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Pathologie der Marktwirtschaft

 

 

 

Gliederung der Vorlesung:

 

1. Problemeinführung

2. Pathologische Branchen

3. Wettbewerb versus Monopol

4.  Externe Kosten und Erträge

5.  Der Allokationsmechanismus

6.  Der Verteilungsmechanismen der Wohlfahrt

7.  Die Weiterentwicklung des Liberalismus

 

 

Kapitel 07.  Die Weiterentwicklung des Liberalismus

 

 

Gliederung:

 

1. Problemeinführung

2. Freihandel als Voraussetzung für Wettbewerb

3. Monopolkontrolle des Staates

4. Tarifverhandlungen, Sozialversicherung und Kündigungsschutz

5. Patentgesetzgebung und Lizenzvergabe

6. Staatliche Makropolitik?

7. Breite Streuung des Erwerbsvermögens?

8. Bildung für alle

                 9. Eigentumsordnung und externe Effekte

               10. Bildung eines sekundären Arbeitsmarktes

               11. Schlussbemerkungen

 

 

7. Breite Streuung des Erwerbsvermögens?

 

Ein weiterer Versuch, im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung den sozialen Zielsetzungen zu entsprechen, bestand darin, möglichst viele Arbeitnehmer und Bürger am Erwerbsvermögen zu beteiligen. Man sprach hierbei von der Idee eines Volkskapitalismus, wonach die wirtschaftliche Macht zur Entscheidung über die Produktion nicht in den wenigen Händen der Superreichen liegen, sondern auch der einzelne Arbeitnehmer oder Bürger an diesen Entscheidungen über die Produktion beteiligt werden sollte.

 

Diese Gedankengänge wurden insbesondere von Vertretern der christlichen Soziallehre entwickelt, die ohnehin gegenüber den Segnungen einer freien Marktwirtschaft schon immer skeptisch waren. So wurden z. B. die liberalen Lehren in der ersten päpstlichen Sozialenzyklika, welche von Papst Leo XIII unter dem Titel „rerum novarum“ 1891 veröffentlicht wurde, ausdrücklich als unvereinbar mit dem christlichen Glauben verurteilt.

 

Die Vertreter des Volkskapitalismus erhofften sich mit einer breiten Streuung des Erwerbsvermögens eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse in dreifacher Hinsicht. Als erstes könne auf diesem Wege die Fremdbestimmung des Arbeitnehmers überwunden werden. Der Arbeitnehmer könne zwar in einer Marktwirtschaft grundsätzlich selbst bestimmen, in welchem Betrieb er unter den möglichen Alternativen arbeiten möchte und er ist grundsätzlich auch frei, jederzeit seine bisherige Arbeitsstelle zu kündigen, wenn er mit der Tätigkeit oder Entlohnung unzufrieden ist.

 

Diese Freiheit komme jedoch dem Arbeitnehmer zumeist gar nicht zugute, da die Unternehmungen oftmals auf dem Arbeitsmarkt eine Monopolstellung inne hätten, aufgrund derer der Arbeitnehmer gar nicht zuwischen mehreren möglichen Arbeitsplätzen wählen könne. Vor allem aber habe der Arbeitnehmer in einer reinen, staatlich unbeeinflussten Marktwirtschaft keinerlei Möglichkeit, an der Aufteilung der Arbeit mitzubestimmen, hier sei die Arbeit des Arbeitnehmers fremdbestimmt und er müsse den Weisungen der Arbeitgeber bedingungslos folgen. Sei jedoch der Arbeitnehmer am Erwerbsvermögen der Unternehmung, in welcher er beschäftigt ist, beteiligt, so kontrolliere er wie jeder Eigentümer die Entscheidungen der Unternehmung mit.

 

In zweiter Hinsicht erhalte der Arbeitnehmer bei einer Beteiligung am Erwerbsvermögen ein Sicherheitspolster, auf das er in Notzeiten zurückgreifen könne. Aufgrund des Miteigentums am Erwerbsvermögen erhalte der Arbeitnehmer ein Zinseinkommen und könne dieses Zinseinkommen dazu verwenden, sein Erwerbsvermögen zu vergrößern. In Notzeiten, wenn z. B. aufgrund von Krankheit das Erwerbseinkommen geringer ausfällt oder wenn krankheitsbedingt zusätzliche Ausgaben entstehen, könne er die Einkommensrückgänge oder zusätzlichen Ausgaben dadurch überbrücken, dass er die Zinserträge für den Konsum einsetzt und eventuell auch durch Auflösung eines Teils des Vermögens seine Ausgaben finanziert.

 

Dadurch dass der Arbeitnehmer als Eigentümer von Vermögen zu seinem Lohneinkommen noch ein zusätzliches Einkommen (ein Zinseinkommen) erhält, wird gleichzeitig drittens auf diesem Wege auch das Gesamteinkommen der Arbeitnehmer vergrößert. Gerade wenn man davon ausgeht, dass in einer freien, unbeeinflussten Marktwirtschaft das Lohneinkommen im Vergleich zu den Personen mit Erwerbsvermögen gering ausfällt und aufgrund monopolistischer Marktverhältnisse der Arbeitnehmer ein geringeres Einkommen erhält als er bei voller Realisierung des Leistungsprinzips erhalten müsste, könnte auf diese Weise (durch eine breite Streuung des Erwerbsvermögens) auch ein Teil der sonst zu befürchtenden Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Einkommen abgebaut werden.

 

Dieses Ziel einer Streuung des Erwerbsvermögens wurde in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg in der BRD auf unterschiedliche Weise angesteuert. Als erstes sah der Staat zunächst die Möglichkeit vor, bei der Einkommenssteuer Ersparnisse bis zu einer bestimmten Höchstgrenze von der Steuerschuld abzuziehen. Auf diesem Wege sollten Anreize zum Sparen gesetzt werden.

