Startseite

 

Berühmte Irrtümer

 

 

 

Gliederung:

 

Gliederung:

 

  1. Problemeinführung

  2. Golddeckung Voraussetzung für Geldwertstabilität?

  3. Vorteil des einen stets Nachteil des anderen (Merkantilismus)

  4. Nur Arbeit erzeugt Wert?

  5. Sättigungsthese

  6. Gibt es Deterministische Prozesse?

  7. Wachstum notwendig für Vollbeschäftigung?

  8. Kaufkrafttheorie

  9. Quotenregelung geeignet zur Vermeidung  von Diskriminierungen?

10. Volkswille nur beim Verhältniswahlrecht erfüllt?

 

  Kapitel 4. Nur Arbeit erzeugt Wert?

 

Gliederung:

 

1. Einführung

2. Die Arbeitswertlehre der Klassiker

3. Der Wert der Arbeit bei Karl Marx

4. Die Wertbestimmung in der Grenznutzenschule

5. Wertbildung in der Cambridge-Schule

6. Schlussfolgerungen

 

 

1. Einführung

 

Wir wollen uns in diesem Kapitel mit der von Karl Marx aufgestellten und von den meisten Sozialisten übernommenen These befassen, dass nur Arbeit Wert erzeuge. Wiederum geht es auch bei dieser These um die Ausschließlichkeit, dass also einzig und allein Werte aufgrund der menschlichen Arbeit erzeugt würden.

 

In Wirklichkeit ist der Zusammenhang zwischen Arbeit und Wertschöpfung sehr komplex und nicht mit einer einfachen These zu erfassen. Natürlich kann nicht bestritten werden, dass Werte durch Arbeit erzeugt werden können, ja man kann durchaus davon ausgehen, dass wirtschaftliche Werte in aller Regel mit Hilfe von Arbeit erzeugt werden. Es wäre jedoch falsch, wenn man von der Vorstellung ausginge, dass nur dann, wenn Arbeit aufgewandt wurde und nur durch Arbeit überhaupt wirtschaftliche Werte entstanden seien.

 

Im Allgemeinen können wir davon ausgehen, dass wirtschaftliche Güter und damit auch wirtschaftliche Werte durch das Zusammenwirken mehrerer Produktionsfaktoren produziert werden. Als Produktionsfaktoren zählen jedoch nicht nur die Arbeit, sondern auch das Kapital als auch der Boden bzw. die Natur. Um ein wirtschaftliches Gut zu erzeugen benötigt man im Allgemeinen einen Rohstoff, der entweder aufgrund der Förderung in einem Bergwerk gewonnen wird oder durch Bebauen von Äckern auf natürliche Weise heranwächst. Neben Arbeitnehmern, welche die physische Arbeit verrichten, wird auch fast immer Kapital benötigt, ein Unternehmer erhält nämlich normaler Weise erst nach Beendigung der Produktion, beim Verkauf der Produkte die Erlöse, mit deren Hilfe die Rohstoffe, die Halbfabrikate und vor allem die Löhne gezahlt werden können. Die Geldsumme, welche zur Bezahlung der Produktionsfaktoren benötigt wird, muss also zunächst einmal vorgestreckt werden und dies erfolgt in einer Marktwirtschaft dadurch, dass ein Kapitalgeber (vielleicht auch der Unternehmer selbst) den hierfür benötigten Kredit gewährt.

 

Werte gibt es in vielfältiger Weise. Man unterscheidet zwischen materiellen und immateriellen oder auch wirtschaftlichen und überwirtschaftlichen Werten. Wir wollen uns in diesem Kapitel bewusst auf wirtschaftliche Werte beschränken. Ein wirtschaftlicher Wert entsteht hierbei immer dann, wenn zur Realisierung bestimmter menschlicher Zielsetzungen materielle Güter benötigt werden. Ob wir dann, wenn wir bestimmte Ziele realisieren wollen, materielle Güter benötigen, ist nicht eine Frage der moralischen Bewertung der einzelnen Ziele. Es gibt moralisch hochstehende Ziele, welche einen Einsatz materieller Güter erfordern. Denken wir z. B. an einen Spendenaufruf zugunsten durch Überschwemmungen obdachlos gewordener Menschen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich hierbei um ein in moralischem Sinne sehr hochstehendes Ziel handelt. Trotzdem kann die erforderliche Hilfe nur durch ein großes Spendenaufkommen überhaupt realisiert werden.

 

Denken wir auf der anderen Seite an das Mobbing. Es ist möglich, dass einzelne Arbeitnehmer einige ihrer Arbeitskollegen Tag für Tag belästigen und schikanieren, ohne dass sie für diese Handlungen auch nur einen Cent aufwenden müssen. Auch hier kann nicht bezweifelt werden, dass das Mobbing jeder Art im moralischen Sinne zu sehr verwerflichen Handlungsweisen zählt.

 

Der Umstand, dass also zur Realisierung bestimmter Ziele materielle Güter benötigt werden, hat nichts mit der moralischen Einschätzung dieser Ziele zu tun. Zu einem wirtschaftlichen Problem werden solche Ziele erst dadurch, dass auf der einen Seite der Vorrat an materiellen Ressourcen nicht ausreicht, um alle Ziele in erwünschtem Umfang zu realisieren. Mit anderen Worten es besteht Knappheit und Knappheit bedeutet, dass der Bedarf an materiellen Ressourcen den jeweiligen Vorrat an Ressourcen übersteigt. Es kommt also darauf an, die knappen Ressourcen auf solche Verwendungsarten zu lenken, bei denen der Zielerreichungsgrad am höchsten ist.

 

Auf der anderen Seite können bestimmte Zielsetzungen auch zumeist mit unterschiedlichen Techniken realisiert werden, sodass es auch darauf ankommt, ein bestimmtes Ziel (Gut) mit der technischen Methode herzustellen, welche die höchstmögliche Effizienz erlaubt. Die Effizienz eines technischen Verfahrens wird hierbei an der Frage gemessen, wie viel Ressourcen zur Erzeugung einer Gutseinheit benötigt werden oder – was inhaltlich das Gleiche besagt – wie viel Gutseinheiten mit einer Ressourceneinheit erzeugt werden können.

 

Diese Lenkung der materiellen Ressourcen auf die verschiedenen Verwendungsarten sowie Techniken –  man spricht hierbei von der Allokation – erfolgt nun in einer Marktwirtschaft über die Preise der einzelnen Güter und Produktionsfaktoren. In dem das vorherrschende Preisverhältnis den Knappheitsrelationen entspricht, wird erreicht, dass diese wirtschaftliche Aufgabe der Allokation bestmöglich erfolgt. Der Umstand, dass den einzelnen Gütern und Faktoren ein Wert (Preis) zugewiesen wird, dient in einer Marktwirtschaft dazu, das wirtschaftliche Problem der Produktionslenkung, welche in der Bewältigung der Knappheit besteht, zu lösen. Wir wollen also festhalten, dass in wirtschaftlicher Hinsicht Werte immer die Funktion erfüllen, einen möglichst effizienten Einsatz materieller Ressourcen zu ermöglichen. Fragen wir uns nun, wie sich diese Vorstellungen im Verlaufe der wirtschaftswissenschaftlichen Lehrmeinungen entwickelt haben.

