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Geschichte der Ökonomie

 

 

 

 

 

Gliederung:

 

1. Einführung

2. Merkantilismus

4. Klassik

5. wissenschaftlicher Sozialismus

6. historische Schule

7. Wiener Schule

8. Lausanner Schule

9. Cambridge Schule

10. Keynesianismus

11. Neoliberalismus

 

 

9. Cambridge Schule Teil II

 

Gliederung:

 

1. Problemstellung

2. Die wichtigsten Vertreter

3. Die Nachfrage des Haushaltes nach Konsumgütern

4. Das Konzept der Konsumentenrente

5. Das Angebot einer Unternehmung an Gütern

6. Die Aggregation von Angebot und Nachfrage

7. Die Gleichgewichtstheorie des Marktes

8. Der Elastizitätsbegriff

9. kurz- und langfristiges Angebot

       10. Die Grenzproduktivitätstheorie

       11. Die Theorie des Arbeitsleides

       12. Das Ausschöpfungstheorem

 

 

6. Die Aggregation von Angebot und Nachfrage

 

Nachdem wir gezeigt haben, wie innerhalb des Marshall’schen Systems die einzelnen Nachfragekurven der Haushalte nach Konsumgütern aus den Nutzenfunktionen sowie die einzelnen Angebotskurven der Unternehmun­gen aus den Kostenfunktionen abgeleitet werden können, geht es in einem nächsten Schritt darum, die Nachfragefunktionen der einzelnen Haushalte zu einer Gesamtnachfragefunktion aller Haushalte  zu aggregieren und in analoger Weise auch die Angebotsfunktionen der einzelnen Unternehmungen zu einer einzigen Angebots­kurve zusammenzuführen.

 

Beginnen wir mit der Aggregation der einzelnen Nachfragefunktionen. Um den Weg der Aggregation aufzuzeigen, beschränken wir uns auf 2 Haushalte und zeigen, wie man diese beiden einzelwirtschaftlichen Nachfrage­funktionen in eine Gesamtnachfragefunktion eines einzelnen Marktes überführen kann. In einem dritten Diagramm tragen wir für jeden möglichen Preis ein, welche Nachfrage Haushalt 1 und Haushalt 2 bei diesem Preis äußern, wir zählen zunächst die einzelnen Nachfragemengen zusammen und tragen die Summe aller nachgefragten Güter jeweils auf der Abszissenachse bei der unterstellten Preishöhe ab. Wenn wir für jeden möglichen Preis jeweils die Nachfragesummen ermittelt und in das dritte Diagramm übertragen haben, haben wir auf diese Weise eine Gesamtnachfragefunktion für den gesamten Einzelmarkt erhalten. Die Gesamtnachfragefunktion weist hier einen Knick auf, da Haushalt zwei von einem bestimmten Preis an überhaupt keine Nachfrage nach diesem Gut mehr ausübt.

 

 

 

 

In analoger Weise können wir auch aus der Vielzahl von individuellen Angebotskurven eine Gesamtangebotskurve konstruieren, wenn wir für jeden möglichen Preis die einzelnen individuellen Angebote ermitteln, diese zusammenzählen und die dabei entstehende Summe in ein neues Diagramm übertragen, dessen Abszisse das Gesamtangebot dieses Marktes umfasst.

 

 

 

 

 

Enrico Barone hat nun eine etwas andere Methode entwickelt, die einzelnen Kosten- und Angebots­funktionen der einzelnen Unternehmungen zu aggregieren. Er stellt hierzu in einem  ersten Schritt fest, zu welchen Stückkosten die einzelnen Unternehmungen ein bestimmtes Gut produzieren können. Es wird davon ausgegangen, dass sich die einzelnen Unternehmungen in der Höhe dieser Stückkosten unterscheiden. Er ordnet nun die einzelnen Unternehmungen nach der Höhe dieser Stückkosten an und trägt in einem Diagramm, auf dessen Abszisse die Produktionsmenge X und auf dessen Ordinate der Güterpreis sowie die Stückkostenhöhe abgetragen werden, die Stückkosten der einzelnen Unternehmungen beginnend bei der Unternehmung mit den geringsten Stückkosten der Reihe nach ab. Hierbei werden die Stückkostenhöhe auf der Ordinate und die jeweilige Produktionskapazität auf der Abszisse abgetragen.

