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Macht, Machtmissbrauch und Machtkontrolle

 

 

Gliederung:

 

0. Die Entstehung von Macht

1. Das Machtmonopol des Staates

2. Gewaltenteilung u. die Bedeutung der Opposition

3. Vollständige Konkurrenz und countervailing powers

4. Die Glaubensfreiheit

5. Die Pressefreiheit

6. Streik und Aussperrung

7. Die Macht im Betrieb

8. Die Macht in der Familie

9. Informelle Macht

 

 

0. Die Entstehung von Macht

 

Die Entstehung von Macht hängt vor allem mit der Knappheit der materiellen Ressourcen sowie der unterschiedlichen Ausstattung der einzelnen Menschen mit eben diesen Ressourcen zusammen. In einem Paradies, in welchem die materiellen Ressourcen in Hülle und Fülle vorhanden wären und in dem es auch keiner besonderen Anstrengungen bedürfte, diese Ressourcen so aufzubereiten, dass sie die menschlichen Bedürfnisse befriedigen, wäre auch ein friedliches Zusammenleben der einzelnen Menschen im Prinzip möglich. Jeder hat hier, was er braucht. Um selbst überleben zu können, ist es nicht notwendig, dem jeweils Anderen etwas streitig zu machen und selbst dann, wenn der Eine dem Anderen Ressourcen wegnehmen würde, wäre dies für den Beraubten nicht besonders schlimm, da er sich ja jederzeit neue Ressourcen beschaffen könnte.

 

Erst der Umstand, dass Knappheit herrscht, dass also die vorhandenen materiellen Ressourcen nicht ausreichen, um die wichtigsten menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen und der weitere Umstand, dass die vorhandenen Ressourcen zunächst mühsam durch Produktionsanstrengungen aufbereitet werden müssen, bevor sie konsumiert werden können, führt dazu, dass die einzelnen Menschen dazu getrieben werden, anderen Mitmenschen deren Eigentum an materiellen Ressourcen streitig zu machen und zu rauben.

 

Gerade dieser Umstand führt selbst wiederum dazu, dass die Menschen gezwungen sind, sich gegen diese Angriffe der Anderen zu wehren und eine Macht aufzubauen, welche verhindert oder zumindest erschwert, dass die jeweils Anderen das Eigentum einzelner Menschen durch Angriff rauben können. Wieweit ihnen dies gelingt, hängt entscheidend auch davon ab, inwieweit die Möglichkeit besteht, sich zur Abwehr in größere Gruppen zusammenzuschließen.

 

Im Hinblick auf diese Fähigkeiten, eine Macht zu entwickeln, um sich gegenüber Angreifern zu erwehren, unterscheiden sich jedoch die einzelnen Individuen. Auch ist die Ausstattung der Einzelnen mit natürlichen Ressourcen sehr unterschiedlich. Diese Unterschiede führen nun dazu, dass auch in der Abwehr der Einzelnen gegenüber Angriffen große Unterschiede bestehen. Die Einen können sich erfolgreich gegen Angriffe erwehren, Andere wiederum unterliegen und werden von den Angreifern getötet oder versklavt, wiederum Andere können ihre Siegeszüge fortsetzen und auf diese Weise ihre Macht immer mehr ausbauen.

 

Hierbei sind diese Unterschiede zwischen den Fähigkeiten sowie der Ausstattung mit natürlichen Ressourcen entscheidend für den Verlauf dieser Auseinandersetzungen verantwortlich. Wären alle Individuen und Volksstämme zu Anbeginn gleich stark, dann könnten sie auch in aller Regel etwaige Angriffe erfolgreich abwehren und dies hinwiederum würde dazu führen, dass solche Angriffe weniger stattfänden, da ja nahezu jeder Angriff auch für den Angreifer mit Verlusten verbunden ist und infolgedessen ein Angriff nur dann für den Angreifer sinnvoll ist,  wenn er eine Aussicht auf Erfolg hat.

 

Da nun zu Beginn der menschlichen Entwicklung stets diese Gefahren drohten und die Einzelnen innerhalb des eigenen Volksstammes nicht mehr sicher sein konnten, bestand von Anfang an der Wunsch und die Notwendigkeit, diese Gefahren zu verringern. Zwei sehr unterschiedliche Versuche sind hierbei von Bedeutung. Auf der einen Seite wurde schon sehr früh der Versuch unternommen, Vorschriften einzuführen, welche potentielle Angreifer daran hindern sollten, solche Angriffe durchzuführen. Aber auf welchem Wege sollten Angreifer gewillt sein, von sich aus die Schwächeren zu schonen? Ein solches Verhalten bedeutet ja ein Verzicht auf mögliche Gewinne und damit auch Verzicht auf Verbesserung der eigenen Lebensbedingungen.

 

Hier kommt die Religion ins Spiel. Schon sehr früh waren die Menschen davon überzeugt, dass es ein überirdisches Wesen, einen oder auch mehrere Götter gibt, welche solche Vorschriften erlassen und welche solche Übergriffe auf andere Menschen untersagen. Und für diesen Gott wurde unterstellt, dass er allwissend, allmächtig und allgerecht ist.

