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Die schönsten Erzählungen der Bibel

 

 

 

Gliederung:

 

  1. Einführung

  2. Schöpfungsbericht

  3. Sündenfall

  4. Kain und Abel

  5. Noah im Rausch

  6. Abraham hadert mit Gott

  7. Isaaks Opferung

  8. Der Segen für Jakob, dem Jüngeren

  9. Josef und seine Brüder

10. Moses vor dem Pharao

11. Ruth die moabitische Frau und Ahnfrau Davids

12. David gegen Goliath

13. David und die Frau des Hethiters

14. Esthers Rettung der Juden

15. Hiobs Leid und Gottvertrauen

16. Die Verleugnung Petrus

17. Der Verrat Judas 

18. Der barmherzige Samariter

19. Die Hochzeit zu Kanaan

20. Die Tempelreinigung

21. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn

22. Jesus und die Ehebrecherin

23. Jesus am Ölberg

24. Der ungläubige Thomas

 

Kapitel 10: Moses vor dem Pharao

 

 

Gliederung:

 

1. Problem

2. Der Text

3. Interpretation

4. Eigenschaften der von Gott Auserwählten

 

 

 

1. Problem

 

In diesem Kapitel erfahren wir, wie Moses vor den Pharao tritt, um diesen zu bewegen, die Israelis aus Ägypten ziehen zu lassen. Wie wohl kein anderer der im Alten Testament beschriebenen Auserwählten kann Moses als der wohl bedeutungsvollste Prophet Gottes gelten. Er hat auf der einen Seite die Israeliten aus dem verhassten Sklavenhaus Ägypten herausgeführt, auf der anderen Seite ist er derjenige, der vom Berg Sinai die Zehn Gebote Gottes auf zwei ehernen Tafeln gebracht hatte und die Bücher Moses sind voll von Anweisungen, wie diese Zehn Gebote zu beachten sind und welche Strafen denjenigen verhängt werden sollen, welche diese Anweisungen missachten. Es wird in diesem Zusammenhang auch vom Mosaischen Gesetz gesprochen, nachdem im Rahmen der jüdischen Gerichtsbarkeit bis zu den Tagen Jesu und auch danach gerichtet wurde.

 

Der Auszug der Israeliten aus Ägypten steht im Mittelpunkt der Bücher Moses. So wird das 2. Buch eben nach diesem Ereignis Exodus genannt. Als Jahwe Moses auf dem Berg Sinai die Zehn Gebote verkündet, beginnt er diesen Dekalog mit den Worten (Exodus Kapitel 20,2):

 

‚Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus‘

 

Aber auch schon beim Beginn des Auszuges aus Ägypten wird auf dieses Ereignis eigens hingewiesen und von Gott verlangt, dieses Ereignis in einem Fest jährlich zu feiern. Im Exodus Kapitel 20 heißt es:

 

1  ‚Der Herr sprach zu Mose:

2  Erkläre alle Erstgeburt als mir geheiligt! Alles, was bei den Israeliten den Mutterschoß durchbricht, bei Mensch und Vieh, gehört mir.

3  Mose sagte zum Volk: Denkt an diesen Tag, an dem ihr aus Ägypten, dem Sklavenhaus, fortgezogen seid; denn mit starker Hand hat euch der Herr von dort herausgeführt. Nichts Gesäuertes soll man essen.

4  Heute im Monat Abib seid ihr weggezogen.

5  Wenn dich der Herr in das Land der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Hiwiter und Jebusiter geführt hat – er hat deinen Vätern mit einem Eid zugesichert, dir das Land zu geben, wo Milch und Honig fließen –, begeh die Feier in diesem Monat!‘

 

Das Pessach – eines der wichtigsten Jüdischen Festtage – wird in Israel am 21. Nisan (im März/April unserer Zeitrechnung also) gefeiert. Es ist ein Familienfest mit verschiedenen Riten wie vor allem dem einwöchigen Verzehr von Matzen. Deshalb wird dieses Fest auch „Fest der ungesäuerten Brote“ genannt. Lange Zeit gehörte im alten Israel nach der Errichtung des zweiten Tempels der Pessach zu den Festen, an denen die Juden zum Tempelberg in Jerusalem gepilgert sind.

 

Auch wird in den Büchern des Alten Testamentes – vor allem im Deuteronomium – wiederholt an dieses Ereignis erinnert.

 

Die Zehn Gebote Gottes und die in den Büchern Moses festgehaltenen Bestimmungen stellen das israelitische Gesetzbuch dar, es wird in diesem Zusammenhang auch vom Mosaischen Gesetz gesprochen, nachdem im Rahmen der jüdischen Gerichtsbarkeit bis zu den Tagen Jesu und auch danach Recht gesprochen wurde.

 

Auch von Jesus erfahren wir, dass für ihn die Zehn Gebote Gottes und die auf Moses zurückgeführten Weisungen als wichtigstes Gebot angesehen wird. Auf die Frage, was Jesus für das wichtigste Gebot halte, antwortete er nach Matthäus Kapitel 22:

 

34 ‚Als die Pharisäer hörten, dass Jesus die Sadduzäer zum Schweigen gebracht hatte, kamen sie (bei ihm) zusammen.

35 Einer von ihnen, ein Gesetzeslehrer, wollte ihn auf die Probe stellen und fragte ihn:

36 Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?

37 Er antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.

38 Das ist das wichtigste und erste Gebot.

39 Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

40 An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.‘

 

Mit dem letzten Satz ‚an diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten‘ bringt Jesus zum Ausdruck, dass auch für ihn die Zehn Gebote Gottes das zentrale Gesetz darstellen, dass diese Gesetze, also der ganze Dekalog einschließlich der in den Büchern Moses und der anderen Propheten enthaltenen Vorschriften eine Einheit bilden und in den zwei Geboten der Gottes- und der Nächstenliebe zusammengefasst werden können.

 

Wir hatten in den vorhergehenden Kapiteln bereits gesehen, dass die Heilige Schrift sehr wohl auch die menschlichen Schwächen der Menschen aufzeigt und dass Gott offensichtlich auch bereit war, Menschen, welche gegen ihn sich versündigt hatten, trotzdem als Auserwählt zu betrachten, sofern sie bereit sind, ihre Vergehen zu bereuen und umzukehren.

