Lehren aus Hanau

 

 

Nach den grausamen Morden in Hanau zeigten die öffentlichen Medien ein einheitliches Bild.

 

In den Sendungen waren tagelang fast stündlich die Proteste nahezu aller Politiker zu sehen. Jeder Politiker, der Rang und Namen hatte, sah sich veranlasst, diese Untaten zu verurteilen. Auch die Bevölkerung erschien protestiertend in Massen und zeigte ihren Abscheu, aber auch Wut und Verzweiflung und ihre Entschlossenheit, sich gegen den rechten Extremismus auszusprechen.

 

Weiterhin wurde allgemein von Sprechern öffentlicher Medien sowie vor allem auch von den Vertretern des Islam Vorwürfe gegen die Behörden erhoben, dass sie nicht diese grausamen Taten wie auch andere Taten der jüngsten Vergangenheit verhindert haben, man war bemüht, Fehlentscheidungen der Behörden aufzufinden und zu brandmarken. Es stand von vornherein fest, dass die Behörden schuldhaft oder doch zumindest grob fahrlässig gehandelt haben.

 

So sehr diese Haltungen auf einen ersten Blick verständlich erscheinen, sollte man sich die Frage stellen, ob sie tatsächlich die angemessene Reaktion darstellen. Mir scheint diese Haltung einer Gesinnungsethik zu entsprechen, bei der es nur darauf ankommt, die erwünschte Gesinnung zu zeigen. In Wirklichkeit wäre es jedoch zur Erreichung des Allgemeinwohls erwünscht, Äußerungen und Handlungen im Sinne einer Verantwortungsethik daran auszurichten, wie sich die geforderten Handlungen und Äußerungen auf das Allgemeinwohl auswirken.

 

Wir müssen uns darüber klar sein, dass die extremen Radikalen ja nicht das Ziel verfolgen, die Mehrheit der Bevölkerung für sich zu gewinnen, um dann in einem normalen demokratischen Wahlakt die Macht zu übernehmen. Sie setzen vielmehr darauf, die Bevölkerung zu verunsichern und die Politiker zu Zwangsmaßnahmen zu veranlassen, welche ihren freiheitlichen Zielsetzungen widersprechen und so bei der Bevölkerung unglaubwürdig wirken.

 

Die rechtsextremen Fanatiker werden das in den Medien gezeigte Geschehen als Erfolg verbuchen, sie fühlen sich bestätigt, sie sehen, dass sie mit wenigen Hilfsmitteln in der Lage sind, Unruhe zu erzeugen und somit im Hinblick auf ihre Zielsetzungen sehr erfolgreich sind.

 

Andere, welche bisher nur mit den rechtsextremen Ideen sympathisiert haben, werden nun ermutigt sein, ebenfalls gewalttätig zu werden. Sie sehen ja in den öffentlichen Medien, wie man es machen muss, um erfolgreich zu sein, sie sehen auch, dass man mit sehr wenigen Mitteln erfolgreich sein kann, die öffentlichen Medien zeigen sehr ausführlich, wie man zum Erfolg kommen kann. Es besteht die Gefahr der Nachahmung.

 

Nüchtern betrachtet sind auch die zahlreichenzu Vorwürfe gegen die Behörden, sie hätten die Anschäge nicht verhindert, in dieser Allgemeinheit nicht berechtigt.

 

Nach einem tragischen Geschehen ist man immer klüger als vor dem Geschehen. Auch gilt es zu berücksichtigen, dass die Behörden über eine so große Vielfalt von möglichen Gefährdern erfahren, dass sie aufgrund ihrer begrenzten Möglichkeiten unmöglich in der Lage sind, allen Hinweisen nachzugehen. Sie müssen abwägen und unter den möglichen Erkundigungen auswählen, wobei die Fakten recht unsicher sind, was eine richtige Auswahl äußerst erschwert.

 

Auch die Möglichkeiten der Überprüfug sind erschwert, oftmals sind es die gleichen Kritiker, welche durch ihre Kritik gerade den Einsatz wirkungsvoller Maßnahmen kritisiert und verhindert haben und durch ihre Forderungen beigetragen haben, dass ein Teil erfolgreicher Sicherungsmaßnahmen gar nicht eingeführt werden konnte.

 

Vor allem aber ist die in den Medien weitverbreitete Meinung falsch, dass es ausreiche, dass die Beamten in den Aufsichtsbehörden ihre Arbeit korrekt erfüllen, um zu verhindern, dass es zu rechtsextremen Ausschreitungen kommt. Wir leben nicht in einer vollkommenen Welt, stets wird es auch bei noch so großen Anstrengungen des Staates und bei korrektem Verhalten immer wieder zu politischen Gewaltverbrechen kommen.

 

Offensichtlich gehen diese Kritiker von der Auffassung auf, dass die in technischer Hinsicht befähigsten Personen bei den Aufsichtsbehörden beschäftigt sind und dass sich bei den politischen Extremen die Dummköpfe versammelt haben.

 

In Wirklichkeit gibt es nowendiger Weise auch bei den Behörden Personen mit geringerer Befähigung, ihnen unterlaufen auch bei größter Anstrengung immer wieder Fehler, während sich gleichzeitig unter den extremen Führern im technischen Sinne hoch begabte Personen befinden, denen es immer wieder gelingt, die staatlichen Behörden zu überlisten.

