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                                                                                                         01. 10. 2016

Zur Forderung nach einem Grundeinkommen für jeden (II)

 

 

Gliederung:

 

1. Das Problem

2. Keine Ausweitung der Freizeit, kein zusätzliches Sparen

3. Zunahme der Ersparnis

4. Ausweitung der Freizeit

5. Verteilungswirkungen

6. Moral Hazard

7. Größerer Freiheitsspielraum?

8. Negative Einkommenssteuer als Alternative

 

 

5. Verteilungswirkungen

 

Bei unseren bisherigen Überlegungen hatten wir uns darauf beschränkt, nur nach den durchschnittlichen Veränderungen zu fragen und damit Verteilungseffekte bewusst ausgeklammert. Wir wollen uns nun im nächsten Schritt Verteilungsfragen im Zusammenhang mit der Einführung eines Grundeinkommens zuwenden, einmal die Frage klären, wie sich unter Umständen diese Maßnahme auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich auswirkt, zum andern aber auch die Frage, ob die oben geschilderten negativen Auswirkungen nicht für die Masse der Bevölkerung, vor allem für die Empfänger geringeren oder mittleren Einkommens, dadurch gemildert oder sogar vermieden werden können, dass man bewusst die Lasten dieses Konzeptes den Reichen unserer Gesellschaft einseitig aufbürdet.

 

Es ist ganz klar, dass die heutigen Sozialhilfeempfänger profitieren werden, da im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass die Höhe des Grundeinkommens deutlich über den heutigen Sozialhilfesätzen angesetzt wird. Heute wird oftmals dem gegenwärtigen System vorgeworfen, dass es Armut erzeuge oder zumindest zulasse und einer der wichtigsten Beweggründe für die Einführung eines allgemeinen Grundeinkommens besteht ja gerade darin, dass man mit diesem Vorschlag Armut innerhalb unserer Gesellschaft radikal beseitigen möchte.

 

Aber auch dann, wenn wir feststellen können, dass die Ärmsten unserer Gesellschaft vermutlich zu den Gewinnern dieser Maßnahme gehören werden, wird hierdurch allein die Kritik an diesem Vorschlag nicht entkräftet. Dieses Ziel könnten wir ja sehr viel einfacher und mit wesentlich weniger Nebenkosten dann erreichen, wenn wir die Sozialhilfesätze erhöhen würden. Warum in aller Welt ist es zur Erreichung dieses Zieles notwendig, dass man allen Bürgern, auch den reichsten, ebenfalls ein Einkommen ohne Leistung garantiert?

 

Ohne zusätzliche distributive Maßnahmen würde jedoch der Rest der Bevölkerung, also die Masse der Arbeitnehmer und Mittelständler sowie die sehr kleine Gruppe der Superreichen (der Millionäre und Milliardäre) die oben dargestellten negativen Wirkungen erfahren. Und hier setzt dann auch der Vorschlag der Befürworter eines generellen Grundeinkommens an. Man ist der Meinung, dass es in unserer Gesellschaft ohnehin ungerecht zugehe, dass diese in der Realität zu beobachtende Verteilung in hohem Maße unerwünscht sei und dass deshalb die Finanzierung dieses Grundeinkommens den superreichen Bürgern aufgelastet werden könne und müsse.

 

Leider liegen die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge nicht ganz so einfach, dass sich auf dem Wege einer Umverteilung zu Lasten der ganz Reichen diese Probleme lösen lassen. Zumeist mangelt es den Befürwortern dieser zusätzlichen Pläne an Einsicht in die Wirkungsweise moderner Wirtschaftssysteme aus einer Vielzahl von Gründen.

 

Als erstes gilt, dass auch dann, wenn man den Superreichen alle zusätzlichen Lasten aufbürden würde, für die Masse der Bevölkerung nicht viel gewonnen wäre. Wollte man z. B. jedem Bürger – mit Ausnahme der ganz wenigen Milliardäre –  jeden  Monat nur einen einzigen Euro zusätzlich zukommen lassen und die Finanzierung dieses Transfereinkommens dem reichsten Bürger unserer Gesellschaft anlasten, dann müsste dieser Milliardär 81 Millionen mal 12 Monate, also fast eine Milliarde Euro jedes Jahr zusätzlich zu den bisherigen Steuerzahlungen aufwenden.

 

Natürlich haben wir nicht nur einen Milliardär, sondern mehrere, aber damit ist nicht viel gewonnen, weil ja bei der Einführung eines Grundeinkommens auch nicht nur ein Euro, sondern nach den beim schweizerischen Volksentscheid vorgeschlagenen Summen immerhin monatlich 2500 schweizer Franken an jeden Bürger ausgezahlt werden sollen. Nehmen wir also z. B. an, wir hätten 1000 Milliardäre, so entfiele auf den einzelnen Milliardär immer noch eine Summe von 2500 * 81 Mill. * 12 geteilt durch 1000 = circa 2,4 Milliarde als jährliche zusätzliche Last.

 

Es ist ganz klar, dass solche Summen nicht einfach über eine zusätzliche Reichensteuer aufgebracht werden können, solange man daran festhält, dass diese Steuer wirklich nur von den Superreichen, den Millionären und Milliardären aufzubringen ist.

 

Und in diesem Zusammenhang wenden dann die Verfechter einer Reichensteuer folgenden Trick an: Zunächst verweist man auf die Erben eines Milliardärs und stellt die Frage, ob es tatsächlich als gerecht anzusehen ist und in Wirklichkeit nicht einen Skandal größten Umfangs bedeute, dass diese Erben ohne eigens Zutun in Saus und Braus leben. Die Antwort ist klar: Natürlich ist dies höchst ungerecht.