 

So hatten wir erfahren, dass Jakob, der Stammvater der Israeliten seinem Bruder Esau gegen ein Linsengericht das Erstgeburtsrecht abschwatzte und später durch Täuschung seines Vaters Jakob dazu brachte, den väterlichen Segen, den Jakob ja eigentlich Esau zugedacht hatte, zu erschleichen.

 

Von den Brüdern Josephs erfuhren wir sogar, dass sie geplant hatten, Joseph zu ermorden, nur einfach deshalb, weil Ihr Vater Jakob Joseph ihnen vorzog, dass sie zwar letztendlich von diesem Vorhaben Abstand nahmen, ihn jedoch schließlich an Sklavenhändler verkauft hatten.

 

Später erfahren wir von David, dass ausgerechnet er nicht nur Ehebruch beging, in dem er mit der Frau des Hethiters (eines seiner Offiziere) schlief und dann, als diese Frau von ihm schwanger wurde und es nicht mehr verheimlicht werden konnte, dass das Kind von David war, den Hethiter dadurch ermorden ließ, dass er ihn im Feld an eine Stelle beorderte, von der aus er mit Sicherheit umkommen musste.

 

Auch die hier in diesem Kapitel zur Diskussion stehende Erzählung macht in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Auch Moses war kein Unschuldslamm. So hatte er ja einige Zeit bevor Gott ihn berufen hatte, das Volk Israel aus Ägypten herauszuführen, einen Aufseher des Pharaos getötet, da dieser einen Stammesbruder während der Arbeit geschlagen hatte. Als an einem folgenden Tag Moses den Streit zwischen zwei Hebräer schlichten wollte und als der Zurechtgewiesene ihn beschimpfte und fragte, ob er ihn genauso wie den Ägypter erschlagen wolle, bekam es Moses mit der Angst zu tun und floh aus Ägypten.

 

Aber in einem Punkt unterscheiden sich die für Moses aufgezählten Schwächen von den anderen Vergehen, über die wir in der Heiligen Schrift erfahren haben. Bei den bisher und auch im Zusammenhang mit David andiskutierten Schwächen handelte es sich insbesondere um moralische Vergehen; zur Diskussion stand die Frage, warum denn Gott sehr oft ausgerechnet solche Menschen zu seinen Sprechern erwählt, welche zuvor gegen die Weisungen Gottes verstoßen hatten. Wir hatten also zu klären, warum Gott offensichtlich bei der Auswahl seiner Führer keinesfalls immer denjenigen auswählt, der sich bisher in moralischem Sinne einwandfrei verhalten hatte.

 

Obwohl also nun auch Moses in moralischer Hinsicht vor seiner Berufung Gottes Gebote missachtet hatte, stehen im Mittelpunkt dieser Erzählung nicht so sehr seine Schwächen in moralischer Hinsicht. Gott hat Moses mit Aufgaben betraut, welche besondere Führungseignungen voraussetzen. Er hatte zunächst die Verhandlungen mit dem Pharao zu führen, um diesen zu bewegen, die Israeliten aus Ägypten ziehen zu lassen. Dies wird keine leichte Aufgabe sein, da die Israeliten als spezielle Fachkräfte zur Anfertigung von Ziegeln für das umfangreiche und ehrgeizige Ziel des Pyramidenbaues dringend benötigt werden.

 

Die Tatsache, dass Moses am ägyptischen Königshofe erzogen wurde, die Tochter des vorhergehenden Pharaos hatte ja Moses, der im Schilf ausgesetzt worden war, als Kindesstatt angenommen, Moses und der jetzt regierende Pharao waren also gewissermaßen Brüder und diese Tatsache hatte sicherlich die Verhandlungen mit dem Pharao etwas erleichtert. Beide (der Pharao und Moses) kannten sich also bereits und Moses war sicherlich mit den Gepflogenheiten am königlichen Hofe bestens vertraut.

 

Nachdem der Pharao schließlich zähneknirschend nach Überstehen der zehn von Gott geschickten Plagen die Israeliten ziehen gelassen hatte, wartete eine weitere sehr schwierige Aufgabe auf Moses: Er hatte das israelitische Volk durch die Wüste unter sehr schmerzlichen Bedingungen zum  gelobten Land zu führen und in der mehrere Jahre dauernden Wanderung murrte das Volk wiederholt gegen Moses und bereute, dass es aus Ägypten ausgewandert war, als es immerhin trotz harter Arbeit stets genügend zu essen hatte. Eine solche Führungsaufgabe erfordert wiederum besondere Führungsqualitäten, Überzeugungskraft, wenn die Israeliten wieder umkehren wollten und auch eine sicherlich etwas brutale Durchsetzungskraft, um die verzweifelten Israeliten zum Ausharren zu bewegen.

 

Und gerade im Hinblick auf diese geforderten Führungsqualitäten wies Moses gravierende Schwächen auf. Auf der einen Seite konnte er nicht flüssig sprechen, sondern stotterte von früher Kindheit an (er hatte einmal bei einem gewagten Abenteuer seine Zunge verbrannt) und diese Eigenschaft behinderte ihn sowohl im Hinblick auf die notwendigen Verhandlungen mit dem Pharao wie auch in dem Bemühen, durch zündende Ansprachen das murrende Volk bei der Stange zu halten.

 

Später erfahren wir von einer weiteren Schwäche des Moses. Die Bibel schildert uns Moses als Choleriker, der sehr leicht in Zorn geraten konnte und seine Beherrschung verlor, sicherlich eine Schwäche, welche seine Führungsaufgaben äußerst erschwerte. So geriet Moses in Zorn z. B. als er vom Berge Sinai mit den beiden Gesetzestafeln herunterkam und feststellen musste, dass das israelitische Volk in seiner Abwesenheit aus Schmuckstücken ein goldenes Kalb geschmolzen hatte und dieses Kalb als Gottheit anbetete. Er verlor hier seine Beherrschung und zerschmetterte aus Wut die beiden ehernen Tafeln, auf denen nach dem Bericht der Heiligen Schrift Gott selbst die zehn Gebote eingeritzt hatte.

 

Die erstgenannte Schwäche, das Stottern, wurde dann dadurch umgangen, dass Gott Moses seinen Bruder Aaron beiseite stellte, der als besonders redegewandt gegolten hatte. Es fragt sich jedoch, warum Gott dann nicht den redegewandten und deshalb für die Verhandlungen mit dem Pharao sicherlich besser geeigneten Aaron auserwählt hatte? Dies mag vor allem auch deshalb verwundern, weil Aaron der ältere Bruder war, Moses war, als er den Auftrag Gottes erfüllte, bereits 80 Jahre alt, sein älterer Bruder Aaron hingegen 83 Jahre. Wurden zur Zeit der Patriarchen nicht eigentlich die Erstgeborenen mit der Weiterführung der Familien und ihrer Unternehmungen betraut?