 

Weil Gott für allwissend gehalten wird, weiß er auch von allen Übertretungen, mögen sie noch so sehr für die anderen Menschen im Verborgenen erfolgen, keine Sünde kann vor ihm verborgen bleiben, er kann in die Herzen der Menschen schauen.

 

Weil Gott als gerecht gilt, wird er auch auf der einen Seite diejenigen bestrafen, welche die Vorschriften übertreten haben, sowie auf der anderen Seite die Gerechten für ihr Verhalten belohnen, wobei der Umfang der Bestrafungen und Belohnungen jeweils dem Umfang der guten wie schlechten Taten entspricht.

 

Weil Gott schließlich als allmächtig gilt, ist er auch in der Lage, diese Bestrafungen durchzusetzen, niemand wird seiner gerechten Strafe entgehen.

 

Allerdings wird auch unterstellt, dass dieses Weltgericht erst am Ende der Zeiten stattfindet und dass jeder Einzelne erst nach seinem Tode gerichtet wird. Dieser Umstand einer verzögerten Gerechtigkeit stärkt und schwächt zur gleichen Zeit diese religiöse Ordnung.

 

Gerade weil die Bestrafungen nicht bereits hier auf Erden erfolgen, kann niemand sicher sein, dass er diesem Gericht entgehen kann. Auch wenn ihm seine eigene Bestrafung als vielleicht unwahrscheinlich erscheinen mag, er kann sich seiner Überzeugung nie sicher sein. Und gerade aus dieser Unsicherheit heraus besteht eine starke Tendenz, diesen Vorschriften auch zu folgen.

 

Auf der anderen Seite kann sich aber auch gerade aus dem Umstand, dass niemand gesehen hat, dass der Böse auch tatsächlich bestraft wird, manche Menschen mit verbrecherischen Neigungen dazu verleiten, die göttlichen Gesetze zu missachten. Es hat ja hier auf Erden den Anschein, dass es keine absolute Gerechtigkeit gibt und dass die Frage, ob der Einzelne für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird, vor allem davon abhängt, ob es ihm gelingt, seine Taten zu verbergen oder ob er die Macht besitzt, sich gegen jede Art Bestrafung erfolgreich zu wehren.

 

Gerade aus diesen Gründen ist schon sehr früh eine zweite Idee geboren worden, auf welchem Wege ein wirksamer Schutz gegen unberechtigte Angriffe Dritter vermieden oder zumindest verringert werden kann. Es muss eine gesellschaftliche Instanz geben, von der alle Macht ausgeht und diese Instanz ist der Staat. Und damit ist die Idee vom staatlichen Gewaltmonopol geboren.

 

Natürlich kann man nicht erwarten, dass gegenüber Jedem und in allen Fällen von Machtausübung diese Macht tatsächlich direkt und unmittelbar von den staatlichen Behörden ausgeübt wird. Dies wäre gar nicht möglich und auch dort, wo es möglich wäre, wäre es höchst unzweckmäßig. Die Forderung nach einem staatlichen Gewaltmonopol ist nur in dem Sinne zu verstehen, dass jede Macht, welche tatsächlich ausgeübt wird, vom Staat gerechtfertigt sein muss. Der Staat bestimmt, wer – und unter welchen Bedingungen – im Einzelfall Macht gegenüber anderen Menschen ausüben darf. Der Staat sollte nach dieser Idee auch der Einzige sein, der die Macht Einzelner beschränken darf.

 

Gleichzeitig setzt diese Forderung nach einem staatlichen Gewaltmonopol voraus, dass der Staat sehr mächtig ist und dies ist das Gegenteil von einem Nachtwächterstaat, von dem einige Frühliberale geträumt haben. Selbstverständlich ist trotzdem stets damit zu rechnen, dass einige Individuen nicht bereit sein werden, sich dem Staat unterzuordnen oder nur in den Fällen Gewalt gegen Mitmenschen anzuwenden, in denen der Staat ihnen ex pressis verbis dieses Recht zugestanden hat. Und weil dem so ist, kann der Staat das Gewaltmonopol nur verteidigen und durchsetzen, wenn er mit Erfolg alle Bemühungen Einzelner, dieses Gewaltmonopol zu durchbrechen, bekämpfen kann.

 

Aber genau hier entsteht ein neues Problem. Wenn es eine Instanz geben muss, welche so stark ist, dass sie sich gegen fast alle Versuche, diese Gewalt zu begrenzen, erfolgreich erwehren kann, wer verhindert dann, dass eben die Personen, welche im Auftrag dieses Staates tätig werden und nun mit einer enormen Machtfülle ausgestattet sind, diese Macht missbrauchen und zur Durchsetzung der eigenen Interessen einsetzen? Wenn wir etwas aus der Geschichte gelernt haben, so dies, dass jede Macht die Gefahr in sich birgt, missbraucht zu werden.

 

In der langen Geschichte der Menschheit gibt es wohl kaum ein größeres Beispiel dafür, dass die – einzelnen Menschen übertragene – Macht nicht für eigene Zwecke missbraucht wurde. Dies gilt für alle Gesellschaftssysteme wie für alle Zeiten. Hitler, Stalin und Mao sind nur einige wenige Beispiele dafür, dass Politiker in Gestalt von Diktatoren ihre Macht gravierend missbraucht haben.