 

 

2. Die Arbeitswertlehre der Klassiker

 

Genauso wie Karl Marx im Hinblick auf seine philosophischen Ansichten Schüler von Georg Friedrich Hegel war, folgte Karl Marx – wie vor allem Joseph Alois Schumpeter gezeigt hat – in seinen wirtschaftlichen Überlegungen den Lehren David Ricardos. Vor allem legte Karl Marx seinen wirtschaftsanalytischen Gedankengängen die klassische Arbeitswertlehre zugrunde, welche vor allem von David Ricardo entwickelt wurde. Danach lässt sich der Wert eines Gutes danach feststellen, wie viel Arbeitsstunden für die Produktion einer Gütereinheit gesellschaftlich benötigt werden.

 

Eigentlich hätte man nach damaligem common sense erwarten müssen, dass entsprechend der damals vorherrschenden objektiven Wertlehre der Wert eines Gutes (und dies ist der langfristig gültige Güterpreis) von der Höhe aller Kostenfaktoren bestimmt werde. Und zu den Produktionsfaktoren wurden nicht nur die Arbeit, sondern auch der knappe Boden sowie das Kapital gerechnet. Eine objektive Wertlehre kann also nur dann überzeugen, wenn der Nachweis gelingt, dass weder der Boden noch das Kapital die Höhe des Wertes mitbestimmt.

 

Genau diese Aufgabe hatte sich David Ricardo gestellt. Er versuchte nachzuweisen, dass eine Bodenrente nur deshalb gezahlt wird, weil mit wachsender Produktion immer mehr auf weniger produktive Böden zurückgegriffen werden müsse und weil der freie Markt dafür sorge, dass für die Endprodukte ein gleicher Preis gezahlt werde, unabhängig davon, wie produktiv die einzelnen Böden seien. Die Folge sei, dass die Besitzer von produktiveren Böden eine Differenzialrente bezögen. Die Rente sei also Folge der gestiegenen Knappheit und der damit verbundenen Preissteigerungen bei den landwirtschaftlichen Produkten und könne deshalb – aus logischen Gründen – nicht gleichzeitig Ursache der gestiegenen Preise sein. Der Boden war also nach Auffassung David Ricardos als Bestimmungsgrund der Werte eines Gutes ausgeschaltet.

 

Wie gelang es nun David Ricardo das Kapital als Bestimmungsgrund der Wertbildung der Güter zu eliminieren? Hierzu muss man sich daran erinnern, dass die primäre Aufgabe jeder klassischen Wertlehre darin bestand, nicht die absolute Preishöhe, sondern die Relation zwischen den einzelnen Güterpreisen zu bestimmen. Die Preisstruktur werde jedoch nach Auffassung David Ricardos nicht durch das bei der Produktion eingesetzte Kapital bestimmt. Es gelte nämlich ein einheitlicher Zins für erwerbswirtschaftlich angelegtes Kapital und dies wiederum bewirke, dass die  Zinskosten zwar die absolute Höhe der Güterpreise, nicht aber den Wert – die relative Preishöhe – mitbestimme. Auf die Arbeitskosten werde jeweils ein gleicher, von der Zinshöhe abhängiger Prozentsatz für die Kapitalkosten aufgeschlagen, die Relation zwischen den einzelnen langfristig gültigen Güterpreisen werde also durch Zinsänderungen nicht berührt. Damit war auch das Kapital als zweiter möglicher Bestimmungsgrund eines Güterwertes ausgeschlossen.

 

Nun galt es drittens zu berücksichtigen, dass die Arbeit unterschiedliche Qualitäten aufweist und dass deshalb auch die Lohnhöhe zwischen den einzelnen Arbeitskräften je nach Qualität der Arbeit differiert. Ein Facharbeiter erhält einen höheren Lohn als ein ungelernter Hilfsarbeiter. Um nun zu dem Ergebnis der klassischen Arbeitslehre zu gelangen, dass nämlich allein die Zahl der zur Produktion notwendigen Arbeitsstunden den Güterwert bestimme, musste David Ricardo auch die Qualifizierung der Arbeitskräfte als möglichen Bestimmungsgrund des Güterwertes ausschließen. Ricardo tat dies dadurch, dass er von der Annahme ausging, dass die Lohnstruktur langfristig technisch und nicht von wirtschaftlichen Faktoren wie etwa Knappheit oder Produktivität bestimmt werde.

 

Wenn also die Lohnstruktur langfristig allein technisch bestimmt werde, könne man die unterschiedlichen Arbeitsqualitäten in der Wertlehre dadurch berücksichtigen, dass man die qualifizierte Arbeit einfach mit Hilfe dieser vorgegebenen technischen Größe in Normalarbeitsstunden umrechne. Wenn somit für die Produktion einer bestimmten Gutseinheit neben 10 einfachen Arbeitsstunden zusätzlich 4 Arbeitsstunden von Facharbeitern benötigt werden und wenn für diese qualifizierte Arbeit ein doppelt so hoher Lohn entrichtet werde, könne man die vier Arbeitsstunden aus qualifizierter Arbeit in 8 Normalarbeitsstunden umrechnen.

 

Es scheint also – vordergründig betrachtet – David Ricardo gelungen zu sein, den Wert eines Gutes allein auf die Anzahl der zur Produktion dieses Gutes notwendigen Anzahl an Arbeitsstunden zurückzuführen und damit die Arbeitswertlehre auf eine wissenschaftlich korrekte Basis zu stellen.

 

Fragen wir uns nun nach der möglichen Kritik an dieser Werttheorie. Beginnen wir mit dem ersten Schritt der Beweisführung: mit dem Nachweis, dass Renten als Folge einer Preissteigerung nicht zur gleichen Zeit auch Bestimmungsgrund eben dieses Preises sein könnten.

 

Zur Erinnerung: Nach David Ricardo kommt es zu einer Steigerung in der Nachfrage nach Agrarprodukten und diese führt wegen Knappheit der Güter zu Preissteigerungen. Dieser Beweisführung kann auf jeden Fall zugestimmt werden.

 

In einem zweiten Schritt führt der Versuch der Anbieter, dieser Mehrnachfrage durch Ausdehnung der Produktion zu entsprechen dazu, dass nun Böden minderer Qualität bebaut werden müssen. Auch dieser Behauptung kann zugestimmt werden.

 

Auf freien Märkten erzielen Produkte mit gleicher Qualität auch einen einheitlichen Preis, unabhängig davon, ob bei der Produktion in den einzelnen Unternehmungen unterschiedliche Stückkosten anfallen.

Auch diese Feststellung entspricht der heute gültigen Theorie.