 

Auf diese Weise entsteht eine stufenförmige Graphik, wobei wir dieses treppenartige Gebilde dann in eine stetige, aufsteigende Kurve überführen können, wenn wir davon ausgehen, dass die Kapazität der einzelnen Unternehmungen im Vergleich zur gesamten Produktion dieses Gutes verschwindend klein ist. Die Fläche unter dieser neuen Kurve gibt hierbei an, wie hoch die Gesamtkosten des Marktes bei alternativen Produktionsmengen jeweils sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

7. Die Gleichgewichtstheorie des Marktes

 

Wir kommen nun zum Herzstück der neoklassischen Markttheorie. Im Mittelpunkt dieser Theorie steht die These, dass auf freien Märkten Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage von selbst ohne Eingreifen des Staates abgebaut werden. Freie Märkte werden automatisch geräumt.

 

Diese Gleichgewichtstheorie enthält zwei Teile, einen ersten Teil, in dem die Frage nach der Existenz eines Gleichgewichtes gestellt wird und einen zweiten Teil, welcher der Frage nachgeht, ob es auch eine Tendenz zu diesem Gleichgewicht gibt.

 

Der erste Teil dieser Theorie ist statischer Natur, er kann nichts darüber aussagen, ob in der Realität der tatsächliche Preis diesem Gleichgewichtspreis entspricht, dieser Teil der neoklassischen Markttheorie beschränkt sich auf die Frage, ob es einen Preis gibt, bei dem Angebot und Nachfrage übereinstimmen. Gleichzeitig soll auch die Frage beantwortet werden, bei welcher Gütermenge und bei welchem Preis der Markt geräumt werden könnte und schließlich welche Voraussetzungen denn erfüllt sein müssen, damit überhaupt ein Preis feststellbar ist, bei dem sich Angebot und Nachfrage entsprechen.

 

Zur Beantwortung dieser Fragen wenden wir uns dem im vorhergehenden Abschnitt entwickelten Diagramm zu, auf dessen Abszisse die Gütermenge und auf dessen Ordinate der jeweilige Güterpreis abgetragen wird. Wir haben im letzten Abschnitt gezeigt, wie wir aus den einzelwirtschaftlichen Reaktionskurven zu einer aggregierten Nachfrage- und Angebotskurve eines Einzelmarktes gelangen. Der Einfachheit halber zeichnen wir nun die Angebots- und Nachfragekurve linear ein. An und für sich dürfte man davon ausgehen, dass beide Funktionen gekrümmt verlaufen, da die Angebotskurve aus der Grenzkostenkurve, die Nachfrage­kurve hingegen aus der Grenznutzenkurve abgeleitet wird, und beide Grundfunktionen nichtlinear sind. Die Überlegungen, welche wir an dieser Stelle führen, hängen jedoch nicht von der Frage ab, ob die Kurven linear oder nichtlinear verlaufen, sodass wir keine gravierenden Fehler begehen, wenn wir der Einfachheit halber – wie dies üblich ist – beide Marktkurven linear einzeichnen.

 

Unter normalen Bedingungen können wir davon ausgehen, dass die Angebotskurve eine positive Steigung, die Nachfragekurve jedoch eine negative Steigung aufweist. Dies ist die Folge der Annahme, dass bei einer Preissteigerung die Anbieter normalerweise ihr Angebot ausweiten, da sie sich hierdurch eine Zunahme ihres Gewinnes erhoffen. Weiterhin können wir damit rechnen, dass die Nachfrage normalerweise bei steigenden Preisen sinkt, da es für die Haushalte zweckmäßiger wird, zu anderen Konsumgüter überzuwechseln.

 

 

 

 

Unter diesen Annahmen können wir davon ausgehen, dass es in aller Regel einen Schnittpunkt zwischen Angebots- und Nachfragekurve gibt und dies bedeutet, dass sich Angebot und Nachfrage ex definitione gerade in diesem Schnittpunkt entsprechen, also dass ein Gleichgewicht vorliegt, bei dem der Markt geräumt wird.