 

Es ist auch unverständlich, wenn gerade von moslemischen Vertretern die Kritik geäußert wird, dass die tatsächlich erfolgten Verbrechen deshalb eingetreten seien, weil die deutschen Behörden gar nicht bereit seien, die rechtsextremen Personen zu verfolgen. Wäre dieser Vorwurf berechtigt, könnte man in gleicher Weise den Vertreten der Moslems hier in Deutschland den Vorwurf machen, dass durch ihr Verhalten überhaupt erst extreme Islamisten Verbrechen begangen haben konnten, die in nichts den bisher erfolgten rechtsextremen Verbrechen nachstehen. Auch dieser Vorwurf wäre genauso unberechtigt, wie der Vorwurf der Vertreter des Islam gegenüber den deutschen Behörden berechtigt ist.

 

Diese Feststellungen bedeuten natürlich nicht, dass das Verhalten der Behörden stets eiwandfrei war. Auch hier gilt es zu berücksichtigen, dass in der Realität immer wieder eindeutiges und schuldhaftes Verfehlen auftritt, das dann auch konsequent verfolgt werden muss. Dies festzustellen und zu ahnden ist jedoch Sache der Gerichtsbarkeit. Die demokratische Verfassung beruht auf der Gewaltenteilung. Und es ist nicht nur die Aufgabe dieser dritten Gewalt, Verfehlungen zu ahnden, sie sind auch im Allgemeinen besser in der Lage, Verfehlungen jeglicher Art sachgerecht zu verfolgen als exekutive oder legislative Organe.

 

Gegenüber den leidvollen Ereignissen wie außergewöhnlichen Todesfällen lässt sich bei den öffentlichen Medien auch eine Schieflage erkennen.  Wenn Ereignisse vereinzelt auftreten, werden sie kaum erwähnt, wenn sich jedoch zur gleichen Zeit mehrere, etwa mehr als fünf solcher tragischen Fälle ereignen, dann werden sie in den Medien ausführlichst besprochen, sie werden in den Tagesnachrichten nicht nur kurz und angemessen erwähnt, es werden vielmehr Specials, also Sondersendungen angesetzt, in einem Zeitpunkt, in dem noch ganz wenige bestätigte Informationen zur Verfügung stehen, es werden die tollsten Vermutungen geäußert und in Meinungsumfragen die Bevölkerung auch in Themen befragt, in denen noch nicht einmal Sachverständige eine befriedigende Auskunft erteilen können. Auf diese Weise wird jedoch Panik erzeugt, welche dann wiederum eine sachgerechte Lösung erschwert.

 

Demgegenüber nehmen die sonstigen traurigen Ereignisse, welche jedoch in ihrer Gesamtheit eine viel größere Zahl erreichen, keinen oder nur einen Platz in den kaum beachteten zuletzt berichteten Nachrichten ein. Entsprechend den offizielen Statistiken sind im letzten Jahr immerhin etwa 1800 Personen durch normale Straftaten getötet worden, es kommen weiterhin mehr als 3000 Personen im Verkehr und durch Betriebsunfälle etwa 400 um und etwa 1000 Personen sterben aufgrund von Grippenviren und weitere 1000 aufgrund von Drogenkonsum vorzeitig. Rechnet man alle diese Unglücksfälle zusammen, so sterben auf diese Weise aufgrund anderer Ereignisse als Mordtaten extremer Gruppen jährlich circa mehr als 7000 in der BRD und dies bedeutet, dass sich im Durchschnitt täglich auf diese Weise mehr als 15 außerordentliche Totesfälle ereignen.

 

Nun kann man davon ausgehen,  dass das Leid, das die Angehörigen solcher Todesopfer erfahren, weniger davon abhängt, aufgrund welcher Ursache diese Ereignisse eingetreten sind, dass vielmehr die persönlichen Verhältnisse die Schwere des Leides, das die Angehörigen erfahren, bestimmen. Eltern haben liebgewonnene Kinder, Kinder ihre Eltern, Eheleute ihre Ehegatten verloren, hierbei sind all diejenigen, bei denen der Haupternährer das Todesopfer war, in besonders hohem Maße in große Schwierigkeiten geraten.

 

Wir haben weiterhin zu berücksichtigen, dass viele Menschen nur im privaten vertrauten Bereich trauern können und dass der Umstand, dass die ganze Welt über ihre Trauer spricht, sie eher in ihrer Trauer und in der Verarbeitung ihrer Trauer stört.

 

Es fragt sich, ob es in Anbetracht dieser zahlreichen Gründe nicht sehr viel besser gewesen wäre, wenn ein einzelner Politiker, z. B. der Oberbrügermeister oder auch der zuständige Ministerpräsident oder sogar der Bundespräsident die Betroffenen aufgesucht hätte, Ihnen ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht hätte und auf Ihre Nöte eingegangen wäre, wobei sie konkrete materielle Hilfe anbieten könnten, welche auf unmittelbar Weise ohne langes Warten und ohne bürokratische Form in Kraft treten sollte.

 

Den Betroffenen wäre dann vermutlich sogar besser geholfen und all die negativen Folgen aufgrund einer Bestätigung der rechtsradikalen Personen würde unterbleiben oder zumindest in geringerem Maße eintreten.