 

Auch im Hinblick auf die notwendige Führung des israelitischen Volkes durch die Wüste brachte Aaron sicherlich die besseren Voraussetzungen mit sich. Murrte das Volk wieder einmal, so war es vor allem Aaron, der das Volk davon überzeugen konnte, fortzufahren und nicht wieder umzukehren. Trotzdem hatte Gott nicht Aaron, sondern Moses für den Fortzug der Israeliten aus Ägypten erwählt. Wir werden uns mit dieser Frage, warum Gott Moses und nicht Aaron für diese Aufgabe auserwählt hatte, im letzten Abschnitt ausführlicher befassen. Beginnen wir aber zunächst mit dem Text!

 

 

2. Der Text

 

Im Buch Exodus in Kapitel 7 lesen wir:

 

1 ‚Der Herr sprach zu Mose: Hiermit mache ich dich für den Pharao zum Gott; dein Bruder Aaron soll dein Prophet sein.

2  Du sollst alles sagen, was ich dir auftrage; dein Bruder Aaron soll es dem Pharao sagen und der Pharao muss die Israeliten aus seinem Land fortziehen lassen.

3  Ich aber will das Herz des Pharao verhärten und dann werde ich meine Zeichen und Wunder in Ägypten häufen.

4  Der Pharao wird nicht auf euch hören. Deshalb werde ich meine Hand auf Ägypten legen und unter gewaltigem Strafgericht meine Scharen, mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führen.

5  Erst wenn ich meine Hand gegen die Ägypter ausstrecke, werden sie erkennen, dass ich der Herr bin, und dann werde ich die Israeliten aus ihrer Mitte herausführen.

6  Mose und Aaron taten, was ihnen der Herr aufgetragen hatte. So machten sie es.

7  Mose war achtzig Jahre und Aaron dreiundachtzig Jahre alt, als sie mit dem Pharao verhandelten.‘

 

8  Der Herr sprach zu Mose und Aaron:

9  Wenn der Pharao zu euch sagt: Tut doch ein Wunder zu eurer Beglaubigung!, dann sag zu Aaron: Nimm deinen Stab und wirf ihn vor den Pharao hin! Er wird zu einer Schlange werden.

10  Als Mose und Aaron zum Pharao kamen, taten sie, was ihnen der Herr aufgetragen hatte: Aaron warf seinen Stab vor den Pharao und seine Diener hin und er wurde zu einer Schlange.

11  Da rief auch der Pharao Weise und Beschwörungspriester und sie, die Wahrsager der Ägypter, taten mit Hilfe ihrer Zauberkunst das Gleiche:

12  Jeder warf seinen Stab hin und die Stäbe wurden zu Schlangen. Doch Aarons Stab verschlang die Stäbe der Wahrsager.

13  Das Herz des Pharao aber blieb hart und er hörte nicht auf sie. So hatte es der Herr vorausgesagt.

 

14  Der Herr sprach zu Mose: Das Herz des Pharao ist ungerührt und er ist nicht bereit, das Volk ziehen zu lassen..

16  Sag zum Pharao: Jahwe, der Gott der Hebräer, hat mich zu dir gesandt und lässt dir sagen: Lass mein Volk ziehen, damit sie mich in der Wüste verehren können. Bis jetzt hast du nicht hören wollen.

17  So spricht Jahwe: Daran sollst du erkennen, dass ich Jahwe bin: Mit dem Stab in meiner Hand schlage ich auf das Wasser im Nil und es wird sich in Blut verwandeln.

18  Die Fische im Nil werden sterben und der Nil wird stinken, sodass sich die Ägypter davor ekeln, Nilwasser zu trinken.

19  Dann sprach der Herr zu Mose: Sag Aaron: Nimm deinen Stab und streck deine Hand über die Gewässer Ägyptens aus, über ihre Flüsse und Nilarme, über ihre Sümpfe und alle Wasserstellen; sie sollen zu Blut werden. Blut soll es geben in ganz Ägypten, in den Gefäßen aus Holz und Stein.

20  Mose und Aaron taten, was ihnen der Herr aufgetragen hatte. Er erhob den Stab und schlug vor den Augen des Pharao und seiner Höflinge auf das Wasser im Nil. Da verwandelte sich alles Nilwasser in Blut.

21  Die Fische im Nil starben und der Nil stank, sodass die Ägypter kein Nilwasser mehr trinken konnten. Das Blut gab es in ganz Ägypten.

22  Doch die Wahrsager der Ägypter taten mit Hilfe ihrer Zauberkunst das Gleiche. Das Herz des Pharao blieb hart und er hörte nicht auf sie. So hatte es der Herr vorausgesagt.

23  Der Pharao kehrte nach Hause zurück und nahm die Sache nicht ernst.‘

 

Da diese erste Plage (das Wasser des Nils wird zu Blut) nicht zum Erfolg führte, sandte Gott durch Moses neun weitere Plagen: Als zweite Plage bewirkte Gott, dass  Frösche ganz Ägypten bedeckten. Hierauf versprach der Pharao, die Israeliten ziehen zu lassen, wenn er das Land von den Fröschen befreie. Obwohl hierauf aufgrund der Bitte Moses die Froschplage aufhörte, weigerte sich der Pharao, wie versprochen die Israeliten ziehen zu lassen.

 

Hierauf ließ Gott den Staub in Stechmücken verwandeln. Aber obwohl die Wahrsager des Pharao ihm rieten nachzugeben und die Israeliten ziehen zu lassen, da die Stechmückenplage ein Finger Gottes sei, blieb das Herz des Pharao hart und unbeugsam.

 

Als vierte Plage schickte der Herr Ungeziefer (Stechmücken), welche sich jedoch nur in den Häusern des Pharaos und der Ägypter ausbreiteten, während die Wohngegenden der Israeliten verschont blieben.

 

Wiederum versprach der Pharao, die Israeliten ziehen zu lassen, wenn Jahwe sie von diesen Ungeziefern befreie, aber wiederum wurde der Pharao wortbrüchig, als Ägypten von diesen Stechmücken befreit wurde.

