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Kritische Anmerkungen zum Grundrentenkompromiss

 

 

Die nun von der Regierung beschlossene Einführung einer Grundrente, wird insbesondere von der SPD als Sieg der Gerechtigkeit gefeiert. Wenn jemand mehr als 35 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt habe, dann habe er einen Anspruch darauf, im Alter höhere Einkünfte zu erhalten als ein normaler Sozialhilfeempfänger.

 

Aber was hat die Zeit, innerhalb der ein Arbeitnehmer Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung eingezahlt hat, mit Gerechtigkeit zu tun? Hat Gerechtigkeit nicht etwas mit Gleichbehandlung zu tun und wird bei dieser Regelung jeder, der eine geringere Beitragszeit als 35 Jahre vorzuweisen hat, nicht ungleich behandelt?

 

Wenn man schon die Beitragszeit als solche unabhängig von der eingezahlten Gesamtsumme der Beiträge als Kriterium dafür ansehen will, auf welche Rentenhöhe ein Arbeitnehmer Anspruch hat, dann müsste man konsequenter Weise eine von der Zeit der Beitragszahlung abhängige Progression einführen. Allerdings gibt es wenige plausible Argumente für eine solche Lösung.

 

Vielmehr wird dem Prinzip der Gleichbehandlung dann entsprochen, wenn für alle Beitragszahler ein gleiches Verhältnis zwischen eingezahlter Beitragssumme und Rentenhöhe eingehalten wird.

 

Wenn man will, kann man in der  Rentenversicherung eine Art Sparkasse sehen. Während ihrer Berufszeit zahlen die Versicherungspflichtigen in Form von Beiträgen Geld in diese Art Sparkasse ein, um dann in Höhe der gesamten eingezahlten Beitragssumme Anspruch auf Rentenzahlungen nach Austritt aus dem Erwerbsleben zu erhalten.

 

Führen wir das Beispiel einer Sparkasse weiter. Betrachten wir zwei Personen, für die jeweils Jahr für Jahr eine bestimmte Geldsumme auf ein Sparbuch bei einer Bank eingezahlt würde.

 

Für Person A sei von Geburt an bis zum 80. Lebensjahr jeden Monat 100 € eingezahlt worden, dann wäre bei Erreichen des 80. Lebensjahres eine beachtliche Geldsumme von etwa 96.000 zustande gekommen und wenn wie früher auf Ersparnisse ein positiver Zins entfallen würde, wäre diese Summe sogar beachtlich größer.

 

Für Person B werde jedoch nur jedes Jahr 1 € eingezahlt, sodass am Ende nach dem 80. Geburtstag lediglich eine Geldsumme von etwa 80 € zur Verfügung stehen.

 

Wohl niemand würde auf den Gedanken kommen, dass Person B hier ungerecht behandelt würde, es ist nur gerecht, dass derjenige der insgesamt weniger eingezahlt hat, auch im Alter über weniger Geld auf dem Sparbuch verfügt.

 

In gleicher Weise gilt für die Rentenversicherung, dass die Höhe der Rente davon abhängt, welche Beitragssumme der einzelne Arbeitnehmer insgesamt eingezahlt hat. Und wenn ein bestimmter Arbeitnehmer auch dann, wenn er zeit seines  Lebens Beiträge entrichtet hat, dennoch nur Anspruch auf eine Rente hat, die noch nicht einmal dem Existenzminimum entspricht, dann liegt dies einfach daran, dass er zu wenig Beiträge eingezahlt hat. Das Verhältnis Rentenhöhe zu gesamter Beitragssumme ist bei allen Versicherten gleich und gerade deshalb auch gerecht.

 

Natürlich müssen wir damit rechnen, dass viele Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden während ihrer Berufszeit ein so geringes Einkommen erhalten hatten, dass auch die Rentenhöhe nicht ausreicht. Die Ursache für diese zu geringe Rente liegt aber nicht an der Ungerechtigkeit der Rentenversicherung, sondern an dem persönlichen Schicksal der Betroffenen.

 

Und hier ist es Aufgabe des Staates, die Berufsbedingungen so zu ordnen, dass möglichst viele arbeitswillige Arbeitnehmer auch ein ausreichendes Lohneinkommen und damit auch eine ausreichende Rente erzielen.

 

Trotzdem ist es unmöglich, auf diese Weise allein für restlos alle Arbeitnehmer eine befriedigende Lösung zu finden. Hier greift das Sozialprinzip ein, wonach jeder Bürger ein Anrecht darauf hat, dass er in jedem Falle zumindest über Einkünfte verfügt, welche dem Existenzminimum entsprechen. Dieser grundgesetzlich geschützte Anspruch (Artikel 1) gilt übrigens unabhängig davon, wieweit der Einzelne durch sein Verhalten zu dieser misslichen Lage beigetragen hat.

 

Und gerade aus diesem Grunde widerspricht das Argument, dass derjenige, der zeit seines Lebens Vorsorge getroffen hat und trotzdem nur einen Rentenanspruch hat, der noch nicht einmal dem Existenzminimum entspricht, höhere Einkünfte zu beanspruchen hat, dem Artikel 1 des Grundgesetzes.

