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Soziale Marktwirtschaft auf dem Prüfstand

 

 

Gliederung:

 

1. Einführung

 

2. Falsche Problemstellung:

    2.1 soziale versus wirtschaftliche Ziele

    2.2 Gesinnungsethik versus Verantwortungsethik

    2.3 Gebote versus Verbote

    2.4 Nivellierung versus Maximin-Prinzip

    2.5 Kollektivismus versus Individualismus

   

3. Erneuerung

    3.1 effektive Wettbewerbskontrolle

    3.2 Kapitalgesellschaft und Haftung

    3.3 Internalisierung der externen Kosten

    3.4 negative Einkommensteuer anstelle Sozialhilfe

    3.5 Bildung eines sekundären Arbeitsmarktes

    

 

3. Erneuerung

3.1 effektive Wettbewerbskontrolle

 

Die ursprüngliche Forderung Euckens im Hinblick auf eine effektive Wettbewerbskontrolle bestand darin, dass er ein generelles Verbot von Kartellen und Fusionen forderte. Gegenüber dem Altliberalismus bestand der wichtigste Unterschied zum Altliberalismus darin, dass Walter Eucken die stillschweigende Annahme des Altliberalismus, der Wettbewerb erhalte sich von selbst, für falsch hielt.

 

Walter Eucken ging vielmehr von der Überzeugung aus, dass die Unternehmer stets ein Interesse an einer Verhinderung des Wettbewerbs haben, da dieser den Handlungsspielraum der Unternehmer einenge. Im Grunde kommt der Erhaltung des Wettbewerbs bei Walter Eucken eine ähnliche essentielle Bedeutung zu, wie der Forderung nach Gewaltenteilung in der repräsentativen Demokratie. In beiden Fällen soll Machtmissbrauch dadurch verhindert werden, dass zu starke Machtzusammenballungen unterbunden werden.

 

Hierbei kommt es weniger darauf an, dieses Ziel absolut zu erreichen, sondern es geht darum, möglichst nahe an dieses Ziel zu gelangen. Nehmen wir als Beispiel eine Gipfeleroberung. Man will den Gipfel eines Bergriesen erklimmen, aber obwohl Viele dieses Ziel haben, erreichen nur ganz wenige den Gipfel. Aber auch diejenigen, welche dieses Ziel nicht hundertprozentig errungen haben, kehren mit Genuss und Zufriedenheit zurück, da sie die Landschaft unter ihnen genießen konnten und ganz neue Einblicke erhielten. Es kommt hier weniger darauf an, ob man den Gipfel tatsächlich erklommen hat, vielmehr zählt bereits, wie nahe man diesem Ziel gekommen ist.

 

In gleicher Weise kann man die Aufgabe einer Notenbank daran messen, ob sie für die Erreichung des Zieles der Geldwertstabilität alles Mögliche getan hat. Eine Notenbank hat nicht bereits dann unverantwortlich gehandelt, wenn es ihr nicht möglich war, eine absolute Preiskonstanz zu erreichen. Wieweit nämlich dieses Ziel auch erreicht wird, hängt nicht nur von den Anstrengungen der Verantwortlichen ab, sondern vor allem auch von der Ausgangslage.

 

Einem Notenbankchef, dem es gelungen ist, von einer zweistelligen Inflationsrate von 50% zu einer jährlichen Geldentwertung von 8 % zu gelangen, hat sehr viel mehr seiner Aufgabe entsprochen als ein anderer Notenbankchef, der entgegen seiner vorgegebenen Zielsetzung (Geldwertstabilität) mit allen Mitteln versucht, eine Inflationsrate von zwei bis drei Prozent anzusteuern. Hier kann man nicht davon sprechen, dass er die Erfüllung der ihm gesetzten Zielsetzung der Geldwertstabilität angestrebt hat und man muss feststellen, dass er gleichzeitig mit der Zielbegründung, die Beschäftigung zu steigern, Aufgaben an sich gerissen hat, welche in einer Demokratie der Regierung und dem Parlament vorbehalten sind.

 

Darüber hinaus ist auch der technische Fortschritt oftmals wettbewerbsfeindlich. Der technische Fortschritt der Vergangenheit war vor allem kapitalintensiv sowie größenintensiv. Folge hiervon war, dass immer mehr eine kleinere Zahl von Unternehmungen den einheimischen Bedarf befriedigen konnte und deshalb das Vorherrschen von monopolistischen und oligopolistischen Unternehmungen wahrscheinlicher wurde.

 

Deshalb ist es umso wichtiger, jeden Versuch einer Wettbewerbsbeschränkung seitens der Unternehmungen zu unterbinden. Dies gilt erstens aus allokativen Gründen: Nur bei Wettbewerb entsprechen die Preise den Knappheitsrelationen und nur in diesem Falle kann sich das Angebot an den Bedarf der Konsumenten bestmöglich ausrichten.

 

Zweitens gilt dies aber auch aus distributiven Gründen: Nur der Wettbewerb führt zu einer Entlohnung der Produktionsfaktoren entsprechend dem Leistungsprinzip. Aus beiden Gründen hat Walter Eucken einen starken Staat gefordert, da nur so der Wettbewerb erhalten werden kann und er setzte sich deshalb für ein generelles Verbot von Kartellen (Unternehmungsabsprachen) sowie Fusionen (Zusammenschluss mehrere Unternehmer zu einem einheitlichen Konzern) ein.

 

Allerdings gibt es auch in dieser Frage Ausnahmen. Erstens gibt es natürliche Monopole. Ein natürliches Monopol liegt immer dann vor, wenn der Gesamtbedarf einer Bevölkerung von einer einzigen Unternehmung erstellt werden kann und wenn eine Aufteilung der Gesamtproduktion für eine Volkswirtschaft auf mehrere Unternehmungen dazu führen würde, dass die zu erzielenden Preise die entstehenden Kosten nicht mehr decken könnten.

 

Zum Verständnis sei daran erinnert, dass einer Unternehmung fixe und variable Kosten entstehen. Im Gegensatz zu den variablen Kosten zeichnen sich die Fixkosten dadurch aus, dass ihre Höhe von der Ausbringungsmenge unabhängig ist. So werden von der ersten Produktionsmenge an für die Produktion Anlagen wie Maschinen und Gebäude benötigt, welche bei geringer Produktion enorm hohe Stückkosten verursachen, wobei jedoch die fixen Stückkosten mit wachsender Produktion zurückgehen.

 

Die variablen Kosten hingegen steigen in Abhängigkeit der Ausbringungsmenge stetig an. Da es in aller Regel eine optimale Kombination der einzelnen Produktionsfaktoren gibt, ist sogar damit zu rechnen, dass von einer bestimmten kritischen Ausbringungsmenge an die variablen Stückkosten überproportional ansteigen.

 

Der Anteil der Fixkosten an den gesamten Produktionskosten hängt selbst wiederum von der Art der angewandten Technologie ab. Ein großer Teil des in der Vergangenheit angewandten technischen Fortschrittes war arbeitssparend und dies bedeutet, dass die Kapitalintensität und mit ihr auch der Anteil der Fixkosten in der Vergangenheit stark angestiegen ist.

