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Grundzüge der politischen Ökonomie

 

 

  Gliederung:

 

  1. Einführung

  2. repräsentative Demokratie

  3. Bürokratie

  4. Verbände

  5. Direkte Demokratie

  6. Diktatur

  7. Recht

  8. Haushalt

  9. Familie

 

 

 

 

Kapitel 6: Diktatur

 

 

 

Gliederung:

 

1. Das Problem

2. Die verschiedenen Formen einer Alleinherrschaft

3. Die Rolle der Ideologie

4. Die zentrale Stellung der Partei

5. Das Umfunktionieren der Wahlen

6. Die Rolle des Parlaments

7. Die Bedeutung der Staatsbürokratie

8. Die einzelnen Wettbewerbsmittel

9. Umsturz und Revolution

 

 

1. Das Problem

 

Die vorhergehenden Kapitel dieser Vorlesung befassten sich mit den demokratischen Staatsformen. Wir wollen uns in diesem folgenden Kapitel mit der Diktatur im Besonderen und ganz allgemein mit monarchischen Staatsformen beschäftigen. Genauso wie im Rahmen der Wirtschaftstheorie nicht nur die Marktwirtschaft, sondern auch ihr Gegenstück die Zentralverwaltungswirtschaft (oft auch als staatliche Planwirtschaft bezeichnet) analysiert wird, gilt es auch innerhalb der politischen Ökonomik diejenigen Staatsformen zu umschreiben, welche einer Demokratie entgegengesetzt aufgebaut sind.

 

Im Rahmen der marktwirtschaftlichen Diskussion steht der Wettbewerb der Marktteilnehmer im Mittelpunkt der Betrachtung. Auf der einen Seite hängen die Ergebnisse des marktwirtschaftlichen Systems ganz entscheidend von der Art und der Intensität des Wettbewerbs ab und dieser unterschiedliche Wettbewerb wird im Rahmen der Marktformenlehre untersucht. Auf der anderen Seite versuchte man in der Wohlfahrtstheorie den Nachweis zu erbringen, dass nur unter den Bedingungen des Wettbewerbs – und einer Reihe weiterer Bedingungen – das wirtschaftliche Zentralproblem: die Ausrichtung der Produktion am Bedarf der Konsumenten bestmöglich wahrgenommen werden kann.

 

In ähnlicher Weise kommt auch in den politökonomischen Analysen der einzelnen Staatsformen dem Wettbewerb zwischen den Politikern eine zentrale Bedeutung zu. Auf der einen Seite wird auch hier davon ausgegangen, dass es vor allem dem Wettbewerb der Politiker zu verdanken ist, dass letztendlich trotz Machtstrebens der politischen Führer die politischen Lösungen den Vorstellungen der Bevölkerung ausgedrückt im Willen der Mehrheit entsprechen.

 

Auf der anderen Seite unterscheiden sich die einzelnen Staatsformen darin, welche Art von Wettbewerb zwischen den einzelnen Staatsorganen stattfindet. Rein formal gesehen zeichnen sich zwar Diktaturen und Monarchien dadurch aus, dass gerade keine Wahl zwischen verschiedenen Politikern veranstaltet wird, der Staat wird – wie der Name Monarchie bereits andeutet – nur von einem Staatsmann geleitet. Bei näherem Hinsehen muss man jedoch erkennen, dass auch in Diktaturen und Monarchien sehr wohl ein Wettbewerb um die Macht stattfindet, sodass der wesentliche Unterschied zwischen beiden Gesellschaftssystemen eher darin besteht, dass unterschiedliche Arten des Wettbewerbs verwirklicht sind.

 

So muss vor allem festgehalten werden, dass im Gegensatz zu den Demokratien in Monarchien und Diktaturen der Wettbewerb nicht vor dem Volke ausgetragen wird. Nicht die Bevölkerung ist der Schiedsrichter, der darüber entscheidet, wer dann die Geschicke eines Volkes leiten kann.

 

Wir haben in den einleitenden Kapiteln dieser Vorlesung bereits darauf hingewiesen, dass im Rahmen der politikökonomischen Analysen immer davon ausgegangen wird, dass sich die Politiker in allererster Linie vom Machtstreben leiten lassen. In dieser Frage bestehen zwischen den einzelnen Staatsformen keine wesentlichen Unterschiede. Wir können nicht erwarten, dass Politiker ihre eigenen Interessen stets zurückstellen und bestrebt sind, das Gemeinwohl der Bevölkerung zu realisieren.