 

Es wurde allerdings sehr bald erkannt, dass auf diesem Wege gerade die Arbeitnehmer mit geringerem Einkommen nicht angesprochen und erreicht werden können, da diese gar nicht in der Lage sind, größere Teile ihres Einkommens zu sparen und damit in den Genuss der Sparprämien zu gelangen. Gerade die Steuerbelastung der Empfänger geringen Einkommens sei gering und eine Steuerbefreiung könne nur derjenige erfahren, welcher ansonsten größere Steuerbeträge zu entrichten habe.

 

Aus diesen Überlegungen heraus versuchte man die Möglichkeit, Ersparnisse von der Steuerschuld abzuziehen, dadurch zu ersetzen oder auch zu ergänzen, dass man  in gewissen Grenzen das Anlegen von Ersparnissen mit einer vom Staat gewährten Sparprämie belohnte. Aber auch für die Sparprämien gilt, dass nur derjenige in den Genuss dieser Vergünstigungen gelangen kann, der sparfähig ist, dessen Einkommen also so hoch ist, dass er auch in der Lage ist, ohne das Existenzminimum zu verfehlen, Teile seines Einkommens zu sparen. Also ermöglichte auch die Politik der Sparprämien keine größere Beteiligung der Arbeitnehmer mit einem geringen Einkommen am Erwerbsvermögen.

 

Dem Ziel einer breiteren Streuung des Erwerbsvermögens kam man dadurch entscheidend näher, dass in den Tarifverhandlungen der Vorschlag gemacht wurde, einen Teil des in den Tarifverträgen vereinbarten Lohnes als Investivlohn auszuzahlen. Von einem Investivlohn spricht man immer dann, wenn ein Lohn nicht an den Arbeitnehmer bar ausgezahlt wird, sondern für investive Zwecke reserviert wird, wobei der Arbeitnehmer Eigentumsrechte erwirbt, die er vorübergehend nicht für konsumtive Zwecke einsetzen kann.

 

Hierbei wurden zwei verschiedene Modelle diskutiert. Der CDU-Abgeordnete Erwin Häußler hatte im Rahmen einer Schlichtungsvereinbarung in der Metallindustrie 1954 als Schlichter den Vorschlag unterbreitet, einen Teil der von den Gewerkschaften geforderten Lohnerhöhungen in Form eines Investivlohnes zu gewähren, wobei  nach Vorstellung Erwin Häußlers die Investivlohnbeträge an Geldinstitute (vorwiegend Sparkassen) überwiesen und den Arbeitnehmern gutgeschrieben werden sollten, und die Arbeitnehmer erst nach Ablauf einer Sperrfrist von 5 Jahren das Recht erhalten sollten, über diese Sparbeträge frei zu verfügen. Die Geldinstitute sollten dann ihrerseits diese Gelder den Unternehmungen für investive Zwecke zur Verfügung stellen. Daher der Name Investivlohn. Obwohl dieser Schlichtervorschlag damals nicht Eingang in den Tarifvertrag gefunden hatte, gilt Erwin Häußler doch als Vater des Investivlohnes.  

 

Georg Leber hatte in der Eigenschaft als Gewerkschaftsvorsitzender der IG Bau Steine und Erden im Rahmen von Tarifverhandlungen in den 60 er Jahren diesen Vorschlag aufgegriffen und dahin gehend abgewandelt, dass die Investivlohngelder in den aufbringenden Unternehmungen verbleiben und dort für investive Zwecke verwandt werden sollten. Er begegnete damit der Kritik, der Investivlohn in der von Erwin Häußler vorgeschlagenen Form entziehe vor allem den mittelständischen Unternehmungen Kapital, das für Investitionen benötigt werde, da die von den Banken gewährten Investitionskredite vorwiegend den Kapitalgesellschaften und Großunternehmungen zur Verfügung gestellt würden.

 

In Folge dieser Vorschläge wurden in den Tarifverhandlungen Anfang der 70er Jahre  in einem Großteil der abgeschlossenen Tarifverträge Investivlöhne neben Bahrlohnerhöhungen vereinbart. Die Gesetze zur Vermögensbildung im Betrieb schufen zusätzliche finanzielle Anreize für die Unternehmungen, solche vermögensbildende Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer einzuführen.

 

Der theoretischen Durchleuchtung der Investivlöhne diente die gesamtwirtschaftliche Verteilungstheorie von Nicholas Kaldor. Kaldor hatte gezeigt, dass die Lohnquote der Arbeitnehmer eigentlich nur dann nachhaltig gesteigert werden kann, wenn die Arbeitnehmer einen größeren Anteil ihres Einkommens sparen. In dem Maße, wie die Sparquote der Arbeitnehmer erhöht wird, haben die Unternehmungen mangels Nachfrage geringere Möglichkeiten, die von den Gewerkschaften erkämpften Lohnkostensteigerungen auf den Güterpreis abzuwälzen, sodass wegen eines geringeren Anstiegs der Güterpreise das reale Lohneinkommen ansteigt.

 

Neben den Plänen zur Einführung eines Investivlöhne haben einzelne Unternehmungen vereinzelt für ihre Beschäftigten neben der normalen Entlohnung eine investive Gewinnbeteiligung eingeführt, wobei zumeist auch diese den Arbeitnehmern gewährten Gewinnanteile ähnlich wie die Investivlohngehälter beim Leberplan dazu eingesetzt wurden, die Investitionen der Unternehmer mitzufinanzieren.

 

Wie Martin L. Weitzman in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts gezeigt hat, kann auf diese Weise nicht nur das Einkommen der Arbeitnehmer angehoben werden. Gleichzeitig steigt auch die Beschäftigung. Während nämlich bei Steigerungen der Lohnstückkosten im Normalfalle die Nachfrage nach Arbeitskräften zurückgeht, fällt diese negative Beschäftigungswirkung hier weg. Die Produktionsmenge, bei welcher Unternehmungen ihr Gewinnmaximum erreichen, verändert sich nämlich nicht, wenn die Arbeitnehmer am Gewinn einer Unternehmung beteiligt werden, also werden in diesem Falle auch nicht Arbeitnehmer wegen der Gewinnminderung entlassen.

