dass bei vorwiegend spekulativen Kapitalströmen die Chance sinkt, dass die Zahlungsbilanzlinie steiler verläuft als die Konjunkturlinie und dass deshalb ebenfalls die Chance sinkt, dass die policy-mix-Strategie stabil ist.

 

12. Gegen die policy-mix-Strategie wird eingewandt, dass sie nur zu einer Konfliktverschiebung führe, dass zwar u. U. auf diese Weise der Konflikt zwischen der Konjunktur- und Außenwirtschaftspolitik abgebaut werde, dass sich aber der Konflikt zwischen Konjunkturpolitik und Wohlfahrtspolitik und zwischen Außenwirtschafts-und Wohlfahrtspolitik verschärfe. Langfristig hängt das Wohlfahrtsniveau davon ab, ob die Staatsausgaben ein ganz bestimmtes Niveau an öffentlichen Infrastrukturen garantieren. Es gibt ein Optimum des Kollektivgüterangebotes, es können zu viel aber auch zu wenig Kollektivgüter angeboten werden.

 

13. Werden die Staatsausgaben einseitig an dem Ziel des kurzfristigen Konjunkturausgleiches orientiert, besteht die Gefahr, dass das Kollektivgutoptimum verfehlt wird. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn wir damit rechnen könnten, dass sich die Konjunkturaufschwünge- und Konjunkturabschwünge in Zeitdauer und Umfang voll entsprächen.

 

14. Langfristig sollte der Diskontsatz so festgesetzt werden, dass das internationale Zinsgefälle den Unterschied in der langfristigen Rentabilität widerspiegelt. Ist die Notenbank gezwungen, den Diskontsatz allein an dem kurzfristigen Ziel des Devisenbilanzausgleiches auszurichten, so kann das Zinsgefälle von dem Rentabilitätsgefälle stark abweichen, weil Devisen-Angebot und Devisen-Nachfrage von weitaus mehr Faktoren als dem internationalen Rentabilitätsgefälle abhängen.

 

 

Fragen zu Kapitel 5:

 

01. Welchen Vorschlag machen Johnson und Mundell zur Überwindung  des Zielkonfliktes zwischen dem Ziel der Geldwertstabilität und dem Ziel der Währungsstabilität?

 

02. Wie wird durch die Policy-Mix-Strategie erreicht, dass die Zahl der Instrumente der Zahl der Ziele entspricht?

 

03. Was verstehen wir im Rahmen des Policy-Mix-Modells unter einer Konjunkturlinie?

 

04. Wie lässt sich die positive Neigung der Konjunkturlinie erklären?

 

05. Was versteht man im Rahmen des Policymix unter einer Zahlungsbilanzlinie?

 

06. Warum hat auch die Zahlungsbilanzlinie einen positiven Verlauf?

 

07. Warum ist das Policy-Mix-System nur dann stabil, wenn die Zahlungsbilanzlinie steiler verläuft als die Konjunkturlinie?

 

08. Warum wird in der Literatur oftmals unterstellt, dass die Zahlungsbilanzlinie tatsächlich steiler verläuft als die Konjunkturlinie?

 

09.  Warum ist es in einer keynesianischen Welt wahrscheinlich, dass die Konjunkturlinie flacher verläuft als die Zahlungsbilanzlinie?

 

10. Warum ist es in einer klassischen Welt wahrscheinlich, dass die Konjunkturlinie steiler verläuft als die Zahlungsbilanzlinie?

 

11. Inwiefern steht das Ziel der Konjunkturstabilisierung in Konflikt mit den Zielen der Wohlfahrtspolitik?

 

12.  Inwiefern wird bei einer Ausrichtung der Zinshöhe am kurzfristigen Devisenbilanzausgleich das Ziel einer Kapitalmobilität verhindert?

 

 

Antworten zu Kapitel 5:

 

01. Johnson und Mundell schlagen vor, dass die Notenbank ihre Zinspolitik  allein an dem währungspolitischen Ziel und dass der Staat seine Ausgaben allein an dem konjunkturpolitischen Ziel ausrichtet.

 

02. Im Gegensatz zur traditionellen Konjunkturpolitik wird bei der Policy-Mix-Strategie der Zinssatz unabhängig von der Höhe der Staatsausgaben festgelegt.

 

03. Die Konjunkturlinie gibt an, welche Staatsausgabenhöhe zur Erreichung des konjunkturpolitischen Zieles bei alternativen Zinssätzen der Notenbank notwendig ist.