 

Trotzdem besteht ein ganz entscheidender Unterschied zwischen Demokratien und Monarchien. Die demokratischen Staatsformen zeichnen sich dadurch aus, dass es eine Ordnung gibt, welche die einzelnen Interessen so kanalisieret, dass im Endergebnis ein Politiker genau dann seinem Ziel der Machtausübung nahekommt, wenn er solche Handlungen durchführt, die der gesamten Bevölkerung zugute kommen. Genau in dieser Frage unterscheidet sich eine Demokratie von einer Monarchie. Es fehlt hier ein System, das sicherstellt, dass auch immer das Gemeinwohl der Bevölkerung letztendlich erreicht wird. Die einzelnen Entscheidungen werden nach ganz anderen Kriterien ausgewählt.

 

Wir wollen unsere Analyse damit beginnen, dass wir in einem ersten Schritt die wichtigsten im Verlaufe der Geschichte realisierten Formen der Monarchie und Diktatur vorstellen. Es folgen dann die wichtigsten Merkmale, wobei wir uns hier im Wesentlichen auf die Merkmale der modernen Diktatur beschränken wollen, da Könige und Kaiser in der modernen Welt nur noch eine unbedeutende Rolle spielen.

 

Wir wollen als erstes überprüfen, welche Rolle der Ideologie innerhalb einer Diktatur zukommt. Wir werden dann als zweites die entscheidende Bedeutung der Partei als Machtzentrale herausarbeiten. An dritter Stelle wird aufgezeigt, dass in den meisten modernen Diktaturen nach wie vor allgemeine Wahlen stattfinden, obwohl die Aufgabe dieser Wahlen eben gerade nicht darin besteht, dass die Bevölkerung unter mehreren Alternativen auswählen kann. An vierter Stelle wird dargestellt, dass bei allen Unterschieden in der Ideologie die Parteiführer sich auf einen zentralen Polizeiapparat sowie auf eine der Partei untergeordnete Streitmacht stützen. An fünfter Stelle soll dann herausgearbeitet werden, welcher Mittel sich die Diktatoren bedienen, um unerwünschte Konkurrenten abzuwehren. Zum Schluss soll dann sechstens gezeigt werden, dass eine Abwahl von Diktatoren nahezu immer nur durch einen Staatsstreich, also eine Revolution möglich ist.

 

 

2. Die verschiedenen Formen einer Alleinherrschaft

 

Eine der ältesten Formen einer Alleinherrschaft war das Wahlkönigtum im Altertum. Zunächst waren es die freien Bürger der einzelnen Stämme, welche einen König ausriefen. Das Bedürfnis nach einem König entwickelte sich vor allem aufgrund der äußeren Bedrohungen, denen sich die einzelnen Völker ausgesetzt sahen. Nur dadurch, dass die einzelnen Krieger von einem Heerführer angeführt wurden, ließen sich die äußeren Feinde abwehren. Aber auch in Friedenszeiten wurden Persönlichkeiten benötigt, welche vor allem innere Zwiste zu schlichten hatten.

 

Ein Wahlkönigtum findet sich auch im Mittealter, so vor allem im Heiligen Römischen Reich. Hier wurde seit 1198 der Kaiser von den Kurfürsten, einem kleinen Gremium von mächtigen Fürsten gewählt. Seit 1257 wurde dann der Kaiser von den sieben Kurfürsten und zwar den Erzbischöfen von Trier, Mainz und Köln sowie von dem Herzog von Sachsen, dem Markgrafen von Brandenburg und dem König von Böhmen gewählt. Die Goldene Bulle – von Kaiser Karl IV. 1356 erlassen – legte fest, das allein die sieben Kurfürsten zur Wahl des deutschen Kaisers berechtigt waren. Die Kaiser hatten sich zu verpflichten, das Kaiserreich nicht in eine Erbmonarchie zu verwandeln.