 

Weiterhin werden die Produkte, welche höhere Stückkosten wegen geringerer Qualität der Böden verursachen, nur dann produziert und auf dem Markt angeboten, wenn der Preis zumindest den Stückkosten entspricht.  Auch an dieser Feststellung kann sicherlich keine Kritik geübt werden.

 

Gleicher Preis bei ungleichen Stückkosten führt schließlich automatisch dazu, dass die Besitzer der besseren Böden eine Rente beziehen.

 

Es hat also den Anschein, dass der Versuch, die Rente aus dem Kranz der Bestimmungsfaktoren eines Preises auszuscheiden, von David Ricardo erfolgreich durchgeführt wurde. Es fragt sich jedoch, warum diese Beweisführung nur für Böden und damit für Boden-Renten Gültigkeit besitzt. Gilt diese Beweisführung nicht eigentlich für alle denkbaren Produktionsfaktoren? Dass ein Teil der bebauten Böden Renten bezieht, liegt offensichtlich allein daran, dass Böden unterschiedliche Qualitäten aufweisen. Gilt dies aber nicht auch für die anderen Produktionsfaktoren?

 

Überprüfen wir diese Frage für das Kapital. Bekanntlich müssen wir recht oft damit rechnen, dass die Hingabe von Kapital bisweilen recht risikoreich ist. Der Markt billigt in diesen Fällen den Anbietern von Kapital in erhöhten Zinsen einen Risikoausgleich. Hierbei lässt sich feststellen, dass der Zinssatz umso höher ausfällt, je höher das eingegangene Risiko ist. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Kapitalanlagen, die nahezu kein Risiko mit sich bringen. Also stellen wir fest, dass auch die Qualität des Kapitals unterschiedlich ist und dass deshalb für unterschiedliches Kapital auch unterschiedliche Zinsen entrichtet werden müssen.

 

Zwar hat es den Anschein, als wäre die Qualität der Böden von anderem Charakter als die Qualität des Kapitals. Dass Bodenrenten gewährt werden, liegt in der Beschaffenheit der Böden, also in den Eigenschaften des angebotenen Produktionsfaktors. Dass aber Kapital eine unterschiedliche Qualität aufweist, liegt darin, dass Unternehmungen, also die Nachfrager dieses Produktionsfaktors ein unterschied­liches Risiko eingehen möchten.

 

Trotzdem gibt es eine Gemeinsamkeit. Die Unternehmungen, welche Kapital nachfragen, benötigen je nach eingegangenem Risiko Kapital unterschiedlicher Qualität. Ein Unternehmer, welcher eine Anlage mit sehr hohem Risiko errichten möchte, benötigt eben Kapitalgeber, welche bereit sind, ein höheres Risiko einzugehen. Es ist diese unterschiedliche Bereitschaft der Anbieter von Kapital, welche die Qualität des gewährten Kapitals ausmacht.

 

Im Hinblick auf den Produktionsfaktor Arbeit geht ja auch David Ricardo von unterschiedlichen Qualitäten aus. Und sicherlich unterstellt auch er, dass Arbeitnehmer, welche eine überdurch­schnittliche Qualität aufweisen, auch einen überdurchschnittlich hohen Lohn erhalten. Warum sollte man hier nicht auch davon sprechen können, dass die qualitativ besseren Arbeitnehmer eine Qualitätsrente erhalten?

 

Wenn aber das von David Ricardo für Böden nachgewiesene Rentenkonzept de facto auf jeden denkbaren Produktionsfaktor angewandt werden kann, sind alle Faktoren aus dem Kranz der möglichen Bestimmungsgründe herauskatapultiert mit dem Ergebnis, dass der Wert der Güter unbestimmt bleibt, solange man den Wert der Güter objektiv auf den Faktoreinsatz zurückführen will.

 

Genau dies ist dann auch die Antwort der Wiener Schule, der ersten Variante der neoklassischen Theorie. Der Wert eines Gutes lässt sich niemals auf den Einsatz eines Produktionsfaktors allein zurückführen, er wird vielmehr einzig und allein durch den Nutzen bestimmt, den der Endverbraucher aus dem Konsum eines Gutes gewinnt.

 

Eine etwas andere Antwort findet die Cambridge-Schule, die dritte Variante der neoklassischen Theorie. Diese Vertreter der Neoklassik gehen nämlich davon aus, dass der Wert eines Gutes von Angebot und Nachfrage bestimmt wird, dass sowohl eine Änderung im Angebot eines Produktions­faktors als auch eine Änderung im Bedarf eine Wertänderung bei den Gütern hervorrufen kann.

 

Fragen wir nun in einem zweiten Schritt, inwieweit der Versuch David Ricardos, auch die Kapital­kosten aus der Liste der möglichen Bestimmungsgründe zu streichen, überzeugt. David Ricardo gelang es nur deshalb, die Kapitalkosten aus dem Kranz der möglichen Bestimmungsgründe des Wertes der Güter zu streichen, weil er stillschweigend unterstellt hat, dass alle Unternehmungen für ihre Produktion eine einzige Periode benötigen. Diese Annahme stimmt sicherlich nicht mit der Wirklichkeit überein.

 

In Wirklichkeit haben wir davon auszugehen, dass die Produktion aufgrund von Produktionsumwegen zumeist mehrere Perioden benötigt und dass die Dauer dieses Produktionsumweges von Produkt zu Produkt unterschiedlich ist.

 

Wenn dem aber so ist, können wir die Kapitalkosten nicht mehr als überall gleichen Prozentsatz der Arbeitskosten ansehen. Betrachten wir ein Beispiel:

 

Wir nehmen an, dass ein Unternehmer A recht arbeitsintensiv produziert, dass 10 Arbeitnehmer – bereits umgerechnet in normierte Arbeitsstunden  – insgesamt 100 Arbeitsstunden beschäftigt werden und dass die Produktion vom Beginn an bis zum Ende gerade nur eine Periode betrage. Der Unternehmer ist gezwungen, vor Beginn der Produktion einen Kredit aufzunehmen, der gerade ausreicht, die Arbeitnehmer auszuzahlen. Der Einfachheit halber wollen wir unterstellen, dass neben Arbeitskosten keine weiteren Kosten entstehen, dass also z. B. Rohstoffe verarbeitet werden, welche schon im Besitz des Unternehmers sind.

 

Wir betrachten nun einen zweiten Unternehmer B, der im Gegensatz zu Unternehmen A sehr kapitalintensiv produziere, wobei wir hier wiederum unterstellen wollen, dass die bei der Produktion benötigten Rohstoffe bereits im Besitz dieser Unternehmung sind, weiterhin sei der Einfachheit halber unterstellt, dass die für die Produktion des Endproduktes benötigten Maschinen in dieser Unternehmung selbst erstellt werden. Wiederum würden 10 Arbeitnehmer mit insgesamt 100 normierten Arbeitsstunden beschäftigt.