 

Aufgrund der Verstocktheit des Pharaos schickte Gott 6 weitere Plagen: das Vieh wurde von der Pest befallen, ließ an Menschen und Vieh Geschwüre entstehen, schickte schweren Hagel über das Land, der alles, was auf den Feldern war, Vieh, Menschen und Früchte vernichtete. Weiterhin überzogen riesige Heuschreckenschwärme das Land, welche die Oberfläche der Erde bedeckten, sodass man den Erdboden nicht mehr sehen konnte. Sie verzehrten das, was der Hagel verschont hatte. Als nächstes trat eine dreitägige Finsternis ein und als dies wiederum den Pharao kalt ließ, tötete Gott schließlich die Erstgeburt aller Ägypter, während er die Kinder der Israeliten verschonte.

 

Erst diese 10. Plage veranlasste den Pharao, die Israeliten ziehen zu lassen. In Kapitel 12 des Exodus heißt es hierzu:

 

 

Kapitel 12

1  Der Herr sprach zu Mose und Aaron in Ägypten…

 

3  Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am Zehnten dieses Monats soll jeder ein Lamm für seine Familie holen, ein Lamm für jedes Haus…

 

5  Nur ein fehlerfreies, männliches, einjähriges Lamm darf es sein, das Junge eines Schafes oder einer Ziege müsst ihr nehmen.

6  Ihr sollt es bis zum vierzehnten Tag dieses Monats aufbewahren. Gegen Abend soll die ganze versammelte Gemeinde Israel die Lämmer schlachten.

7  Man nehme etwas von dem Blut und bestreiche damit die beiden Türpfosten und den Türsturz an den Häusern, in denen man das Lamm essen will….

 

12  In dieser Nacht gehe ich durch Ägypten und erschlage in Ägypten jeden Erstgeborenen bei Mensch und Vieh. Über alle Götter Ägyptens halte ich Gericht, ich, der Herr.

13  Das Blut an den Häusern, in denen ihr wohnt, soll ein Zeichen zu eurem Schutz sein. Wenn ich das Blut sehe, werde ich an euch vorübergehen und das vernichtende Unheil wird euch nicht treffen, wenn ich in Ägypten dreinschlage.

 

14  Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest zur Ehre des Herrn! Für die kommenden Generationen macht euch diese Feier zur festen Regel!‘

 

 

3. Interpretation

 

Um die Geschichte des Auszugs der Israeliten aus Ägypten besser verstehen zu können, ist es notwendig, kurz die Entwicklung des Volkes der Israeliten in Erinnerung zu rufen. Wie bereits in der Erzählung über Josef und seine Brüder erwähnt, hatte Josef als oberster Beamte des Pharao mit Billigung des Pharao seinen Vater und seine Brüder nach Ägypten geholt. Sie ließen sich nieder, vermehrten sich mit der Zeit und genossen bei Pharao und im ägyptischen Volk großes Ansehen.

 

Eine Wende kam, als ein neuer König an die Macht kam, der Josef nicht gekannt hatte. In dem Buch Exodus Kapitel 1 heißt es hierzu:

 

9  ‚Er [der Pharao] sagte zu seinem Volk: Seht nur, das Volk der Israeliten ist größer und stärker als wir.

10  Gebt Acht! Wir müssen überlegen, was wir gegen sie tun können, damit sie sich nicht weiter vermehren. Wenn ein Krieg ausbricht, können sie sich unseren Feinden anschließen, gegen uns kämpfen und sich des Landes bemächtigen.

11  Da setzte man Fronvögte über sie ein, um sie durch schwere Arbeit unter Druck zu setzen. Sie mussten für den Pharao die Städte Pitom und Ramses als Vorratslager bauen.

12  Je mehr man sie aber unter Druck hielt, umso stärker vermehrten sie sich und breiteten sie sich aus, sodass die Ägypter vor ihnen das Grauen packte.

13  Daher gingen sie hart gegen die Israeliten vor und machten sie zu Sklaven.

14  Sie machten ihnen das Leben schwer durch harte Arbeit mit Lehm und Ziegeln und durch alle möglichen Arbeiten auf den Feldern. So wurden die Israeliten zu harter Sklavenarbeit gezwungen.‘

 

Wie versuchte nun der Pharao den Einfluss der Israeliten in Ägypten zu beschneiden?

 

15  ‚Zu den hebräischen Hebammen – die eine hieß Schifra, die andere Pua – sagte der König von Ägypten:

16  Wenn ihr den Hebräerinnen Geburtshilfe leistet, dann achtet auf das Geschlecht! Ist es ein Knabe, so lasst ihn sterben! Ist es ein Mädchen, dann kann es am Leben bleiben.

17  Die Hebammen aber fürchteten Gott und taten nicht, was ihnen der König von Ägypten gesagt hatte, sondern ließen die Kinder am Leben.

18  Da rief der König von Ägypten die Hebammen zu sich und sagte zu ihnen: Warum tut ihr das und lasst die Kinder am Leben?

19  Die Hebammen antworteten dem Pharao: Bei den hebräischen Frauen ist es nicht wie bei den Ägypterinnen, sondern wie bei den Tieren: Wenn die Hebamme zu ihnen kommt, haben sie schon geboren.

 

20  Gott verhalf den Hebammen zu Glück; das Volk aber vermehrte sich weiter und wurde sehr stark.

21  Weil die Hebammen Gott fürchteten, schenkte er ihnen Kindersegen.

22  Daher gab der Pharao seinem ganzen Volk den Befehl: Alle Knaben, die den Hebräern geboren werden, werft in den Nil! Die Mädchen dürft ihr alle am Leben lassen.‘

 

Wir verstehen also, warum nun plötzlich die Israeliten in Ägypten wie Sklavenbehandelt wurden. Wer war nun Moses, den Gott damit beauftragt hatte, den Auszug der Israeliten aus Ägypten zu veranlassen und durchzuführen? Im 2. Kapitel des Exodus wird die Herkunft und Geburt des Moses beschrieben:

 

1 ‚Ein Mann aus einer levitischen Familie ging hin und nahm eine Frau aus dem gleichen Stamm.

2  Sie wurde schwanger und gebar einen Sohn. Weil sie sah, dass es ein schönes Kind war, verbarg sie es drei Monate lang.

3  Als sie es nicht mehr verborgen halten konnte, nahm sie ein Binsenkästchen, dichtete es mit Pech und Teer ab, legte den Knaben hinein und setzte ihn am Nilufer im Schilf aus.