 

1623 wurde die pfälzische Kur dem bayerischen König übertragen, aber 1648 erhielt die Pfalz erneut die Kurwürde als 8. Kurwürde. 1692 schließlich erlang Braunschweig-Lüneburg (Hannover) eine 9. Kurwürde. Das Heilige Römische Reich deutscher Nation dauerte bis 1806.

 

Die Macht des Kaisers war allerdings stark durch die Reichsstände beschränkt, welche Ende des 15. Jahrhunderts aus den Hoftagen der Könige und Kaiser hervorgingen und die bei allen wichtigen für das Reich verbindlichen Entscheidungen mitgewirkt haben. Der Kaiser war auf die Mitwirkung der anderen Fürsten angewiesen, da er weder über ein eigenes Reichsherr noch über eigene Reichssteuern verfügte. Der Versuch des vom Wormser Reichstag des Jahres 1495 beschlossene »Gemeine Pfennig« als eine jedem Untertanen im Reich auferlegte kombinierte Kopf- und Vermögenssteuer einzuführen, hatte keinen Bestand. So hing die tatsächliche Gewalt des Kaisers entscheidend davon ab, ob er als König oder Fürst über ausgedehnte Landesgebiete und damit auch über ein eigens Heer und eigene Finanzmittel verfügte.

 

In den einzelnen Ländern, aus denen das deutsche römische Reich bestand sowie in den meisten europäischen Staaten wie vor allem in Frankreich und England entwickelte sich eine zweite Form der Monarchie: das Erbkönigtum. Hier verblieb die Königswürde in dem jeweiligen Herrscherhaus, wobei eine genau fixierte Erbfolge festlegte, auf welchen Nachkommen die Königswürde bei Ableben des bisherigen Herrschers fiel.

 

Auch die Könige einer Erbmonarchie waren oftmals durch die Vertretungen der Reichsstände, welche den Adel, die Fürsten und die Bürger und Bauern umfassten, in ihrer Machtfülle eingeschränkt. So hatten z. B. in Frankreich die Stände dem König das Recht abgetrotzt, dass die Erhebung von Grundsteuern vom Ständeparlament genehmigt werden mussten. Die absolutistischen Könige des 16. Und 17. Jahrhunderts waren bemüht, diese Beschränkungen durch die Stände abzuschütteln, vor allem dadurch, dass sie indirekte Steuern einführten, welche nicht von den Ständen bewilligt werden mussten. Diese Steuereinnahmen dienten dann dazu, einen Beamtenapparat sowie ein  stehendes Heer zu finanzieren. Auf diese Weise konnten die absolutistischen Herrscher einerseits auf die Dienste der Adligen am Hof weitgehend verzichten, andererseits waren sie nun nicht mehr darauf angewiesen, dass die Adligen mit Waffen ausgerüstete Krieger stellten.

 

In der modernen Zeit sind es vor allem Diktaturen, welche eine Alleinherrschaft verwirklichen. Allerdings kannte auch schon das Altertum Formen der Diktatur, die als Tyrannen bezeichnet wurden.

 

Den unterschiedlichsten Arten einer Diktatur ist gemeinsam, dass sie weder durch Erbfolge noch durch Wahl an die Spitze des Staates rücken, sondern über einen Umsturz der bestehenden Staatsordnung. Stirbt allerdings ein Diktator, so hat er in aller Regel bereits einen Nachfolger benannt, auch gibt es Fälle, wo der Nachfolger von einem mächtigen Parteivorstand bestimmt wird.

 

Die modernen Diktaturen unterscheiden sich insbesondere in der Ideologie, mit der sie ihre Herrschaft rechfertigen und sicherstellen, dass die Bevölkerung die Diktatur duldet. Es lassen sich vor allem drei verschiedene Ideologien zur Rechtfertigung einer diktatorischen Machtausübung unterscheiden. Die linksgerichteten kommunistischen Diktaturen vor allem der vergangenen Sowjet-Union stützten sich auf die Lehren von Karl Marx und Friedrich Engels, wonach der geschichtliche Prozess zwangsläufig dazu führt, dass das kapitalistische System abgelöst würde durch ein sozialistisches System, welches die Interessen der arbeitenden  Bevölkerung vertrete und den Kapitalismus dadurch überwinde, dass das Erwerbsvermögen in Staatshände gelegt wird.