 

Negativ kann sich allerdings eine Gewinnbeteiligung für die einzelnen Unternehmungen auswirken, wenn sich eine Unternehmung in Zeiten des Konjunkturtiefs gezwungen sieht, Arbeitnehmer zu entlassen. Die Unternehmungen sind in diesem Falle gezwungen, den entlassenen Arbeitnehmern ihre Gewinnanteile auszuzahlen, sie verlieren oder verringern zumindest auf diese Weise die Möglichkeit, durch Rationalisierungsinvestitionen und der hierdurch ermöglichten Kostensenkungen wiederum wettbewerbsfähig zu werden.

 

Ganz generell muss bezweifelt werden, ob eine breite Streuung des Erwerbsvermögens tatsächlich die hiermit angestrebten Ziele erreicht. Zwar hat der einzelne Arbeitnehmer als Miteigentümer wie jeder andere Eigentümer die Möglichkeit, die Unternehmungsführung zu kontrollieren. Dieser Einfluss ist jedoch aufgrund des sehr geringen Anteils am Gesamtvermögen einer Unternehmung minimal. Die Interessen der Arbeitnehmer lassen sich über die Einrichtung eines Betriebsrates sowie einer Beteiligung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sowie im Vorstand sehr viel effizienter vertreten.

 

Aber auch hier gilt, dass der Grad der Fremdbestimmung auch auf diese Weise nicht wesentlich verringert werden kann. Die Koordination innerhalb eines Betriebes erfolgt stets durch Weisungen von oben und gerade die Tendenz zum Großbetrieb hat die Mitwirkungsmöglichkeiten eines einfachen Arbeitnehmers um ein weiteres verringert. Die innerbetrieblichen Zusammenhänge gleichen deshalb auch weniger einer Koordination durch den Markt als einer Planung von oben.

 

Auch das zweite Ziel im Zusammenhang mit der Einführung eines Volkskapitalismus: das Ziel einer Absicherung gegenüber den sozialen Risiken kann auf diesem Wege nur sehr unvollkommen erreicht werden. Die kollektive Absicherung in Form von Versorgungseinrichtungen oder in Form einer Versicherung (sowohl der Privat- wie Sozialversicherung) stellt eine weit effizientere Lösung des Problems der Absicherung gegenüber sozialen Risiken dar. Wer sich über Ersparnisse und eigenes Vermögen absichern möchte, findet nur dann einen vollen Schutz, wenn sein Vermögen dem höchstmöglichen Risikenumfang entspricht. Bei einer kollektiven Absicherung genügt ein Beitrag, welcher der wesentlich geringeren durchschnittlichen Risikenbelastung entspricht.

 

Schließlich lässt sich auf dem Wege einer breiten Streuung des Erwerbsvermögens auch das dritte Ziel: die Erhöhung des Anteils der Arbeitnehmer am Inlandsprodukt nur sehr unvollkommen realisieren. Zunächst bedeutet der Umstand, dass Arbeitnehmer zu ihrem Lohneinkommen noch zusätzlich ein Zinseinkommen erhalten, nicht unbedingt, dass auch das Gesamteinkommen der Arbeitnehmer in gleichem Maße ansteigt. Legen wir die von Nicholas Kaldor vorgestellte Verteilungstheorie in der von Pasinetti weiterentwickelten Form zugrunde, so kann der Gesamtanteil der Einkommensquote der Arbeitnehmer nur dann entscheidend vergrößert werden, wenn auch die Sparquote der Arbeitnehmer entsprechend ansteigt. Sind die Arbeitnehmer nicht bereit, mehr als bisher zu sparen, würde das Gesamteinkommen der Arbeitnehmer nicht steigen, weil der Realwert der Lohneinkommen über Preissteigerungen wiederum reduziert werden würde.

 

Ganz davon abgesehen, dürfte eine Aufstockung des Lohneinkommens durch Zinserträge im Vergleich zu den jährlich zu erwartenden tariflichen Lohnsatzsteigerungen stets gering bleiben. Erst nach mehreren Jahrzehnten könnten die Arbeitnehmer ein so großes Vermögen erreicht haben, dass der jährliche Einkommenszuwachs mit den jährlich zu erwartenden Zinseinkommenssteigerungen Schritt halten könnte.

 

Es fragt sich auch, ob der Übergang zu einem Volkskapitalismus nicht das wirtschaftliche Wachstum beeinträchtigen würde. Wirtschaftliches Wachstum setzt nämlich Risikobereitschaft voraus. Die Produktion kann nur aufrechterhalten und vergrößert werden, wenn Kapitalgeber bereit sind, Risiken auf sich zunehmen und auch dann ausreichend Kapital zur Verfügung zu stellen, wenn nicht immer mit einem Produktionserfolg zu rechnen ist. Bereits dann, wenn nur die bisherige Produktion aufrechterhalten werden soll, bedarf eine Unternehmung Risikenkapital. Es ist immer damit zu rechnen, dass unvorhergesehene Unfälle eintreten oder dass Kunden nicht mehr bereit sind, die bisher gekauften Produkte in gleichem Umfang wie bisher nachzufragen oder schließlich dass neue Konkurrenten in den Markt drängen und dass aus diesen Gründen ein Teil der bisherigen Kunden zur Konkurrenz abwandert.

