Seit
schrittweise die Beschränkungen des Wirtschaftslebens aufgrund der
Corona-Pandemie aufgehoben wurden, mehren sich die Stimmen, dass es eines
milliardenschweren Konjunkturprogramms bedürfe, um aus der Rezession
herauszufinden. Wie diese Forderungen zu beurteilen sind, hängt davon ab, was
man genau unter dem Begriff ‚Konjunkturprogramm‘ versteht. Niemand – auch nicht
der eingefleischteste Liberale – wird bestreiten, dass ein nachhaltiger
Aufschwung ohne jegliche staatliche Unterstützung nicht möglich sei. In diesem Sinne wäre also
auch die Forderung nach einem Konjunkturprogramm zu bejahen.
In
Wirklichkeit wird jedoch dieser Ruf nach einem Konjunkturprogramm zumeist in
dem Sinne verstanden, dass zu einer von Keynes empfohlenen Fiskalpolitik
zurückgekehrt werden sollte. Keynes hatte während der Weltwirtschaftskrise Ende
der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts die damals beginnende Depression damit
erklärt, dass trotz Zinssenkungen die Unternehmungen nicht bereit seien,
Investitionen im Umfang der gesamtwirtschaftlichen Sparsumme durchzuführen und
dass auf diese Weise Massenarbeitslosigkeit erwartet werden müsse.
Unternehmungen seien nämlich nicht bereit, in Zeiten des konjunkturell
bedingten Rückgangs der Konsumnachfrage ihre ohnehin nicht voll ausgelasteten
Produktionskapazitäten durch weitere Investitionen zu erhöhen. Also gelte auch
nicht mehr das von John Baptiste Say formulierte Gesetz, wonach der Markt über
Zinssenkungen Investitionen und Ersparnisse automatisch angleiche und deshalb
eine Massenarbeitslosigkeit auch gar nicht aus konjunkturellen Gründen, sondern
nur aus strukturellen Gründen entstehen könne.
Diese
Mindernachfrage könne nun – nach der Überzeugung der Keynesianer – vermieden werden, wenn der Staat in dem
Umfang, in dem die private Nachfrage nicht ausreicht, Vollbeschäftigung zu
garantieren, zusätzliche Nachfrage durch Steigerung seiner Ausgaben schaffe, in
dem diese nicht durch zusätzliche Steuern, sondern durch Aufnahme von Krediten
finanziert werden.
Keynes hat
also die Ursache einer Rezession (oder Depression) eindeutig in einem
Nachfragemangel gesehen und seine Therapie, die von ihm vorgeschlagene
Defizitpolitik, eignet sich deshalb auch nur für Wirtschaftskrisen, welche
aufgrund eines Nachfragemangels entstanden sind.
Der durch
die Coronapandemie ausgelöste Rückgang der
Wirtschaftsaktivität ist jedoch gerade nicht aufgrund eines Nachfragemangels
seitens der privaten Wirtschaftssubjekte ausgelöst worden. Der Staat hatte – um
eine Eindämmung der Pandemie zu erreichen – die Produktionsmöglichkeiten
verringert. Wenn aber die augenblickliche wirtschaftliche Krise nicht durch
einen Nachfragemangel ausgelöst wurde, kann man auch nicht erwarten, dass eine
vom Staat ausgelöste Mehrnachfrage das vorliegende Problem lösen kann.
Es geht in
der augenblicklichen Situation nicht darum, eine fehlende Nachfrage zu
steigern, sondern die Produktionsmöglichkeiten auf das bisherige Ausmaß zu
bringen. Ein Konjunkturprogramm im Sinne der keynesianischen Defizitpolitik ist
also auch nicht der richtige Weg, aus der augenblicklichen Krise
herauszufinden.
Aber selbst
dann, wenn es an Nachfrage fehlen würde, sind keynesianische
Konjunkturprogramme nicht - wie die Erfahrung gezeigt hat – in der Lage, auf
lange Sicht die Massenarbeitslosigkeit spürbar einzudämmen. Die
Arbeitslosigkeit ist seit der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre des 20.
Jahrhunderts nicht entscheidend gefallen, es spricht vieles dafür, dass sie
sogar angestiegen ist. Eine genaue Angabe ist nicht möglich, da die Statistiken
während der Weltwirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts noch recht unvollkommen
waren.
Und diese
Entwicklung in der Arbeitslosenrate ist nicht etwa deshalb eingetreten, weil
die Regierungen es verabsäumt haben, die keynesianischen Rezepte anzuwenden.
Nahezu jede westlich orientierte Industrienation hat in den Wirtschaftskrisen
keynesianische Konjunkturprogramme durchgeführt, es wurde auch zumeist nicht
gekleckert, sondern geklotzt, allerdings in unterschiedlichem Maße. Hierbei
zeigte sich, dass gerade diejenigen Staaten, welche wie Italien, Frankreich und
Spanien in besonders großem Umfang eine defizitäre Fiskalpolitik betrieben,
bedeutend höhere Arbeitslosenraten aufwiesen als diejenigen Staaten – wie z. B.
die BRD –, welche sich in geringem Maße verschuldeten.