 

Demgegenüber stützen sich die rechtsgerichteten faschistischen Diktaturen auf Vorstellungen der Überlegenheit der eigenen Rasse gegenüber anderen Rassen, aus der sie dann das Recht ableiten, Bürger, welche nicht dieser Herrenrasse angehören, zu vernichten oder zumindest zu versklaven. Dem Überlegenheitswahn entspricht dann auch das Bestreben, andere Länder, welche nicht der Herrenrasse angehören, zu bekriegen und zu unterwerfen.

 

Eine dritte Art der modernen Diktatur entwickelte sich aus religiösen, hier insbesondere islamitischen Vorstellungen, auch hier auf Erden einen Gottesstaat errichten zu müssen, in dem die im Koran festgelegten Gebote unmittelbar vom Staat durchgesetzt werden.

 

 

3. Die Rolle der Ideologie

 

Wir hatten schon im vorigen Abschnitt gesehen, dass die Ideologie gerade im Rahmen der modernen Diktaturen eine besondere Bedeutung einnimmt. Wir wollen uns deshalb in diesem Abschnitt etwas ausführlicher mit der Rolle der Ideologie in diesen Staatsformen auseinandersetzen.

 

Im Kapitel über die repräsentative Demokratie haben wir gesehen, dass es von entscheidender Bedeutung ist, zwischen den Motiven zu unterscheiden, von denen sich die Politiker leiten lassen und den Auswirkungen, welche von den politischen Handlungen auf das allgemeine Wohl der Bevölkerung ausgehen. Diese Unterscheidung ist natürlich für jedes politische System, also auch für die modernen Diktaturen von Bedeutung.

 

Eine ähnliche Bedeutung kommt jedoch einer weiteren Unterscheidung zu: nämlich der Ideologie, welche von den Macht ausübenden Politikern vorgetragen wird. Nahezu jede Diktatur ist durch eine solche Ideologie geprägt, nur ganz wenige Diktatoren treten vor die Öffentlichkeit und bekennen, dass sie sich allein vom reinen egoistischen Machtstreben leiten lassen. Sie benötigen der Ideologie zur Rechtfertigung dafür, dass sie nicht bereit sind, die Bevölkerung ähnlich wie in einer Demokratie an den politischen Entscheidungen auf direkte oder auch indirekte Weise zu beteiligen.

 

Aber auch im Hinblick auf die jeweils vorgetragene Ideologie gilt, dass die Ideologie weder mit dem eigentlichen Motiv noch mit den Auswirkungen zusammenfällt, welche von den Diktaturen auf das Gemeinwohl der Bevölkerung ausgehen. Denn nur dann, wenn das jeweils geltende politische System Anreizsysteme und Spielregeln kennt, aufgrund derer die Machtinteressen der Diktatoren so kanalisiert werden, dass im Endergebnis die Politiker genau das bewirken, was auch den Wünschen der Bevölkerung (also dem Mehrheitswillen) entspricht, können wir davon sprechen, dass das Gemeinwohl auch in dieser Staatsform im Allgemeinen zum Zuge kommt.

 

Bei der Besprechung der repräsentativen Demokratie hatten wir gesehen, dass wir nicht davon ausgehen können, dass die Politiker stets ihre Entscheidungen am Gemeinwohl ausrichten. Warum sollten wir im Gegensatz hierzu für einen Diktator unterstellen, dass er sich weniger von seinen eigenen Machtinteressen leiten lässt? Das Durchsetzen eigener Interessen gegebenenfalls auch gegen den Willen der Bevölkerung ist vielmehr um so eher zu erwarten, je größer die Macht ist, mit welcher der einzelne Politiker ausgestattet ist. Und es kann kein Zweifel bestehen, dass der Diktator mit einer wesentlich größeren Macht ausgestattet ist als der Politiker im Rahmen einer Demokratie. Die geschichtliche Erfahrung lehrt uns, dass Macht korrumpiert, um so mehr je größer die Macht ist, dies gilt für alle Gesellschaftsbereiche, ob Wirtschaft, Politik oder Kultur und dies gilt auch für alle Staatsformen.