 

Wenn aber dann die Zustimmung besteht, diese Verhältnisse zu ändern und eine Reichensteuer einzuführen, wendet sich die Argumentation. Es wird dann relativ schnell festgestellt, dass eine Beschränkung einer solchen Steuer auf die wenigen Millionäre und Milliardäre keinen ausreichenden Ertrag bringen wird, ja dass unter Umständen sogar die Mehrkosten durch den dann notwendigen Ausbau der Verwaltung nahezu alle zusätzlichen Steuererträge vor allem dann auffressen, wenn die Steuerhöhe vom Vermögensbestand der einzelnen Milliardäre abhängig gemacht werden soll.

 

Also werden dann notwendigerweise auch mittlere Einkommen bis fast zu dem Durchschnittseinkommen herangezogen. Es wird dann wissentlich übersehen, dass gerade aufgrund dieser Ausdehnung der Steuerpflicht die eigentliche Begründung für die Einführung einer Reichensteuer gar nicht mehr gilt.

 

Der Versuch, die Finanzierung der Grundeinkommen über eine Reichensteuer durchzuführen, scheitert auch noch aus einem zweiten Grunde. Es wird so getan, als ob sich die Reichen wie Lämmer zur Schlachtbank ohne Gegenwehr führen ließen. Diese Annahme widerspricht jedoch aller Erfahrung. Nahezu jeder Bürger, dessen Nettoeinkommen durch eine drastische Steuererhöhung reduziert werden soll, wird versuchen, die hierdurch hervorgerufenen Verluste wiederum auf anderem Wege zu kompensieren. Hierbei ist noch nicht einmal an den Versuch gedacht, durch eine illegale Steuerhinterziehung die Einkommensverluste wettzumachen. Es gibt fast immer zahlreiche Möglichkeiten, auf durchaus legalem Wege Steuern zu umgehen.

 

Dass es in der Realität stets solche Wege der Steuerumgehung gibt, hängt einmal damit zusammen, dass der Gesetzgeber teilweise ganz bewusst solche Wege offen lässt, zum andern aber auch damit, dass dem Gesetzgeber bei der Abfassung der Steuergesetze einfach bestimmte Schlupflöcher unbekannt waren. Vor allem aber können sich Reiche in einer freiheitlichen demokratischen Ordnung fast immer der Steuerpflicht dadurch entziehen, dass sie in ein anderes Land auswandern, in dem die Besteuerung der Reichen geringer ausfällt.

 

Wenn auf diesem Wege gerade diejenigen das Land verlassen würden, welche als Unternehmerführer das geringste Leistungsvermögen aufweisen oder als Kapitalgeber fragwürdige und besonders riskante Investitionen durchführen, könnte man in dem Wegzug dieser Personen sogar unter Umständen etwas Positives sehen. In Wirklichkeit werden jedoch gerade die produktivsten und leistungsfähigsten Führungskräfte und Kapitalgeber der eigenen Volkswirtschaft den Rücken kehren, denn es sind gerade nur die leistungskräftigsten Kräfte, die jederzeit im Ausland Führungspositionen erlangen können.

 

Käme es aber zu einer nennenswerten Abwanderung gerade der leistungsfähigsten Führungskräfte, würde dies langfristig zu einer Reduzierung des Wachstums und damit auch zu einer Verringerung des Steuervolumens führen, was gerade auch die Realisierung sozialpolitischer Ziele äußerst erschweren würde.

 

Schließlich sind es aber auch drittens die gesamtwirtschaftlichen Kreislaufzusammenhänge, welche verhindern, dass auf dem Wege einer Reichensteuer dem Staat zusätzliche Steuermittel zugeführt werden können. Bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte Carl Föhl mit seinen beiden Artikeln: ‚Kritik der progressiven Einkommenssteuer‘ sowie ‚das Steuerparadoxon‘ aufgezeigt, dass die gesamtwirtschaftliche Nettogewinnsumme nur in dem Maße reduziert werden kann, in dem es gelingt, die freiwillige Sparsumme der privaten Haushalte an die von den Unternehmern geplante Gesamtsumme der Investitionen anzupassen.

 

Danach kann eine Finanzierung von Investitionsvorhaben auf zweierlei Weise erfolgen. Entweder werden Investitionen mit Hilfe von Krediten finanziert, welche aufgrund der freiwilligen Ersparnisse der privaten Haushalte gewährt werden können.

 

Sind jedoch die privaten Haushalte nicht bereit, im Umfang der Investitionsvorhaben Ersparnisse freiwillig zur Verfügung zu stellen, erzielen die Unternehmer die notwendigen Finanzierungsmittel durch Preissteigerungen, welche den Unternehmungen über eine Gewinnsteigerung eine weitgehende Selbstfinanzierung ermöglichen.

 

Die hierzu notwendigen Preissteigerungen treten hier deshalb auf, weil bei fehlendem Sparwillen der Haushalte die Summe der Investitionsnachfrage sowie der Konsumsumme das Güterangebot übersteigt. Nachfrageüberhänge führen jedoch in einer freien Marktwirtschaft stets zu Preissteigerungen.

 

Das Paradox dieser Situation sah Carl Föhl in der Tatsache, dass das Anheben der Steuersätze damit begründet wurde, dass auf diesem Wege die Nettogewinne reduziert werden könnten, dass aber de facto gerade das starke Ansteigen der Steuersätze überhaupt erst auf dem Wege der Preissteigerungen zu dem kritisierten Anstieg in den Bruttogewinnen geführt habe. Zwar habe die Erhöhung der Steuersätze dazu geführt, dass der Abstand zwischen Brutto- und Nettogewinne vergrößert wurde. Trotzdem seien die Nettogewinne aufgrund der Steuererhöhung nicht geschrumpft, da gleichzeitig die Bruttogewinne angestiegen seien.

 

Der Staat gebe nämlich die zusätzlichen Steuereinnahmen für Staatsausgaben aus, die als zusätzliche Erlöse den Unternehmungen zufließen und damit einen gleichhohen Anstieg der Bruttogewinne zur Folge hätten. Aus diesen Gründen bliebe der Nettogewinn im Durchschnitt weitgehend  – trotz Erhöhung der Steuersätze – konstant.