 

Wenn jeder ein Anspruch auf Einkünfte in Höhe des Existenzminimums hat unabhängig davon, wieweit diese Notlage vom Betroffenen verschuldet ist, ist dies gleichbedeutend damit, dass derjenige, der trotz Eigenvorsorge das Existenzminimum nicht erreicht hat, mit demjenigen gleichgestellt ist, der mit Verschulden in diese Notlage geraten ist.

 

Wollte der Staat demjenigen, der trotz Eigenvorsorge keine ausreichende Rente erwirtschaft hat, einen über das Existenzminimum hinausgehenden Bonus gewähren, bestünde die Gefahr, dass der Abstand zwischen Sozialhilfe und selbst erwirtschaftetem Einkommen immer geringer würde und dass damit die Leistungsbereitschaft generell zurückgehen würde. Das Sozialstaatsprinzip lässt sich jedoch nur in dem Maße verwirklichen, in dem Leistungseinkommen und damit auch Steuereinnahmen erzielt werden.

 

Nun wird man einräumen müssen, dass eine Bedürftigkeitsprüfung für die Betroffenen sehr lästig sein kann, vor allem dann, wenn der Einzelne bei der Beantwortung der Fragen überfordert ist.

 

Es wäre aber ein Leichtes eine Regelung zu treffen, welche Sozialhilfe gewährt, ohne dass der Betroffene jeweils seine Bedürftigkeit selbst nachweisen muss.

 

Milton Friedman hatte vor längerer Zeit den Vorschlag einer negativen Einkommensteuer gemacht. Danach legt der Staat fest, welches Einkommen jeder Bürger mindestens beziehen sollte. Eine positive Steuer fällt nur an, wenn der Einzelne ein Einkommen erhält, das über dieser Einkommensgrenze liegt.

 

Erhält ein Bürger ein Einkommen, das unterhalb dieser Einkommensgrenze liegt, zahlt der Staat (Finanzamt oder auch ein Sozialamt) die Differenz zwischen tatsächlichem Einkommen und Einkommensgrenze, sodass jeder Bürger zumindest über Einkünfte in Höhe der Einkommensgrenze verfügt.

 

Soweit ein Bürger überhaupt keiner erwerbswirtschaftlichen Arbeit nachgegangen ist, wird diese Sozialhilfe unmittelbar vom Finanzamt bzw. von einem Sozialamt ausgezahlt. In den Fällen jedoch, in denen der Betroffene eine Rente bezieht, überweist das Finanzamt den geschuldeten Betrag an die Rentenversicherung und die Rentenversicherung zahlt dann diesen Betrag zusammen mit der normalen Rente aus, sodass jeder Rentner unabhängig davon, ob seine bisherigen Beitragszahlungen für eine Rente ausreichen, welche dem vom Staat festgesetzten Mindesteinkommen entsprechen, eine Rente mindestens in der Höhe der vom Staat festgesetzten Einkommensgrenze bezieht.

 

Und dieses Verfahren kann so ausgestaltet werden, dass der einzelne Rentner im Normalfall keinerlei Auskünfte über seine Einkommensverhältnisse selbst abgeben muss. Nur in den Fällen, in denen der Rentner davon ausgeht, dass das Finanzamt eine zu geringe negative Einkommenssteuer auszahlt, muss der Einspruch natürlich mit Auskünften seiner Einkommenslage belegt werden.

 

Möglich wird eine solche Regelung dann, wenn im Zusammenhang mit der Steuererklärung nicht der einzelne Einkommensempfänger, sondern jeweils diejenige Organisation (Unternehmung oder auch Rentenversicherung), welche Einkommen ausgezahlt hat, diesen Betrag dem Finanzamt mitteilt.

 

Generell ist die Gefahr einer Steuerhinterziehung geringer, wenn nicht derjenige, welcher ein Einkommen bezieht, dieses dem Finanzamt in einer Steuererklärung mitteilen muss, hier besteht stets die Gefahr einer Steuerhinterziehung. Der Arbeitgeber hingegen hat ein materielles Interesse, jede Einkommenszahlung dem Finanzamt mitzuteilen, da auf diese Weise die zu versteuernde Gewinnsumme verringert wird.

 

Dass solche Regelungen möglich sind, zeigt das Beispiel Schweden. Hier sendet das Finanzamt den Steuerbescheid dem Steuerzahler zu und wenn der Steuerzahler die Angaben des Finanzamtes für korrekt hält, reicht das Absenden einer Email, in der die Angaben des Finanzamtes bestätigt werden, aus.

 

In der BRD hat der Steuerzahler formal gesehen seine sämtlichen Einkünfte immer noch selbst zu deklarieren. In den letzten Jahren ist es jedoch möglich, vom Finanzamt die Höhe der erhaltenen Lohneinkommen abzufragen, sodass diese Angaben in der Steuererklärung übernommen werden können. Der Weg zu der schwedischen Lösung wäre also relativ leicht zu erfüllen.

 

Und in diesem Falle wäre sowohl die materielle Lage aller Rentner spürbar verbessert. Gleichzeitig würde in stärkerem Maße der Gleichheitsgrundsatz durchgesetzt. Auch ein Arbeitnehmer, der nur 34 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, würde nicht leer ausgehen. Gleichzeitig entfiele jedoch eine lästige Bedarfsprüfung durch den Antragsteller. Und diese Belästigungen waren ja wohl der Hauptgrund, weshalb die SPD in so eindringlicher Weise jede Bedürfnisprüfung abgelehnt hatte.