 

Allerdings gilt auch, dass es nicht in der Natur des technischen Fortschrittes liegt, ob technische Erneuerungen arbeits- oder kapitalsparend sind. Stets gibt es Erfindungen auf beiden Gebieten und für welche Technologie sich die Unternehmer entscheiden, hängt wesentlich vom Verhältnis des Lohnsatzes zum Zinssatz ab, je niedriger die Zinskosten im Verhältnis zu den Arbeitskosten sind, um so mehr lohnt es sich für die Unternehmungen, kapitalintensive und damit auch größenintensive Investitionen durchzuführen.

 

Diese Zusammenhänge bedeuten nun, dass bei hohem Fixkostenanteil die Stückkosten bei geringer Produktionsmenge enorm hoch sind und dass in diesem Falle eine Produktion nur dann nicht zu Verlusten führt, wenn eine bestimmte Mindestgütermenge überschritten wird. Und in diesem Falle ist es denkbar, dass diese Mindestmenge so hoch ist, dass eine Unternehmung nur dann überhaupt mit Gewinn produzieren kann, wenn der Gesamtbedarf einer Bevölkerung von einer einzigen Unternehmung abgedeckt wird, dass also bereits dann, wenn zwei oder mehr Unternehmungen sich in den Gesamtabsatz teilen müssten, die aktuelle Produktionsmenge bei allen Unternehmungen unter dieser kostendeckenden Gütemenge liegen würde. Hier sprechen wir von einem natürlichen Monopol.

 

Ob ein natürliches Monopol vorliegt, hängt allerdings wesentlich davon ab, wieweit Außenhandel betrieben wird. Wäre ein Land autark und würde es also überhaupt keinen Handel mit ausländischen Volkswirtschaften betreiben, müsste die Frage, ob ein natürliches Monopol vorliegt, allein am Gesamtbedarf der inländischen Bevölkerung gemessen werden.

 

Hier können jedoch die Grenzen zum natürlichen Monopol über einen internationalen Handel ausgeweitet werden. Selbst dann, wenn in einer Volkswirtschaft lediglich eine Unternehmung ein bestimmtes Gut anbieten würde und insofern in dieser Volkswirtschaft formal gesehen ein Angebotsmonopol vorliegen würde, bestünde unter Umständen über den internationalen Handel doch ein effektiver Wettbewerb zwischen den einzelnen Unternehmungen statt.

 

Insofern trägt eine Globalisierung wesentlich dazu bei, die Chancen für einen effektiven Wettbewerb entscheidend zu vergrößern. Es ist kaum denkbar, dass der Gesamtbedarf der Welt nach einem bestimmten Gut so gering ist, dass die Produktion von einer einzigen Unternehmung erstellt werden kann. Globalisierung führt also nicht wie in der Öffentlichkeit immer wieder behauptet wird, dazu, die Machtposition der einzelnen Unternehmungen zu vergrößern, sie ist vielmehr die Voraussetzung dafür, dass trotz eines größenintensiven technischen Fortschrittes der Monopolisierungsgrad nicht immer wachsen muss.

 

Friedrich von Hayek hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass diese positiven Wettbewerbseffekte bereits dann zu erwarten sind, wenn inländische Monopole trotz Außenhandel zunächst keiner Konkurrenz im Ausland begegnen. Denn schon allein die Möglichkeit, dass im Ausland konkurrierende Unternehmungen entstehen können, kann verhindern, dass ein inländischer Konzern seine Monopolmacht ausspielt.

 

Denn, wenn er seine Monopolstellung im Inland dadurch ausnutzen wollte, dass er die Güter verknappt und damit den Güterpreis in die Höhe treibt, würde dieser Versuch sehr schnell ins Leere laufen, weil gerade nun ausländische Unternehmungen gute Chancen hätten, in diese Lücke zu springen und diese Waren zu niedrigeren Preisen den inländischen Konsumenten anzubieten. Die tatsächliche Marktmacht hängt somit weniger vom tatsächlich bestehenden Wettbewerbsgrad ab, sondern von der Frage, inwieweit eine potentielle Konkurrenz besteht. Und hierzu bedarf es in erster Linie der Sicherung eines Freihandels.

 

Die Gefahr eines natürlichen Monopols ist also in Wirklichkeit gering und sie wird um so geringer, je mehr sich der internationale Handel weltweit ausweitet.

 

Wenden wir uns einer möglichen zweiten Ausnahme, dem Patentschutz zu.  Der Patentschutz ermöglichte unbestritten einen enormen technischen Fortschritt. Nur weil es einen Patentschutz gab, waren Unternehmer, welche eine Innovation durchführen wollten, davor geschützt, dass nach Abschluss der Erkundigungsphase Konkurrenten auftauchen, welche diese Verfahren imitieren, ohne die hohen Entwicklungskosten zu zahlen und welche gerade deshalb die Möglichkeit hatten, durch Preissenkungen die Innovatoren aus dem Markt zu drängen.

 

Der Patentschutz hat nun aber während der geschützten Zeit eine Verminderung des Wettbewerbes zur Folge, man sah darin den notwendigen Kompromiss, der zu billigen sei, da ja die Ausschaltung des Wettbewerbes nur vorübergehend erfolgte. Aber gerade diese Annahme war falsch. Gerade wegen des Patentschutzes und aus anderen Gründen war der technische Wandel in den letzten Jahrzehnten so rasant, dass nach Auslaufen des Patentschutzes die geschützten Güter zumeist bereits durch neue Erfindungen verdrängt worden waren. Dies bedeutet jedoch, dass durch den Patentschutz der Wettbewerb auf Dauer eingeschränkt wurde und damit eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen funktionierenden Markt aufgehoben wurde.

 

Das mit der Einführung des Patentschutzes verfolgte Ziel lässt sich jedoch auch auf andere Weise sicher stellen, und zwar dadurch, dass man für die Patente die Vergabe von Lizenzen vorschreibt. In diesem Falle wird verhindert, dass Imitatoren Verfahren anwenden können, ohne sich an den Entwicklungskosten zu beteiligen, sie haben sich ja über die Lizenzgebühr an den Entwicklungskosten zu beteiligen, trotzdem bleibt der Wettbewerb erhalten.

 

Das derzeitige Patentrecht sieht sogar eine solche Lizenzvergabe vor, falls es das öffentliche Interesse verlange, nur dass offensichtlich die Rechtsprechung in der Aufgabe des Wettbewerbes bisher keine essentielle Gefährdung des marktwirtschaftlichen Systems gesehen hat. Es bedürfte also gar keiner Änderung der Gesetzgebung, es wäre ausreichend, wenn die Rechtsprechung diesem Erfordernis besser als bisher entsprechen würde. Es ist klar, dass der Patentschutz reformiert werden muss, da sonst eines der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass eine Marktwirtschaft ihre Aufgaben realisieren kann, nämlich einen intensiven Wettbewerb zu garantieren, nicht erfüllt ist.

 

Die Forderung auf allen Märkten Zusammenschlüsse der Marktpartner und damit Monopolbildungen zu verhindern, erfährt im Hinblick auf die Arbeitsmärkte eine dritte Ausnahme.

 

In der BRD besteht Tarifautonomie. Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes erlaubt den Arbeitnehmern, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Diese haben das Recht, mit den Arbeitgebern Tarifverhandlungen zu führen. Hierbei wird den - zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern abgeschlossenen - Tarifverträgen ein weit größerer gesetzlicher Schutz gewährt als dies üblicherweise für Verträge gilt, welche zwischen privaten Personen und Verbänden abgeschlossen werden.