 

Diese Risiken gelten auch für jede Investition, welche in einer Erweiterung der Kapazität oder auch in einer Veränderung der bisherigen Technik liegen kann. Eine Investition stellt stets einen Produktionsumweg dar, man setzt die knappen Ressourcen zunächst zur Produktion von Maschinen oder anderen Anlagen ein, um dann später mit Hilfe dieses erweiterten Produktionsapparates mehr oder kostengünstiger produzieren oder auch qualitativ bessere Produkte anbieten zu können. Mit dem größeren Zeitraum und mit der veränderten Produktionstechnik vervielfachen sich jedoch die zu erwartenden Risiken.

 

Nun haben wir davon auszugehen, dass der überaus größte Teil der Arbeitnehmer ausgesprochen risikoscheu ist. Bei einer breiten Streuung de Erwerbsvermögens bestünde deshalb die Gefahr, dass die Bereitschaft, Risiken einzugehen und ausreichend Risikokapital zur Verfügung zu stellen, zur Erhaltung und Ausweitung der Produktion nicht ausreichen würde.

 

Auch wird man auch gar nicht empfehlen können, dass Besitzer kleinerer Vermögen solche Risiken eingehen sollten. Nur derjenige, welcher über ein relativ großes Vermögen verfügt, ist überhaupt in der Lage, mit seinem Vermögen die Risiken zu übernehmen, die im Zusammenhang mit Produktion und Investition möglich werden. Folgerichtig wurde deshalb auch die Haftung für Personen, welche Anteile an Kapitalgesellschaften erwerben, auf die Einlage beschränkt. In dem Maße, in dem jedoch alle oder auch nur der größte Teil des benötigten Risikokapitals beschränkt haften, wird der Allokationsmechanismus empfindlich gestört. Nur dann, wenn es Kapitalgeber gibt, welche bereit sind, mit ihrem ganzen Vermögen eine volle Haftung für eingegangene Risiken zu übernehmen, kann in einer Marktwirtschaft ein befriedigendes Ergebnis sowohl im Hinblick auf die Allokation wie auch die Distribution erwartet werden.

 

Ist die Verpflichtung der Kapitalgeber zur vollen Haftung eingeschränkt, so besteht die Gefahr, dass die Unternehmungen bereitwillig auch solche riskanten Investitionen durchführen, deren Erfolgsaussichten extrem gering sind, da ja im Falle des Misserfolgs ohnehin andere die Zeche zu zahlen haben. Bei Erfolg können in diesem Falle die Unternehmer die Gewinne einstreichen, obwohl eine Rechtfertigung für den Gewinnbezug eben nur darin liegt, dass im Falle des Misserfolgs auch die Verluste von den Unternehmungen getragen werden.

 

 

8. Bildung für alle

 

Auch schon bei den Frühklassikern wie vor allem bei John Stuart Mill wurde erkannt, dass eine ausreichende Ausbildung wesentliche Voraussetzung für eine befriedigende Realisierung einer freien marktwirtschaftlichen Ordnung ist. Werden nicht alle Arbeitnehmer entsprechend ihrer Begabung ausgebildet und wird ihnen der Zugang zu den weiterführenden Schulen und Hochschulen verweigert, so bleibt der qualitative Bestand des Produktionsfaktors Arbeit suboptimal und die Allokationsaufgabe wird nicht befriedigend gelöst.

 

Auch das Verteilungsproblem entspricht in diesem Falle nicht den Kriterien einer gerechten Entlohnung nach der Leistung. Wenn ein nur gering ausgebildeter Arbeitnehmer ein geringeres Wertgrenzprodukt erzielt und wenn deshalb auch der ihm gewährte Lohnsatz gering ausfällt, so liegt dies nicht primär daran, dass der betreffende Arbeitnehmer nicht leistungswillig war, sondern einfach daran, dass er mangels ausreichender Ausbildung keine höhere Leistung erbringen konnte, obwohl er sehr wohl bei entsprechender Ausbildung zu einer höheren Leistung fähig gewesen wäre.

 

Heutzutage wird von fast allen politischen Gruppen anerkannt, dass eine Ausbildung aller lernfähigen und lernwilligen Arbeitnehmer Voraussetzung für ein funktionierendes Wirtschaftssystem darstellt und dass die tatsächliche Ausbildung diesem Anspruch nicht entspricht, dass noch große politische Anstrengungen notwendig sind, um einen befriedigenden Ausbildungsstand zu erzielen. Insofern werden hier mit der Forderung des Ausbaus des Bildungswesens Eulen nach Athen getragen‘.

 

Trotzdem bestehen in der Frage, wohin denn das Bildungssystem geführt werden sollte, was als Idealzustand anzusehen ist, den man zwar niemals erreichen wird, dem man jedoch möglichst nahekommen sollte, große Unterschiede. Auch in dieser Frage besteht die Gefahr eines Aktionismus, dass man den Erfolg nur darin sieht, dass etwas getan wird, aber nicht was getan werden soll. Auch hier ist immer damit zu rechnen, dass bestimmte politische Aktivitäten keineswegs zum Erfolg führen und dass darüber hinaus andere, genauso wichtige Ziele der Gesellschaftspolitik beeinträchtigt werden. Es ist wenig gewonnen, utopische, nicht zu verwirklichende Ziele aufzustellen.

 

Wir sind gewohnt, den Erfolg in der Bildungspolitik vorrangig an einem internationalen Ranking zu messen, wobei die Staaten an der Spitze dieses Rankings stehen, welche die höchste Zahl von Absolventen der weiterführenden Hochschulen in Prozenten der Bevölkerung gerechnet aufweisen. Der Umstand, dass ein Land in diesem Ranking nicht im obersten Viertel angesiedelt ist, vielleicht sogar gegenüber dem Vorjahr einige Plätze nach unten gerutscht ist, wird als Indiz dafür angesehen, dass die Bildungspolitik ihre Ziele verfehlt hat und dass die Politik darauf hinzuwirken hat, wiederum innerhalb dieses Rankings aufzusteigen und möglichst die höchsten Plätze einzunehmen.