 

Dies bedeutet, dass eine effektive Reduzierung der gesamtwirtschaftlichen Nettogewinnsumme überhaupt nur gelingen kann, wenn die Differenz zwischen Investitionssumme und Sparsumme der Haushalte reduziert wird. Wenn dies aber gelingt, dann bedarf es gar keiner Steuersatzerhöhung, weil in diesem Falle Brutto- wie Nettogewinnsumme aufgrund der Zunahme in der Ersparnis zurückgehen.

 

 

6. Moral Hazard

 

Zu den Vorzügen eines allgemeinen Grundeinkommens soll nach Überzeugung der Anhänger dieses Vorschlages auch zählen, dass die lästigen und entehrenden Überprüfungen bei der Auszahlung dieser Transfereinkommen wegfallen, da ja jeder Bürger einen Anspruch auf diese Gelder habe und da deshalb auch die Berechtigung zum Bezug dieses Einkommens nicht überprüft werden müsse. Dieses Verfahren sei im Vergleich zur augenblicklichen Sozialhilfe für den Staat billiger, da alle Kontrollmaßnahmen entfallen. Es sei auch vor allem für die Empfänger dieser Leistungen menschenwürdiger.

 

Aber diese Schlussfolgerungen scheinen mir zu übereilt gezogen worden sein. Die Realisierung dieses Vorschlages führt keineswegs automatisch dazu, dass die Menschen moralischer werden und auf Missbrauch verzichten werden. 

 

Das Problem des Missbrauchs beim Bezug der vom Staat gewährten Subventionen wird im Rahmen der Finanzwissenschaft unter dem Stichwort des Moral Hazard diskutiert. Hierbei muss festgestellt werden, dass der Umfang missbräuchlicher Handlungen in den letzten Jahrzehnten drastisch angestiegen ist. Drei Faktoren sind letzten Endes für den Umfang missbräuchlicher Handlungen verantwortlich: das Absinken des allgemeinen moralischen Bewusstseins der Menschen, der größer gewordene Umfang der Gelegenheiten zu einem missbräuchlichen Bezug der vom Staat gewährten Gelder sowie die Kosten im Sinne von Opportunitätskosten, welche denjenigen Individuen entstehen, welche dieses amoralische Verhalten ausüben.

 

Als erstes muss der Anstieg dieser missbräuchlichen Verhaltensweisen auf einen generellen Zerfall des moralischen Niveaus zurückgeführt werden. Hierfür ist in erster Linie das Versagen der kulturellen Systeme, aber auch die immer geringer werdende Bereitschaft zu einem religiösen Bezug der Menschen verantwortlich. Die Einführung eines allgemeinen Grundeinkommens ist sicherlich nicht in der Lage, etwas an diesem Verhalten grundsätzlich zu verändern.

 

Dadurch, dass nun nicht nur die wirklich Bedürftigen, sondern restlos alle Bürger eines Landes begünstigt werden sollen, vergrößern sich die Gelegenheiten zur missbräuchlichen Aneignung von Einkommen enorm. Bisher war es immerhin nur eine relativ kleine Gruppe von Reichen, welche in größerem Umfange bestohlen werden konnte, während ein großer Teil der Bevölkerung ein so geringes Einkommen erhalten und über so wenig privates Vermögen verfügt hat, dass sich Diebstähle hier gar nicht gelohnt hatten. Nach Einführung dieses Vorschlages verfügt hingegen praktisch jeder Bürger über Einkünfte, auf die sich potentielle Diebe konzentrieren können.

 

Die staatlichen Behörden brauchen zwar nun bei der Auszahlung des Grundeinkommens nicht mehr die Bedürftigkeit der Empfänger überprüfen, aber die Frage, ob der Antragsteller als Bürger zu gelten hat und unter Umständen bereits dieses Geld bezogen hat, muss nachwievor geprüft werden. Auch Personalausweise lassen sich fälschen. Zwar werden die Methoden, die der Staat bei der Ausstellung und Überprüfung von Ausweisen anwendet, immer besser, aber gleichzeitig werden auch die potentiellen Diebe bei dem Versuch, solche Ausweispapiere zu fälschen, ebenfalls einfalls- und damit erfolgreicher.

 

Hierbei kann ein möglicher Missbrauch nicht nur darin liegen, dass Ausländer, die nicht zum Bezug dieser Gelder berechtigt sind, einen Antrag stellen oder an und für sich berechtigte Inländer diesen Antrag doppelt stellen, es besteht ja auch die Gefahr, dass die potentielle Diebe sich nicht an die Behörden wenden, sondern den Versuch unternehmen, die Konten der begünstigten Bürger – und dies sind nun eben dann restlos alle Bürger – zu plündern. Der Umstand, dass vor kurzem die Voraussetzungen geschaffen wurden, dass restlos jeder Bürger ein Anrecht auf Eröffnung eines Girokontos besitzt, hat die Gelegenheit zu missbräuchlichem Handeln ganz entscheidend vergrößert.

 

Und wie steht es schließlich mit dem dritten Bestimmungsgrund für ein Moral Hazard, mit den Opportunitätskosten der missbräuchlichen Handlung? Hier gilt in erster Linie, dass die Anstrengungen, welche ein Dieb zum unberechtigten Erwerb aufbringen muss, entscheidend davon abhängen, wie stark und vollständig die Kontrollen des Staates sind.

 

Würde also der Staat auf jegliche genauere Überprüfung bei der Austeilung des Grundeinkommens verzichten, würden gerade dadurch auch die Kosten des missbräuchlichen Handelns verringert und gerade deshalb würde der Missbrauch weiter ansteigen. Die staatlichen Behörden werden gar nicht darum kommen, die Frage der Berechtigung zum Bezug des Grundeinkommens und die Möglichkeiten missbräuchlicher Aneignung dieser Gelder genauestens unter die Lupe zu nehmen. Die Anzahl der staatlichen Kontrollen wird also eher zunehmen, auf keinen Fall zurückgehen.