 

Die Produktion des Endproduktes benötige nun für den Gesamtprozess der Produktion zwei Perioden, wobei in der ersten Periode zunächst nur die benötigte Maschine hergestellt werde, mit deren Hilfe dann in der zweiten Periode das Endprodukt produziert würde. Der Produktionsumweg umfasse also bei Unternehmung B zwei Perioden, bei Unternehmung A hingegen nur eine Periode.

 

Diese Annahmen haben nun zur Folge, dass Unternehmung A einen Kredit benötigt, der ausreicht, um die Arbeitnehmer insgesamt 100 Stunden arbeiten zu lassen und sie sofort zu entlohnen. Da der Zinssatz bei 3% liege, würden auf die Arbeitskosten nochmals 3% der Arbeitskosten als Zinskosten auf die gesamte Kostensumme aufgeschlagen.

 

Unternehmung B hingegen benötigt einen Kredit, welcher ausreicht, die beschäftigten Arbeitnehmer zwei Perioden lang zu beschäftigen. Bei gleichem Zinssatz bedeutet dies, dass auf die Arbeitskosten Zinskosten aufgeschlagen werden müssen, welche nicht 3%, sondern 6% der Arbeitskostensumme ausmachen.

 

Damit ist gezeigt, dass die Wertsummen beider Produkte durch die Berücksichtigung der Kapitalkosten nicht nur in ihrem absoluten Niveau erhöht werden, sondern dass sich auch die Wertrelationen verändern. Damit ist erwiesen, dass bei Berücksichtigung unterschiedlich langer Produktionsperioden die Wertrelationen zwischen zweier Gütern nicht nur von der Anzahl der notwendigen und normierten Arbeitsstunden, sondern darüber hinaus auch von der Höhe der Kapitalkosten bestimmt werden. Der Versuch, die Anzahl der Arten von Produktionsfaktoren auf eins zu reduzieren, ist somit gescheitert.

 

Wenden wir uns schließlich dem dritten Schritt David Ricardos zu, nämlich zu beweisen, dass man die Vielzahl der unterschiedlichen Arbeitsqualitäten auf eine normierte Arbeitsqualität zurückführen könne. Wie gezeigt, versucht David Ricardo diese Aufgabe dadurch zu lösen, dass er die Lohnunterschiede unterschiedlicher Arbeitsqualitäten auf rein technische Bestimmungsgründe zurückführt, welche darüber hinaus auch zumindest kurzfristig als konstant und damit vorgegeben betrachtet werden können.

 

Gerade diese Annahme muss jedoch bezweifelt werden. In Wirklichkeit sind diese Wertrelationen bei den Löhnen wirtschaftlicher Art und damit Problemgrößen und nicht wie bei Ricardo unterstellt Datengrößen. Von wirtschaftlichen Problemen sprechen wir hierbei immer dann, wenn die Wertrela­tionen von der Knappheit dieser Faktoren abhängen. Und in der Tat müssen wir davon ausgehen, dass Knappheitsverhältnisse bei der Bestimmung der Wertrelationen der unterschiedlichen Arbeitsquali­täten im Spiel sind. Verdeutlichen wir diese These anhand eines einfachen Beispiels:

 

Wir unterstellen eine Kleinunternehmung, welche zur Herstellung eines handwerklichen Produktes 10 ungelernte Arbeiter beschäftigt, welche der normierten Arbeitsqualität entsprechen und zusätzlich noch einen Vorarbeiter benötigt, welcher die Handgriffe der Arbeiter überprüft. Wir wollen weiterhin unterstellen, dass traditionsbedingt der Vorarbeiter in der Vergangenheit einen Lohn bezog, welcher gerade dem Doppelten des Lohns der ungelernten Arbeiter entspreche. Es ist mir zwar schleierhaft, wie man in der Lage sein soll, dass aus technischen Gründen die Überwachung der Arbeiter gerade das Doppelte wert ist als die Ausführung der Arbeit, aber wir wollen trotzdem unterstellen, dass aufgrund solcher Vorstellungen das Gehalt des Vorarbeiters bisher festgelegt worden war.

 

Wir wollen nun unterstellen, dass das Beschäftigungsverhältnis des Vorarbeiters beendet wird, z. B. weil dieser in den Ruhestand tritt, sodass die Unternehmung einen neuen Vorarbeiter einstellen muss. Wir wollen weiterhin unterstellen, dass aufgrund einer boomenden Wirtschaft, Vorarbeiter sehr knapp geworden sind und dass die Unternehmung deshalb nur unter der Bedingung einen neuen Vorarbeiter einstellen kann, dass er diesem nicht das Doppelte, sondern das Dreifache vom Grundgehalt der anderen beschäftigten Arbeiter bezahlt.

 

In diesem Beispiel sind die Wertrelationen der einzelnen Arbeitsqualitäten eindeutig durch Knappheits­verhältnisse bestimmt und man wird einräumen müssen, dass sogar in der Realität sehr oft mit dieser Möglichkeit (der Knappheit bestimmter Facharbeitskräfte) gerechnet werden muss. Dann aber hat David Ricardo auch in diesem dritten Beweisschritt sein Ziel verfehlt: Er hat wiederum eine Unbekannte (nämlich den Wert eines Gutes) durch eine andere Unbekannte (nämlich den Wert einer Arbeitsqualität unter mehreren) zu erklären versucht und damit sein Ziel verfehlt. Das Problem wäre nur gelöst, wenn es ihm gelungen wäre, die jeweiligen Lohnrelationen eindeutig auf Datengrößen zurückzuführen, welche keiner weiteren Begründung bedürfen.

 

Versuchen wir diese drei Kritikpunkte in der Beweisführung David Ricardos zusammenzufassen: Es ist David Ricardo nicht gelungen, die Vielzahl der tatsächlich existierenden Arten von Produktionsfaktoren auf eine einzige Größe zurückzuführen. Damit bleibt es dabei, dass der Versuch der Vertreter der Klassik, den Wert eines Gutes auf objektive Größen, nämlich auf die notwendigen Stückkosten eines Gutes zurückzuführen, misslungen ist.

 

Nun bedeutet dies sicherlich nicht, dass die Werttheorie David Ricardos auf den Müllhaufen der Lehrgeschichte geworfen werden sollte. Es bleibt das Verdienst, dass es David Ricardo fast als einziger der klassischen Wissenschaftler gelungen ist, das Problem jeder objektiven Werttheorie zu erkennen. Es war eine große Leistung, richtig erkannt zu haben, dass die Zurückführung der Werte der einzelnen Güter auf die notwendigen Stückkosten nur dann befriedigen kann, wenn man nachweisen kann, dass ein einziger homogener Produktionsfaktor allein den Wert eines Gutes bestimmt.

 

Man sagt, dass das richtige Erkennen eines Problems bereits die Hälfte der Lösung darstellt, aber eben nur die eine Hälfte. Bei der Lösung des richtig erkannten Problems liegt einer der berühmten Denkfehler in der Geschichte der Nationalökonomie vor. Aber selbst hier muss die Art und Weise, wie David Ricardo vorgegangen ist, um die Vielzahl von Produktionsfaktoren, welche den Wert der Güter bestimmen, schließlich auf einen bestimmenden Faktor zurückzuführen, als geradezu brillant bezeichnet werden.