 

Dieses Ranking stellt in Wirklichkeit einen recht unvollkommenen Maßstab für den Erfolg einer Bildungspolitik dar. Zunächst stehen die Ergebnisse mit andern Indikatoren wirtschaftlichen Wachstums in Widerspruch. Die Bundesrepublik Deutschland stand in diesem Ranking, seit es Veröffentlichungen darüber gibt, fast immer nur im Mittelfeld, obwohl die Bundesrepublik zu den größten und erfolgreichsten Industrienationen der Welt schon seit sehr langer Zeit steht und obwohl die BRD schon immer im Hinblick auf Patente im obersten Glied stand.

 

Andere Staaten, welche erst vor einiger Zeit das Stadiums eines Schwellenlandes überschritten haben, erreichten im Ranking über den Anteil an Hochschulabsolventen in aller Regel einen Platz vor der BRD. Auch ist es schwer zu erklären, dass die Plätze in diesem Ranking von Jahr zu Jahr stark schwanken, die USA z. B. nahmen in einigen Jahren Spitzenplätze ein und sanken in anderen Jahren stark ab. Man müsste eigentlich erwarten, dass sich grundlegende Veränderungen in der Wirtschaftskraft eines Landes nur sehr langsam verändern werden.

 

Inwieweit solche Rankings einen brauchbaren Maßstab abgeben, hängt auch von der Art der Befragung der einzelnen Probanden ab. Die einzelnen Fragen müssen notwendiger Weise in allen Ländern in gleicher Form formuliert werden. Wenn aber nun ein Prüfungssystem gewählt wird, das bei dem einen Teil der Länder identisch ist mit seinem generell angewandten Überprüfungsverfahren, während in anderen Ländern die Prüflinge eine ganz andere Art der Tests gewohnt sind, hat natürlich die erste Gruppe einen eindeutigen Startvorteil.

 

Wenn dann in einem Land wie in der BRD in einem folgenden Jahr gewisse Fortschritte verzeichnet werden, können diese unter Umständen einfach damit erklärt werden, dass die Probanden auf diese veränderten Prüfmethoden vorbereitet wurden. Nehmen wir als Beispiel die Frage, welche Buchtitel ein Prüfling kennt. Hier könnte allein der Umstand, dass die Lehrer ihre Schüler oder Studenten auf diese Frage aufmerksam gemacht haben, dazu führen, dass dann diese Schüler im Ranking aufsteigen, da sie nun auf Anhieb Büchertitel und deren Inhalt referieren konnten, ohne dass sich aber an dem Wissensstand dieser Gruppe Entscheidendes verändert hat.

 

Der Veröffentlichung dieser Rankings unterliegt die Vorstellung, dass möglichst viele Jugendliche die weiterführenden Schulen mit Erfolg besuchen sollten, unabhängig von der intellektuellen Begabung dieser Probanden und dass der bildungspolitische Erfolg mit dem Platz in diesem Ranking eindeutig korreliert. Diese Annahmen sind jedoch fragwürdig. Erstens nützt die alleinige Zulassung zu den weiterführenden Schulen dem einzelnen Jugendlichen nicht viel, wenn er wegen mangelnder intellektueller Lernfähigkeit den Abschluss nicht schafft oder eine so schlechte Note erzielt, dass er keine Aussicht auf eine Einstellung auf einen seiner Ausbildung entsprechenden Arbeitsplatz hat.

 

Es ist hier zu trennen zwischen dem allgemeinen Bildungsziel und dem Ziel einer Ausbildung. Die allgemeine Bildung bezieht sich auf das Erlernen von Wissen, während es bei der Ausbildung um die Befähigung geht, eine Führungsposition in Wirtschaft oder Politik zu übernehmen. Wird jemand aufgrund mangelnder Lernfähigkeit von der höheren Ausbildung ausgeschlossen, so bedeutet dies nicht gleichzeitig auch einen Ausschluss vom allgemeinen Wissen. Dieses kann heute bei Bedarf fast zum Nulltarif erworben werden. Man benötigt einen Computer und einen Zugang zum Internet, um sich in fast allen Wissensgebieten auf Wunsch einzuarbeiten.

 

Im Zusammenhang mit den Ausbildungszielen hingegen gilt es zu berücksichtigen, dass Führungspositionen stets nur in sehr begrenztem Maße zur Verfügung stehen und je größer die Unternehmungen im Durchschnitt sind, um so geringer ist auch die Anzahl der zu besetzenden Führungsstellen. Immer dann, wenn es nicht gelingt, die Anzahl der ausgebildeten Akademiker dem Bedarf in Wirtschaft und Politik anzupassen, entstehen ernsthafte gesellschaftliche Probleme. Hierbei ist ein Angebotsüberschuss genauso wohlfahrtsmindernd wie ein Nachfrageüberschuss an bzw. nach Akademikern.

 

Werden mehr Akademiker ausgebildet als geeignete Stellen in Wirtschaft und Politik zur Verfügung stehen, so findet ein Verdrängungswettbewerb statt. Die Akademiker finden mangels Führungsstellen, welche die jeweilige akademische Ausbildung verlangen, keinen geeigneten Arbeitsplatz. Sie werden dann auf Arbeitsplätzen beschäftigt, welche in der Hierarchie der Ausbildungsvoraussetzungen an nächst unterer Stelle stehen. Sie verdrängen auf diese Weise die Arbeitskräfte, welche eigentlich für diese Arbeitsstellen geeignet wären und eine Ausbildung erfahren hatten. Diese werden dann auf die in der Hierarchie der Ausbildungsvoraussetzungen jeweils unteren Arbeitsplätzen verwiesen. Diese Verdrängung geht bis zu der untersten Ebene weiter, die für die unterste Ebene geeigneten Arbeitskräfte gehen dann leer aus und finden überhaupt keinen Arbeitsplatz mehr.