 

 

7. Größerer Freiheitsspielraum?

 

Als weiterer Vorzug eines allgemeinen Grundeinkommens gilt für die Anhänger dieses Vorschlages, dass diese Maßnahme den Freiheitsspielraum für jeden einzelnen Bürger (für jede einzelne Bürgerin) entscheidend vergrößere. Während bisher nahezu Jeder darauf angewiesen sei, seine erwerbswirtschaftliche Arbeit anzubieten und die Arbeit in den Betrieben für die meisten Arbeitnehmer den Charakter einer Fremdbestimmung habe, dass also Jeder nur auf diesem Wege überhaupt seine Grundbedürfnisse befriedigen könne, bestünde bei Einführung eines allgemeinen Grundeinkommens dieser Zwang eben nicht mehr, das Grundeinkommen sei so bemessen, dass jeder Bürger seine Grundbedürfnisse auch ohne erwerbswirtschaftliche Arbeit befriedigen könne.

 

Der Einzelne könne jederzeit auch anderen Zielsetzungen nachgehen, er könne – wenn er wolle – eine Auszeit nehmen und junge Familien wären in der Lage, sich voll ihren Kindern zuzuwenden. Wenn man will, sei also für den Einzelnen, der nicht dem Konsumrausch verfallen sei, was ohnehin verwerflich sei, mehr oder weniger das Diktat der Knappheit aufgehoben.

 

Und genau an dieser Stelle wird dieser Plan eines ausreichenden und allgemeinen Grundeinkommens zu einer sozialromantischen Utopie. Knappheit besteht, seit es Menschen gibt und es wird keine Möglichkeit geben, Knappheit total zu überwinden. Die Menschen können zwar sehr wohl durch kluges und effizientes Handeln das Ausmaß der Knappheit reduzieren, nie wird es jedoch möglich sein, die Knappheit als solche zu überwinden. Zumindest in den nächsten Jahrzehnten oder vermutlich auch Jahrhunderten wird die Welt durch Knappheit bestimmt werden.

 

Der eigentliche Grund dafür, dass dieser Kampf für die Überwindung nie endgültig gewonnen werden kann, liegt darin begründet, dass mit den technischen Möglichkeiten auch das, was wir Menschen als notwendig und erwünscht ansehen, in gleichem Umfang, in dem die Möglichkeiten der Befriedigung  menschlicher Ziele zugenommen hat, ansteigt. Knappheit bezieht sich jedoch stets auf das Verhältnis von Bedarf und Angebot, durch alleinige Ausweitung des Angebotes ist es nicht möglich, den Grad der Knappheit entscheidend zu verringern.

 

Die Gründe dafür sind zwar andere geworden und werden in Zukunft auch wiederum andere werden. Während es in der Vergangenheit für den größten Teil einer Bevölkerung noch nicht einmal möglich war, die wichtigsten menschlichen Grundbedürfnisse zu befriedigen, gelang es den Industrienationen in den beiden letzten Jahrhunderten für den größten Teil der Bevölkerung das Existenzminimum sicherzustellen.

 

Diese Feststellung gilt aber auch heute noch keinesfalls für die gesamte Menschheit, ein sehr großer Teil der Weltbevölkerung lebt auch heute noch unterhalb oder nahe am Existenzminimum. Durch die Art, wie wir bisher unsere Grundbedürfnisse befriedigt haben, vor allem durch eine nicht nachhaltige Produktionsweise, laufen wir für die nahe Zukunft Gefahr, dass sich die natürlichen Lebensverhältnisse so verschlechtern, dass wir unser Überleben überhaupt nur dadurch sicherstellen können, dass wir unseren wirtschaftlichen Hauptaugenmerk auf die Erhaltung der Umwelt setzen.

 

Die bisher für den einzelnen Arbeitnehmer weitgehend geltende Fremdbestimmung der Arbeit in den Betrieben ist nämlich keinesfalls nur deshalb eingetreten, weil sich die einzelnen Arbeitnehmer nur auf dem Wege einer erwerbswirtschaftlichen Arbeit die für das Überleben notwendigen Güter sichern können. Der Zwang, dem der einzelne Arbeitnehmer in den Betrieben ausgesetzt ist, wird nämlich in viel größerem Maße dadurch ausgelöst, dass wir in unserer modernen Gesellschaft arbeitsteilig vorgehen.

 

Die Gesamtaufgabe der Produktion wird so aufgeteilt, dass jedem Einzelnen eine jeweils andere Aufgabe übertragen wird. Diese Arbeitsteilung hat zwar die Effizienz der Produktion enorm gesteigert, dieser Effizienzgewinn wurde jedoch dadurch erkauft, dass nun auch jeder Einzelne sich dem Gesamtplan unterwerfen muss, nur dann, wenn auch alle zusammenarbeiten und stets ihren Anteil an Arbeit erfüllen, kann die Produktion auch erfolgreich durchgeführt werden.

 

Diese wechselseitige Abhängigkeit gilt innerhalb eines Betriebes, aber auch für die gesamte Volkswirtschaft. Wenn z. B. in der Reifenindustrie wegen eines Streikes oder auch wegen mangelnden Rohstoffes zu wenig Autoreifen produziert werden, muss auch die Fertigung von Kraftfahrzeugen eingeschränkt werden.

 

Es ist dann auch nicht mehr möglich, dass jeder Einzelne seinen individuellen Bedürfnissen nachgeht und beliebig über seine Anwesenheit im Betrieb selbst entscheidet. Die Betriebsleitung wird also die einzelnen Arbeitnehmer verpflichten, auch regelmäßig zur Arbeit zu erscheinen.