 

Der Fehler Ricardos lag daran, dass er erstens nicht erkannte, dass die Beweisführung für das Ausscheiden des Faktors Boden im Grunde für jeden beliebigen Produktionsfaktor angewandt werden könnte, dass er zweitens offensichtlich von der Annahme ausging, die Unterschiede in der Länge der Produktionsperioden seien für seine Beweisführung unerheblich und dass er schließlich drittens übersehen hat, dass die Lohnrelationen zwischen den einzelnen Arbeitsqualitäten sehr oft von der Knappheit und damit von einer Problemgröße abhängen, die im Rahmen einer Wirtschaftswissenschaft abzuklären ist.

 

 

3. Der Wert der Arbeit bei Karl Marx

 

Karl Marx hat diese von Ricardo entwickelte Arbeitswertlehre übernommen. Genauso wie er jedoch vermeinte, die Hegelsche Lehre auf die Füße stellen zu müssen, hat Karl Marx auch die Ricardianische Arbeitswertlehre zumindest in zwei Punkten abgewandelt und damit weiterentwickelt. Auf der einen Seite versuchte er die Arbeitswertlehre auch zur Erklärung des Wertes der Arbeit anzuwenden. Auf der anderen Seite sah er im Arbeitswert nicht nur einen Maßstab und eine Steuerungsgröße und damit eine relative Größe, sondern der Arbeitswert diente ihm als Maßstab für den absoluten Wert eines Gutes.

 

Nicht nur für die Güter gelte also, dass sich ihr Wert an der Anzahl der Arbeitsstunden ausrichte, sondern auch die Arbeit selbst erhalte ihren Wert dadurch, dass zur Reproduktion und Erhaltung der Arbeitskraft selbst wiederum Arbeit aufgewandt werden müsse. Der Arbeiter bleibe nur dadurch in der Lage zu arbeiten, dass er sich ernähre und in der ihm verbleibenden Freizeit seine Arbeitskraft regeneriere. Da der Wert eines Gutes nach klassischen Vorstellungen nicht primär davon abhängt, wie viel Arbeitsstunden tatsächlich zur Erzeugung eines Gutes aufgewandt wurden, sondern nur allein wie viel Arbeitsstunden notwendig sind, um ein Gut zu erzeugen, gilt für Marx das Existenzminimum (an Gütern und Freizeit) als Maßstab für den Wert der Arbeitskraft.

 

Hierbei übernimmt Karl Marx das Ergebnis der ricardianischen Entwicklungstheorie, wonach der Lohnsatz die Tendenz habe, auf das Existenzminimum abzusinken. Karl Marx weicht allerdings insoweit von den Vorstellungen der ricardianischen Theorie ab, als er im Gegensatz zu Ricardo diese Tendenz zur Lohnsenkung nicht auf die Knappheit der Böden zurückführt, sondern auf die Art und Weise, wie sich der technische Fortschritt entwickle. Für David Ricardo war es die zunehmende Knappheit der Böden, welche zu einer permanenten Verringerung des Lohnniveaus führen müsste. Die Bodenrente steige wegen der zunehmenden Knappheit der Böden an, mit der Folge, dass für die Bezahlung der Arbeiter ein immer geringer werdender Anteil der Produktion übrig bleibe.

 

Karl Marx hingegen versuchte die Tendenz zur Lohnsenkung damit zu erklären, dass sich die organische Zusammensetzung des Kapitals permanent verschlechtere. Die Kapitalisten stünden unter einem durch gegenseitige Konkurrenz ausgelösten Druck, ihre Gewinne, den Mehrwert stets wiederum zu akkumulieren (also zu investieren). Hierbei würde jedoch ein immer größerer Teil des Kapitals nicht zum Ankauf von Arbeit, sondern zur Beschaffung technischer Anlagen eingesetzt. Wir würden heute davon sprechen, dass der technische Fortschritt arbeitssparend sei.

 

Die marxistische Vorstellung, dass nur Arbeit Wert erzeuge und dass deshalb bei arbeitssparendem technischem Fortschritt der Gesamtwert der Produktion zurückgehe, führt dann zu geradezu absurden Schlussfolgerungen. Das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung steigt, die Gesamtbevölkerung kann sich einen immer höheren Konsumstandard leisten, trotzdem spricht Karl Marx von einem Rückgang im Gesamtwert der Produktion, anstatt dass er anerkennt, dass die Haushalte eine Nutzensteigerung nicht primär daraus ziehen, dass der Arbeitsaufwand zur Erzeugung der Konsumgüter angestiegen ist, sondern daraus, dass sie mehr und qualitativ bessere Waren konsumieren können.

 

Die Zusammenhänge zwischen technischem Fortschritt und Arbeitslosigkeit sind in Wirklichkeit sehr viel komplizierter. Als erstes gilt es festzustellen, dass technischer Fortschritt – vor allem dann, wenn er arbeitssparender Natur ist – zwar auf der einen Seite zu einer Substitution von Arbeit durch Kapital führt und damit partiell Arbeitslosigkeit auslösen kann, dass aber dieser Effekt auf der anderen Seite auch Kompensationsprozesse auslöst, da technischer Fortschritt stets mit einer Zunahme an Investitionen verbunden ist, welche selbst wiederum eine Mehrnachfrage nach Arbeit auslösen und damit den arbeitsplatzvernichtenden Effekt der Substitutionsprozesse zumindest zum Teil wiederum ausgleichen. Es ist also keinesfalls sicher, dass jeder arbeitssparende technische Fortschritt zu Arbeitslosigkeit führt.

 

Als zweites hat Erich Streißler aufgezeigt, dass der technische Fortschritt tatsächlich langfristig kapitalsparend und nicht arbeitssparend war, arbeitssparend war nur der relativ kleine Teil der Investitionen in Maschinen; langfristig wirkten sich jedoch die kapitalsparenden Effekte bei den Lagerinvestitionen aus, die selbst wiederum durch den technischen Fortschritt im Transportwesen möglich wurden. Wir hatten also in Wirklichkeit vorwiegend einen technischen Fortschritt, der Kapital und gerade nicht Arbeit eingespart hat.

 

Drittens schließlich ist die Frage, welcher technische Fortschritt sich letzten Endes im Durchschnitt durchsetzt, keinesfalls unveränderlich vorgegeben, sondern selbst wiederum davon abhängig, wie sich die Lohn-Zins-Relation entwickelt. Steigt der Lohnsatz stärker an als der Zinssatz, werden kapitalintensive Produktionsverfahren für die Unternehmungen vorteilhafter und sie werden in der Tat durch Mechanisierung Arbeitsplätze abbauen. Wenn auf diese Weise die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosigkeit ansteigt, ist dies nur ein Anzeichen dafür, dass ein technischer Fortschritt ausgelöst wurde, welcher in sozialer Hinsicht keinesfalls erwünscht ist. Er hätte vermieden werden können, wenn sich die Lohn-Zins-Relation entsprechend den Knappheitsverhältnissen entwickelt hätte.