 

Bei diesem Verdrängungswettbewerb gibt es eigentlich nur Unzufriedene. Die Akademiker sind mit dieser Situation unzufrieden, da sie für die tatsächlich eingenommenen Arbeitsplätze überqualifiziert sind, sie können das im Studium erlernte Wissen nicht anwenden und werden darüber hinaus mit einem Einkommen abgefunden, das ihren Erwartungen nicht entspricht. Genauso geht es jedoch allen verdrängten Arbeitnehmern, welche auf der jeweils unteren Stufe beschäftigt werden, auch sie sind für den vorhandenen Arbeitsplatz überqualifiziert, auch sie erreichen nicht mehr ein ihrer Ausbildung entsprechendes Lohneinkommen. Für die Arbeitnehmer, welche von der untersten Stufe verdrängt werden, gilt, dass sie arbeitslos werden und als Arbeitsloser wiederum wesentlich weniger als bisher verdienen.

 

Selbst die Unternehmer erfahren wirtschaftliche Einbußen. Im Allgemeinen haben sie den so beschäftigten Akademikern zwar einen geringeren Lohn zu zahlen als wenn diese auf einer Stelle beschäftigt worden wären, die der Ausbildung der Akademiker entsprochen hätte. Es bestehen aber vor allem auch aufgrund der mit den Gewerkschaften im Tarifvertrag vereinbarten Arbeitsplatzbedingungen die Forderung, eine Bezahlung zu garantieren, welche den Ausbildungsgrad der einzelnen Arbeitnehmer berücksichtigt. Dies bedeutet, dass die Unternehmer auf diese Weise zu einer höheren Bezahlung gezwungen werden, ohne dass jedoch auch ein dem Ausbildungsstand entsprechender Ertragszuwachs erwartet werden kann. Es kommt noch hinzu, dass gerade wegen der allgemein verbreiteten Frustration darüber auf einen minderwertigen Arbeitsplatz verwiesen worden zu sein, die Produktivität dieser Beschäftigten geringer als üblich ausfällt.

 

Aber auch dann, wenn weniger Akademiker zur Verfügung stehen als von den Unternehmern nachgefragt werden, entstehen hohe Wohlfahrtsverluste. Wenn nämlich Unternehmungen keine geeigneten Bewerber für ihre Führungspositionen finden, sehen sich die Unternehmer bestenfalls gezwungen, Produktivitätsverluste hinzunehmen, da nicht ausreichend ausgebildete Fachkräfte eingestellt werden mussten. Schlechtestenfalls müssen die Unternehmer mangels eines ausreichenden Angebotes an ausgebildeten Fachkräften auf die sonst mögliche Produktion verzichten. In beiden Fällen sinkt das Niveau des Inlandsproduktes.

 

Es kann also nicht das Ziel einer Bildungspolitik sein, unabhängig von dem vorhandenen Angebot an Führungspositionen so viel Jugendliche wie nur möglich zu einem akademischen Studium zu führen, sondern das Angebot auf dem Ausbildungsmarkt und die Nachfrage auf den Arbeitsmärkten zum Ausgleich zu bringen. Je mehr Akademiker keinen ihrer Ausbildung entsprechenden Arbeitsplatz finden, um so mehr wird nicht nur das wirtschaftliche Wachstum beeinträchtigt, sondern es wächst gleichzeitig die allgemeine Unzufriedenheit, die sich sehr schnell darin äußern kann, dass die radikalen Parteien, welche das freiheitliche und politische Gesellschaftssystem zu revolutionieren versuchen, Zulauf finden und dass die Stabilität unseres Gesellschaftssystems auf diese Weise gefährdet wird.

 

 

 9. Eigentumsordnung und externe Effekte

 

Wir hatten weiter oben festgestellt, dass es für das Funktionieren einer Marktwirtschaft insbesondere zweier Voraussetzungen bedarf. Zwischen den Marktteilnehmern muss erstens ein intensiver (vollständiger) Wettbewerb herrschen und zweitens muss garantiert sein, dass sämtliche Kosten, welche einer Volkswirtschaft im Zusammenhang mit der Produktion entstehen auch den Produzenten und schließlich über den Konsumgüterpreis den Konsumenten eines Produktes angelastet werden.

 

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde im Rahmen der Wohlfahrtstheorie darauf aufmerksam gemacht, dass bei der Produktion nicht alle einer Volkswirtschaft entstehenden Kosten den Produzenten angelastet werden. Die Differenz zwischen den privatwirtschaftlichen und den volkswirtschaftlichen Kosten werden hierbei als externe Kosten bezeichnet. Die Umweltbelastung ist das wohl wichtigste Beispiel externer Kosten. In ähnlicher Weise muss jedoch auch bisweilen damit gerechnet werden, dass nicht alle Erträge, welche bei der Produktion einer Volkswirtschaft entstehen, denjenigen Marktteilnehmern zufallen, welche diese Erträge erwirtschaftet haben. Hier spricht man von externen Erträgen und fasst externe Kosten und Erträge als externe Effekte zusammen.

 

Es ist nun das Verdienst der modernen Wohlfahrtstheorie aufgezeigt zu haben, dass externe Effekte die Marktergebnisse verfälschen und deshalb von einer optimalen Aufteilung der knappen Ressourcen wegführen. Dies gilt einmal für die Allokation. Es wird von den Gütern, bei denen externe Kosten auftreten, zu viel und von den Gütern ohne externe Kosten zu wenig produziert. Gleichzeitig fallen den Produzenten von mit externen Kosten belasteten Gütern zu hohe Erträge (Einkommen) und den übrigen Produzenten jedoch zu geringe Erträge (Einkommen) zu.