 

Bereits die Bibel bringt ein Beispiel dafür, wie selbst ein von Gott auserwählter und hochgelobter König David seine Macht entscheidend missbraucht hat. David beging Ehebruch mit der Frau des Hethiters. Als bekannt wurde, dass diese Frau von David schwanger wurde und nachdem alle Versuche, diesen Ehebruch zu verschleiern, vereitelt waren, schickte David den Hethiter in den Kampf an vorderster Front an eine Stelle, wo er mit Sicherheit fallen musste, eindeutig also ein Mord, sogar mit besonders niederträchtigen Motiven.

 

Dass die Idee einer freien Marktwirtschaft, in welcher das Wirken des Marktes automatisch dazu führt, dass die Unternehmer genau die Produkte produzieren, welche auch von den Konsumenten am meisten nachgefragt werden – wie die Geschichte gezeigt hat – in ihr Gegenteil verwandelt werden kann, wenn Unternehmer eine Monopolmacht erlangen und diese Macht dazu benutzen, die Arbeitnehmer zu Hungerlöhnen zu entlohnen und den Konsumenten Wucherpreise abzuverlangen, ist sattsam bekannt.

 

Die Geschichte hat auch gezeigt, dass selbst Religionsführer wie z. B. der Borgia-Papst Alexander VI. dieser Gefahr des Machtmissbrauchs wiederholt unterlagen. Dies mag vielleicht verwundern, sollte nicht bei der Wahl eines neuen Papstes derjenige ausgewählt werden, der unter den Kandidaten die höchste moralische Integrität aufweist?

 

Der eigentliche Grund dafür, dass trotzdem immer wieder Führungskräfte mit moralisch bedenklichen Ambitionen an die Macht gelangen, hängt damit zusammen, dass die einzelnen Gesellschaftssysteme einen solchen Grad an Komplexität erlangt haben, dass sie nur mit erheblichem Fachverstand geleitet werden können. Also wird bei der Auswahl der Führungskräfte in allen größeren Gesellschaftssystemen letztendlich das Fachwissen und die Fachkompetenz und weniger die moralische Integrität den Ausschlag geben.

 

Hierbei bedeutet Fachkompetenz des Politikers nicht nur das Wissen über die technischen Voraussetzungen eines politischen Vorhabens, sondern vor allem die Befähigung, seine eigenen Ideen durchzusetzen, in einer repräsentativen Demokratie z. B. einen mehrheitsfähigen Kompromiss durchzusetzen.

 

Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass immer damit gerechnet werden muss, dass auch Personen in diesen Gesellschaftssystemen die Führung übernehmen, welche in moralischer Hinsicht bedenkliche Auffassungen und Verhaltensweisen aufweisen. Und gerade deshalb gilt für jede Gruppe ganz generell, sofern sie nur eine Mindestgröße erreicht hat, dass sich in jeder Gruppe ein etwa gleichgroßer Anteil an Gruppenmitglieder amoralisch verhält.

 

Da bei der Auswahl dieser Führungskräfte eben gerade nicht die moralischen Qualitäten, sondern die Fachkompetenz den Ausschlag gibt, gilt nach dem Gesetz der großen Zahl, dass die moralischen Qualitäten in jeder größeren Gruppe in etwa den gleichen Prozentsatz belegen. Es gibt keinen Grund dafür, dass z. B. die politischen Führungskräfte in ihrer Gesamtheit ein höheres moralisches Verhalten an den Tag legen, als die Mitglieder irgendeiner anderen großen Gruppe.

 

Und dieser Sachverhalt bedeutet natürlich auch, dass  mit der Einrichtung eines staatlichen Gewaltmonopols das Problem des Machtmissbrauches keineswegs als bereits gelöst angesehen werden kann. Es bedarf also weiterer Einrichtungen, um Machtmissbrauch möglichst zu unterbinden. Und ein Großteil der Lehrgeschichte politischer und sozialer Ideen besteht gerade in dem Bemühen, solche Institutionen zu finden, welche trotz der beschriebenen Zusammenhänge letztendlich die Möglichkeit des Machtmissbrauches zwar nicht vollständig zu unterbinden in der Lage sind – dies zu verlangen, wäre utopisch  –, aber doch fähig sind, Machtmissbrauch auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

 

So haben für das politische System vor allem der französische Sozialphilosoph Charles de Montesquieu und der britische Gelehrte John Locke die Forderung nach einer Gewaltenteilung entwickelt, wonach Exekutive, Legislative sowie Jurisdiktion nicht von einander abhängig sein dürfen.

 

Weiterhin haben Adam Smith und andere liberale Wirtschaftswissenschaftler die Vorstellung entwickelt, dass nur bei Vorliegen einer vollständigen Konkurrenz unter den Unternehmern die Gefahr verhindert wird, dass einzelne Unternehmer monopolistische Macht erlangen können, welche sie dann zur Ausbeutung der Arbeitnehmer sowie der Konsumenten missbräuchlich einsetzen können.