 

04. Wenn der Zinssatz steigt, so verringert sich die Investitionsnachfrage. Diese Kontraktion kann nur dadurch kompensiert werden, dass die Staatsausgaben gesteigert werden. Folglich macht ein Anstieg im Zinssatz auch einen Zuwachs in den Staatsausgaben notwendig.

 

05. Die Zahlungsbilanzlinie gibt an, welche Zinshöhe die Notenbank bei alternativem Staatsausgabenumfang ansteuern muss, um das währungspolitische Ziel zu realisieren.

 

06. Wenn die Staatsausgaben steigen, steigen auch mit dem Volkseinkommen die Importausgaben. Ein Leistungsbilanzdefizit und mit ihm auch ein Defizit der Devisenbilanz entsteht. Um diese kontraktive Tendenz in der Devisenbilanz zu kompensieren hat die Notenbank den Zinssatz heraufzusetzen, um auf diese Weise den Kapitalimport zu steigern und mit ihm einen Überschuss in der Kapitalbilanz zu erzeugen, der das Defizit in der Leistungsbilanzgerade ausgleicht.

 

07. Wir wollen unterstellen, die Steigung der Zahlungsbilanzlinie verlaufe flacher als die Konjunkturlinie. Weiterhin sei unterstellt, dass wir uns diesseits des Schnittpunktes beider Kurven befinden. Dieser Ausgangspunkt liegt nach wie vor oberhalb der Konjunkturlinie (im inflationären Bereich) und unterhalb der Zahlungsbilanzlinie (im Bereich des DB-Überschusses).

 

07. Der Staat wird deshalb seine Ausgaben reduzieren, die Notenbank hingegen wird den Zinssatz senken. Beide Maßnahmen bewirken eine Entfernung vom Gleichgewichtspunkt. Insofern findet also hier keine Tendenz zum Gleichgewicht statt.

 

08. Gehen wir vom Schnittpunkt beider Kurven aus. Beide Ziele werden also erreicht. Unterstellen wir, dass der Zinssatz steigt, dass wir uns aber nach wie vor auf der Konjunkturlinie bewegen. Das Volkseinkommen und damit auch die Importsumme sowie der Saldo der Leistungsbilanz bleiben somit konstant. Die Zinssteigerung bewirkt jedoch einen Anstieg im Kapitalimport und damit in der Kapitalbilanz. Ein Ausgleich der Devisenbilanz könnte nur dann erwartet werden, wenn die Staatsausgaben angestiegen wären und mit ihnen ein Leistungsbilanzdefizit entstanden wäre, das den Überschuss in der Kapitalbilanz ausgleichen würde. Also muss die Zahlungsbilanzlinie steiler verlaufen als die Konjunkturlinie.

 

09. Keynes unterstellt, dass die Investitionsnachfrage nur geringfügig auf Zinsänderungen reagiert, sodass es bei einer Zinssteigerung auch nur eines geringen Anstieges der Staatsausgaben bedarf, um den zinsbedingten Rückgang in der Investitionsnachfrage durch eine Steigerung der Staatsausgaben zu kompensieren. Da gleichzeitig davon ausgegangen wird, dass sich die internationalen Kapitalströme vorwiegend am Zinsertrag ausrichten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Steigung der Zahlungsbilanzlinie steiler verläuft als die der Konjunkturlinie.

 

10. In einer klassischen Welt wird davon ausgegangen, dass Zinssteigerungen zu einem beachtlichen Rückgang in der Investitionsnachfrage führen und dass es deshalb auch eines starken Anstiegs der Staatsausgaben bedarf, um die Investitionsrückgänge zu kompensieren. Gleichzeitig wird damit gerechnet, dass die internationalen Kapitalströme zu großem Teil spekulativer Natur sind. Es ist hier fraglich, ob die Zahlungsbilanzlinie steiler verläuft als die Konjunkturlinie. 

 

11. Wohlfahrtspolitisch bedarf es für eine optimale Allokation eines ganz bestimmten Umfangs an Infrastrukturinvestitionen. Werden die Staatsausgaben lediglich daran gemessen, inwieweit auf diese Weise die kurzfristigen Ziele der Konjunkturpolitik erreicht werden, besteht die Gefahr, dass die langfristigen Ziele einer optimalen Allokation verfehlt werden.

 

12. Wohlfahrtspolitisch sollte das internationale Zinsgefälle dafür Sorge tragen,  dass das Kapital jeweils in den Ländern eingesetzt wird, in denen es den höchsten Ertrag bringt. Werden die Zinsen einseitig am Ziel des Devisenbilanzausgleichs ausgerichtet, kann eine solche optimale Allokation des Kapitals möglicherweise verhindert werden.