 

Natürlich sind Fälle denkbar, bei denen es keinen Schnittpunkt zwischen beiden Kurven gibt und somit auch kein Gleichgewichtspreis existiert, dies ist auf jeden Fall immer dann gegeben, wenn beide Marktseiten überhaupt nicht auf Preisänderungen reagieren, in diesem Falle laufen beide Marktkurven parallel zur Ordinatenachse und damit auch parallel zu sich selbst. Hier gibt es in der Tat keinen Schnittpunkt der Angebots- und Nachfragekurve und damit auch keinen Gleichgewichtspreis, wenn wir einmal von dem Fall absehen, dass Angebots- und Nachfragekurve einen identischen Verlauf aufweisen.

 

 

 

 

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn man nach weiteren Bedingungen sucht, unter denen es zu keinem Schnittpunkt beider Reaktionskurven kommt. So wäre es z. B. denkbar, dass beide Reaktionskurven normal verlaufen, aber nur eine geringe Steigung aufweisen, mit der Folge, dass der Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve bei einem negativen Preis oder bei einer negativen Gütermenge oder schließlich bei einer Höhe eines Preises oder einer Gütermenge liegt, welche in der Realität nicht erreicht werden können. Aber wir können durchaus davon ausgehen, dass es in den allermeisten Fällen einen Schnittpunkt zwischen Angebots- und Nachfragekurve gibt, der in einem realisierbaren Raum liegt.

 

 

 

 

Wenden wir uns deshalb dem zweiten Teil der neoklassischen Markttheorie zu, der Frage, ob der freie Markt von einem beliebigen Startpunkt aus (Ungleichgewicht aus) selbst in der Lage ist, sich dem Gleichgewichtspunkt zu nähern. Es handelt sich hierbei um einen Ansatz, der die Grenzen einer statischen Theorie sprengt und sich einer dynamischen Betrachtung zuwendet. Wir müssen uns allerdings darüber klar werden, dass die Cambridge-Schule in ihren Anfängen (also bei Alfred Marshall) noch keine dynamische Theorie im engeren Sinne des Wortes entwickeln konnte. Entsprechend der von Erik R. Lindahl und Erik F. Lundberg vorgestellten Konzepte sprechen wir erst dann von einer dynamischen Theorie, wenn die ökonomischen Variablen der heutigen Periode in Abhängigkeit von ökonomischen Variablen der Vorperiode (bzw. einer anderen Periode) gesehen werden. Eine solche Verfeinerung der Analyse erfolgte in den ersten Anfängen der Neoklassik noch nicht.

 

Unter welchen Voraussetzungen kann nun damit gerechnet werden, dass sich der Markt dem Gleich­gewichtspreis annähert? Dieser Anpassungsprozess erfolgt in mehreren Schritten. Gehen wir davon aus, dass auf einem Markt ein Gleichgewicht herrscht, dass nun aber Datenänderungen eintreten, welche unmittelbar zu einem Ungleich­gewicht auf dem betrachteten Markt führen. Als Datenänderungen kommt ein Wechsel in der Bedarfsstruktur, im Angebot der vorliegenden Ressourcen, in der angewandten Produktionstechnik oder in der wirtschaftspolitischen Ordnung in Frage. Unterstellen wir also z. B., dass durch eine autonome Änderung im Bedarf plötzlich das hier untersuchte Konsumgut in geringerem Maße als bisher nachgefragt wird. Die Verringerung der Nachfrage führt zunächst dazu, dass bei noch gleichem Angebotspreis ein Angebotsüberhang entsteht.

 

Dieses so entstandene Ungleichgewicht löst nun im Allgemeinen eine Preisänderung aus, wobei von einer normalen Reaktion dann zu sprechen ist, wenn ein Angebotsüberhang eine Preissenkung, ein Nachfrage­überhang hingegen eine Preissteigerung auslöst.

 

Es gibt gute Gründe dafür, dass auf einem freien Markt in diesem Sinne die Preise auf ein Ungleichgewicht reagieren, also dass Preisflexibilität besteht. Wenn nämlich ein Angebotsüberhang vorliegt, haben die Anbieter zu befürchten, auf den Waren sitzen zu bleiben und damit hohe Verluste zu erzielen. In einer solchen Situation stellt sich der einzelne Unternehmer immer noch besser, wenn er sich mit einem geringeren Preis zufrieden gibt. Umgekehrt gilt auch, dass bei einem Nachfrageüberhang die Nachfragenden Gefahr laufen, leer auszugehen und deshalb bereit sind, höhere Preise zu akzeptieren, weil auf diese Weise die Nutzenverluste immer noch geringer sind als dann, wenn kein Kauf dieses Produktes zustande kommt.