 

Arbeitssparender Technischer Fortschritt ist in sozialer Hinsicht nur dann erwünscht, wenn es an Arbeitskräften mangelt, wenn aufgrund dieses Mangels technisch gesehen mögliche Steigerungen der Produktion und damit Wohlfahrtszuwächse unterbleiben müssten. Hier bedeutet es einen Wohlfahrtsgewinn, wenn durch Mechanisierung die Produktion gesteigert werden kann, ohne dass dadurch Arbeitslosigkeit entsteht. Entscheidend ist nun, dass gerade die keynesianische Theorie – entgegen ihrer politischen Absichten – dazu beigetragen hat, dass sich die von ihr ausgehenden Empfehlungen nicht beschäftigungssteigernd, sondern langfristig sogar arbeitsplatzvernichtend auswirken.

 

Nach keynesianischer Vorstellung (allerdings nicht unbedingt nach Vorstellung von Keynes selbst) sollen ja in Zeiten des Konjunkturabschwungs auf der einen Seite die Löhne stärker angehoben werden als die Arbeitsproduktivität steigt (Forderung nach expansiver Lohnpolitik). Auf der anderen Seite sollen die Zinsen sinken, um das Investitionsvolumen zu steigern. Beide Maßnahmen zusammen führen jedoch dazu, dass das Lohn-Zins-Verhältnis steigt mit der Folge, dass verstärkt kapitalintensivere Produktionsverfahren eingeschlagen werden. Das Investitionsvolumen steigt zwar an, es werden jedoch vorwiegend nicht Erweiterungs-, sondern Rationalisierungsinvestitionen durchgeführt, welche Arbeitsplätze (bei arbeitsplatzsparendem technischen Fortschritt) eher vernichten als neu entstehen lassen.

 

 

4. Die Wertbestimmung in der Grenznutzenschule

 

Wie bereits erwähnt, besteht das Hauptinteresse der Grenznutzenschule genauso wie bei den Altklassikern in der Frage nach den Bestimmungsgründen der Preise, wobei es ebenfalls nicht – wie bei den Klassikern – primär um die absolute Höhe der Preise, sondern vielmehr um die Preisrelationen zueinander geht und dies wiederum deshalb, weil auch die Neoklassiker den Preisen die zentrale Rolle im Rahmen der Produktionslenkung zuerkennen.

 

Wenn man den Versuch unternimmt, den Wert eines Gutes auf den Nutzen zurückzuführen, den dieses Gut beim Endverbraucher stiftet, dann steht man vor einem ähnlichen Problem, wie die Altklassiker bei dem Versuch, die Kosten für die Höhe des Güterwertes verantwortlich zu machen. Wir hatten weiter oben bereits gesehen, dass eine Theorie, welche den Wert eines Gutes auf die zur Produktion benötigte Kostenhöhe zurückführt, vor dem Problem steht, dass eine solche Theorie nur befriedigen kann, wenn man von einem einzigen Produktionsfaktor ausgeht. Erkennt man an, dass zur Produktion eines Gutes immer eine Vielzahl von Produktionsfaktorenarten notwendig ist, hat man das Problem keiner Werttheorie gelöst, da man eine Unbekannte (Wert eines Gutes) auf andere Unbekannte (Wert mehrerer Produktions­faktoren) zurückführt. Eine Werttheorie ist aber erst dann befriedigend, wenn es gelingt, die unbekannte Problemgröße (Wert eines Gutes) auf Größen zurückzuführen, welche alle als bekannt vorausgesetzt werden können.

 

Das hiermit vergleichbare Problem der Grenznutzentheorie besteht nun darin, dass man den Wert, den ein Gut aufgrund des hiermit erreichten Nutzens stiftet, auf die einzelnen Produktionsfaktoren  zurechnen muss, welche bei der Produktion des Produktes eingesetzt wurden. Genauso, wie die Klassiker anerkennen mussten, dass in aller Regel bei der Produktion eines Gutes mehrere Arten der Produktionsfaktoren eingesetzt werden, kommt auch die Grenznutzenschule um diese Erkenntnis nicht herum. Nur dann, wenn ein einziger Produktionsfaktor, etwa homogene Arbeitsstunden eingesetzt würden, könnte der Wert des Gutes diesem homogenen Faktor 100%ig zugerechnet werden. Da bei Einsatz mehrerer inhomogener Faktoren zunächst unklar ist, wie viel die einzelnen Faktoren zu dieser Werterzeugung beigetragen haben, besteht das eigentliche Problem jeder Grenznutzentheorie darin, die Gesamtwerte eines Gutes den an der Produktion beteiligten Produktionsfaktoren zuzurechnen. Und genauso wie im Mittelpunkt der Ricardianischen Werttheorie der Nachweis steht, dass nur die bei der Produktion benötigten normierten Arbeitsstunden als Kostenfaktoren eingehen, genauso steht im Mittelpunkt der Grenznutzentheorie das sogenannte Zurech­nungs­problem auf die einzelnen Produktionsfaktoren.

 

Das Problem der Zurechnung besteht hierbei in Folgendem: Wenn wir den Wert eines Gutes von dem Nutzen ableiten, den die Endverbraucher beim Konsum dieses Gutes erfahren, dann entsteht die Frage, wie denn dieser Gesamtwert auf die einzelnen Produktionsfaktoren, die an der Produktion beteiligt sind, aufgeteilt werden kann.

 

Hierbei können prinzipiell zwei unterschiedliche Methoden angewendet werden. Man kann – wie dies später von den angelsächsischen Vertretern der neoklassischen Theorie getan wurde – den Wert der einzelnen Produktionsfaktoren als unmittelbares Ergebnis des Marktes verstehen, wobei vor allem die jeweils verwirklichte Marktform darüber entscheidet, welche Entlohnung die einzelnen Produktionsfaktoren erreichen. Dies ist der Weg, den vor allem John Bates Clark gegangen ist, den wir allerdings hier in dieser Vorlesung nicht näher analysieren wollen.

 

Man kann aber auch den Versuch unternehmen, zu klären, welchen Teil denn die einzelnen Produktions­faktoren zur Erlangung des Gesamtwertes beigetragen haben. Es ist dies der Weg, der von Karl Menger, Böhm-Bawerk sowie Friedrich von Wieser beschritten wurde und der das Problem der Zurechnung eher aus einer wohlfahrtstheoretischen als einer positiven, erklärenden Sicht beleuchtet. Wir wollen auf die Darstellung dieser drei Autoren kurz eingehen, wobei jeder dieser Autoren einen etwas anderen Weg beschreitet.