 

Im Bereich der kulturellen Systeme wurde relativ spät die Idee der absoluten Religionsfreiheit postuliert, welche wiederum verhindern soll, dass die Gläubigen auf Gedeih und Verderb den Religionsführern ausgeliefert sind und auf diese Weise auch hier für missbräuchliches Verhalten seitens der Religionsführer Tür und Tor geöffnet ist.

 

 

1. Das Machtmonopol des Staates

 

Befassen wir uns nun etwas ausführlicher mit dem Konzept, eine Rechtsordnung dadurch zu garantieren, dass dem Staat ein Gewaltmonopol zugesprochen wird. Wie wir bereits erwähnt haben, bedeutet dies nicht, dass nur der Staat Gewalt ausüben darf, noch nicht einmal, dass der Staat die Ziele bestimmen darf, zu deren Durchsetzung Gewalt erlaubt ist, nein, diese Forderung bezieht sich vielmehr darauf, dass neben der vom Staat durchgeführten Gewalt nur derjenige Macht über andere Menschen erlangen darf, der eigens für diese Gewaltausübung vom Staat dazu legitimiert wird.

 

So widerspricht z. B. die Tatsache, dass unter normalen Bedingungen die Eltern das Recht haben, ihren Kindern Anweisungen zu geben und sie damit zu ganz bestimmten Handlungen anzuhalten, nicht der Forderung nach dem Gewaltmonopol des Staates, da eben die Erziehungsaufgabe in unserer Rechtsordnung den Eltern zugesprochen wird und der Staat nur in Ausnahmefällen diese Aufgabe selbst übernehmen darf, dann nämlich, wenn die Eltern ihre Erziehungsaufgabe sträflich vernachlässigen bzw. im Einzelfall überfordert sind, diese Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.

 

Oder um ein zweites Beispiel zu bringen: Eine Unternehmung kann nur dann erfolgreich ihre Aufgaben erfüllen, wenn dem Arbeitgeber und den von ihm eingesetzten Führungskräften erlaubt wird, den einzelnen Arbeitnehmern die zur Produktion notwendigen Aufgaben zuzuteilen. Auch hier hat der Staat dem Unternehmer dieses Recht zugesprochen, der Unternehmer bestimmt auch die Ziele und Maßnamen, die von den Arbeitnehmern befolgt werden müssen, selbstverständlich haben die Arbeitgeber hier die allgemeinen staatlichen Verbote zu achten.

 

Nun wird in einem rechtsstaatlichen und demokratischen System der Staat nur dann das Gewaltmonopol ausüben können, wenn die Bürger zumindest im Prinzip bereit sind, dieses Gewaltmonopol zu akzeptieren. In einer Diktatur bleibt den Bürgern gar nichts anderes übrig, als sich mit der unbegrenzten Gewalt des Staates abzufinden, in einer Demokratie haben die Bürger die Möglichkeit, in allgemeinen Wahlen unliebsame Politiker abzuwählen und dies bedeutet, dass die Bürger in ihrer Mehrheit das Gewaltmonopol des Staates akzeptieren müssen, um eine demokratische Ordnung auf Dauer zu garantieren.

 

Diese Akzeptanz seitens der Bürger wird im Allgemeinen nur dann vorliegen, wenn sich die Individuen vom Gewaltmonopol des Staates per saldo einen Vorteil versprechen. Wird im konkreten Einzelfall Gewalt gegen einzelne Menschen ausgeübt, so erleidet dieser zwar sicherlich einen Nachteil. Er erkauft jedoch diesen Nachteil damit, dass er im Allgemeinen aus dieser Regelung Vorteile erlangt, welche in ihrer Gesamtheit für die Mehrheit der Bevölkerung weit größer sind als etwaige Nachteile im Einzelfall. Diese Vorteile bestehen in erster Linie darin, dass der Einzelne vor willkürlicher Gewalt seiner Mitbürger geschützt wird.

 

Dieses Gewaltmonopol des Staates kommt zunächst darin zum Ausdruck, dass der Staat Gesetze erlässt, welche den Bürgern ganz bestimmte Handlungen wie Totschlag, Diebstahl, Vergewaltigung etc. untersagt und Übertretungen dieser Gesetze strafrechtlich verfolgt.

 

Zum Gewaltmonopol des Staates zählt vor allem auch das alleinige Recht der staatlichen Behörden, Gesetzesübertretungen zu verfolgen, die Schuld der Täter zu eruieren und entsprechende Strafen zu verhängen. Dieses Recht war nicht von Anbeginn staatlicher Regelungen gegeben.

 

Zunächst einmal herrschte vielerorts eine Lynchjustiz vor, wonach eine aufgebrachte Menge bei Vorliegen einer Straftat (bisweilen auch nur einer vermeintlichen Straftat) sofort die Verfolgung und Bestrafung des vermeintlichen Straftäters vornahm. Wenn also z. B. ein Kind sexuell misshandelt wurde, rotteten sich einige Bürger zusammen und hängten kurzerhand denjenigen, welche sie für den Täter hielten, auf.