 

Für die Tarifverträge gilt vor allem das Unabdingbarkeitsprinzip. Aufgrund dieses Prinzips dürfen bei Gültigkeit des Tarifvertrages keine Zusatzvereinbarungen geschlossen werden, aufgrund derer sich der Arbeitnehmer schlechter stellt als im Tarifvertrag vereinbart, auch dann nicht, wenn diese Vereinbarung mit Zustimmung des Betriebsrates oder des betroffenen Arbeitnehmers erfolgt, vorausgesetzt natürlich, dass der betreffende Arbeitnehmer Mitglied der tarifvertragsabschließenden Gewerkschaft ist.

 

Dieses Unabdingbarkeitsprinzip wird nun von den Gerichten sehr streng ausgelegt. Es wird stillschweigend unterstellt, dass sich ein Arbeitnehmer stets schlechter stellt, wenn effektive Lohnsätze mit dem Arbeitgeber vereinbart werden, welche unterhalb des tariflich gültigen Lohnsatzes liegen. In Wirklichkeit müssen wir jedoch davon ausgehen, dass die Wohlfahrt eines Arbeitnehmers nicht nur von der Lohnhöhe, sondern auch von den übrigen Arbeitsbedingungen abhängt, vor allem auch von der Sicherheit des Arbeitsplatzes. Wenn also ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Sicherheit des Arbeitsplatzes garantiert, dafür aber einen Lohnsatz zahlt, der unterhalb des Tariflohnes liegt, dann wird hierdurch im Allgemeinen das Interesse des Arbeitnehmers nicht verletzt.

 

Die Meinungsbefragungen, welche in der Vergangenheit unter den Arbeitnehmern der BRD durchgeführt wurden, haben durchgehend gezeigt, dass die Masse der Arbeitnehmer das Ziel der Sicherheit des Arbeitsplatzes höher einschätzt als das Ziel der Einkommenssteigerung. Es ist dringend erforderlich, dass die Arbeitsgerichte diese Vorstellungen der Arbeitnehmer zur Kenntnis nehmen und bei der Überprüfung der Unabdingbarkeit das Gesamtinteresse der Arbeitnehmer berücksichtigen, wobei selbstverständlich der Arbeitnehmer selbst zu entscheiden hat, wie sein Gesamtinteresse durch einen Arbeitsvertrag verändert wurde. 

 

Die zurzeit geltende Auslegung der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie räumt vor allem den mit den Gewerkschaften eingeräumten Tarifverträgen eindeutig den Vorrang vor Vereinbarungen zwischen Unternehmungsleitung und Betriebsrat ein. Betriebsräten wird das Recht abgesprochen, mit den Unternehmungen Tarifverträge abzuschließen. Widersprechen sich ein Tarifvertrag und die betrieblichen Vereinbarungen des Betriebsrates mit der Unternehmensleitung, so gilt der Vorrang des Tarifvertrages.

 

Diese Auslegung gefährdet jedoch in nicht notwendiger Weise das Ziel der Vollbeschäftigung. Wie bereits gezeigt, wird von der Masse der Arbeitnehmer das Ziel der Arbeitsplatzsicherheit höher eingeschätzt als das Ziel der Lohnsatzsteigerung. Wenn es einem Betriebsrat gelingt, Garantien für eine Arbeitsplatzsicherheit gegen einen gewissen Abschlag von den tariflichen Löhnen zu erzielen, so liegt diese Änderung in der Regel sowohl im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer als auch der Allgemeinheit.

 

Es ist deshalb dringend notwendig, dass in den Tarifverträgen Öffnungsklauseln vorgesehen werden, welche den Betriebsräten die Möglichkeit einräumen, mit der Unternehmungsleitung Vereinbarungen zu treffen und zur Sicherung der Arbeitsplätze oder anderer vorrangiger Ziele der Belegschaft auch Lohnsätze zu akzeptieren, welche die Tariflöhne unterschreiten. Andererseits sollten die Gerichte bei ihren Entscheidungen weniger auf den formellen Vorrang der Tarifverträge als auf das Interesse der betroffenen Arbeitnehmer sowie der Öffentlichkeit achten.

 

Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes garantiert den Tarifpartnern darüber hinaus das Recht, ihre Forderungen, insbesondere ihre Lohnvorstellungen ggf. mit Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen. Auch dieses Recht geht weit über die Rechte hinaus, die ansonsten privaten vertragsabschließenden Personen und Verbänden zustehen.

 

Diese positive Koalitionsfreiheit widerspricht auf den ersten Blick den allgemeinen Grundsätzen einer Marktwirtschaft. Die Koordination der Einzelinteressen aller wirtschaftenden Personen setzt einen Wettbewerb zwischen den Marktpartnern voraus, sodass im Allgemeinen ein Kartellverbot oder zumindest eine staatliche Überwachung der Aktivitäten von Kartellen vorgesehen ist. Wie bereits gezeigt, ist ein intensiver Wettbewerb aus allokationspolitischen Gründen notwendig, damit auf der einen Seite die Preise den Knappheitsverhältnissen entsprechen und somit eine optimale Aufteilung der knappen Produktionsfaktoren auf die einzelnen Verwendungsarten erfolgt.

 

Auf der anderen Seite trägt der Wettbewerb unter den Anbietern dazu bei, dass die Unternehmungen stets nach Erneuerungen Ausschau halten und damit zu einer Qualitätsverbesserung und einer Kostensenkung beitragen. In verteilungspolitischer Hinsicht trägt der Wettbewerb schließlich dazu bei, dass die Arbeitnehmer nach Leistung entlohnt werden, wobei die Leistung nach dem Beitrag des einzelnen zum Inlandsprodukt gemessen wird.

 

Nun gibt es allerdings durchaus Ausnahmen von dieser Regel. Dass auch der Arbeitsmarkt einer Ausnahmeregelung bedürfe, wird im Allgemeinen damit gerechtfertigt, dass ohne diesen Verfassungsschutz die Arbeitnehmer einem natürlichen Nachfragemonopol auf den Arbeitsmärkten ausgesetzt wären und dass damit die Startchancengleichheit gravierend verletzt wäre.

 

Ein natürliches Nachfragemonopol wurde in der Anfangsphase der Industrialisierung damit begründet, dass wegen fehlender Mobilität ein Arbeitnehmer auf die wenigen Angebote an Arbeitsplätzen in der jeweiligen Wohngemeinde angewiesen war. Oftmals gab es in einer Gemeinde nur eine einzelne Unternehmung und mangels eines ausgebauten Verkehrsnetzes war es für die meisten Arbeitnehmer unzumutbar, in Nachbargemeinden eine Arbeit zu suchen.

 

Heute ist es aufgrund der drastischen Senkung der Verkehrskosten für den Arbeitnehmer möglich, seinen Arbeitsplatz auch in benachbarten Gemeinden zu suchen. Viele Arbeitnehmer legen heutzutage viele KM im eigenen Wagen oder mit dem Motorrad oder mit den öffentlichen Verkehrseinrichtungen zurück, um täglich zur Arbeitsstelle, welche sich in benachbarten Gemeinden befindet, zu fahren.

