Startseite

 

 

Was spricht gegen eine Groko?

 

 

Seit längerer Zeit steht die Groko, ihre Berechtigung und ihr Weiterbestehen in den Schlagzeilen. Aber was versteht man überhaupt unter Groko, worin liegen die Argumente gegen eine Groko und wie berechtigt sind diese Argumente?

 

Zunächst zur Definition. Groko ist die Abkürzung für Große Koalition und eine Koalition kann als groß bezeichnet werden, wenn sie über weit mehr Parlamentssitze verfügt als zu einer absoluten Mehrheit notwendig sind.

 

Allerdings denkt man in der BRD in diesem Zusammenhange allein an die Koalition von CDU/CSU und SPD, den beiden ehemals großen Volksparteien, welche von ihrem Anspruch her nicht nur die Interessen einer einzigen Bevölkerungsgruppe, also z. B. der Arbeitnehmer vertreten, sondern den Anspruch erheben, einen fairen Kompromiss zwischen den Interessen der wichtigsten Volksgruppen anzustreben.

 

Eine große Koalition entstand in der Bundesrepublik erstmals in den 60er Jahren, als mit Georg Kiesinger als Bundeskanzler CDU/CSU sowie SPD eine Koalitionsregierung bildeten. In den beiden letzten Jahrzehnten besteht wiederum eine große Koalition zwischen CDU/SPD unter der Kanzlerschaft Angela Merkel.

 

Allerdings war nach der letzten Bundestagswahl zunächst der Versuch unternommen worden, zwischen CDU/CSU, den Grünen und der FDP eine Jamaika-Koalition zu schmieden und als diese Versuche an der Bereitschaft der FDP scheiterten und der Bundespräsident Steinmeier die SPD an ihre gesamtpolitische Verantwortung appellierte, kam dann nur mit Zögern auf beiden Seiten eine nochmalige Große Koalition zustande.

 

In beiden Parteien bestanden nach wie vor große Bedenken gegen diese Koalition, in der SPD, weil die Meinung vorherrschte, die SPD zöge in einer großen Koalition den Kürzeren, sie würde nach einer Regierungsbildung als Juniorpartner die darauf folgenden Wahlen verlieren, ein Wahlsieg der SPD sei nur aus der Opposition heraus möglich.

 

Innerhalb der CDU/CSU entstanden hingegen immer größere Vorbehalte gegen eine Koalition mit der SPD, da es der SPD über Mitgliederbefragungen gelungen war, Programmpunkte der SPD in den Koalitionsvertrag aufzunehmen, gegen die sich die CDU vor der Wahl entschieden ausgesprochen hatte.

 

Die CDU sah sich jedoch gezwungen, den Forderungen der SPD entgegenzukommen, da sie ansonsten befürchtete, dass nur noch Neuwahlen als Ausweg aus dieser Krise möglich seien und Neuwahlen vermutlich zu einem starken Wählerverlust führen würden.

 

Fragen wir uns nun, welche Überlegungen denn in den 60er Jahren zur ersten großen Koalition geführt haben. Vor allem zwei Entwicklungen haben hierbei die Groko herbeigeführt. Auf der einen Seite hatte sich gezeigt, dass die Bundesrepublik bei der damaligen Rechtslage große Schwierigkeiten hatte, die Bader Meinhold-Bande wirkungsvoll zu bekämpfen. Auf der anderen Seite war die Bundesrepublik erstarkt und gleichberechtigtes Mitglied der Völkergemeinschaft geworden.

 

Vor allem von den anderen Großmächten wurde die Forderung erhoben, dass sich auch die Bundesrepublik an den internationalen Bemühungen um Weltfrieden, vor allem um ein Ausbreiten des Sowjet-Kommunismus zu verhindern, beteiligen müsse. Auch vielen Politikern in der BRD war klar geworden, dass die Bundesrepublik nur dann international entsprechend ihrer Größe und Wirtschaftsmacht volle Anerkennung finden könne, wenn es über eine Verteidigungsmacht verfüge.

 

Beide Forderungen waren jedoch nicht auf dem Boden des Grundgesetzes zu verwirklichen. Das Grundgesetz verbot ex pressis verbis, eine Streitmacht zu errichten. Auch reichten die Vollmachten der Strafbehörden nicht aus, um Bedrohungen der freiheitlichen Ordnung gegen die Bader-Meinhof-Bande wirkungsvoll zu bekämpfen.

 

Beide Überlegungen führten bei Vertretern der beiden großen Volksparteien CDU/CSU und SPD zu der Überzeugung, dass das Grundgesetz geändert werden müsse. Da aber Teile des Grundgesetzes nur mit einer qualifizierten Mehrheit verändert werden können, waren diese Parteien der Auffassung, dass eine befriedigende Änderung des Grundgesetzes am besten erreicht werden könne, wenn beide Volksparteien eine Koalitionsregierung bilden. So kam es zur ersten Groko, welche bewusst als einmalige Ausnahmeerscheinung angesehen wurde.

 

Gerade die Möglichkeit, bei Vorliegen einer Groko im Parlament über eine qualifizierte Mehrheit zu verfügen, ist es auch, welche generell in einer parlamentarischen Demokratie als unerwünscht angesehen wird. Ein Grundgesetz legt die Bestimmungen fest, welche über längere Zeit zu gelten haben, es werden in der Verfassung vor allem auch die für die einzelnen Regierungen geltenden Grenzen aufgezählt.