 

Es fand keine vorherige Klärung statt, ob dieses aufgegriffene Individuum oder jemand ganz anderes überhaupt die Tat begangen hatte, es wurde auch nicht überprüft, aus welchen Gründen eine Tat begangen wurde und wie groß deshalb die Schuld des Einzelnen gewesen ist. Dem vermeintlichen Täter wurde auch nicht das Recht eingeräumt, sich zu verteidigen oder zur Verteidigung einen rechtskundigen Bürger zu beauftragen.

 

Es leuchtet ohne weiteres ein, dass diese Art von Lynchjustiz höchst unbefriedigend war, dass zahlreiche Unschuldige verurteilt und hingerichtet wurden und dass auch die verhängte Strafe in keinem Verhältnis zur Schwere einer Tat stand. Da im Prinzip bei Gültigkeit einer Lynchjustiz jeder auch Unschuldige dieses Unrecht erleiden kann, liegt also der Vorteil einer alleinigen staatlichen Verfolgung aller Straftaten für jeden aufrichtigen Bürger auf der Hand.

 

Trotzdem war es im historischen Ablauf oftmals sehr schwierig, die rechtsstaatlichen Prinzipien einzuführen und damit die Lynchjustiz zu verhindern. Vor allem zu Beginn, bei Einführung der rechtsstaatlichen Prinzipien, bestand vielerorts ein großes Misstrauen darüber, dass viele Verbrechen ungesühnt bleiben, da eine persönliche Schuld oftmals nicht eindeutig nachgewiesen werden kann und dass deshalb viele Verbrecher ihrer gerechten Strafe entgehen.

 

So ist es zu verstehen, dass es im historischen Ablauf lange Zeit sehr schwierig war, die Lynchjustiz zu verhindern, immer wieder versuchte eine aufgebrachte Menge die vermeintlich Schuldigen ohne vorheriges staatliches Strafverfahren kurzerhand aufzuhängen.

 

Bei der nur sehr langsam erfolgten Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien und damit auch bei der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols im Hinblick auf die Strafverfolgung kam der Verwirklichung des Sühnegedankens eine stärkere Rolle zu als der Sühne eigentlich zukommen sollte. Gehen wir vor allem von den vom Christentum geprägten Wertvorstellungen aus, so sollte eigentlich im Vordergrund der Rechtssprechung die Forderung stehen, dass der Schuldige seine Straftat bereut und zur aktiven Umkehr bereit ist.

 

Natürlich wird auch nach christlicher Überzeugung jede Tat irgendwann einmal gesühnt. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass nur Gott selbst in die Herzen der Menschen schauen kann und dass deshalb nur er in der Lage ist, die wahre Schuld des Einzelnen zu erkennen. Und folgerichtig kommt es dann nach christlicher Überzeugung erst am Ende der Zeiten im Weltgericht zur gerechten Bestrafung der Schuldigen.

 

Schon im Alten Testament spricht Gott ‚mein ist die Rache‘ und dieser Satz ist sicherlich nicht so zu verstehen, dass der Gott der Juden und Christen ein grausamer und rächender Gott ist, sondern dass es Gott vorbehalten bleibt, das endgültige Urteil eines schuldigen Menschen zu sprechen. So hatte Jesus, dem die Pharisäer eine Frau vorführten, welche bei Ehebruch auf frischer Tat ertappt worden war und die entsprechend der von Moses erlassenen Gesetze sofort zu steinigen sei, zu der Ehebrecherin gesagt, geh hin und sündige nicht mehr. Nicht die Bestrafung der Ehebrecherin, sondern die Aufforderung zur Umkehr stand hier im Vordergrund.

 

Aber gerade diese Umkehr wird sehr oft aufgrund der Durchsetzung einer Sühne unmöglich gemacht. Wie will z. B. eine Ehebrecherin, welche auf frischer Tat ertappt wurde und deshalb sofort mit dem Tode bestraft wird, überhaupt umkehren, ihr wird ja bei einer solchen Strafe gar nicht erlaubt, weiter zu leben und tatkräftig umzukehren.

 

Aber auch dann, wenn aus grundsätzlichen, rechtsstaatlichen Überlegungen heraus auf die Todesstrafe verzichtet wird und deshalb nur eine langjährige Zuchthausstrafe verhängt wird, wird zumeist die Umkehr des Schuldigen gerade durch die Art der Bestrafung eher verhindert als begünstigt. Die Gefängnisse eignen sich im Allgemeinen nicht dazu, die Strafgefangenen zur Umkehr anzuleiten.

 

Vor allem durch den Einfluss informeller Gruppen innerhalb der Gefängnisse ist de facto der Strafgefangene starken Zwängen ausgesetzt, welche eher dazuführen, dass das strafbare Verhalten der Gefangenen verstärkt wird. So sind Gefangenenwächter und Polizisten oftmals von der Idee überzeugt, dass derjenige, welcher einmal ein Straftäter geworden ist, auch immer ein Straftäter bleiben wird. Und die Wurzeln dieser Überzeugung liegen eben vor allem in dem Einfluss dieser informellen Gruppen in den Gefängnissen.