 

Arthur Cecil Pigou hatte bereits 1912 in seiner Arbeit über Wealth and Welfare Vorschläge unterbreitet, wie diese suboptimalen Wirkungen externer Kosten vermieden werden können. Er schlug vor, eine (später nach ihm benannte) Steuer zu erheben, deren Höhe gerade der Differenz zwischen volks- und privatwirtschaftlichen Kosten zu entsprechen habe. Gelänge es dem Staat eine so bemessene Steuer zu erheben, entsprächen auch die privatwirtschaftlichen Kosten stets den einer Volkswirtschaft entstehenden Kosten, es gäbe keine externen Kosten mehr, es wäre gelungen, die externen Kosten zu internalisieren und damit würden auch die mit den externen Kosten verbundenen Wohlfahrtsverluste vermieden.

 

Die Schwierigkeit dieses Vorschlages liegt nur darin, dass der Staat gar nicht in der Lage ist, die jeweilige Höhe der externen Kosten zu ermitteln. Kosten stellen ja Preise der knappen Produktionsfaktoren dar und die Preishöhe, bei welcher ein Markt ein Gleichgewicht erreicht, kann nur dann ermittelt werden, wenn auch die wirtschaftlichen Aktivitäten auf Märkten koordiniert werden. Aber genau dies findet nicht statt, wenn  externe Kosten auftreten, es gibt keine Märkte für Ressourcen, welche sich als externe Effekte niederschlagen und weil es diese Märkte nicht gibt, tritt überhaupt das Problem der externen Effekte auf.

 

Erst in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg wurde diese Problematik entscheidend weitergeführt. Die Vertreter der Property-Rights-Bewegung erkannten, dass die eigentliche Ursache für das Auftreten externer Effekte darin liegt, dass für bestimmte Ressourcen keine Eigentumsrechte bestehen und dass gerade deshalb die Unternehmer für die Inanspruchnahme dieser Ressourcen auch keinen Preis entrichten müssen.

 

Im Normalfall liegen knappe Ressourcen im Besitz bestimmter Personen. Es kann nun davon ausgegangen werden, dass diese Eigentümer nur dann bereit sind, diese Ressourcen zur Verfügung zu stellen, wenn der hierfür gezahlte Preis zumindest die Wohlfahrtsverluste abdeckt, welche der Eigentümer dadurch erleidet, dass er selbst diese Ressourcen weder produktiv noch konsumtiv einsetzen kann. Auf normal funktionierenden Märkten kann also davon ausgegangen werden, dass die Produzenten beim Kauf knapper Ressourcen auch für die Kosten (im Sinne von Wohlfahrtsverlusten) aufkommen müssen.

 

Gibt es jedoch Ressourcen, welche knapp sind, aber für die keine Eigentumsrechte definiert wurden, so werden diese wie freie Güter eingesetzt, für welche kein Preis zu entrichten ist. Es ist also die mangelnde Eigentumsordnung, welche das Problem externer Effekte mit seinen negativen Wohlfahrtseffekten hervorruft. Aus diesem Grunde liegt deshalb auch die Lösung dieses Problems darin, dass der Staat auch für diese bisher als freie Ressourcen behandelten Faktoren Eigentumsrechte schafft und garantiert.

 

Das wichtigste Beispiel einer solchen Ressource, welche trotz Knappheit wie ein freies Gut gehandelt werden, ist die Luft bzw. der in der Luft enthaltene lebenswichtige Sauerstoff. Der Bedarf an Sauerstoff ist groß; ohne dass wir ausreichend Sauerstoff einatmen können, wäre ein Überleben nicht möglich. Rein quantitativ betrachtet mag der Vorrat an Luft vollkommen ausreichen, um den Bedarf nach Sauerstoff zu befriedigen. Es ist jedoch in diesem Zusammenhang nicht nur notwendig, dass Luft (Sauerstoff) in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, es ist genauso von Bedeutung, dass diese Luft ihren Nutzen nur dann stiften kann, wenn sie bestimmten qualitativen Merkmalen entspricht.

 

Und in diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass insbesondere aufgrund der industriellen (aber teilweise auch landwirtschaftlichen) Produktion die Luft so verschmutzt wird, also an Qualität einbüßt, dass von ihr hohe Wohlfahrtsbeeinträchtigungen ausgehen. Es ist also nicht so sehr die Menge an Luft, welche knapp ist, sondern der Umstand, dass die Luft Verunreinigungen erfahren hat, aufgrund derer saubere Luft zum knappen Gut wird.

 

Diese Verunreinigung der Luft führt nun auf der einen Seite dazu, dass bestimmte Krankheiten (wie z. B. Krebs) vermehrt in der Umgebung bestimmter Produktionsstätten auftreten und dass auf der anderen Seite die schützende Ozonschicht abgebaut wurde, dass deshalb die Erde stärker als bisher erwärmt wurde, dass aus diesen Gründen die Eiskappen der Pole und der Gletscher schmelzen wird und dass schließlich dieses vermehrte Schmelzwasser zu einem Anstieg des Meeresspiegels und damit dazu geführt hat und weiter führen wird, dass ganze Landstriche im Meer versinken.

 

Als Lösung dieses Problems der Umweltverschmutzung wurde folgerichtig von der Gruppe der Property-Rights-Bewegung vorgeschlagen, dass der Staat Verschmutzungsrechte an die Unternehmungen verkauft, welche Produktionen durchführen, die zu einer solchen Verschmutzung der Umwelt führen. Unternehmungen dürfen dann solche umweltverschmutzenden Produktionen nur durchführen, wenn sie zuvor solche Verschmutzungsrechte erworben haben, wobei der Umfang der zu erwerbenden Verschmutzungsrechte vom Umfang der Produktion und zu erwartender Umweltverschmutzung abhängt.

 

Diese Verschmutzungsrechte werden also dadurch geschaffen, dass der Staat diese Rechte an Unternehmungen verkauft. Diese Rechte können jedoch wie alle knappen Ressourcen von den jeweiligen Eigentümern an der Börse weiterverkauft werden. Und gerade diese Möglichkeit des Veräußerns solcher Rechte trägt nun dazu bei, dass auf lange Sicht der Umfang der Umweltverschmutzung abgebaut werden kann.