 

Zwar kann der Staat per Gesetz erzwingen, dass in ganz bestimmten Fällen dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt wird, der Arbeit im Betrieb fernzubleiben. Solche Rechte gibt es auch heute schon in zahlreichen Fällen. Die Gewerkschaften haben das Recht, einen Streik auszurufen, auch dann, wenn dadurch die Produktion zeitweise stillgelegt wird. Eine schwangere Frau hat einen Anspruch auf eine mehrwöchige Freistellung vor und nach der Schwangerschaft. Angehörige der freiwilligen Feuerwehr können falls es ihr Einsatz in der Feuerwehr erfordert, den Arbeitsplatz kurzfristig verlassen, u.s.w.

 

Aber gerade deshalb, weil der Gesetzgeber auch in der Vergangenheit bereits in zahlreichen Fällen das Fernbleiben von der Arbeit im Betrieb erzwingt, sind die Möglichkeiten weiterer Tatbestände bereits weitgehend erschöpft. Es würde sicherlich in vielen Fällen die Produktion zum Erliegen bringen, wollte der Gesetzgeber jedem Arbeitnehmer das Recht einräumen, selbst zu bestimmen, wann er seiner erwerbswirtschaftlichen Arbeit nachgehen will.

 

Noch aus einem weiteren Grunde sind der Ausübung der Freiheit bei der Bestimmung der Arbeitszeiten enge Grenzen gesetzt. Wieweit nämlich eine Unternehmung das Fernbleiben einzelner Arbeitnehmer bei gewissen Anlässen verkraften kann, hängt entscheidend von der Betriebsgröße ab.

 

Nehmen wir als erstes Beispiel einen Kleinstbetrieb, in welchem für eine ganz bestimmte Arbeit lediglich ein einzelner Arbeitnehmer eingestellt werden kann und dessen Arbeit deshalb auch nicht von einem anderen Arbeitnehmer wahrgenommen werden kann. Hier würde der Ausfall dieser Arbeitskraft notwendiger Weise zu einer Stilllegung der gesamten Produktion führen. Natürlich ist dies ein Extremfall, der selten vorkommen wird, zumeist können die Aufgaben eines speziellen Arbeitnehmers zur Not vorübergehend von einer anderen Arbeitskraft wahrgenommen werden und zumeist werden in den meisten Betrieben von jeder Arbeitsqualität auch mehrere Arbeitnehmer eingestellt.

 

Trotzdem ist es richtig, dass ein Betrieb um so größere Schwierigkeiten bei solchen zeitweisen Ausfällen von Arbeitnehmern haben wird, je kleiner die Betriebsgröße (gemessen an der Anzahl der Beschäftigten) ist. Die Schwierigkeiten besonders großer Betriebe sind hier wesentlich geringer. Wenn eine Unternehmung z. B. 100 oder mehr Fachkräfte einer bestimmten Arbeitsqualität beschäftigt, kann sie davon ausgehen, dass fast immer ein einzelner Arbeitnehmer ausfällt und dass der Betrieb eben deshalb einen Arbeitnehmer mehr als unbedingt benötigt beschäftigen muss, damit dieser zusätzliche Arbeitnehmer die Arbeiten der jeweils vorübergehend abwesenden Kollegen übernehmen kann.

 

Gerade diese unterschiedlichen Auswirkungen einer vorübergehenden Freistellung von Arbeitskräften bringt es nun mit sich, dass eine Tendenz besteht, dass die Großunternehmungen die Kleinbetriebe verdrängen, je mehr Freistellungsmöglichkeiten der Staat per Gesetz erzwingt. Und eine solche Wirkung beeinträchtigt in großem Maße die Funktionsfähigkeit einer Marktwirtschaft.

 

Großbetriebe mögen zwar die technische Effizienz der Produktion im Allgemeinen erhöhen, es besteht jedoch die Gefahr, dass auf diesem Wege Angebotsmonopole entstehen, welche den Wettbewerb untergraben. Aber nur dann, wenn auf fast allen Märkten Wettbewerb zwischen den Unternehmungen besteht, kann damit gerechnet werden, dass die Produktion am Bedarf der Konsumenten ausgerichtet wird und dass Machtmissbrauch auf ein erträgliches Maß eingeschränkt wird.

 

Eine Zunahme der Unternehmungsgröße ist deshalb nur dann erwünscht, wenn in gleichem Umfang die Märkte international ausgeweitet werden. In diesem Falle bleibt nämlich der Anteil der Produktion, den eine Unternehmung am gesamten Bedarf einnimmt auch dann konstant, wenn die Unternehmung ihre Produktionsmenge ausweitet. Der Bedarf wird in diesem Falle durch Öffnung der nationalen Grenzen in gleichem Maße vergrößert, der für das Funktionieren der Marktwirtschaft unerlässliche Wettbewerb bleibt in diesem Falle erhalten.

 

 

8. Negative Einkommenssteuer als Alternative

 

Unsere Überlegungen haben also gezeigt, dass der Vorschlag eines generellen Grundeinkommens seine Ziele nicht erreicht und auch mit schweren negativen Sekundärwirkungen verbunden ist. Dies sagt noch nichts über die letztlichen Zielsetzungen, welche mit diesem Vorschlag verbunden werden, aus. Zunächst wurde nur das Mittel, mit dessen Hilfe diese letztlichen Ziele bei diesem Vorschlag verfolgt werden, als höchst ineffizient bezeichnet. Wir haben also zum Abschluss dieses Artikels zu überprüfen, ob diese Grundziele nicht auf anderem Wege einigermaßen befriedigend erreicht werden können.

 

In der Tat wird von neoliberaler Seite schon sehr lange ein Vorschlag vorgetragen, der anders als die Idee des Grundeinkommens zu durchaus befriedigenden Ergebnissen führt, ich denke an die Einführung einer sogenannten negativen Einkommenssteuer.

 

Im bisherigen Steuersystem werden die Einkommen von einem bestimmten Mindesteinkommen an besteuert, wer dieses Mindesteinkommen nicht erreicht, braucht keine Einkommensteuer zu zahlen. Wenn allerdings dieses geringe Einkommen noch nicht einmal ausreicht, um das kulturelle Existenzminimum zu befriedigen, erhält jeder Bürger einen Anspruch auf Sozialhilfe, um dieses Existenzminimum bei Jedem sicherzustellen.