 

Trotzdem kann man auch heute noch von einer nachfragemonopolartigen Macht sprechen, da die Arbeitgeber vor allem der Großunternehmungen bei der Einstellung von Arbeitskräften über ein Informationsmonopol verfügen. Während ein Arbeitnehmer oftmals nur einmal während seines gesamten Lebens eine neue Arbeitsstelle sucht oder zumindest nur einige wenige mal auf Arbeitsplatzsuche gehen muss, ist die Suche von Arbeitskräften für Großunternehmungen ein Routinegeschäft, aufgrund dessen sich der Arbeitgeber Spezialwissen aneignen und eigene ausgebildete Fachkräfte für Personalangelegenheiten beschäftigen kann. Das Recht der Arbeitnehmer, sich in Gewerkschaften zu organisieren und in Tarifverhandlungen für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, trägt somit auch heute noch dazu bei, auf den Arbeitsmärkten die Startchancengleichheit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern durchzusetzen.

 

Die Tarifautonomie richtet sich zunächst gegen den Staat: Es ist in der BRD nicht Aufgabe des Staates, Lohnpolitik zu betreiben und die Rechte der Tarifpartner zu beschneiden.  Der Staat hat sich darauf zu beschränken, allgemeine Richtlinien für die Tariflohnpolitik zu verabschieden, die notwendig sind, um negative Auswirkungen der Tariflohnpolitik auf die gesamtwirtschaftlichen Ziele zu verhindern. Tarifautonomie bedeutet jedoch zweitens auch, dass Tarifverhandlungen auf Arbeitnehmerseite nur von den Gewerkschaften, aber z. B. nicht von den Betriebsräten, die ja ebenfalls die Interessen der Arbeitnehmer vertreten, geführt werden dürfen.

 

In begrenztem Umfang können jedoch auch die Arbeitsbedingungen in der BRD vom Staat festgesetzt werden. So hatten die Arbeitsminister des Bundes und der Länder schon immer die Möglichkeit, auf Antrag eines der Tarifpartner den zunächst nur für die Gewerkschaftsmitglieder gültigen Tarifvertrag auf die ganze Branche zu übertragen. Weiterhin wurde seit den 90er Jahren zunächst in der Baubranche, später auch in allen Branchen ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt.

 

John Kenneth Galbraith hat nun in seiner Theorie der ‚countervailing powers’ die Auffassung vertreten, dass von den ‚countervailing powers’ eine ähnliche – nämlich Ordnung stiftende – Funktion ausgehe, wie sie allgemein dem Wettbewerb im Rahmen liberaler Theorien zugedacht werde. Vor allem in verteilungspolitischer Hinsicht könne eine Gegenmacht auf der Arbeitnehmerseite die sonst monopolbedingten Lohnverzerrungen abbauen.

 

Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Entstehung eines einseitigen Monopols, z. B. des Nachfragemonopols der Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt, welches entsprechend der von Antoine Augustin Cournot entwickelten Monopoltheorie dazu führt, dass die Löhne und die Nachfrage nach Arbeit im Vergleich zu den Konkurrenzmärkten zu niedrig ausfallen. Diese sowohl allokations- wie auch verteilungspolitisch unerwünschten Wirkungen eines Nachfragemonopols könnten nun nach Galbraith dadurch wiederum behoben werden, dass sich auch die Angebotsseite des Arbeitsmarktes monopolistisch organisiere. Die Löhne könnten nun wiederum auf das Konkurrenzniveau angehoben werden und die Nachfrage nach Arbeit würde dementsprechend auch wiederum der Nachfrage bei Konkurrenz entsprechen, sodass auch die bei einem einfachen Monopol auftretende Verzerrung der Allokation hier vermieden werden kann.

 

Es bleibt allerdings unklar, ob die Bildung eines Monopols der Angebotsseite des Arbeitsmarktes das Pendel nicht wiederum in die andere Richtung ausschlagen lässt, also Löhne erzielt werden, die zu hoch sind und die Knappheit der Arbeitskräfte nicht korrekt widerspiegeln und welche deshalb auch die Produktionslenkung – nun in die andere Richtung – verzerren.

 

Es liegt nahe, zur Klärung dieser Frage die Theorie des bilateralen Monopols heranzuziehen. Die Theorie des bilateralen Monopols wurde zunächst für Gütermärkte entwickelt, aber sehr bald (z. B. von William J.  Fellner) auf den Arbeitsmarkt übertragen. Diese Theorie konnte zwar im Hinblick auf die Frage nach der genauen Höhe des im bilateralen Monopol erzielten Lohnsatzes keine neuen wesentlichen Erkenntnisse bringen. Die Theorie des bilateralen Monopols geht nämlich davon aus, dass die Morphologie dieser Marktform die Verhaltensweisen der Marktpartner nicht eindeutig bestimmt, wie dies ansonsten auf Wettbewerbsmärkten aber auch im Cournot‘schen Monopol der Fall ist, dass also im bilateralen Monopol recht unterschiedliche Verhaltensweisen möglich sind. Die Partner können sich wie auf Wettbewerbsmärkten als Mengenanpasser, weiterhin wie Monopolisten, aber auch als Optionsfixierer verhalten, welche sowohl den Preis wie auch die Menge bestimmen und ihren Partner nur die Option lassen, entweder zu diesen Bedingungen den Vertrag abzuschließen oder vom Vertrag zurückzutreten.

 

Schließlich gibt es aber auch die Strategie der schrittweisen Einigung. Danach einigt man sich in einem ersten Schritt auf die Regelungen, die auch zu Beginn der Verhandlungen bereits unstrittig sind, um sich dann in weiteren Schritten auf Veränderungen zu einigen, welche beiden Partnern Nutzengewinne versprechen. Die Strategie der schrittweisen Einigung endet in dem Punkt, in welchem jede weitere Änderung mindestens einem der Tarifpartner einen Nachteil bringen würde.

 

Der Hinweis, dass von den morphologischen Bedingungen her recht unterschiedliche Verhaltensweisen der Marktpartner möglich sind, führt dann dazu, dass der Lohnsatz zwar nicht über das Durchschnittsprodukt der Arbeit und auch nicht unter das Existenzminimum der Arbeitnehmer fallen kann, dass aber innerhalb dieser Grenzen jede Lohnhöhe je nach Machtverhältnissen der Tarifpartner erreicht werden kann.

 

Es ist allerdings durchaus möglich, dass die Korrektur auf der einen Seite über ihr Ziel hinausschießt und den Gewerkschaften so etwa bei Optionsfixierung seitens der Arbeitnehmerseite so viel Macht bringt, dass den Unternehmungen keine Gewinne verbleiben und diese somit auch nicht in der Lage sind, durch Investitionen Qualitätsverbesserungen und Kostensenkungen herbeizuführen. Auf der anderen Seite ist es aber auch denkbar, dass den Arbeitgeberverbänden so viel Macht verbleibt, um im Sinne einer Optionsfixierung die Löhne auf das Existenzminimum zu drücken. 

 

Diese Erkenntnis führt dann zu der Schlussfolgerung, dass von der Tarifautonomie nur dann eine positive Korrekturfunktion ausgeht, wenn zusätzlich zu der im Grundgesetz verankerten Tarifautonomie durch die Arbeitsgerichte Spielregeln entwickelt werden, welche sicherstellen, dass diese möglichen Fehlfunktionen eines bilateralen Monopols in praxi nach Möglichkeit unterbunden werden. In der Tat haben die obersten Arbeitsgerichte in der Bundesrepublik eine Reihe von Prinzipien entwickelt, welche ein positives Ergebnis der Tarifpraxis ermöglichen sollen.