 

Es widerspricht somit dem Gedanken einer parlamentarischen Demokratie, dass eine Regierung über so viel Macht verfügt, dass sie auch dieses Grundgesetz, das sie kontrollieren soll, so verändern kann, dass diese Kontrolle außer Kraft gesetzt wird.

 

Ganz andere Überlegungen führten in den letzten Jahren zur Bildung einer Großen Koalition. Vor allem für die jetzige Regierung gilt, dass sie weder von der CDU/CSU noch von der SPD ursprünglich angestrebt wurde. Die CDU/CSU strebte ein Bündnis mit der FDP und den Grünen an. Diese Verhandlungen scheiterten aber, da die FDP die Verhandlungen vorzeitig abbrach. Die SPD hingegen ging von der Vorstellung aus, dass sie nur aus der Opposition heraus die nächsten Bundestagswahlen gewinnen könne.

 

Nur durch das Einschreiten des Bundespräsidenten, der vor den mit einer Neuwahl verbundenen Gefahren warnte, konnte die SPD veranlasst werden, einer erneuten Bildung einer Großen Koalition zuzustimmen.

 

Niemand strebt also heutzutage eine echte Groko an, welche das Ziel verfolgt, über eine qualifizierte Mehrheit die Verfassung ändern zu können. Ganz davon abgesehen, dass eine Koalition von CDU/CSU und SPD bei der letzten Bundestagswahl lediglich eine recht kleine Mehrheit von etwa 3% der Stimmen erhalten hatte und entsprechend den augenblicklichen Wahlumfragen nur noch einen Stimmenanteil von etwa 40% aufweisen kann.

 

Eine weitere Koalition von CDU/CSU und SPD würde also bei heutigen Wahlen sogar die Mehrheit verfehlen. Deshalb kann man heutzutage ein solches Regierungsbündnis auch nicht damit ablehnen, dass auf diese Weise die Regierung die Möglichkeit hätte, das Grundgesetz zu ändern.

 

Was spricht aber dann gegen eine weitere Koalition dieser zwei bzw. drei Parteien? Wir hatten oben bereits darauf hingewiesen, dass das Ziel einer Wahl zum Bundestag daran bestehen müsste, einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen politischen Strömungen herbeizuführen, welcher zumindest der Mehrheit der Wähler entspricht.

 

Nun haben wir davon auszugehen, dass diese Aufgabe am besten dadurch erreicht würde, wenn es einer großen Volkspartei, welche also bereits von ihrer Zielsetzung her den Anspruch erhebt, die Interessen aller Bevölkerungsgruppen zu erfüllen, gelingen würde, die Mehrheit zu erlangen.

 

Wir haben hierbei davon auszugehen, dass jede der beiden Volksparteien über eine Stammwählerschaft verfügt, welche aber nicht ausreicht, um bei den Wahlen zum Bundestag die Mehrheit zu erlangen. Um die Wahlen gewinnen zu können, müssen sie auch andere Bevölkerungsgruppen ansprechen, sie müssen also auf die Mitte des politischen Spektrums zugehen. Sie können aber nur dann per Saldo auf diese Weise Wählerstimmen gewinnen, wenn dieses Rücken in die Mitte nicht dazu führt, dass am äußersten Rand Wähler verloren werden, da diese zu einer radikalen Partei überwechseln.

 

In der Mitte, beim sogenannten Grenzwähler stimmen dann beide Parteien in ihren Regierungsprogrammen weitgehend überein. Man könnte bei diesem Ergebnis zu der Meinung gelangen, es sei dann auch langfristig für das Wohl der gesamten Bevölkerung gleichgültig, welche Partei die Regierung bilden kann, die verwirklichten Programme stimmten doch weitgehend überein.

 

Diese Schlussfolgerung wäre jedoch falsch. Für das Funktionieren einer repräsentativen Demokratie ist es notwendig, dass sich in gewissen Zeitabständen die Parteien in der Regierung abwechseln. Wenn Politiker zu lange an der Macht bleiben, verbrauchen sie sich, sie sind nicht mehr zu neuen Ideen fähig, vor allem aber gewinnen sie als Regierungspartei immer mehr Startchancenvorteile gegenüber den Oppositionsparteien. Auf diese Weise wäre aber auch die Möglichkeit der Wähler, bei Unzufriedenheit mit der bisherigen Regierung diese abzuwählen, eingeschränkt.

 

Dass also CDU/CSU und SPD eine gemeinsame Regierung bilden, sollte eine Ausnahme bleiben, nicht etwa deshalb, weil hier eine große Koalition entstehen würde, welche die Möglichkeit hätte, das Grundgesetz zu seinen Gunsten zu verändern, sondern einfach deshalb, weil eine Regierung von einer Volkspartei, welche alle oder die meisten Bevölkerungsgruppen vertritt, angeführt werden sollte, aber jede Partei sich im Amt verbraucht und deshalb immer wieder in die Opposition zurückkehren sollte und dort bessere Möglichkeiten hat, sich zu erneuern.

 

Es ist hierzu nicht notwendig, dass stets die zwei bisher größten Volksparteien diese Rolle spielen. Im klassischen Land des Mehrheitswahlrechtes kämpften zunächst die Konservativen gegen die Liberalen. Eines Tages übernahm aber die Labourpartei die Rolle der Liberalen. Es wäre deshalb auch heutzutage denkbar, dass eine der bisher großen Volksparteien durch eine andere ersetzt wird, dass als z. B. die Grünen die bisherige Stellung der SPD übernimmt.