4  Seine Schwester blieb in der Nähe stehen, um zu sehen, was mit ihm geschehen würde.

 

5  Die Tochter des Pharao kam herab, um im Nil zu baden. Ihre Dienerinnen gingen unterdessen am Nilufer auf und ab. Auf einmal sah sie im Schilf das Kästchen und ließ es durch ihre Magd holen.

6  Als sie es öffnete und hineinsah, lag ein weinendes Kind darin. Sie bekam Mitleid mit ihm und sie sagte: Das ist ein Hebräerkind.

7  Da sagte seine Schwester zur Tochter des Pharao: Soll ich zu den Hebräerinnen gehen und dir eine Amme rufen, damit sie dir das Kind stillt?

8  Die Tochter des Pharao antwortete ihr: Ja, geh! Das Mädchen ging und rief die Mutter des Knaben herbei.

9  Die Tochter des Pharao sagte zu ihr: Nimm das Kind mit und still es mir! Ich werde dich dafür entlohnen. Die Frau nahm das Kind zu sich und stillte es.

10  Als der Knabe größer geworden war, brachte sie ihn der Tochter des Pharao. Diese nahm ihn als Sohn an, nannte ihn Mose und sagte: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.‘

 

Moses wuchs somit am Hofe des Pharao als Sohn der Tochter des Pharao auf und hatte zunächst wenig zu tun mit seinen israelitischen Glaubensbrüdern. Erfahren wir nun über den ersten Kontakt des Moses mit den Israeliten:  

 

11  ‚Die Jahre vergingen und Mose wuchs heran. Eines Tages ging er zu seinen Brüdern hinaus und schaute ihnen bei der Fronarbeit zu. Da sah er, wie ein Ägypter einen Hebräer schlug, einen seiner Stammesbrüder.

12  Mose sah sich nach allen Seiten um, und als er sah, dass sonst niemand da war, erschlug er den Ägypter und verscharrte ihn im Sand.

13  Als er am nächsten Tag wieder hinausging, sah er zwei Hebräer miteinander streiten. Er sagte zu dem, der im Unrecht war: Warum schlägst du deinen Stammesgenossen?

14  Der Mann erwiderte: Wer hat dich zum Aufseher und Schiedsrichter über uns bestellt? Meinst du, du könntest mich umbringen, wie du den Ägypter umgebracht hast? Da bekam Mose Angst und sagte: Die Sache ist also bekannt geworden.


15  Der Pharao hörte von diesem Vorfall und wollte Mose töten; Mose aber entkam ihm. Er wollte in Midian bleiben und setzte sich an einen Brunnen.

16  Der Priester von Midian hatte sieben Töchter. Sie kamen zum Wasserschöpfen und wollten die Tröge füllen, um die Schafe und Ziegen ihres Vaters zu tränken.

17  Doch die Hirten kamen und wollten sie verdrängen. Da stand Mose auf, kam ihnen zu Hilfe und tränkte ihre Schafe und Ziegen.

18  Als sie zu ihrem Vater Reguël zurückkehrten, fragte er: Warum seid ihr heute so schnell wieder da? 

19  Sie erzählten: Ein Ägypter hat uns gegen die Hirten verteidigt; er hat uns sogar Wasser geschöpft und das Vieh getränkt.

20  Da fragte Reguël seine Töchter: Wo ist er? Warum habt ihr ihn dort gelassen? Holt ihn und ladet ihn zum Essen ein!

21  Mose entschloss sich, bei dem Mann zu bleiben, und dieser gab seine Tochter Zippora Mose zur Frau.

22  Als sie einen Sohn gebar, nannte er ihn Gerschom (Ödgast) und sagte: Gast bin ich in fremdem Land.‘

 

Nach einer gewissen Zeit bestieg der Sohn des bisherigen Pharao den Thron. Da ging das Wort Gottes an Moses. In Kapitel 2 des Exodus heißt es:

 

23 ‚Nach vielen Jahren starb der König von Ägypten. Die Israeliten stöhnten noch unter der Sklavenarbeit; sie klagten und ihr Hilferuf stieg aus ihrem Sklavendasein zu Gott empor.

24  Gott hörte ihr Stöhnen und Gott gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob.

25  Gott blickte auf die Söhne Israels und gab sich ihnen zu erkennen.‘

 

Und in Kapitel 3 erfahren wir dann von der Berufung des Moses:

 

1  ‚Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb.

2  Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht.

3  Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht?

4  Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.

5  Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.

6  Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.

 

7  Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid.

8  Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter.

9  Jetzt ist die laute Klage der Israeliten zu mir gedrungen und ich habe auch gesehen, wie die Ägypter sie unterdrücken.

10  Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus!

 

11  Mose antwortete Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten herausführen könnte?

12  Gott aber sagte: Ich bin mit dir; ich habe dich gesandt und als Zeichen dafür soll dir dienen: Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr Gott an diesem Berg verehren.

 

13  Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen darauf sagen?

14  Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der »Ich-bin-da«. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der »Ich-bin-da« hat mich zu euch gesandt.

 

15  Weiter sprach Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so wird man mich nennen in allen Generationen.

16  Geh, versammle die Ältesten Israels und sag ihnen: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, ist mir erschienen und hat mir gesagt: Ich habe sorgsam auf euch geachtet und habe gesehen, was man euch in Ägypten antut.

17  Darum habe ich beschlossen, euch aus dem Elend Ägyptens hinaufzuführen in das Land der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen.

 

18  Wenn sie auf dich hören, so geh mit den Ältesten Israels zum König von Ägypten; sagt ihm: Jahwe, der Gott der Hebräer, ist uns begegnet. Und jetzt wollen wir drei Tagesmärsche weit in die Wüste ziehen und Jahwe, unserem Gott, Schlachtopfer darbringen.

19  Ich weiß, dass euch der König von Ägypten nicht ziehen lässt, es sei denn, er würde von starker Hand dazu gezwungen.

20  Erst wenn ich meine Hand ausstrecke und Ägypten niederschlage mit allen meinen Wundern, die ich in seiner Mitte vollbringe, wird er euch ziehen lassen.

21  Dann werde ich die Ägypter zugunsten dieses Volkes umstimmen, und wenn ihr wegzieht, werdet ihr nicht mit leeren Händen gehen…

 

4,1 Mose antwortete: Was aber, wenn sie mir nicht glauben und nicht auf mich hören, sondern sagen: Jahwe ist dir nicht erschienen?