 

Dieses Vorgehen ist allerdings höchst unzweckmäßig, nicht nur deshalb, weil oftmals die Sozialhilfesätze zu gering bemessen werden, um jedem ein Existenzminimum sicherzustellen, sondern auch deshalb, weil zwei von einander getrennte Behörden (die Finanzbehörden und die Einrichtungen der Sozialhilfe) errichtet wurden, um diese Ziele zu realisieren.

 

Hier setzt nun der Vorschlag einer negativen Einkommenssteuer an. Die Finanzbehörde hat hier jedem Bürger, welcher dieses Mindesteinkommen nicht mit seiner eigenen Erwerbstätigkeit erlangen kann, ein Transfereinkommen in der Höhe auszuzahlen, dass dieser zusammen mit seinem Erwerbseinkommen netto gerade auf das vom Staate festgelegte Mindesteinkommen kommt. Da dieses Transfereinkommen das Gegenteil von einer Einkommenssteuer ist, die im Allgemeinen zu entrichten ist, wird hier von einer negativen Einkommenssteuer gesprochen.

 

Man geht hier davon aus, dass die Steuerbehörden ohnehin die Voraussetzungen haben, über die Gesamteinkommenssituation der einzelnen Bürger informiert zu sein. Und dies bedeutet, dass diese Daten eben nur bei einer Behörde, dem Finanzamt und nicht zusätzlich wie bei der bisherigen Praxis noch von einer zusätzlichen Behörde, den Sozialämtern erhoben werden müssen.

 

Man wird also davon ausgehen können, dass insgesamt bei diesem Vorschlag gegenüber der bisherigen Praxis Verwaltungskosten eingespart werden können und zwar nicht etwa deshalb, weil diese Behörde nun gegenüber früher einen geringeren Verwaltungsaufwand betreiben kann, sondern deshalb, weil dieselben Daten nicht von zwei unabhängigen Behörden erhoben werden. Nach wie vor müssen die Finanzbehörden davon ausgehen, dass ein gewisser Teil der Bürger den Versuch unternimmt, durch falsche Angaben einen finanziellen Vorteil zu erlangen und es bedarf deshalb wie bisher der Überprüfung der Angaben der einzelnen Bürger.

 

Wie haben nun das Parlament sowie die Finanzbehörde im Einzelnen im Zusammenhang mit der negativen Einkommensteuer zu verfahren? Als erstes muss – wie übrigens auch bisher – festgelegt werden, über wie viel Einkünfte ein Bürger verfügen muss, damit er ein menschenwürdiges Leben führen kann. Die Notwendigkeit der Festlegung einer solchen Größe ergibt sich bereits zwingend aus Artikel 1 des Grundgesetzes, der festlegt, dass die Menschenwürde unantastbar ist. Es besteht Einigkeit darüber, dass die Menschenwürde nur gewahrt werden kann, wenn jedem Menschen dieses Minimum an materiellen Gütern gewährt wird.

 

Allerdings handelt es sich bei dieser Größe keineswegs um einen Betrag, der für alle Menschen gleich hoch anzusetzen ist. So ist z. B. die für Nahrung und Kleidung benötigte Menge an Konsumgütern vom Alter abhängig, Kinder und Jugendliche haben im Allgemeinen bei diesen Gütern einen geringeren Bedarf als die Erwachsenen.

 

Vor allem aber gibt es eine Reihe von Bedürfnissen wie vor allem der Anspruch auf eine menschenwürdige Wohnung, deren Betrag je nach Gegend aufgrund unterschiedlicher Wohnverhältnisse stark variiert und deshalb auch unterschiedlich angesetzt werden muss. Weiterhin hat natürlich auch jeder einen Anspruch auf Teilnahme innerhalb der Sozialversicherung.

 

Trotz dieser Unterschiede handelt es sich hierbei stets um reale uns absolute Beträge, unabhängig davon, wie hoch das durchschnittliche Einkommen aller Bürger im Einzelnen ist. Armut besteht immer darin, dass der absolute Umfang bestimmter für das Leben unerlässlicher Güter nicht von selbst, ohne Hilfe der Gemeinschaft, erreicht werden kann und dieser absolute Betrag steigt nicht einfach deshalb automatisch an, weil der Durchschnitt der Einkommen in einer Volkswirtschaft angestiegen ist.

 

Diese Feststellung steht in Widerspruch zu der bisherigen Praxis innerhalb Europas, die Frage, ob ein bestimmtes Individuum als arm zu gelten hat, als Prozentsatz des Durchschnittseinkommens verstanden wird. So wird innerhalb Europas jemand als arm gefährdet angesehen, wenn er mit Hilfe seines erwerbswirtschaftlichen Einkommens nicht 60% des Durchschnittseinkommens erreicht und er wird als arm bezeichnet, wenn sein privates Erwerbseinkommen weniger als 40% des Durchschnittseinkommens ausmacht.

 

Ein solches Vorgehen widerspricht nicht nur dem Umstand, dass Armut immer zunächst damit zutun hat, dass bestimmte lebensnotwendige Güter nicht vorhanden sind und dies ist immer eine Frage des absoluten Umfangs der zur Verfügung stehenden Güter. Bei einem solchen Vorgehen ist es nämlich darüber hinaus durchaus möglich, dass bestimmte Personen, welche bisher nicht als arm eingestuft waren, nun trotz Zunahme des absoluten und realen Einkommens in die Armut abrutschen können.