 

In einem Punkt allerdings brachte die Theorie des bilateralen Monopols eine neue Erkenntnis. Man kann nämlich nachweisen, dass unter gewissen vereinfachenden Bedingungen die Strategie der schrittweisen Einigung genau bei der Arbeitsmenge und damit bei der Allokation endet, die auch unter Wettbewerbsbedingungen erreicht worden wäre. Zu diesen Bedingungen zählt vor allem, dass die Tarifpartner eine Strategie der schrittweisen Anpassung wählen, eine Annahme, welche durchaus realistisch erscheint.

 

Die traditionelle Wohlfahrtstheorie hatte bekanntlich nachgewiesen, dass bei vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten (und bei Fehlen externer Effekte) gerade das gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsoptimum und damit auch Vollbeschäftigung erreicht werde. Dies bedeutet nun gleichzeitig, dass bei Anwendung der Strategie der schrittweisen Einigung zwar Löhne erreicht werden können, die über den Wettbewerbslöhnen liegen, dass aber trotzdem das Ziel der Vollbeschäftigung nicht verletzt wird. Damit glaubte man nachgewiesen zu haben, dass im bilateralen Monopol die allgemeine Regel, dass Abweichungen vom Konkurrenzlohn immer zu Fehlallokationen und damit zu Arbeitslosigkeit führen müssen, außer Kraft gesetzt sei.

 

Eine Festlegung der Mindestlöhne in freien Tarifverhandlungen ist somit einer staatlichen Festlegung der Mindestlöhne in mehrerer Hinsicht überlegen. Als erstes muss bei einer staatlich einheitlichen Regelung immer auf die am wenigsten ertragreiche Branche Rücksicht genommen werden, während bei einer branchenbezogenen Regelung immer von der Ertragslage dieser Branche ausgegangen werden kann. Dies bedeutet, dass eine branchenbezogene Regelung für die gesamte Arbeitnehmerschaft einen höheren Ertrag bringen wird.

 

Zweitens hat eine branchenbezogene Regelung den weiteren Vorteil, dass die Arbeitnehmer vertreten durch die Gewerkschaften an der Festsetzung der Mindestlöhne mitwirken können und deshalb auch im Allgemeinen mit den Verhandlungsergebnissen selbst bei gleicher Höhe eine größere Zufriedenheit aufweisen. Die Arbeitnehmer haben an dieser Regelung selbst teilgenommen und erfahren kein Diktat von oben.

 

Drittens muss berücksichtigt werden, dass die Forderung nach möglichst hohen Löhnen in aller Regel in Konflikt gerät mit dem Ziel einer möglichst hohen Arbeitsplatzsicherheit. Welche Lösung dieses Konfliktes als optimal zu gelten hat, hängt nun von verschiedenen Faktoren ab, von den jeweiligen Absatzmöglichkeiten in einer Branche, von den speziellen Bedürfnissen der Arbeitnehmer. Und da diese Faktoren von Branche zu Branche sehr unterschiedlich sind, kann dieser Konflikt bei einer branchenbezogenen Regelung sehr viel besser gelöst werden.

 

Nun wird oftmals eingewandt, dass eine einheitliche Mindestgrenze für den Lohn deshalb notwendig sei, weil es heutzutage immer mehr Branchen gebe, in denen die Mehrheit der Arbeitgeber keinem Arbeitgeberverband angehören und gleichzeitig auch die meisten Arbeitnehmer sich nicht gewerkschaftlich organisiert haben. Es könnten deshalb auch keine Tarifverhandlungen stattfinden und deshalb müsse eben der Staat einspringen und einen einheitlichen Mindestlohn festlegen.

 

Nun hat Leonhard Miksch, ein Schüler und Mitstreiter Walter Euckens die Forderung erhoben, dass dort, wo aus Gründen eines natürlichen Monopols gar kein Wettbewerb von selbst stattfinde, der Staat eben die Aufgabe habe, einen ‚Wettbewerb als ob‘ zu organisieren.

 

Analog hierzu könnte man auch die Forderung erheben, dass in den Fällen, in denen die Tarifautonomie gar nicht zum Zuge kommt, da Gewerkschaften und Arbeitgeber nicht von selbst zu Tarifverhandlungen bereit sind, der Staat eine Tarifverhandlung zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften eventuell unter Hinzuziehung eines staatlichen Vermittlers erzwingt, wobei dann dieser Tarifabschluss für alle Unternehmungen und Arbeitnehmer dieser Branche bindend wäre. Hier könnte dann in der Tat in jeder Branche ermittelt werden, welche Lohnhöhe maximal zu verkraften wäre, ohne dass die Unternehmungen Verluste erleiden. Und dann, wenn diese Lohnhöhe unterhalb des staatlich festgelegten Existenzminimums liegt, könnte die Differenz zwischen Lohnhöhe und Existenzminimum als staatliche Subvention gewährt werden.

 

 

3.2 Kapitalgesellschaft und Haftung

 

Eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass der Wettbewerb auch dafür sorgt, dass auf der einen Seite die Produktion am Bedarf der privaten Haushalte ausgerichtet wird (das sogenannte Allokationsproblem) und auf der anderen Seite gleichzeitig alle Anbieter von Produktionsfaktoren entsprechend ihrem Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt entlohnt werden (das sogenannte Distributionsproblem), besteht darin, dass die Unternehmer für ihre Entscheidungen haften. Jede Produktionsentscheidung, erst recht jede Investitionsentscheidung, ist mit Risiken verbunden, kann also auch zu Verlusten führen.

 

Das marktwirtschaftliche Prinzip sieht nun vor, dass ein Unternehmer zwar auch den aus einer unternehmerischen Entscheidung entstandenen Gewinn zu einem großen Teil für sich vereinnahmen kann, dass er aber auch die Verluste einer solchen Entscheidung voll zu tragen hat. Nur wenn diese Haftung sichergestellt ist, kann erwartet werden, dass der Markt im Endergebnis seine allokative und distributive Aufgaben erfüllen kann.

 

Haftung bedeutet hierbei, dass der Unternehmer mit seinem gesamten Vermögen für etwaige Verluste aus seinen Entscheidungen haftet. Dieses marktwirtschaftliche Prinzip wurde nun durch die Einführung der Kapitalgesellschaften aufgeweicht.

 

Bei einer Kapitalgesellschaft besteht die Möglichkeit, dass auch Kapitalgeber, welche der Unternehmung nicht leitend angehören, Kapital einbringen. Diese Einführung hat zwei entscheidende Vorteile gebracht. Auf der einen Seite können Unternehmer, welche nicht über ausreichendes Kapital verfügen, Kapital besorgen, für das der Kapitalgeber haftet. Diese zusätzliche Kapitalbeschaffung war aber notwendig, da der technische Fortschritt in der Vergangenheit in immer stärkerem Maße die Kapitalintensität und damit den Bedarf an zusätzlichem Kapitel erhöht hat.

 

Auf der anderen Seite brachten Kapitalgesellschaften aber auch Privatpersonen, welche keine eigene Unternehmung besitzen, die Möglichkeit, sich an Unternehmungen dadurch zu beteiligen, dass sie Kapital in Unternehmungen einbringen. Auch diese Möglichkeit war an und für sich durchaus positiv zu beurteilen, da aufgrund des wirtschaftlichen Wachstums ein immer größerer Teil der privaten Personen über eine Einkommenshöhe verfügte, aufgrund derer beachtliche Teile des Einkommens gespart werden können. Auf diese Weise konnten sich vor allem auch Arbeitnehmer in vermehrter Weise an Unternehmungen beteiligen.