2  Der Herr entgegnete ihm: Was hast du da in der Hand? Er antwortete: Einen Stab.

3  Da sagte der Herr: Wirf ihn auf die Erde! Mose warf ihn auf die Erde. Da wurde der Stab zu einer Schlange und Mose wich vor ihr zurück.

4  Der Herr aber sprach zu Mose: Streck deine Hand aus und fasse sie am Schwanz! Er streckte seine Hand aus und packte sie. Da wurde sie in seiner Hand wieder zu einem Stab.

5  So sollen sie dir glauben, dass dir Jahwe erschienen ist, der Gott ihrer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.

6  Weiter sprach der Herr zu ihm: Leg deine Hand in deinen Gewandbausch! Er legte seine Hand hinein. Als er sie herauszog, war seine Hand von Aussatz weiß wie Schnee.

7  Darauf sagte der Herr: Leg deine Hand noch einmal in deinen Gewandbausch! Er legte seine Hand noch einmal hinein. Als er sie wieder herauszog, sah sie wieder aus wie der übrige Leib.

8  Wenn sie dir nicht glauben und sich durch das erste Zeichen nicht überzeugen lassen, werden sie auf das zweite Zeichen hin glauben.

9  Glauben sie aber selbst nach diesen beiden Zeichen nicht und lassen sie sich nicht überzeugen, dann nimm etwas Nilwasser und schütt es auf trockenen Boden! Das Wasser, das du aus dem Nil geholt hast, wird auf dem Boden zu Blut werden.‘

 

Moses war zunächst gar nicht angetan von dem Auftrag, den ihn Jahwe hiermit erteilt hat. Er versucht sich zunächst herauszureden und verweist darauf, dass er ja nicht redegewandt sei und sogar einen Sprachfehler habe, er stottere. Gott lässt jedoch diese Ausrede nicht gelten:

 

4,10  ‚Doch Mose sagte zum Herrn: Aber bitte, Herr, ich bin keiner, der gut reden kann, weder gestern noch vorgestern, noch seitdem du mit deinem Knecht sprichst. Mein Mund und meine Zunge sind nämlich schwerfällig.

11  Der Herr entgegnete ihm: Wer hat dem Menschen den Mund gegeben und wer macht taub oder stumm, sehend oder blind? Doch wohl ich, der Herr!

12  Geh also! Ich bin mit deinem Mund und weise dich an, was du reden sollst.‘

 

Aber auch jetzt noch leistet Moses Widerstand Moses und bittet Jahwe einen anderen zu Pharao zuschicken:

 

13  Doch Mose antwortete: Aber bitte, Herr, schick doch einen andern! 

14  Da entbrannte der Zorn des Herrn über Mose und er sprach: Hast du nicht noch einen Bruder, den Leviten Aaron? Ich weiß, er kann reden; außerdem bricht er gerade auf und wird dir begegnen. Wenn er dich sieht, wird er sich von Herzen freuen.

15  Sprich mit ihm und leg ihm die Worte in den Mund! Ich aber werde mit deinem und seinem Mund sein, ich werde euch anweisen, was ihr tun sollt,

16  und er wird für dich zum Volk reden. Er wird für dich der Mund sein und du wirst für ihn Gott sein.

17  Diesen Stab nimm in deine Hand! Mit ihm wirst du die Zeichen vollbringen.‘

 

Gott wischt also die Bedenken Moses weg, in dem er Moses vorschlägt, dass Aaron, sein älterer Bruder für ihn sprechen solle, er sei gewissermaßen fortan sein Sprachrohr.

 

Eine Stelle dieser Erzählung bedarf schließlich der Erläuterung. In Kapitel 3,3 des 2. Buches Moses steht der Satz: ‚Ich aber will das Herz des Pharao verhärten‘. Geht man vom Wortlaut dieses Textes aus, hat es den Anschein, dass Jahwe selbst dafür verantwortlich ist, dass der Pharao zunächst das israelitische Volk nicht ziehen lassen will. Eine solche Schlussfolgerung würde jedoch mit anderen letztlichen Aussagen der Heiligen Schrift in krassem Widerspruch stehen. Menschen könnten in diesem Falle gar nicht schuldig werden, da Schuld immer voraussetzt, dass der Schuldige für seine Tat verantwortlich ist und das kann er nicht sein, wenn er gar nicht die Freiheit und Möglichkeit hatte, anders zu handeln, als er tatsächlich gehandelt hat.

 

Gott hat nach den Aussagen der Heiligen Schrift den Menschen als sein Abbild erschaffen. Diese Aussage bedeutet zwar nicht, dass wir Menschen Gott gleich sind. Wir sind nur ein Abbild Gottes und ein Abbild ist immer weniger Wert als das Original. Wir begreifen Gott als ein vollkommenes Wesen in jeder Hinsicht, die Menschen hingegen sind recht unvollkommen, wiederum in jeder Hinsicht.

 

Nur in einem Punkt hat uns Gott eine ihm eigene Eigenschaft verliehen: Gott hat uns als freie Menschen erschaffen. Dies bedeutet zwar nicht, dass wir Menschen alles tun dürfen, Gott hat uns sehr wohl Weisungen gegeben, wie wir uns verhalten sollen. Freiheit bedeutet aber, dass Gott will, dass wir uns aus freien Stücken zum Glauben bekennen und seinen Weisungen folgen, es entspricht nicht Gottes Wille, dass wir zum Glauben mit Waffengewalt gezwungen werden.

 

Es entspricht also Gottes Wille, dass alle Menschen in ihrer Entscheidung frei sind, in dem Sinne, dass sie Gottes Gebote auch ablehnen können. Jakobus hat in dem Jakobusbrief in Kapitel 1 festgestellt:

 

13 ‚Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Denn Gott kann nicht in die Versuchung kommen, Böses zu tun, und er führt auch selbst niemand in Versuchung.

14  Jeder wird von seiner eigenen Begierde, die ihn lockt und fängt, in Versuchung geführt.‘

 

Wenn dieser Satz der Wahrheit entspricht, gilt a fortiori, dass Gott keinesfalls einzelnen Menschen zwingt, Böses zu tun. Man wird deshalb diese Textstelle auch so interpretieren müssen, dass Gott zwar zulässt, dass der Pharao die Israeliten gegen den Willen Gottes nicht ziehen lassen will. Dies bedeutet aber nur, dass die von Gott geschenkte menschliche Freiheit eben letztlich zur Folge hat, dass einzelne Menschen gegen Gottes Willen Unrechtes tun und damit anderen Menschen Leid zufügen können, aber keinesfalls, dass Gott böse Taten jemals selbst erzwingt.