 

Trotz dieser Zusammenhänge hält das rechtstaatliche System an der Verwirklichung des Sühnegedankens fest, es wird deshalb auch alles getan, damit möglichst jeder seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Und immer dann, wenn es nicht gelingt, den Schuldigen zu finden und zu bestrafen, wird dies als ein Versagen der Strafverfolgung angesehen. Es wird als das vorrangige Recht der Angehörigen der Opfer angesehen, dass die Schuldigen überführt werden, es wird auf eine gerechte Bestrafung der Schuldigen gepocht.

 

Im Vordergrund des Strafprozesses steht somit die Forderung, den Schuldigen zu überführen und einer gerechten Strafe zuzuführen. Solange es nicht gelungen ist, diese beiden Aufgaben zu erfüllen, wird von einem Versagen der Strafbehörden gesprochen und es besteht in diesen Fällen die Gefahr, dass die Bereitschaft weiter Teile der Bevölkerung, sich aus der Strafverfolgung herauszuhalten, aufgegeben wird, dass Bürgerwehren gegründet werden, welche die Strafverfolgung wiederum wie zu Zeiten der Lynchjustiz selbst in die Hand nehmen. Demgegenüber wird das Anliegen, dem Schuldigen eine Umkehr zu ermöglichen und ihm Anreize zu dieser Umkehr zu geben, hintangestellt.

 

Eine solche Einstellung mag immer in gewissem Maße dann berechtigt sein, wenn es sich um die Bestrafung von Serientätern handelt. Hier muss mit der Gefahr gerechnet werden, dass – solange der Straftäter nicht gefunden und in ein Gefängnis weggesperrt wurde – befürchtet werden muss, dass die sich auf freiem Fuß befindlichen Täter ihre Straftat wiederholen, sodass auch in Zukunft Gefahren für die Bevölkerung bestehen. In diesen Fällen liegt in der Tat in der Gefängnisstrafe ein wirksames Mittel, dass diese Straftaten zumindest während der Zeit, in der der Täter im Gefängnis sitzt, unterbleiben.

 

Aber keinesfalls alle Straftaten zählen zu dieser Kategorie der Serientätern. Bei fast allen Beziehungstaten kann man davon ausgehen, dass es sich um einmalige Handlungen handelt, die aus einer ganz bestimmten Situation heraus überhaupt erst entstanden sind, sodass von diesen Personen in aller Regel keine weitere Gefahr für die Gesellschaft ausgeht und dass deshalb eine Gefängnisstrafe auch nicht mit der Möglichkeit der Wiederholung der Tat gerechtfertigt werden kann.

 

Bei Serientätern hingegen gilt es durch die Art der Bestrafung die Täter abzuschrecken, diese Taten zu wiederholen. Und solange die Straftäter für ihre bisherigen Taten eine Gefängnisstrafe zu verbüßen haben, ist die Gefahr der Wiederholung beseitigt oder zumindest stark eingeschränkt.

 

Es fragt sich allerdings, ob nicht auch bei Serientätern die Gefahr der Wiederholung auf andere Weise bekämpft werden könnte, welche eine bessere Umkehr der Täter ermöglichen würde. Auf der einen Seite muss überprüft werden, ob nicht durch Erziehungsmaßnahmen eine Umkehr ermöglicht wird. Allerdings setzt dies zumeist voraus, dass die Entstehungsgeschichte der Tat, die Gründe, welche zu einem strafbaren Verhalten geführt haben, erkannt werden. Serientäter sind zu einem großen Teil Triebtäter und sehr oft sind diese Triebe so stark, dass keine psychologische Therapie in der Lage sein wird, bei den Tätern eine Umkehr zu bewirken.

 

In Anbetracht dessen, dass die Triebtäter zumeist unter ihrem Trieb selbst leiden, muss auf der anderen Seite auch geprüft werden, ob nicht ein Eingriff in den Hormonhaushalt und eine operative Abstellung dieser Triebe eine Lösung der Probleme in gewissen Fällen herbeiführen könnte.

 

Im Allgemeinen werden solche Eingriffe generell abgelehnt, da sie einen Eingriff in die Persönlichkeit bedeuten und die Erhaltung der Persönlichkeit Teil der im Grundgesetz geschützten Menschenwürde eines jeden Menschen darstellt. Aber kann man wirklich davon ausgehen, dass Triebe, welche so stark sind, dass sie die Betroffenen zu Straftaten nötigen, als Teil der Persönlichkeit gehalten wird, der auf keinen Fall verletzt werden darf?

 

Wäre es nicht gerade ein Gewinn für die Triebtäter, wenn sie – wohlbemerkt nur mit ihrer eigenen Zustimmung – von diesen Trieben befreit würden und gerade deshalb überhaupt erst in die Lage versetzt würden, ein moralisch einwandfreies Leben zu führen?

 

Wir haben oben bereits darauf hingewiesen, dass auch das Gewaltmonopol des Staates nicht verhindern kann, dass bisweilen Gewalt gegen Menschen unberechtigter Weise ausgeübt wird. Zwar kann auf diese Weise weitgehend verhindert werden, dass die Bürger eines Landes zu Unrecht von anderen Bürgern zu gewissen Handlungen gezwungen werden. Wir können jedoch nicht davon ausgehen, dass auf diesem Wege überhaupt keine unberechtigte Gewalt mehr gegen Bürger ausgeübt wird.