 

Beginnen wir mit dem von Karl Menger unternommenen Versuch. Bei Karl Menger wird der Wert eines Produktionsfaktors über die sogenannte Abzugsmethode ermittelt. Man geht hierbei zunächst von dem Gesamtwert aus, den ein Gut auf dem Markt erzielt. Im nächsten Schritt überlegt man sich, wie sich denn der Gesamtwert vermindern würde, wenn man nun den zu untersuchenden Produktionsfaktor in Gedanken abziehen würde. Der Unterschied zwischen dem anfänglichen Gesamtwert und dem verbleibenden Restwert nach Abzug eines Faktors, wäre dann der Wert, der diesem Faktor zuerkannt wird. Wenn ein Gut zunächst den Wert 100 erreicht und wenn bei Abzug von Arbeitskräften nur noch ein Wert von 40 erreicht würde, könnte mit Fug und Recht der Wert des Arbeitsfaktors als 100 - 40, also 60 angesetzt werden.

 

Hierbei ist kritisch sofort darauf hinzuweisen, dass dann, wenn man einen Produktionsfaktor wie z. B. den Arbeitsfaktor in Gänze abziehen wollte, auch kein Produkt produziert werden könnte, weil zur Produktion fast aller Güter immer alle zur Diskussion stehenden Produktionsfaktoren benötigt werden. Die Produktion findet auf einem bestimmten Gelände statt, sodass auf jeden Fall der Faktor Boden benötigt wird; es werden weiterhin in aller Regel Arbeitskräfte zur Erstellung der Endprodukte eingesetzt, sodass auch ohne Arbeitseinsatz kein Produkt entsteht. Schließlich bedarf es des Einsatzes von Kapital, um die Arbeitnehmer sofort auszahlen zu können, bevor der Unternehmer durch den Verkauf der fertigen Produkte die Geldmittel erhält, um die Arbeitnehmer zu bezahlen. Oder aber es wird Kapital benötigt, um Maschinen zu kaufen. Auch hier wird man davon ausgehen müssen, dass ohne jedes Kapital keine Produktion möglich gewesen wäre, man hätte die Arbeiter nicht sofort bezahlen können und die Produktion hätte ohne Maschinen überhaupt nicht begonnen werden können.

 

Wir müssten also, wenn wir einen Faktor in Gedanken gänzlich abziehen, jedem Faktor den Gesamtwert des Produktes zuordnen und hierbei geraten wir in einen logischen Widerspruch. Die Summe der Entgelte für alle eingesetzten Produktionsfaktoren kann nicht größer sein als der Gesamtwert, mehr ist nicht zu verteilen, auf der anderen Seite ergibt sich bei der vorgeschlagenen Lösung ein Wert des dreifachen Verkaufsertrages, wenn wir einmal von drei Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden und Kapital) ausgehen.

 

Die Lösung des Problems liegt natürlich darin, dass wir die Marginalanalyse anwenden. Der Abzug eines Produktionsfaktors soll sich eben nicht auf den Faktor in Gänze beziehen, sondern sich im Sinne der Marginalanalyse immer nur auf eine kleine (unendlich kleine?) Einheit beziehen. Genauso wie sich auf dem Markt der Preis eines Gutes auf den Grenznutzen des zuletzt nachgefragten Gutes bezieht, stellen wir auch bei dem von Karl Menger vorgeschlagenen Abzugsverfahren die Entlohnung eines Produktionsfaktors dadurch fest, dass wir danach fragen, wie sich der Wert ändert, wenn der untersuchte Faktor um eine Einheit verringert wird.

 

Bei einer solchen Marginalanalyse können wir im Allgemeinen sehr wohl davon ausgehen, dass bei lediglich marginalen Abzügen die Produktion des Gutes nach wie vor möglich ist und zwar deshalb, weil bei nahezu jeder Produktion eine gewisse wechselseitige Substituierbarkeit der Produktionsfaktoren möglich ist. Fällt der eine Arbeiter aus, so kann ein anderer Arbeiter einspringen; auch ist es denkbar, dass durch geringfügige Änderung der Produktionstechnik die Produktion auch mit einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern aufrechterhalten werden kann.

 

Es bleibt allerdings ein wichtiges Problem übrig, das von Karl Menger nicht gelöst wurde. Es bleibt vollkommen unklar, ob bei dieser Vorgehensweise wirklich der Gesamtwert eines Gutes am Ende genau der Summe der so errechneten Entlohnungen aller Produktionsfaktoren entspricht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf diesem Wege die Summe der Entlohnungen größer oder aber auch kleiner ausfällt als der Gesamtwert des Gutes.

 

Eine Lösung dieses Problems wurde später von den Neoklassikern, welche den oben erwähnten erst genannten Weg (unmittelbare Marktlösung) beschritten haben, im sogenannten Ausschöpfungstheorem vorgeschlagen.

 

Wenden wir uns nun dem Verfahren zu, das Eugen von Böhm-Bawerk zur Lösung des Zurechnungs­problems vorgeschlagen hatte. Auch Böhm-Bawerk beginnt mit dem gleichen Ansatz wie Menger, in dem er also vom Gesamtwert des Gutes ausgeht und einen Produktionsfaktor marginal um eine Einheit vermindert. Anders als Karl Menger bestimmt jedoch Eugen von Böhm-Bawerk den Wert dieses abgezogenen Produktionsfaktors dadurch, dass er danach fragt, um welchen Betrag dieser Faktor in einer anderen Verwendung den Gesamtwert erhöhen würde.

 

Da natürlich im Allgemeinen nicht nur eine, sondern mehrere Verwendungsarten eines Produktionsfaktors bekannt sind, gilt es noch zu klären, in welcher Verwendung der abgezogene Produktions­faktor eingesetzt werden soll. Die Antwort ist klar: Wir können die einzelnen Verwendungsarten (und dies sind ja Güterproduktionen) nach ihrem Wert ordnen. Wir gehen davon aus, dass zunächst jeder Faktor in der bestmöglichen Verwendung eingesetzt wurde und dass nach dem Abzug aus der bestmöglichen Verwendung dieser Faktor der zweitbesten Verwendung zugeführt wird.

 

Machen wir uns diesen Zusammenhang wiederum anhand eines Beispiels klar: Der Gesamtwert des ersten untersuchten Gutes A betrage wiederum 100 Einheiten. Vom Produktionsfaktor Arbeit werde eine Einheit abgezogen, sodass der Restwert bei Gut A 80 betrage. Dieser freigewordene Faktor werde nun bei der Produktion von Gut B (der zweitbesten Verwendung) eingesetzt. Der Wert von Gut B habe ursprünglich bei 200 gelegen und steige nun aufgrund des Einsatzes dieses Faktors auf 230.

 

In diesem Falle bestimmt sich der Wert des abgezogenen Faktors bei der Methode Böhm-Bawerk auf 230 - 200 = 30, während er bei der Methode Mengers lediglich 100 - 80 = 20 betragen hätte.

 

Man kann nun beide Methoden miteinander verbinden, also hintereinander ablaufen lassen und den Wert des fraglichen Produktionsfaktors danach bestimmen, bei welcher Methode er den jeweils größeren Wert erzielt hätte. In unserem Beispiel käme also Böhm-Bawerk zum Zuge und der Wert des fraglichen Faktors würde 30 betragen.