 

 

4. Eigenschaften der von Gott Auserwählten

 

 

Zum Abschluss dieser Erzählung wollen wir uns noch einmal etwas genauer mit den Eigenschaften Moses befassen. Wir hatten bereits darauf hingewiesen, dass es hier weniger um die moralischen Tugenden oder Untugenden des Moses ging, also um eine Frage, welche im Mittelpunkt anderer, hier in dieser Vorlesung behandelten Erzählungen stand, nein von Bedeutung in diesem Kapitel ist vielmehr die Frage, inwieweit sich denn Moses zu der Aufgabe eignet, zu der Jahwe ihn berufen hatte, nämlich den Pharao dazu zu bewegen, die Israeliten ziehen zu lassen und sie durch die Wüste in das gelobte Land zu führen. Fragen wir uns also, inwieweit Moses gerade im Hinblick auf diese ihm von Gott übertragenen Aufgaben wirklich geeignet war.

 

Als erstes gilt es sich zu erinnern, dass Aaron der ältere der beiden Brüder war und von Aaron wissen wir, dass er im Gegensatz zu Moses sehr redegewandt war. Und er war es gerade deshalb, weil es zumindest zur Erfüllung der ersten Aufgabe (den Pharao dazu zu bewegen, die Israeliten aus Ägypten ziehen zu lassen) notwendig war, redegewandt zu sein und den gelehrten Beamten und Priestern, welche den Pharao berieten, Rede und Antwort zu stehen.

 

Wenn wir uns nun auch noch bewusst werden, dass zu der damaligen Zeit die Führung innerhalb einer Familie jeweils an den Erstgeborenen ging, sollte man doch meinen, dass es Aaron und eben nicht Moses sei, der die besten Voraussetzungen für diese Führungsaufgaben erfüllte. Warum dann wählte Jahwe trotzdem den im Reden etwas schwerfälligeren Moses für diese Aufgabe?

 

Dass Jahwe sich nicht an den Brauch der Menschen, den Erstgeborenen zu bevorzugen, hält, haben wir bereits in dieser Vorlesung erfahren: Nicht der Erstgeborene Abrahams: Ismael, sondern Isaak, der später Geborene wurde von Gott auserwählt, Stammvater der Israeliten zu werden. Immerhin entsprach diese Erbfolge auch dem Wunsch Abrahams, da es Isaak und nicht Ismael war,  den Sarah die Frau Abrahams geboren hatte.

 

Weiterhin erfuhren wir, dass Jakob sich gegenüber seinem älteren Bruder Esau das Erstgeburtsrecht sowie den väterlichen Segen durch Täuschung erschlichen hatte, obwohl Isaak, der Vater dieser beiden Söhne, eigentlich Esau stärker liebte und den väterlichen Segen Esau zugedacht hatte. Aber wir erfahren hier auch, dass Gott selbst Jakob und nicht den älteren Esau auserwählt hatte, zum Stammvater der Israeliten zu werden.

 

Gott schaut also immer in die Herzen der Menschen, für ihn ist nicht von Bedeutung, welche Erbfolge menschliche Regeln vorsehen, sondern immer allein, wer von seinen Eigenschaften her der geeignetste darstellt.

 

Nun hatten wir jedoch bereits gesehen, dass gerade im Hinblick auf die Eignungen des Moses im Hinblick auf die Moses übertragenen Aufgaben er vor allem zwei Schwächen aufwies, die seine Eignung für Führungsaufgaben in Frage stellen, der Umstand, dass er stotterte und darüber hinaus sein cholerisches Gemüt, die Tatsache also, dass er bei geringstem Anlass zornig wurde und aus seiner Haut fuhr. Und wir haben auch bereits erfahren, dass Aaron gerade im Hinblick auf diese zwei Schwächen des Moses eine bessere Eignung zur Führung hatte: Er war redegewandt und verstand es sehr wohl, auf die Bedürfnisse der Bevölkerung einzugehen. Was hatte deshalb Moses Aaron voraus, warum hatte Jahwe nicht Aaron, sondern Moses auserwählt, das israelitische Volk aus Ägypten herauszuführen?

 

Als erstes hat uns die Lebensgeschichte des Moses gezeigt, dass Moses ja am Hofe des Pharao aufgewachsen war und dass – da ja die damalige Tochter des Pharao und damit die Schwester des zu der damaligen Zeit regierenden Pharao – Moses als Kindesstatt angenommen hatte und deshalb auch am Hofe zunächst mit dem nun folgenden Pharao als Bruder gegolten hatte.

 

Diese Tatsache hat sicherlich dazu beigetragen, dass der Pharao überhaupt bereit war, Moses zu empfangen und dass er in Moses nicht nur einen Abkömmling der verhassten Israeliten gesehen hatte. Diese Voraussetzungen brachte offensichtlich Aaron nicht mit.

 

Auch wird man davon ausgehen können, dass für den ersten Teil der Moses übertragenen Aufgaben, nämlich die Bereitschaft des Pharao zu erlangen, die Israeliten ziehen zu lassen, obwohl sie für den Pyramidenbau dringend benötigt wurden, die Redegewandtheit gar nicht die entscheidende Rolle spielte. Moses oder Aaron konnten noch so viel Argumente vortragen, damit der Pharao die Israeliten ziehen lasse, für das Nachgeben des Pharao, der ja zunächst wild entschlossen war, den Israeliten den Abzug aus Ägypten zu verweigern, waren letztendlich allein die zehn von Gott verhängten Plagen und ganz besonders die letzte, zehnte Plage (Tötung der ägyptischen Erstgeborenen) für das Einlenken des Pharao verantwortlich. Also bedurfte es zur Erfüllung dieser ersten Aufgabe gar nicht der Redegewandtheit des Moses oder des Aarons.

 

Wie steht es hingegen mit der zweiten Moses übertragenen Aufgabe, die Israeliten in das gelobte Land zu führen, war Moses zumindest in dieser Hinsicht seinem älteren Bruder überlegen?