 

Allerdings war sich der Gesetzgeber darüber klar, dass man Arbeitnehmern, deren Einkommen trotz Wachstums in der Vergangenheit immer noch relativ klein war, nicht zumuten konnte, im Verlustfalle mit dem gesamten Einkommen zu haften. Man beschränkte deshalb die Haftung der nicht leitenden Kapitalgeber (der Aktionäre z. B.) jeweils auf die Einlage. So konnte auch ein Arbeitnehmer sicher sein, dass er im Falle eines Verlustes maximal seine Einlage einbüßen müsse, dass er also auch in diesem Falle sein übriges Vermögen und sein laufendes Einkommen für seine höchstpersönlichen Bedürfnisse einsetzen konnte.

 

So sehr diese Beschränkung auch aus der Sicht der Kapitalgeber berechtigt, ja sogar notwendig war, sie war dennoch, in der Art, wie diese Kapitalanlage vom Gesetzgeber ausgestaltet wurde, in hohem Maße dysfunktional. Sie schafft nämlich gleichzeitig die Möglichkeit für jeden Unternehmer, sich aus der Verantwortung für riskante Investitionen herauszustehlen. Und genau dies ist für dass Gelingen einer Marktwirtschaft tödlich.

 

Wir erwähnten bereits, dass nahezu jede Produktions- und vor allem Investitionsentscheidung mit hohen Risiken verbunden ist, welche nicht von Versicherungsgesellschaften übernommen werden können. Diese Risiken müssen also von jemand getragen werden. Es ist gerade der Vorteil einer marktwirtschaftlichen Regelung, dass das Haftungsprinzip dazu beiträgt, dass auf der einen Seite die stets notwendigen Risiken eingegangen werden und auf der anderen Seite aber auch verantwortungsvoll nur diejenigen Investitionen durchgeführt werden, welche einen Ertrag wahrscheinlich werden lassen.

 

Wird dieses Prinzip durchlöchert, steht auch der Erfolg einer marktwirtschaftlichen Regelung in Frage. Es ist deshalb notwendig, diese Regelung dadurch zu korrigieren, dass die auf die Einlage beschränkte Haftung nur bis zu einer bestimmten Vermögenshöhe gilt. Eine solche Regelung würde auch der Tatsache entsprechen, dass Risiken größeren Umfangs nur derjenige eingehen kann, der über eine große Vermögensmasse verfügt.

 

Je größer nämlich das persönliche Vermögen eines Individuums ist, um so mehr kann dieses Vermögen auch gestreut werden. Auch ein Großkapitalgeber hat damit zu rechnen, dass die eine oder andere Investition zu Verlusten führt. Dies führt jedoch im Allgemeinen nicht zu einem realen Zusammenbruch seines gesamten Vermögens, da fast immer andere Investitionsvorhaben besonders ertragreich waren, sodass partielle Verluste bei einzelnen Investitionsvorhaben durchaus verkraftet werden können.

 

   

3.3 Internalisierung der externen Kosten

 

Das Funktionieren einer Marktwirtschaft setzt nicht nur voraus, dass auf allen Märkten ein intensiver Wettbewerb stattfindet. Die Ausrichtung der Produktion am Bedarf der Konsumenten sowie die Sicherstellung, dass die zur Verfügung stehenden knappen materiellen Ressourcen auch so effizient wie möglich eingesetzt werden, verlangt darüber hinaus, dass die Preise der einzelnen Güter und Produktionsfaktoren den jeweiligen Knappheitsverhältnissen entsprechen und dies ist nur dann der Fall, wenn alle bei der Produktion entstehenden Kosten zunächst von den Unternehmungen übernommen werden und wenn deshalb letzten Endes die Konsumenten im Preis der erworbenen Güter ebenfalls alle diese Kosten zu tragen haben.

 

Gerade diese Voraussetzung ist jedoch in der Realität keinesfalls immer gegeben. Wir müssen in der Realität stets zwischen den Kosten unterscheiden, welche der gesamten Volkswirtschaft im Zusammenhang mit der Produktion und dem Konsum von Gütern entstehen und den Kosten, welche die Unternehmungen und damit letzten Endes auch die Konsumenten zu tragen haben.

 

Machen wir uns diesen Zusammenhang an einem Beispiel klar. Bei der Produktion vor allem der industriellen Güter wird durch Verbrennungsprozesse Kohlendioxid und auch andere giftige Stoffe über die Schornsteine in die Luft abgeführt. Diese Stoffe belasten nun die Volks- und Weltwirtschaft in erheblichem Maße dadurch, dass die Ozonschicht der Erde abgebaut wird, dass dadurch die Erderwärmung ansteigt, was selbst wiederum dazu führt dass die Gletscher abschmelzen und dass auf diese Weise der Meeresspiegel ansteigt mit der Folge, dass ganze Landstriche vor allem in Ostasien im Meer versinken. Gleichzeitig führt die Erderwärmung weiterhin dazu, dass Orkane in verstärktem Maße auftreten, vor allem auch in Gegenden, welche bisher fast immer von diesen Verwüstungen verschont geblieben waren.

 

Dass diese durch Verschlechterung der Umweltbedingungen hervorgerufenen Kosten in einer reinen Marktwirtschaft nicht in die Kostenrechnung eingehen, hängt damit zusammen, dass Luft nach wie vor wie ein freies Gut behandelt wird und dass damit zwar für die Volks- und Weltwirtschaft hohe Nutzeneinbußen entstehen, dass diese Kosten jedoch bei der Ausrichtung der Produktion am Bedarf nicht berücksichtigt werden. Und dass die Luft als freies Gut betrachtet wird, hängt selbst wiederum damit zusammen, dass diese öffentlichen Güter niemand gehören und dass deshalb auch niemand beim Einsatz dieser freien Güter ein Entgelt verlangt.

 

Im Normalfall nämlich muss ein Unternehmer, welcher materielle Ressourcen Anderer bei der Produktion einsetzt, den Eigentümer dieser Ressource dafür entschädigen, dass dieser diese Ressource nicht selbst einsetzen kann. Dadurch, dass ein Eigentümer seine materiellen Ressourcen einem Andern zur Verfügung stellt, erleidet er einen Nutzenverlust, den derjenige, dem diese Ressource zur Verfügung gestellt wird, durch ein Entgelt ersetzen muss.

 

Und gerade diese Notwendigkeit bringt es mit sich, dass durch das Prinzip der vollständigen Kostendeckung de facto der Konsument genau die Güter erwerben kann, welche ihm ein Maximum an Nutzen ermöglichen. Bringen wir wiederum ein Beispiel.

 

Ein Konsument stehe vor der Entscheidung, ob er einen bestimmten Teil seines Einkommens für Gut A oder Gut B verwendet. Wenn er diesen Geldbetrag für das Gut A einsetzt, erhält er eine bestimmte Menge dieses Gutes und diese Menge verschafft ihm einen bestimmten Nutzen. Er hätte aber auch diesen Geldbetrag für das andere Gut B verwenden können, auch hier hätte er eine bestimmte Menge dieses Gutes kaufen können und auch hier würde dieses Gut ihm einen bestimmten Nutzen bringen. Er entscheidet sich für die Verwendungsart, welche ihm den höheren Nutzen verursacht.