Richtig ist
allerdings, dass die keynesianische Politik bisweilen durchaus Anfangserfolge
aufweisen konnte. Dies gilt weniger für das New Deal Roosevelts, welcher die
Arbeitslosigkeit weniger über eine Staatsverschuldung als über Arbeitsprogramme
reduzieren konnte. Wohl aber gelang es dem deutschen Wirtschafts- und
Finanzminister Karl Schiller in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts mit
Hilfe keynesianischer Konjunkturprogramme die Rezession zu überwinden.
Dieser
kurzfristige Erfolg erklärt sich aber daraus, dass die Gewerkschaften anfangs
nicht auf die Zunahme der Unternehmergewinne im Zusammenhang mit diesem
Konjunkturprogramm reagierten. Die defizitär finanzierten
Staatsausgabensteigerungen führten dazu, dass die Gewinnerwartungen der
Unternehmer anstiegen und dass die Unternehmer bereit waren, die Produktion und
mit ihr die Beschäftigung von Arbeitnehmern zu steigern.
Da aber auf
diese Weise die Lohnquote und auch die Reallöhne wegen der damit verbundenen
Preissteigerungen zurückgingen, brachte dies die Gewerkschaften auf den Plan,
sie forderten eine Anpassung der Nominallöhne an diese Veränderung in der
Einkommensverteilung. Damit fielen jedoch die Gewinnerwartungen wiederum zurück
und mit ihnen die Bereitschaft der Unternehmer, die Produktion auf Dauer
auszuweiten.
Da aber
aufgrund einer restriktiven Kündigungspolitik die Unternehmer nicht in der Lage
sind, kurzfristig die Arbeitnehmer, welche aufgrund dieser Veränderungen nicht
mehr benötigt werden, zu entlassen, passten sich auch die Unternehmer an diese
Situation an und reagierten nicht mehr auf die Zunahme der staatlichen
Aufträge. Langfristig stiegen somit weder die Produktion noch die
Beschäftigung.
Zwei
Anmerkungen zu diesen Überlegungen sind jedoch notwendig. Die Ablehnung der
Neoliberalen, die Arbeitslosigkeit mit einer defizitären Ausgabenpolitik des
Staates zu bekämpfen, ist keinesfalls mit der Forderung nach einer
prozyklischen Finanzpolitik gleichzusetzen. Von einer prozyklischen
Finanzpolitik spricht man dann, wenn der Staat aufgrund der konjunkturbedingten
Verringerung der Steuereinnahmen auch die Staatsausgaben kürzt. Eine prozyklische
Finanzpolitik wird von Neoliberalen wie von Keynesanhängern
abgelehnt, da diese die Konjunkturausschläge noch vergrößert. Die Forderung
nach einem ausgeglichenen Budget bezieht sich stets auf den gesamten
Konjunkturzyklus, eine Verschuldung in der Rezession muss danach durch einen
Überschuss in der Hochkonjunktur ausgeglichen werden.
Von
Keynes-Anhängern wird oftmals stillschweigend
unterstellt, dass die gesamtwirtschaftlichen Durchschnittskosten und damit auch
die Preise bei gesamtwirtschaftlicher Arbeitslosigkeit konstant bleiben und
erst bei oder kurz vor Erreichen der Vollbeschäftigung ansteigen. In
Wirklichkeit steigen die gesamtwirtschaftlichen Durchschnittskosten auch bei
Unterbeschäftigung an, da im Aufschwung in einzelnen Branchen sehr schnell
aufgrund der Knappheit einzelner Rohstoffe oder auch spezifischer
Facharbeitskräfte die Preise längst vor Erreichen der Vollbeschäftigung
ansteigen. Soweit diese Produkte selbst wiederum für die Produktion anderer
Produkte benötigt werden, breiten sich die Preissteigerungen aus, sodass fast
immer ein großer Teil der vom Staat ausgelösten zusätzlichen Staatsausgaben in
Preissteigerungen verpufft. Und dies bedeutet, dass sich die Einkommensverteilung
zu Lasten der Arbeitnehmer verschlechtert, sofern nicht die Gewerkschaften eine
Erhöhung der Nominallöhne erkämpfen.
Diese
Feststellungen bedeuten nicht, dass der Staat bei der Erholung der Konjunktur
tatenlos zusehen sollte, sondern lediglich, dass eine Defizitpolitik des
Staates kein geeignetes Mittel darstellt, um die wirtschaftliche Krise zu
überwinden. Nach wie vor gilt, dass es erstens Aufgabe des Staates ist,
wirtschaftliche Initiativen der Privaten nicht durch bürokratische Überwachung
zu verhindern, zweitens durch Ausbau der gesamtwirtschaftlichen Infrastruktur
die Startchancen aller Gebiete zu fördern, dies gilt vor allem für den Ausbau
des Internetnetzes. Drittens sollte der Staat auch nicht mit dem
Gießkannenprinzip allen Unternehmungen materille Hilfen gewähren, sondern
entsprechend der bisherigen Ziele vor allem in der Umweltpolitik die Krise zum
Anlass nehmen, Wirtschaftzweige und Einzelbetriebe,
welche diesen Zielsetzungen widersprechen, nicht mehr zu fördern und damit ein
Wiedererstarken solcher Wirtschaftszweige zu verhindern, welche ohnehin
langfristig zurückgefahren werden müssen.