 

Im Grunde sind beide Methoden der gleichen Kritik ausgesetzt, sodass es an dieser Stelle ausreicht, auf die gegenüber der Methode Mengers angeführte Kritik zu verweisen. Da nun die dritte darzustellende Methode zur Lösung des Zurechnungsproblems: die Methode von Friedrich Wieser mit einer Kritik gegenüber den bereits besprochenen Methoden beginnt, können wir sofort mit der Darstellung der Lösung von Friedrich von Wieser unsere Analyse fortfahren.

 

Wenden wir uns also schließlich der dritten Variante des Zurechnungsproblems zu, welche von Friedrich von Wieser vorgeschlagen wurde. Er wendet sich gegen die Lösungsversuche von Karl Menger und Eugen von Böhm-Bawerk, da diese nur in der Lage wären, die jeweils zweitbeste Lösung festzustellen. Es interessierte jedoch die Bezahlung bei einer bestmöglichen Verwendung und diese bringe immer einen höheren Wert als bei der zweitbesten Alternative.

 

In Wirklichkeit könnten die echten Werte der einzelnen Produktionsfaktoren nur mit Hilfe eines simultanen Gleichungssystems bestimmt werden. Hier würde dieses Gleichungssystem die korrekten Werte aller Produktionsfaktoren in ihrer besten Verwendung erkennen lassen.

 

Man sollte allerdings die Kritik von Friedrich von Wieser an Karl Menger und an Eugen von Böhm-Bawerk auch nicht zu hoch bewerten. Natürlich ist es grundsätzlich richtig, dass der erstbeste Wert immer höher liegt als der zweitbeste. Die Grenznutzenschule bedient sich jedoch der Marginalanalyse, bei der eigentlich von unendlich kleinen Schritten ausgegangen wird. Werden jedoch immer kleinere Einsatzmengen verändert und gehen deshalb die jeweils veränderten Einsatzmengen gegen null, so gehen notwendigerweise auch die Unterschiede zwischen der erstbesten und der zweitbesten Verwendung gegen null. Der Unterschied zwischen beiden Werten kann dann vernachlässigt werden.

 

 

5. Wertbildung in der Cambridgeschule

 

Von allen drei Varianten der Neoklassik hält die Cambridgeschule noch am meisten an den Vorstellungen der älteren Klassik fest. Gemeinsam mit den Klassikern, allen voran David Ricardo, gehen auch die Vertreter der Cambridgeschule davon aus, dass der Wert der Güter von der Angebotsseite mitbestimmt wird und dass deshalb die Kosten einen wesentlichen Bestimmungsgrund der langfristigen Güterpreise darstellen.

 

Anders als die älteren Klassiker gehen jedoch diese Neoklassiker von der Überzeugung aus, dass auch Nachfragefaktoren genauso wie Angebotsfaktoren den Preis mitbestimmen. Berühmt ist das Scherenbeispiel von Alfred Marshall, dem Hauptbegründer der Cambridgeschule: Marshall vergleicht die Preisbildung mit einem Schnitt mittels einer Schere; beide Blätter der Schere würden den Schnitt eines Papieres vollziehen. Man könne natürlich das eine Scherenblatt in Gedanken festhalten und dann den Schluss ziehen, dass das jeweils andere Scherenblatt den Schnitt vollzogen habe.

 

Wenn wir dieses schöne Bild vom Schnitt der Schere weiterspinnen, lässt sich feststellen, dass zwar im allgemeinen beide Blätter, sprich Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, dass aber unter besonderen Bedingungen auch Situationen denkbar sind, in denen die Marktergebnisse fast ausschließlich nur von einer Marktseite bestimmt werden, sodass die jeweils andere Marktseite vernachlässigt werden kann. In diesem Sinne kann die keynesianische Theorie als eine Theorie verstanden werden, welche die Arbeitslosigkeit allein auf Mängeln in der Nachfrage zurückführt, genauso wie die antikeynesianische Lehre als eine Theorie verstanden wird, welche Arbeitslosigkeit vorwiegend auf Angebotsfaktoren zurückführt.

 

 

6. Schlussfolgerungen

 

Wir wollen also festhalten, dass wirtschaftliche Werte die Funktion erfüllen, die einzelnen materiellen Ressourcen so Nutzen bringend wie möglich einzusetzen und dass sich diese Funktion stets auf die Relationen der Preise und nicht auf den absoluten Preis bezieht.

 

Nun hatten wir allerdings auch gesehen, dass sich Karl Marx nicht darauf beschränkt hatte, Werte in diesem relativen Sinne zu verstehen, Karl Marx verband vielmehr mit seinem Wertbegriff immer auch den Wert eines Gutes im absoluten Sinne. In diesem Verständnis können wirtschaftliche Werte nur durch Arbeitsleistung entstehen, Werte waren also bei Karl Marx quasi die geronnene Arbeitsleistung selbst. Wie ist ein solches absolutes Wertverständnis zu beurteilen?

 

Beschränken wir uns auf wirtschaftliche Werte, so stellen die einzelnen materiellen Ressourcen sowie die aus diesen Ressourcen produzierten Güter immer nur abgeleitete Werte dar. Ein Gut erlangt in diesem Sinne immer nur einen Wert, als es dazu dient, bestimmte Ziele zu realisieren. Ziele können hierbei einmal in der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse bestehen, zum andern aber auch sehr wohl über die reine Bedürfnisbefriedigung hinausgehende Ziele darstellen. Als Ziel kann hierbei alles gelten, was der Mensch erstreben kann. Nur dann und nur in dem Maße, indem ein Gut in der Lage ist, eines dieser menschlichen Ziele zu erfüllen, erlangt es einen Wert. Der Wert eines Gutes ist also stets von der Zielsetzung, der ein Gut dient, abgeleitet und niemals ein Selbstzweck.

 

Wenn man will, kann man in diesem Zusammenhang davon sprechen, dass der Zweck die Mittel heiligt, aber nicht in dem oft gebrauchten Sinne, dass ein Mittel bereits dann als berechtigt angesehen werden kann, wenn es geeignet ist, ein spezielles Ziel zu verwirklichen. Wir haben nämlich davon auszugehen, dass Mittel fast nie nur einen positiven Einfluss auf das Ziel nehmen, das mit diesem Mittel angesteuert wird. Zumeist müssen wir damit rechnen, dass der Mitteleinsatz zu negativen Wirkungen bei anderen Zielen führt. Ein Mitteleinsatz ist nun nur dann gerechtfertigt, wenn die gesamten, von diesem Mittel ausgehenden Wirkungen per Saldo als erwünscht angesehen werden. Unter Umständen können somit bestimmte andere Ziele negativ berührt werden. Der hierbei entstehende Schaden wird jedoch insgesamt geringer eingeschätzt als die Steigerung der Wohlfahrt, welche durch diese Maßnahme erreicht werden kann.