 

 

 

 

Trotzdem haben wir in der Realität damit zu rechnen, dass die Preise entweder überhaupt nicht oder zumindest stark verzögert auf Ungleichgewichte reagieren. Dieser Mangel liegt jedoch in aller Regel nicht in der Natur der Marktteilnehmer, sondern entsteht daraus, dass zumeist aus sozialpolitischen Gründen Verträge abgeschlossen werden, welche eine Preisänderung erst nach Ablauf einer längeren Frist überhaupt erlauben. Entscheidend ist hier allerdings, dass diese Preisinflexibilität nicht in der Natur der Märkte liegt, sondern gerade dadurch hervorgerufen wurde, dass der Staat Teile des freien Marktes außer Kraft setzte. Es ist zumeist nicht der freie Markt, welcher Preisinflexibilität herbeiführt.

 

In einem nächsten Schritt geht die Markttheorie davon aus, dass die Marktpartner auf diese Preisänderungen reagieren, im normalen Fall so, dass Preissteigerungen bei den Anbietern einen Anstieg des Angebotes und bei den Nachfragern eine Verringerung der Nachfrage bewirken. Gleiches gilt mutatis mutandis bei einer Preissenkung (Rückgang des Angebotes, Zunahme der Nachfrage).

 

Diese Reaktionen ergeben sich bereits aus der Steigung der Reaktionskurven. Ein Anbieter hat z. B. ein Interesse daran, bei Preissteigerungen sein Angebot auszuweiten, weil er in diesem Falle zusätzliche Gewinne erzielt, auch dann, wenn die Ausweitung der Produktion zu einem Anstieg in den Grenzkosten führt. Ein Nachfrager hat – um ein zweites Beispiel zu bringen – ein Interesse daran, bei Preissenkungen die Nachfrage auszuweiten, da nun mit der gleichen Kaufsumme mehr Gütereinheiten erworben werden und damit bei einer Ausweitung der Nachfrage auf jeden Fall per Saldo eine Nutzensteigerung erzielt werden kann, da nun bei einem Abzug von Einkommensteilen bei anderen Gütern dem gleichen Nutzenentgang wie bisher ein größerer Nutzengewinn beim zusätzlichen Kauf der verbilligten Waren entspricht.

 

 

 

Obwohl also die Marktpartner im Allgemeinen ein Interesse daran haben, normal auf Preisvariationen zu reagieren, müssen wir in der Realität wiederum damit rechnen, dass diese Preisflexibilität der Nachfrage oder des Angebotes ausbleibt. So sehen die Verträge oftmals längere Kündigungsfristen vor, welche verhindern, dass bei Änderungen der Preise die angebotene oder nachgefragte Menge unmittelbar nach der Preisänderung angepasst werden kann. Aber auch hier gilt, dass der eigentliche Grund für geringe Preiselastizitäten nicht in den Eigenschaften des freien Marktes liegt, sondern daran, dass der Gesetzgeber Teile des freien Marktes wiederum zumeist aus sozialpolitischen Gründen aufhebt.

 

Es hängt nun von der Elastizität des Angebotes und der Nachfrage ab, wie schnell Ungleichgewichte abgebaut werden. Im Allgemeinen wird nun im Rahmen der neoklassischen Theorie von der Annahme ausgegangen, dass die Anpassung in sehr kleinen Schritten erfolgt, sodass nicht mit der Gefahr gerechnet werden muss, dass der Gleichgewichtsprozess über sein Ziel hinausschießt und aus einem Angebotsüberhang einen Nachfrageüberhang vice versa entsteht. Erst im späteren Verlauf wurde im Rahmen der dynamischen Theorie gezeigt, dass unter gewissen Voraussetzungen tatsächlich die Gefahr besteht, dass der tatsächliche Preis wellenförmig um den Gleichge­wichtspreis pendelt, wobei sogar Fälle denkbar sind, bei denen sich der aktuelle Preis vom Gleichgewichtspreis entfernt. Wir werden im zweiten Teil dieser Vorlesung bei der Darstellung der dynamischen Theorie auf diese Zusammenhänge zurückkommen.

