Auszug aus meiner Vorlesung über Sozialpolitik

 

 

Ein dritter Vorschlag zur Reformierung der gesetzlichen Rentenversicherung zielt darauf ab, das Umlageverfahren durch ein Kapitaldeckungsverfahren abzulösen. Man kann hierbei beide Verfahren danach beurteilen, welche unterschiedlichen Renditen (Verhältnis zwischen der von den Erwerbstätigen gezahlten Beitragssumme und der Summe der über das gesamte Leben berechneten Rentensumme) beide Verfahren bringen. Hierbei hängt es von den näheren Umständen ab, welches System die höhere Rendite erbringt.

 

Das Umlageverfahren ist bei starkem Wachstum der Bevölkerung oder des Inlandsproduktes vorteilhafter als das Kapitaldeckungsverfahren. Wenn z. B. die Bevölkerung wächst, hat eine immer größere Zahl von Erwerbstätigen die Renten zu finanzieren, so dass für eine gegebene Rente immer weniger Beitragssätze entrichtet werden müssen. Da die Beitragssumme mit wachsendem Einkommen steigt, kann auch bei wachsendem Inlandsprodukt und konstanter Bevölkerung eine gegebene Rentensumme mit einem geringeren Beitragssatz finanziert werden.

 

Nachteile des Umlageverfahrens sind bei einer Erhöhung des Altersquotienten gegeben. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass dann, wenn auf einen Rentner weniger Erwerbstätige kommen, die Rentenhöhe gekürzt oder die Beitragssätze erhöht werden müssen.

 

Bei Neueinführung der Kapitaldeckung entstünden zusätzliche Übergangseffekte, die darin bestehen, dass mehrere Jahrzehnte lang (!) die Beitragssätze sowohl die Finanzierung der laufenden Renten sowie den Aufbau eines Kapitalstocks sicherstellen müssten.

 

Offensichtlich ist geplant, den Aufbau des Kapitalstockes über Staatszuschüssezu finanzieren. Aber auch hier werden höhere Steuern benötigt oder wenn man die Staatszuschüsse über ein Defizit im Staatshauhalt finanzieren möchte, werden die Preise steigen mit der Folge, dass wiederum das reale Einkommen der privaten Haushalte vermindert wird.

 

Eine gewisse Verminderung dieser Last ist in diesen Fällen nur dadurch zu erwarten, dass die Steuerlast auch und sogar in stärkerem Maße auch diejenigen trifft, welche wie die Selbständigen oder die Beamten nicht Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung sind.

 

Eine Kapitaldeckung wird jedoch weiterhin nur dann zum Erfolg führen, wenn die Nullzinspolitik der Notenbanken aufgegeben wird. Bei einem Kapitaldeckungsverfahren erfolgt die Finanzierung der Renten über die vereinnahmten Zinsen. Die augenblickliche Nullzinspolitik führt jedoch dazu, dass nur noch Kapitalanlagen mit hohem Risiko überhaupt nennenswerte Zinserträge abwerfen. Eine Altersversicherung benötigt jedoch sichere Einnahmen, sodass nur solche Kapitalanlagen gewählt werden können, welche nur ein geringes Risiko wie z. B. Fonds aufweisen. Der Zinssatz dieser Anlagen ist jedoch aufgrund der Politik der Notenbanken fast auf null gesunken.

 

Da nun nicht davon ausgegangen werden kann, dass die wichtigsten Notenbanken der Welt (der europäischen Gemeinschaft und der USA) die Nullzinspolitik in der nächsten Zeit aufgeben werden, wird die Einführung des Kapitaldeckungsverfahrens auch keine Lösung bringen.