 

Auch im Zusammenhang mit dieser zweiten Aufgabe weist Moses im Vergleich zu Aaron eine wesentliche Schwäche auf: Er ist aufbrausend und gerät bei geringsten Anlässen in Zorn und stößt somit die Israeliten, die er in jahrelangen Märschen durch die Wüste heil nach Kanaan führen sollte, immer wieder vor den Kopf und trägt deshalb auch nicht dazu bei, dass die Israeliten sich seiner Führung unterordnen.

 

In der Tat hatte ja das Volk sehr schnell über die Strapazen, denen sie ausgesetzt

waren, gemurrt und wollten wiederum umkehren, es bedurfte eines wiederholten Eingreifens Jahwes, die Israeliten dazu zu bringen, Moses zu folgen.

 

In dieser Hinsicht war Aaron offensichtlich der geschmeidigere Führer, der durchaus dem Volk nach deren Mund redete und gerade deshalb immer noch vom Volk als Führer akzeptiert wurde.

 

So hatte Aaron, als Moses 4o Tage auf dem Berg Sinai mit Gott verbrachte und sich das Volk verlassen fühlte und gegen Moses aufbegehrte, die Israeliten dazu bewegt, still zu halten, in dem er dem Bedürfnis einiger Israeliten nachgab, auch andere Götter zu verehren und ein goldenes Kalb anfertigen ließ, das die Israeliten nun genauso wie früher die ägyptischen Götter anbeten konnte.

 

Aber gerade diese Tat gibt Aufschluss darüber, warum Aaron offensichtlich von Jahwe als die weniger geeignete Persönlichkeit gehalten wurde, die Israeliten in das gelobte Land zu führen. Was Gott in erster Linie von seinen Auserwählten verlangt, besteht darin, Gott stets die Treue zu halten, nur ihn allein als Gott zu verehren und allen Nebengöttern der Heiden abzuschwören. Und gerade in dieser entscheidenden Frage hat Aaron kläglich versagt, er hat bei dem geringsten Anlass sofort gerade dieses wichtigste Gebot Gottes, „du sollst keine fremden Götter neben mir verehren“ verraten und aktiv dazu beigetragen, dass die Israeliten das selbst gegossene goldene Kalb als Gott verehrten.

 

In dieser Hinsicht konnte sich Jahwe auf Moses hundertprozentig verlassen. Als Moses das erste Mal vom Berg Sinai mit den beiden ehernen Tafeln, auf denen die zehn Gebote Gottes aufgezählt waren, zum Volk herunterkam und sah, dass die Israeliten das goldene Kalb anbeteten, geriet er in Zorn, zerschmetterte er in seiner Wut die beiden Tafeln und ließ die Schuldigen bestrafen. In Kapitel 32 des Buches Exodus lesen wir:

 

26 ‚Mose trat an das Lagertor und sagte: Wer für den Herrn ist, her zu mir! Da sammelten sich alle Leviten um ihn.

27 Er sagte zu ihnen: So spricht der Herr, der Gott Israels: Jeder lege sein Schwert an. Zieht durch das Lager von Tor zu Tor! Jeder erschlage seinen Bruder, seinen Freund, seinen Nächsten.

28  Die Leviten taten, was Mose gesagt hatte. Vom Volk fielen an jenem Tag gegen dreitausend Mann.‘

 

Moses trat also in der Wüste stets für die Sache des Herrn ein, er war es, der das Volk, das sich von Jahwe abgewandt hatte, wiederum auf den richtigen Weg führte, er war es auch, der selbst wiederum – nach dem seine Wut verraucht war – Gott um Gnade für das israelitische Volk bat. So heißt es z. B. im 32. Kapitel des Exodus:

 

29 ‚Dann sagte Mose: Füllt heute eure Hände mit Gaben für den Herrn! Denn jeder von euch ist heute gegen seinen Sohn und seinen Bruder vorgegangen und der Herr hat Segen auf euch gelegt.

30 Am folgenden Morgen sprach Mose zum Volk: Ihr habt eine große Sünde begangen. Jetzt will ich zum Herrn hinaufsteigen; vielleicht kann ich für eure Sünde Sühne erwirken.‘

 

Und auch später setzte sich Moses zusammen mit Aaron bei Gott dafür ein, die Sünden der Israeliten zu vergeben und die Absicht Gottes, das israelitische Volk zu vernichten, aufzugeben. Im vierten  Buch Moses, dem Numeri lesen wir in Kapitel 17:

 

6  ‚Am nächsten Tag murrte die ganze Gemeinde der Israeliten über Mose und Aaron; sie sagten: Ihr habt das Volk des Herrn getötet.

7  Als sich die Gemeinde gegen Mose und Aaron zusammenrottete und sich dem Offenbarungszelt zuwandte, bedeckte die Wolke das Zelt und die Herrlichkeit des Herrn erschien.

8  Mose und Aaron gingen vor das Offenbarungszelt

9  und der Herr sprach zu Mose:

10  Verlasst diese Gemeinde, denn ich will sie in einem einzigen Augenblick vernichten. Da warfen sich Mose und Aaron auf ihr Gesicht nieder

11  und Mose sagte zu Aaron: Nimm die Räucherpfanne, tu Feuer vom Altar hinein, und leg Weihrauch darauf; dann geh schnell zur Gemeinde und entsühne sie! Denn vom Herrn ist ein Zorngericht ausgegangen und die Plage hat schon begonnen.

12  Da nahm Aaron die Räucherpfanne, wie Mose gesagt hatte, und lief mitten unter die Leute, die versammelt waren. Und wirklich, die Plage hatte im Volk schon begonnen. Aaron legte Weihrauch in die Pfanne und entsühnte das Volk.

13  Er trat zwischen die Toten und die Lebenden und da hörte die Plage auf.

14  Durch die Plage waren aber bereits vierzehntausendsiebenhundert Menschen gestorben, nicht gerechnet die Toten, die wegen Korach umgekommen waren.

15  Darauf kehrte Aaron zu Mose an den Eingang des Offenbarungszeltes zurück; die Plage hatte aufgehört.‘

 

Trotz der zahlreichen Schwächen Moses, welche seine Führungsqualitäten mindern mögen, hat sich schließlich Moses viel stärker als dies für seinen älteren Bruder Bruder Aaron gilt, als derjenige erwiesen, der stets dem Auftrag Jahwes gerecht wurde, der zu keiner Stunde an Jahwe verzweifelte und dem Ansinnen der Bevölkerung, wieder umzukehren, nachgegeben hatte.