 

Die Unternehmungen, welche solche Verschmutzungsrechte besitzen, haben nämlich nun ein massives Interesse daran, neue Produktionsmethoden zu entwickeln, welche die Umweltbelastung aufgrund der Produktion vermindern. Unternehmungen, welche solche umweltschonenden Verfahren entwickelt haben, benötigen nun für eine bestimmte Menge an Produkten weniger Verschmutzungsrechte und können deshalb einen Teil der erworbenen Verschmutzungsrechte an der Börse gewinnbringend verkaufen.

 

Dies ist allerdings erst der erste Schritt. Durch diese Entwicklung allein ist der Umfang der Umweltverschmutzung um nichts verringert worden. Es wird ja davon ausgegangen, dass andere Unternehmungen diese Umweltverschmutzungsrechte erwerben werden, sodass in ihrer Gesamtheit der Umfang der Verschmutzung durch diesen ersten Schritt noch nicht verringert wurde. Allerdings wenden einige Unternehmungen bereits umweltschonende Verfahren an und dies hat zur Folge, dass bei dem bisherigen Umfang an Umweltbelastung insgesamt mehr Güter erzeugt werden und damit auch die Gesamtwohlfahrt bereits angestiegen ist.

 

In einem zweiten Schritt kommt zum Zuge, dass gerade deshalb, weil die Unternehmungen nun in dem Maße Kosten aufwenden müssen, in dem ihre Produktionen die Umwelt verschmutzen und die Unternehmer diese zusätzlichen Kosten auf den Güterpreis weiterwälzen, mittelfristig die Nachfrage nach Gütern, bei denen die Umweltbelastung groß ist, zurückgeht. Es ist ein Gewinn im Hinblick auf die Umwelt, wenn die Produktion zugunsten der umweltfreundlichen und zuungunsten der umweltbelastenden Produkte umstrukturiert wird.

 

In einem dritten Schritt wird gerade dadurch, dass umweltfreundlichere Verfahren entwickelt wurden, dem Staat die Möglichkeit eröffnet, einen Teil der Verschmutzungsrechte zurückzukaufen, ohne dass befürchtet werden muss, dass hierdurch das Wachstumsniveau der Volkswirtschaft und damit unter Umständen auch der Beschäftigtenumfang reduziert wird. Damit ist langfristig garantiert, dass auch die gesamte Menge an Umweltverschmutzung in einer Volkswirtschaft zurückgeht.

 

Damit allerdings diese positiven Wirkungen eintreten, müssen bei der Ausgabe der Verschmutzungsrechte gewisse Voraussetzungen erfüllt werden. Erstens muss die Stückelung dieser neu zu schaffenden Verschmutzungsrechte an Kriterien ansetzen, welche den Grad der Verschmutzung zum Ausdruck bringen. So könnte z. B. ein Umweltzertifikat das Recht beinhalten, eine ganz bestimmte Menge an Kohlendioxid oder auch eines andern Umweltgiftes im Zusammenhang mit der Produktion bestimmter Güter in die Luft abzuführen. Negativ ausgedrückt darf dieses Recht nicht an die Anbringung ganz bestimmter Filteranlagen gekoppelt werden. Der Prozess der Vermeidung von Umweltverschmutzung wird ja gerade nur deshalb angestoßen, weil es den Unternehmungen frei gestellt wird, auf welchem Wege sie die giftigen Gase abführen, nur auf diese Weise haben die Unternehmungen einen Anreiz, umweltfreundlichere Techniken zu entwickeln.

 

Zweitens sollten auf jeden Fall auch die vom Staat kreierten Verschmutzungsrechte verkauft werden. Denn nur in diesem Falle steigen die Unternehmerkosten und damit auch die Preise der umweltbelastenden Güter und nur in diesem Falle haben die Verbraucher einen Anreiz, weniger von den Gütern nachzufragen, bei denen besonders viel Umweltgifte erzeugt werden. Schließlich kann nur in dem Falle, in dem die anfänglichen Rechte verkauft wurden, vom Staat im dritten Schritt wiederum ein Teil der ausgegebenen Verschmutzungsrechte zurückgekauft werden, ohne dass der Staat zusätzliche Steuermittel einsetzen muss, deren Einsatz unter Umständen wiederum das Wachstum und die Beschäftigung verringern würde.

 

Bisweilen wird von dieser Regel abgewichen und vorgesehen, dass der Staat im ersten Schritt in dem Umfang Verschmutzungsrechte unentgeltlich abgibt, in dem bereits bisher die Umwelt verschmutzt wurde. Bei einem solchen Vorgehen wird der Prozess der Verminderung von Umweltbelastungen sehr viel langsamer und weniger effizient vorangetrieben, da zunächst die Preise der umweltbelastenden Güter nicht ansteigen würden und deshalb die Nachfrage der Konsumenten nach diesen Gütern unverändert bliebe. Ein Rückgang der Umweltbelastung würde nur unter Inkaufnahme von Wachstumsverlusten und dadurch bedingt von Beschäftigungsrückgängen möglich werden.

 

Ganz generell kann natürlich in der Schaffung von Verschmutzungsrechten kein Allheilmittel gesehen werden, das in jedem Falle das Problem externer Effekte befriedigend löst. Wie auf allen Märkten besteht auch auf den hier neu geschaffenen Märkten für Verschmutzungsrechte immer die Gefahr, dass monopolistische Aktivitäten entfaltet werden oder dass Verhaltensweisen zum Zuge kommen, welche moralischen Vorstellungen widersprechen. Hier gilt wie für alle Märkte, dass jedes marktwirtschaftliche System einer Rahmenordnung bedarf, aufgrund derer Monopole kontrolliert werden und Verhaltensweisen unterbunden werden, die den moralischen Werten widersprechen.

 

Fortsetzung folgt!