 

Dass ein Gleichgewichtspreis existiert, ist allerdings zwar eine notwendige, aber keinesfalls ausreichende Bedingung dafür, dass der freie Markt auf diesen Gleichgewichtspunkt zusteuert. Nehmen wir den Fall, dass das Angebot anomal reagiere, also z. B. auf Preissenkungen mit einer Ausweitung des Angebotes reagiert. Ein solches Verhalten wurde z. B. für Kleinschiffunternehmer empirisch nachgewiesen. Diese Unternehmer erzielen ein Einkommen, das gerade dem Existenzminimum entspricht. Würde nun der Preis sinken und würden diese Unternehmer normal reagieren, also ihr Angebot reduzieren, so kämen sie nicht mehr auf ein Einkommen in Höhe des Existenzminimums. Diese Unternehmer werden deshalb ihr Angebot sogar ausweiten, um den Verlust bei dem einzelnen Auftrag dadurch zu kompensieren, dass sie mehr Aufträge als bisher ausführen.

 

Wenn also nun das Angebot anomal reagiert und wenn zusätzlich die Nachfrage zwar normal reagiert, aber mit kleineren Schritten als das Angebot, werden die Preissenkungen notwendigerweise dazu führen, dass das Ungleichgewicht sogar noch ansteigt. Nehmen wir den Fall, dass eine Preissenkung von 10% zu einer Ausweitung des Angebotes von 20 Einheiten und gleichzeitig zu einer Ausweitung der Nachfrage von 10 Einheiten führt. In diesem Falle vergrößert sich der Angebotsüberhang immer noch um 10 Einheiten. Die normalen Preisreaktionen auf Datenänderungen führen vom Gleichgewicht weg, der Markt ist hier nicht in der Lage, den Markt von selbst zu räumen.

 

 

 

Unsere Überlegungen zeigen, dass eine Gleichgewichtstendenz nur zu erwarten ist, wenn erstens die Preise normal auf die Ungleichgewichte reagieren, wenn zweitens der Gleichgewichtsprozess nicht über sein Ziel hinausschießt, weil die Reaktionen zu stark erfolgen und wenn drittens Angebot und Nachfrage normal auf Preisvariationen reagieren, wobei in Einzelfällen auch dann noch mit einer Gleichgewichtstendenz zu rechnen ist, wenn sich eine Marktseite anomal verhält, deren Änderungen jedoch aufgrund einer normalen und relativ starken Reaktion der Gegenseite überkompensiert wird.

 

Selbst dann, wenn alle diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, bedeutet dies nicht unbedingt, dass in der Realität der Gleichgewichtspreis stets erreicht wird. Wir haben davon auszugehen, dass dieser Prozess Zeit benötigt, es vergeht Zeit, bis aufgrund eines Ungleichgewichtes die Preise reagieren und es vergeht nochmals Zeit, bis Anbieter und Nachfrager aufgrund dieser Preisänderungen ihr Angebot bzw. ihre Nachfrage anpassen. Es ist also stets damit zu rechnen, dass am Ende einer Periode der Anpassungsprozess noch nicht den Gleichgewichtszustand erreicht hat. Es fand zwar ein Abbau des Ungleichgewichtes statt, aber am Ende der Periode blieb ein zwar verringertes, aber immer noch vorhandenes Ungleichgewicht bestehen.

 

Wir haben nun davon auszugehen, dass in fast jeder Periode Datenänderungen zu erwarten sind, die dann auch in jeder Periode ein neues Ungleichgewicht hervorrufen und dies bedeutet, wenn das bisherige Ungleichgewicht noch nicht vollständig abgebaut wurde, dass sich das Ungleichgewicht immer wieder vergrößert. Es ist somit durchaus denkbar, dass der Markt sehr wohl normal reagiert und in der Lage ist, Ungleichgewichte abzubauen, dass aber trotzdem in keiner Periode ein vollständiges Gleichgewicht erzielt wird, ja sogar, dass sich das Ungleichgewicht von Periode zu Periode verstärkt.