 

Bringen wir ein Beispiel. Unterstellen wir als erstes eine Gesellschaft, in welcher zu Beginn der Betrachtungszeit alle Bürger, also auch die Ärmsten über Einkünfte verfügen, die zumindest dem kulturellen Existenzminimum entsprechen. In den folgenden Perioden stiege das Durchschnittseinkommen Jahr für Jahr um einen beachtlichen Prozentsatz, sagen wir von 10%, was ja in dem ersten Jahrzehnt der BRD nach Einführung der Marktwirtschaft tatsächlich der Fall war. Aufgrund der stark ansteigenden Steuereinnahmen hätte die Regierung auch die Unterstützungssätze für die Armen, allerdings nur um jeweils 5% pro Jahr, angehoben.

 

Diese Entwicklung hätte zur Folge gehabt, dass sich die realen materiellen Verhältnisse der Armen entscheidend verbessert hätten, trotzdem würde die offizielle Statistik eine Zunahme der Armut feststellen, da ja annahmegemäß die Einkünfte der Ärmeren nicht ganz so stark gestiegen waren wie die Einkünfte der gesamten Bevölkerung und da folgerichtig der Prozentsatz derjenigen, welche gerade die neue Armutsgrenze nicht mehr erreichen, angestiegen ist.

 

Nehmen wir als zweites Beispiel eine Gesellschaft, in welcher Einkommensverhältnisse wie in einigen der reichsten Golfstaaten vorliegen. Die Mehrheit der Bevölkerung erreicht ein Einkommen, das vermutlich deutlich über dem Einkommen der übrigen Industriestaaten liegt, es finden sich hier weiterhin sehr viele Millionäre und eine gewisse Zahl sehr Reicher, also Milliardäre. Bei einer solchen Situation müsste damit gerechnet werden, dass auch einige Millionäre als arm eingestuft werden, wenn die Grenze für die Armutsgefährdung relativ (etwa bei 60% des Pro-Kopf-Einkommens) festgelegt würde. Auch hier würden die Ergebnisse der Armutsstatistik ähnlich wie im ersten Beispiel dem allgemeinen Verständnis von Armut widersprechen.

 

Als drittes Beispiel wollen wir uns umgekehrt eine Gesellschaft vorstellen, in welcher getreu den Empfehlungen linker Parteien ein allgemeiner für alle Wirtschaftszweige gleicher gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wurde, in der weiterhin die Vermögenssteuer wiederum eingeführt worden sei, die Steuersätze für die Erbschaftssteuer und zusätzlich die Spitzensteuersätze der Einkommenssteuer drastisch erhöht worden wären. Wir wollen weiterhin annehmen, dass aufgrund dieser Maßnahmen tatsächlich der Differenzierungsgrad der Einkommen und Vermögen verringert werden konnte. Ist damit wirklich garantiert, dass sich die Lage der Ärmsten unserer Gesellschaft verbessert hat?

 

Es wäre ja auch denkbar, dass die Reform unseres Steuersystems einfach dazugeführt hätte, dass die Superreichen zu einem großen Teil in ein Ausland mit geringeren Steuersätzen abgewandert wären, dass aber nicht etwa diejenigen Unternehmer das Land verlassen hätten, welche die geringste Leistung erbracht haben oder diejenigen, welche als Kapitalgeber bisher fragwürdige Risiken eingegangen sind. In Wirklichkeit ist vielmehr zu befürchten, dass gerade die am  meisten befähigten Manager das Land verlassen, da sie am ehesten eine für sie befriedigende Führungsposition im Ausland finden werden. Genauso ist zu befürchten, dass auch gerade solche Kapitalgeber ihr Kapital im Ausland anlegen werden, welche bisher verantwortungsvoll gehandelt haben und nur solche risikobehafteten Investitionen durchführten, bei denen ein Erfolg wahrscheinlich war.

 

In Folge dieser Abwanderung würde die gesamtwirtschaftliche Produktivität und mit ihr auch das Gesamteinkommen zurückgehen, mit der Folge, dass aufgrund sinkender Steuereinnahmen auch die Subventionen zugunsten der Armen nicht angehoben werden könnten. In diesem Falle würde jedoch entgegen dem äußeren Anschein die Lage der Armen nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert  worden sein.

 

Wir müssen davon ausgehen: Das Unwohlsein eines Armen steigt bei einem relativen Maßstab an. Zusätzlich zu den Begrenzungen, welche dieser Arme dadurch erfährt, weil er nicht über ausreichend materielle Güter verfügt, wird er nun in der Öffentlichkeit als Versager hingestellt, der das Klassenziel: aus eigener Kraft ein ausreichendes Erwerbseinkommen zu erzielen, verfehlt hat. Zu all den realen Entbehrungen, welche die Armut mit sich bringt, wird der Arme nun noch darauf eigens aufmerksam gemacht, dass die anderen, der größte Teil der Bevölkerung, aus eigener Kraft die Armut vermieden haben. Es besteht hier leicht die Gefahr, dass sich der Arme nun vermehrt entweder in die Isolation zurückzieht und gerade die nachbarliche Hilfe, die er eigentlich dringend benötigte, ausschlägt oder aber aus Hass gegenüber den andern, welche nicht arm sind, entweder sich verbrecherischen Handlungen wie Raub und Gewalt oder aber auch politischen Extremisten zuwendet.

 

Nun mag es zwar richtig sein, dass die Menschen ganz allgemein Vergleiche zu den anderen Individuen ziehen und sich als ungerecht behandelt ansehen, wenn sie geringere Einkünfte beziehen als andere. Aber es gibt keinen Grund dafür, dass man diese tatsächlichen Verhaltensweisen zu erwünschten Normen hochstilisiert. Neid ist keine Tugend, sondern eine der häufigsten Untugenden. Der Neid wird von gläubigen Menschen zu den häufigsten Todsünden gezählt.

 

Es mag sogar richtig sein, dass von dem Vergleichen der eigenen Einkommenslage zu der Einkommenslage anderer bisweilen eine positive Funktion ausgeht. Die Tatsache, dass ein Einzelner feststellt, er habe ein geringeres Einkommen als einer seiner Nachbarn, kann ihn sogar beflügeln, sich stärker als bisher anzustrengen und gerade dadurch zu einer Steigerung seines eigenen Einkommens beitragen und es ist durchaus denkbar, dass gerade durch diesen Wettbewerb und dem Bemühen, etwas mehr zu erreichen als der andere, starke Leistungsanreize und damit eine Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt erzielt wird.