 

Es besteht auch immer die Gefahr, dass diejenigen, welche staatliche Gewalt ausüben, diese zu Unrecht anwenden. Und da der Umfang des Unrechtes vor allem auch vom Umfang der Gewalt abhängt, muss sogar befürchtet werden, dass eben aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols der Machtmissbrauch sogar bisweilen zugenommen hat und dass die vom Staat ausgehende Gewalt im Einzelfall ein noch größeres Unrecht darstellt, sofern die staatlichen Vertreter ihre Befugnisse übertreten.

 

Es besteht oder bestand zwar in der Bevölkerung die Überzeugung, dass gerade deshalb, weil die Staatsvertreter im Auftrag der Gemeinschaft handeln und ihnen die Aufgabe gegeben ist, die allgemeine Wohlfahrt zu fördern, die Handlungen des Staates immer als gerechtfertigt angesehen werden.

 

Gerade in nichtdemokratischen Gesellschaften besteht oder bestand die Überzeugung, dass vom Staate immer nur gute und eben nicht schlechte Handlungen ausgehen. So verschlossen sich während der Nazidiktatur viele Bürger der Einsicht, dass gerade vom Staat größtes Unrecht vor allem gegen die Juden verübt wurde, da die Bürger so erzogen wurden, dass das, was der Staat tut, immer als richtig angesehen werden muss und dass es als unvorstellbar angesehen wurde, dass vom Staat Unrecht ausgehen kann. Man handelte nach der Devise, was nicht sein darf, auch nicht sein  kann.

 

Man muss sich jedoch die Frage stellen, warum denn damit zu rechnen sein soll, dass die Staatsvertreter überhaupt nicht oder doch zumindest in bedeutend geringerem Maße als Privatpersonen stets amoralisch handeln werden? Die Staatsdiener sind zunächst einmal Menschen genauso wie alle anderen Privatpersonen. Und genauso wie immer ein gewisser Teil der Privatpersonen nicht bereit ist, die Gesetze einzuhalten, genauso muss damit gerechnet werden, dass es auch unter den Staatsdienern stets ebenfalls Menschen gibt, welche nicht bereit sind, die Gesetze zu beachten.

 

Es gibt sogar – wie wir bereits gezeigt haben – einen guten Grund dafür, dass der Anteil der Staatsdiener, welche gegen Gesetze handeln, mindestens genau so groß ist wie der gleiche Anteil der Privatpersonen. Dies gilt einfach deshalb, weil die Auswahl der Führungskräfte in unserer modernen Gesellschaft danach erfolgt, inwieweit die einzelnen Bewerber über Sachkompetenz verfügen. Gerade weil die Sachkompetenz darüber entscheidet, wer ausgewählt wird, muss nach dem Gesetz der großen Zahl damit gerechnet werden, dass der Anteil amoralisch handelnder Menschen in allen menschlichen Gruppen, sofern sie nur eine bestimmte Mindestgröße übersteigen, in etwa gleichhoch sein wird.

 

Zwar mag es richtig sein, dass man eigentlich von Staatsdienern erwarten sollte, dass sie sich moralisch einwandfrei verhalten. Aber da bei der Auswahl der Führungskräfte eben gerade nicht die zu erwartende Moral der Bewerber den Ausschlag gibt, gibt es keinen Grund dafür, dass unter den Staatsdienern der Anteil der moralisch hochstehenden Bürger größer ist als unter Privatpersonen. In den modernen komplexen Gesellschaftssystemen gilt eben nicht mehr der Spruch: ‚Wem Gott ein Amt gibt, verleiht er auch den Verstand (einschließlich der notwendigen Moral) hierzu‘. Deshalb gibt es gar keine andere Möglichkeit, als in den komplexen Gesellschaftssystemen die Führungskräfte nach der Fachkompetenz auszuwählen.

 

Es gibt sogar gute Gründe dafür, dass der Anteil amoralisch Handelnder bei den Staatsdienern noch größer ausfällt als bei einer beliebigen andern Gruppe. Macht verleidet immer zu Machtmissbrauch. Je größer die Macht im Einzelnen ist, um so größer ist auch die Gefahr des Machtmissbrauches. Aber die Macht des Staates ist eben bei Verwirklichung des staatlichen Gewaltmonopols im Normalfall am größten.

 

Prinzipiell kann man natürlich davon ausgehen, dass die Bereitschaft der Bevölkerung, den Gesetzen des Staates Folge zu leisten, dann größer ist, wenn sich alle, auch die Staatsdiener, an diese Gesetze halten. Zwar wird der Einzelne dann, wenn er aufgrund eines Gesetzes daran gehindert wird, seine Wohlfahrt zu steigern, eben durch den Zwang, die Gesetze einzuhalten, in seiner Wohlfahrt zunächst beeinträchtigt. Wenn er aber davon ausgehen kann, dass alle Anderen ebenfalls an diese Gesetze gebunden sind, dann werden gerade dadurch, dass die Anderen sich ebenfalls an die Gesetze halten, sonst zu befürchtende Wohlfahrtsverluste vermieden. Per saldo gewinnt also der Einzelne, wenn Gesetze allgemein eingehalten werden.