 

Damit dies nicht geschieht, bedarf es offensichtlich auch gewisser Voraussetzungen bei der Entstehung von Datenänderungen. Man könnte nun erstens den Versuch unternehmen, den Umfang von Datenänderungen auf politischem Wege zu reduzieren, um auf diese Weise auch den Umfang der entstehenden Ungleichgewichte zu reduzieren. Dies wäre jedoch der Wohlfahrt einer Bevölkerung höchst abträglich. Es sind die Datenänderungen, welche die Voraussetzungen für Wohlfahrtssteigerungen schaffen. Dies gilt einmal für den technischen Fortschritt, für die Ausweitung der Ressourcen, für wirtschaftspolitische Maßnahmen, welche Ungerechtigkeiten sowie Ineffizienzen abbauen, ja sogar für den Bedarfswandel, der es den einzelnen Individuen ermöglicht, in einem Error- and Trial-Prozess schließlich zu einer Nachfrage nach einzelnen Gütern zu finden, welche eine Optimierung des eigenen Wohlbefindens ermöglicht.

 

Wenn es schon nicht sinnvoll ist, den Umfang der Datenänderungen zu reduzieren, so könnte man sich die Frage stellen, ob es vielleicht auch an der Art wie Datenänderungen entstehen, liegt, wie groß die hierdurch verursachten Ungleichgewichte ausfallen. In diesem Zusammenhange kommt es vor allem darauf an, wie atomisiert eine Volkswirtschaft aufgestellt ist. In dem einen Extremfall gehen alle wichtigen Entscheidungen von einer einzigen staatlichen Stelle aus. Sie bewirken, dass nahezu alle Wirtschaftseinheiten zur gleichen Zeit bestimmte Vorschriften des Staates erfüllen, wobei diese Handlungen immer in die gleiche Richtung weisen, also alle z. B. eine einseitige Zunahme des Angebotes bewirken.

 

In einem anderen Extremfall liegen die relevanten wirtschaftlichen Entscheidungen bei einer Vielzahl einzelner Unternehmungen und Haushalte, wobei davon ausgegangen werden kann, dass die Reaktionen dieser Individuen auf bestimmte Datenänderungen zu unterschiedlichen Zeiten erfolgen und auch keinesfalls immer in die gleiche Richtung weisen. Nehmen wir als Beispiel den Fall eines allgemeinen Kurszerfalls an der Börse. Auf dieses Ereignis reagieren Börsianer recht unterschiedlich. Vor allem Individuen, welchen der Überblick über die realen Verhältnisse fehlt, werden auf diese Kursstürze mit einem Verkauf ihrer Wertpapiere antworten und damit den Kurszerfall um ein weiteres anheizen. Profis reagieren auf eine Reduzierung der Kurse unterschiedlich, je nachdem, ob diese Kurssenkungen durch reale Veränderungen ausgelöst wurden oder nicht. Wenn sich nämlich die realen Verhältnisse nicht verändert haben, kann der Profi davon ausgehen, dass die Kurse über kurz oder lang wieder steigen, für ihn lohnt es sich sogar Wertpapiere anzukaufen, um diese dann später mit höherem Kurs wiederum verkaufen zu können.

 

Wenn also nun bei einer möglichst großen Atomisierung der wirtschaftlichen Entscheidungen die Reaktionen zeitlich verteilt auftreten und sich darüber hinaus ein großer Teil der Reaktionen aufhebt (der eine kauft, der andere verkauft Wertpapiere), so ist der Markt sehr viel besser in der Lage, Ungleichgewichte abzubauen und damit die Gefahr eines großen, anhaltenden Ungleichgewichts zu verringern. Der Markt verhält sich dann wie ein Kanalisationssystem, das in Normalfällen das Regenwasser in die Kanalisation leitet, das aber bei einem Wolkenbruch, bei dem sehr viel Regenwasser in sehr kurzer Zeit und auf einem begrenzten Territorium vom Himmel fällt, überfordert ist und infolgedessen es nicht verhindern kann, dass das Regenwasser längere Zeit in den Straßen verharrt.

 

Fortsetzung folgt!