 

Gehen nun in den Preis der beiden Güter jeweils alle Kosten ein, welche einer Volkswirtschaft im Zusammenhang mit der Produktion dieser beiden Güter entstehen, ist automatisch sichergestellt, dass sich der Konsument nicht nur für die Verwendung entscheidet, welche ihm selbst den höchsten Nutzen bringt, sondern welche auch gleichzeitig der gesamten Volkswirtschaft die höchstmögliche Wohlfahrt sicherstellt.

 

Wenn jedoch ein Teil der bei der Produktion der Volkswirtschaft entstehenden Kosten gar nicht in den Verkaufspreis der beiden Güter eingeht, ist auch nicht mehr sichergestellt, dass sich der Konsument für das Gut entscheidet, das aus der Sicht der Volkswirtschaft den höchsten Nutzen bringen könnte. In diesem Falle müssen wir nämlich mit der Möglichkeit rechnen, dass aus der Sicht des einzelnen Konsumenten die kostengünstigere Verwendung nur deshalb dem Konsumenten als kostengünstiger erscheint, da er im Kaufpreis nicht alle Kosten mittragen muss. In diesem Falle führt also der freie Markt nicht zu der Aufteilung der Ressourcen, welche der Gesamtheit der Konsumenten den höchstmöglichen Nutzen bringt.

 

Die Vertreter der sogenannten property Rights Bewegung, vor allem Alchian, Coase, Demsetz, North und Williamson haben nun richtig erkannt, dass das Anwachsen der Umweltverschmutzung darauf zurückzuführen ist, dass öffentliche Güter wie Luft und Wasser wie freie Güter behandelt werden, obwohl ihre Verwendung den Volkswirtschaften großen Schaden zufügen kann.

 

Bereits Pigou hatte Anfang des 20. Jahrhunderts zwar bereits aufgezeigt, welche Beeinträchtigungen die Marktwirtschaften durch die Existenz externer Kosten (also Kosten, welche der Gesamtwirtschaft entstehen, aber nicht von den Produzenten und Konsumenten getragen werden), erfahren haben und dass nur dann die Produktion am Bedarf befriedigend ausgerichtet wird, wenn es gelingt, diese externen Kosten zu internalisieren. Sein Vorschlag, eine Umweltsteuer im Umfang dieser externen Kosten einzuführen, brachte jedoch keine Lösung, da ja gerade wegen des Fehlens eines Marktes für die freien Güter auch der genaue Umfang der jeweiligen externen Kosten unbekannt ist.

 

Hier brachte die property Rights- Bewegung den entscheidenden Durchbruch. Wenn der Staat Verschmutzungsrechte an diesen, bisher freien Gütern einführt, entstehen bei den Unternehmungen starke Anreize, umweltschonende Techniken zu entwickeln, da sie ja nun bei Einführung umweltschonender Technologien einen Teil der ihnen zur Verfügung gestellten Verschmutzungsrechte gewinnbringend verkaufen können.

 

Der Einwand der Gegner, dass auf diese Weise die Verschmutzung nicht verringert werde, da ja nun einfach aufgrund der verbesserten Technik mehr Umwelt verschmutzende Güter produziert werden könnten, ist nicht berechtigt. Natürlich ist der Verkauf der Umweltrechte nur der erste notwendige, aber nicht ausreichende Schritt zur Verringerung der Umweltverschmutzung. Durch die Schaffung von Verschmutzungsrechten werden zunächst nur die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass umweltfreundliche Technologien vermehrt entwickelt werden können.

 

Diese Technologien ermöglichen aber die Reduzierung der Umweltverschmutzung, ohne dass das Ziel der Vollbeschäftigung und einer stetigen Wohlstandssteigerung verletzt wird. Damit aber diese neuen Technologien nicht einfach dafür eingesetzt werden, mehr zu produzieren, sondern die gleiche Produktionsmenge bei Verminderung der Umweltbelastung zu erstellen, ist es in einem zweiten Schritt unerlässlich, dass der Staat Umweltrechte in dem Umfang zurückkauft, in dem das Vollbeschäftigungsziel hierdurch nicht verletzt wird.

 

 

3.4 negative Einkommensteuer anstelle Sozialhilfe

 

Eine dritte Weiterentwicklung liberaler Ideen erfolgte durch den Vorschlag Milton Friedmans der Einführung einer negativen Einkommenssteuer. Danach sollen alle Individuen, welche ein geringeres Einkommen als das vom Staat festgesetzte Mindesteinkommen in der Privatwirtschaft erwerben, automatisch ein Transfereinkommen - sozusagen eine negative Steuer - erhalten, das so bemessen ist, dass die Summe aus privatwirtschaftliches Einkommen und Transfereinkommen gerade diesem Mindesteinkommen entspricht.

 

Diese Lösung hätte gegenüber der heutigen Gewährung von Sozialhilfe folgende Vorteile: Die auch heute noch de facto vorhandene Diffamierung der Arbeitslosen, würde um ein Weiteres verringert. Der bisherige Versuch, die Diffamierung der Fürsorgeempfänger dadurch abzubauen, dass man heute nicht mehr wie früher von Fürsorge, sondern von Sozialhilfe spricht, auf welche der Notleidende weiterhin einen rechtlichen Anspruch hat, hatte die Diffamierung dieses Bevölkerungskreises vielleicht etwas gemildert, aber keinesfalls beseitigt. Nach wie vor muss der Antragssteller seine Vermögensverhältnisse offen legen, nach wie vor gehört er zu der Gruppe, die einer ‚Stütze‘ bedürfen und  weiterhin wird er anders als die sonstigen Arbeitenden behandelt.

 

Bei der von Friedman vorgeschlagenen Lösung ist – wenn überhaupt – für jeden Bürger eine Einkommenserklärung abzugeben, in welcher die Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen gelegt werden müssen, insofern bestehen in der Abgabe dieser Erklärung keine diffamierenden Unterschiede mehr zwischen Reich und Arm. Wenn weiterhin alle Arbeitgeber gezwungen werden, dem Finanzamt die Auszahlung aller privaten Erwerbseinkommen lückenlos zu melden, wäre es sogar möglich, den Arbeitnehmern die Abgabe einer Steurerklärung zu ersparen. Eine solche Lösung würde auch dem Staat Kosten ersparen, da nun nicht mehr wie bisher zwei getrennte Behörden, die Finanzverwaltung sowie die Einrichtungen der Sozialhilfe, notwendig wären.

 

Gleichzeitig könnte auch mehr Gerechtigkeit bei der Umverteilung zugunsten der Armen erreicht werden. Bisher gibt es die unterschiedlichsten Subventionsanlässe mit der Folge, dass sich aufgrund unterschiedlichster Ausgangsituationen die Gesamtsumme der gewährten Subventionen auch bei gleichem  Bedarf beachtlich unterscheidet. Diese bereits von Walter Eucken kritisierten punktuellen Eingriffe könnten vermieden werden und es könnte die Gesamthöhe der Subvention allein am Bedarf derjenigen ausgerichtet werden, welche es nicht aus eigenen Kräften schaffen, ein Einkommen zu erwirtschaften, welches ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.

 

Diese Lösung hätte auch den Vorteil, dass auch in das auszuzahlende Transfereinkommen weitere sozialpolitische Maßnahmen wie z. B. Mietzuschüsse einbezogen werden könnten, sodass alle aus sozialpolitischen Gründen erwünschten Marktkorrekturen auf diese Weise zusammen mit der negativen Einkommenssteuer durchgeführt werden könnten, ohne dass es jedoch hierzu direkter Markteingriffe bedürfte.