 

Wenn sich also die Bevölkerung mehrheitlich an die Gesetze hält, können auch die Politiker ihre Ziele besser erreichen. Sie haben also ein Interesse daran, die Gesetze ebenfalls einzuhalten. Allerdings ist in diesem Zusammenhang weniger die Frage von Bedeutung, ob die Politiker tatsächlich die Gesetze einhalten als vielmehr die andere Frage, ob die Bevölkerung der Meinung ist, dass die Politiker die Gesetze einhalten.

 

Wenn es nun einem Politiker gelingt, seine eigenen Übertretungen der Gesetze vor der Bevölkerung geheim zuhalten, dann stellt sich der Politiker besser, wenn er stets seine Interessen durchsetzt, auch dann, wenn hierbei Gesetzesübertretungen notwendig werden. Dieses Übertreten der Gesetze belastet ja nun die Politiker nicht, da die Bevölkerung annahmegemäß gar nichts von diesen Übertretungen erfährt. Und nur in dem Falle, dass das Verhalten der Politiker der Bevölkerung stets bekannt ist, würde sich der Politiker besser stellen, wenn er sich an die Gesetze hält.

 

Nun hängt die Möglichkeit, Gesetzesübertretungen zu verbergen, selbst wiederum von der Machtfülle der potentiellen Straftäter ab. Gerade weil das staatliche Gewaltmonopol den Politikern die Möglichkeit gibt, ihre Straftaten zu verschleiern, besteht die Möglichkeit, Straftaten der Politiker vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Bezeichnender Weise tadeln die jeweils unbeteiligten Politiker den Übertreter in aller Regel nicht etwa deshalb, weil er die Gesetze übertreten hat, sondern vor allem deshalb, weil es ihm nicht gelang, die Gesetzesübertretungen geheim zu halten.

 

Aber selbst dann, wenn die von den Politikern verübten Gesetzesübertretungen nicht geheim gehalten werden können, kann es immer noch für die Politiker im eigenen Interesse liegen, Gesetze zu übertreten, dann nämlich, wenn ihre Macht aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols so groß ist, dass sie die Bevölkerung gegen ihren Willen zur Einhaltung der Gesetze zwingen können.

 

Generell haben wir davon auszugehen, dass der bloße Umstand, dass jemand über Macht verfügt, ihn dazu verleitet, diese Macht zu verteidigen und nach Möglichkeit auszubauen. Macht bedeutet ja nicht unbedingt, dass die Ausübung der Macht unbestritten ist, im Allgemeinen müssen gerade die Mächtigen bangen, dass ihnen ihre Macht streitig gemacht wird, dass permanent Bestrebungen bestehen, diese Macht notfalls in einer Revolution zu brechen.

 

Also wird es stets notwendig sein, die Macht zu erhalten und der beste Schutz vor einer Machteinbuße besteht natürlich darin, die Macht zu vergrößern. Also wird man bei den Mächtigen das Ziel vorfinden, ihre Machtbasis zu maximieren. Und dieses Bestreben wird mit zunehmender Machtfülle keinesfalls geringer, da ja gerade mit dem Anwachsen der Macht gleichzeitig die Zahl der Neider und der Umfang ihrer Anstrengungen, den Mächtigen zu stürzen, ebenfalls ansteigt.

 

Wer jedoch über Macht verfügt, ist versucht, diese Macht auch gesetzeswidrig auszuüben. Wer nur über geringfügige Macht verfügt, läuft stets Gefahr, für Gesetzesübertretungen bestraft zu werden. Diese Gefahr wird um so geringer, je größer die Machtfülle der Politiker ausfällt. So werden sich die Politiker stets darum bemühen, ihre Macht zu erhalten und nach Möglichkeit sogar auszubauen und gerade dadurch wächst auch die Gefahr des Machtmissbrauches.

 

Aus dem Umstand, dass es mehrere Gesellschaftssysteme gibt, denen unterschiedliche Aufgaben zugewiesen sind, was zur Folge hat, dass es zur Lösung der realen Probleme zumeist mehrerer Gesellschaftssysteme bedarf, ergibt sich nun gleichzeitig auch eine gewisse natürliche Begrenzung der Macht in den einzelnen Gesellschaftssystemen. Aber gerade deshalb finden wir in der Geschichte auch immer wiederum Versuche, einem dieser Systeme auch die Macht über die jeweils anderen Systeme zu übertragen.

 

So haben z. B. im Mittelalter sowohl die Kaiser wie auch die Päpste immer wieder den Versuch unternommen, eine Art Oberherrschaft zu erlangen, in dem also der Kaiser dem Papst untergeben war oder aber der Kaiser auch die religiösen Fragen zu entscheiden versuchte. Auch starke Konzerne sind oftmals bemüht, nicht nur auf den Märkten gegenüber ihren Kunden Macht auszuüben, sondern gleichzeitig auch Einfluss auf die politischen Entscheidungen zu nehmen.

 

Allerdings werden wir feststellen, dass in aller Regel dann, wenn die Machtkontrolle innerhalb eines Gesellschaftssystems funktioniert, gleichzeitig auch diese übergreifenden Machtbemühungen unterbunden werden können.

 

 

Fortsetzung!