 

Diese positive Funktionen sind jedoch nicht zu erwarten, wenn dieser Einkommensvergleich auch auf die Ärmsten unserer Gesellschaft angewandt wird. Die meisten Armen sind arm aufgrund persönlicher Schicksalsschläge, aufgrund derer sie ohnehin nicht mehr über die Kraft und den Willen verfügen, an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Was bleibt, sind dann nur noch die oben erwähnten Steigerungen im Unwohlsein der Betroffenen.

 

Darüber hinaus können auch negative Nebeneffekte dadurch auftreten, dass diejenigen, welche sich in der Einkommens- und Vermögenshierarchie im Mittelfeld befinden, also weder zu den ganz Armen noch zu den ganz Reichen zählen, die Kenntnisnahme des Auseinanderdriftens zum Anlass nehmen, entweder auf Akte der Nächstenliebe zu verzichten oder sogar geschuldete Steuern zu hinterziehen. Man rechtfertigt dann diese Handlungen damit, dass es ja an den Superreichen liege, dass es in dieser Welt Not gibt und dass deshalb nur die Superreichen die Mittel aufzubringen hätten, um die aktuelle Not der Armen zu verringern.

 

Es wäre auch falsch, wenn wir von der Vorstellung ausgingen, eine Reduzierung der Einkommensdifferenzierung käme stets den Arbeitnehmern und den Ärmsten unserer Gesellschaft zugute. Oftmals dürfte genau das Gegenteil eintreten.

 

Wir können im Allgemeinen davon ausgehen, dass eine Zunahme der Investitionssumme zu einer Produktivitätssteigerung und damit auch zu einer Zunahme in den Lohneinkommen führt. Investitionen führen nämlich zumeist zu einer Kapazitätsausweitung und damit zu vermehrter Beschäftigung. Die Produktivitätssteigerungen ermöglichen den Gewerkschaften gleichzeitig einen Anstieg in den Lohnsätzen zu fordern und durchzusetzen.

 

Nun müssen wir davon ausgehen, dass die Bereitschaft, über ein vermehrtes Sparen die Finanzierung zusätzlicher Investitionen sicherzustellen, mit dem Einkommen steigt. Dies bedeutet, dass eine Nivellierung der Einkommen zu einer Minderung der Sparsumme und damit auch der Investitionsmöglichkeiten führt. Mit der Investitionssumme sinkt jedoch auch die gesamte Lohnsumme.

 

Machen wir uns diese Zusammenhänge anhand einer Graphik klar. In dem unten dargestellten Diagramm werde auf der Abszisse die Zeit und auf der Ordinate die Höhe des (realen und durchschnittlichen) Lohneinkommens abgetragen.

 

 

 

 

Wir wollen in unserem Diagramm zwei Alternativen aufzeigen. Eine erste (grüne) Kurve unterrichtet darüber, dass das Lohneinkommen in der Gegenwart relativ hoch ausfällt, dass aber gerade deshalb auch die Spar- und Investitionsrate relativ gering ist – die Arbeitnehmer haben ja eine geringere Sparrate als die Selbstständigen –, was selbst wiederum dazu führt, dass der Anstieg in den Lohneinkommen in den nächsten Jahren ebenfalls relativ gering ist.

 

Eine zweite (rote) Kurve unterrichtet hingegen darüber, dass alternativ zum ersten Fall das Lohneinkommen in der Gegenwart etwas geringer ausfällt (dass also eine größere Einkommensdifferenzierung stattfindet), dass aber gerade deshalb mehr gespart und damit auch investiert wird, mit der Folge, dass der Anstieg in den Lohneinkommen in den folgenden Jahren stärker als im ersten Fall steigt.

 

Diese beiden Kurven schneiden sich also in der Zukunft und ab dem Schnittpunkt (ab dem Zeitpunkt, bei dem sich beide Kurven schneiden,) liegt das jährliche Lohneinkommen im zweiten Falle höher als im ersten Fall. Der Lohnverzicht in der Gegenwart hat sich also von einem bestimmten Zeitpunkt ab für die Arbeitnehmer gelohnt, in der Zukunft erreichen sie trotz größerer Differenzierung absolut ein höheres reales Lohneinkommen.

 

Unsere Analyse hat gezeigt, dass das Konzept der negativen Einkommenssteuer eindeutig gegenüber dem Vorschlag nach einem Grundeinkommen für jeden die eindeutig bessere Alternative darstellt.

 

Das Ziel, jedem Bürger ein Mindesteinkommen zu sichern, wird hier genauso gut erreicht, der Verwaltungsaufwand hält sich hier ebenfalls in Grenzen. Das weitere Ziel, jedem die Freiheit einzuräumen, auch ohne erwerbswirtschaftliche Arbeit seine Grundbedürfnisse befriedigen zu können, wird zwar nicht erreicht, dies gilt aber gleichermaßen für den Vorschlag eines Grundeinkommens für jeden, Knappheit kann eben in unserer modernen Welt nicht beseitigt, sondern nur gemildert werden, so dass Pläne zur Aufhebung der Knappheit stets eine Utopie darstellen.

 

Auch ist es mehr als fragwürdig, ob eine Lösung, bei welcher jedermann die Möglichkeit hat, auf Kosten der Arbeitswilligen sich ernähren zu lassen, wirklich als gerechter eingestuft werden kann als dann, wenn die Verteilung der Einkommen vorwiegend nach individueller Leistung erfolgt.

 

Im Gegensatz zum generellen Grundeinkommen lässt sich jedoch das Konzept der negativen Einkommensteuer mit sehr viel weniger materiellen Mitteln realisieren und ist gerade deshalb sehr viel leichter zu realisieren.