 

In diesem Falle wäre es auch unwahrscheinlicher, dass die Unternehmer den Finanzämtern einen zu geringen Betrag an ausgezahlten Lohneinkommen angeben, um auf diese Weise die eigenen Steuern zu hinterziehen. Die gewährte Lohnsumme entscheidet ja darüber, welcher Teil der Erlöse einen Gewinn darstellt. Die zu besteuernde Gewinnsumme wird somit um so geringer, je weniger die Lohnsummen nach unten korrigiert werden.

 

Natürlich ist auch in diesem Falle mit vereinzeltem Steuerbetrug zu rechnen, in dem nun die Unternehmer die dem Finanzamt mitgeteilte Lohnsumme nach oben korrigieren und damit die zu versteuernde Gewinnsumme reduzieren. In diesem Falle ist jedoch damit zu rechnen, dass die betroffenen Arbeitnehmer gegen die Festsetzung der zu hohen Lohnsteuer Widerspruch einlegen und das Finanzamt hat dann die Möglichkeit, die falschen Angaben der Arbeitgeber zu überprüfen.

 

In der augenblicklichen Diskussion wird nur am Rande die Abschaffung der Abgeltungssteuer gefordert, obwohl diese Korrektur die bisher gültigen steuerrechtlichen Grundsätze in massiver Weise verletzt hat. Bisher war der jeweils erhobene Steuersatz gleich hoch, unabhängig davon, ob das Einkommen aufgrund des Einsatzes von Arbeit oder Kapital entstanden war. Weiterhin wurden bis zu diesem Zeitpunkt auch prinzipiell Arbeits- wie Kapitaleinkommen gleicher Höhe mit dem gleichen Progressionssatz besteuert.

 

Diese beiden grundlegenden Prinzipien der Einkommensbesteuerung wurden mit der Einführung der Abgeltungssteuer aufgehoben. Für einen Großteil der Kapitaleinkommen wird heutzutage ein geringerer Steuersatz erhoben als für gleichhohe Arbeitseinkommen. Weiterhin unterliegt nun ein Großteil der Kapitaleinkommen im Gegensatz zu den Arbeitseinkommen nicht mehr der Progression.

 

Die Einführung der Abgeltungssteuer hat in der Tat zu einer enormen Verletzung des Gerechtigkeitsprinzips geführt. Gerechtfertigt wurde diese Einführung der Abgeltungssteuer damit, dass nur auf diese Weise verhindert werden könnte, dass das Kapital vorwiegend in die Länder fließt, welche die Kapitaleinkommen in geringerem Maße besteuern.

 

Ich habe an anderer Stelle (‚Mehr Gerechtigkeit durch Nivellierung‘, siehe Archiv) aufgezeigt, dass diese allokationspolitische Fehllenkung des Kapitals auch auf anderem Wege hätte verringert werden können, ohne die Prinzipien einer gerechten Einkommensbesteuerung in so massiver Weise zu verletzen. Halten wir fest: Eine Abschaffung der Abgeltungssteuer würde in der Tat zu mehr Gerechtigkeit führen. Allerdings können wir nur dann von einer befriedigenden Lösung sprechen, wenn trotz der Abschaffung der Abgeltungssteuer verhindert werden kann, dass eine Kapitalflucht in großem Umfang stattfindet.

 

 

3.5 Bildung eines sekundären Arbeitsmarktes

 

Wenden wir uns einer weiteren Ergänzung liberaler Ideen zu, dem Vorschlag, ganz generell in allen Gemeinden einen sekundären Arbeitsmarkt einzuführen. Nach diesen Vorstellungen, welche bereits ansatzweise in einzelnen Gemeinden – vor allem in der Schweiz und in Schweden – realisiert wurden, sollen Arbeitnehmer, welche auf dem primären Arbeitsmarkt entlassen werden, automatisch im sekundären Markt beschäftigt werden. Arbeitgeber dieses sekundären Marktes sind die Gemeinden und andere gemeinnützige Institutionen. Die im sekundären Markt agierenden Betriebe produzieren Waren und Dienstleistungen, aber gerade deshalb, weil sie nicht im normalen Arbeitsmarkt produzieren und nicht dem Wettbewerb ausgesetzt sind, erfolgt diese Produktion zumeist nicht kostendeckend, denn wenn eine kostendeckende Produktion möglich wäre, könnte sie ja im primären Markt erfolgen und es bedürfte keines zusätzlichen sekundären Marktes.

 

Diese Produktionsstätten bedürfen also staatlicher Unterstützung, welche aber nur einen Teil der Produktionskosten abdecken muss, da ja auch die Produkte der im sekundären Markt erzeugten Güter verkauft werden und deshalb einen Erlös bringen. Der Staat ist auch in der Lage, diese Subventionen aufzubringen, da ja in gleichem Zuge, in dem ein sekundärer Markt aufgebaut wird, die Zahl der Arbeitslosen stark zurückgeht und infolgedessen die bisher an die Arbeitslosen gezahlten Gelder an die Betriebe im sekundären Markt gezahlt werden können.

 

Diese Lösung ist der augenblicklichen Situation mehrfach überlegen. Die Arbeitnehmer, welche im primären Bereich ihre Arbeit verlieren, finden erstens trotzdem sofort eine neue Arbeitsstelle und erhalten deshalb nicht nur ein Entgelt, sondern auch eine Beschäftigung. Zweitens ist diese Lösung für die gesamte Volkswirtschaft gewinnbringend, da die Produktion insgesamt gesteigert werden kann, zu der Produktion im primären Markt kommt nun die Produktion im sekundären Markt, die Kosten dieser Lösung sind aber geringer als bei dem traditionellen Weg der Arbeitslosenversicherung.

 

Der Versuch, die Massenarbeitslosigkeit über ein Defizit im Staatshaushalt maßgeblich zu verringern, ist wie an anderer Stelle gezeigt gescheitert, die Massenarbeitslosigkeit ist gegenüber den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht entscheidend verringert worden. Schließlich könnten Entlassungen, welche wegen Rückgangs in der Nachfrage im primären Markt notwendig werden, konsequenter durchgesetzt werden, ohne dass hierdurch das sozialpolitische Ziel der Vollbeschäftigung verletzt würde.

 

Allerdings kann dieses Modell nur funktionieren, wenn sichergestellt ist, dass die im primären Sektor entlassenen Arbeitnehmer bald möglichst wiederum im primären Sektor eine Anstellung finden. Nur der primäre Markt kann die für das Funktionieren dieses Systems notwendige Steuersumme aufbringen.

 

Damit aber die Beschäftigung im sekundären Bereich nur vorübergehend stattfindet, muss sichergestellt werden, dass die Arbeitnehmer von sich aus bereit sind, den Job im sekundären Bereich baldmöglichst gegen einen Job im primären Markt zu tauschen und dies gelingt nur dann, wenn die Lohnsätze sowie die sonstigen Arbeitsbedingungen etwas schlechter als im primären Markt ausfallen.

 

Es muss weiterhin verhindert werden, dass private Unternehmer in den sekundären Markt eindringen, um auf diese Weise die vom Staat gewährten Subventionen zu kassieren. Denn auch eine solche Entwicklung würde diesem Projekt den Boden entziehen. Nochmals: Ohne die Existenz eines primären Marktes könnten auch nicht die Mittel zur Finanzierung der sozialen Ziele aufgebracht werden.