 

Von Anhängern einer kommunistischen Ideologie hört man immer wieder, dass sie das kommunistische System verteidigen, zwar hätte der reale Kommunismus so wie er im Rahmen des Sowjetbolschewismus ausgeübt wurde zu vielen unberechtigten und verwerflichen Maßnahmen geführt, aber die grundlegende Idee des Kommunismus sei doch richtig und nachstrebenswert.

 

Demgegenüber muss betont werden, dass die Ideen der Gerechtigkeit und des Schutzes der Armen keine Erfindung von Karl Marx und Friedrich Engels, schon gar nicht von Lenin oder Stalin waren. Diese Ideen  wurden bereits unter anderem zunächst von den Juden entwickelt, später von den Christen und zumindest zum Teil auch vom Islam übernommen. Man muss kein Kommunist sein, um für eine Verteilungsgerechtigkeit und für einen Schutz der Ärmeren einer Gesellschaft einzutreten.

 

Eigenartiger Weise sind gerade die Kommunisten nicht bereit, die Erkenntnisse, welche Karl Marx im  Hinblick auf die Bedeutung der Ideologie für den Kapitalismus formuliert hatte, auch für den Kommunismus anzuerkennen. Karl Marx übernahm bekanntlich die Vorstellung von Friedrich Hegel, dass sich die Geschichte in einem Dreierschritt von These, Antithese und Synthese entwickle. Marx war allerdings der Meinung, dass die Hegel’schen Vorstellungen, die Geschichte werde durch die Ideen bestimmt, die Wirklichkeit auf den Kopf stelle und dass deshalb die Hegel’sche Lehre auf die Füße gestellt werden müsste.

 

In Wirklichkeit seien es die materiellen Gegebenheiten, welche den geschichtlichen Prozess bestimmten, die Ideen hätten hierbei lediglich die Funktion als Ideologie und Rechtfertigung der herrschenden Klasse zu fungieren. Wenn diese Erkenntnis für die kapitalistische Gesellschaft gilt, ist sie erst recht für die modernen Diktaturen richtig. Gerade der Umstand, dass die Diktaturen eine zentralistische Struktur aufweisen, die auf einen Führer hinweisen, bringt es mit sich, dass diese Staatsform viel mehr einer Ideologie bedarf als die demokratischen Systeme, welche aus einem Wettbewerb vieler Politiker hervorgehen.

 

Aus diesen Gründen werden die Diktaturen auch gar nicht in erster Linie von der jeweiligen Ideologie geprägt. Auch dann, wenn die einzelnen Diktaturen von recht unterschiedlichen Ideologien ausgehen, die Wirkungsweise aller modernen Diktaturen gleichen sich trotzdem.

 

Natürlich erfüllen die unterschiedlichen Ideologien stets eine gewisse Funktion zur Erhaltung der Diktatur. Auch dann, wenn es in einer Diktatur nur einen Führer gibt, der die politischen Grundlinien bestimmt, benötigt jede Diktatur der Mitwirkung größerer Bevölkerungsschichten. Und in der Frage, welche Bevölkerungsgruppen im Einzelnen angesprochen werden, unterscheiden sich in der Tat die einzelnen Formen der Diktatur. Für den Kommunismus sind es die Arbeiter, welche quasi als Fußvolk die kommunistischen Führer zu unterstützen haben. Die Ideologie der faschistischen Diktaturen hingegen versuchte die Mitglieder der überlegenen Rasse, die Herrenmenschen anzusprechen und für ihre Ideen einzusetzen. Für die islamische Diktatur ist es die Idee des Gottesstaates hier auf Erden und jeder wahrhaft Gläubige ist der eigentliche Ansprechpartner.

 

Obwohl sich also die einzelnen modernen Diktaturen in ihrer Ideologie sehr wohl unterscheiden, muss festgehalten werden, dass diese unterschiedlichen Ideologien immer ein und denselben Zweck erfüllen, nämlich die Sicherstellung der Machterhaltung der herrschenden Gruppe zu gewährleisten.

 

 

4. Die zentrale Stellung der Partei

 

Wir kommen nun zu dem Kernstück der modernen Diktaturen, der Partei, welcher in diesen Staatsformen eine zentrale Rolle zukommt. Zwar gibt es auch in repräsentativen Demokratien Parteien, diese sind jedoch dort lediglich eine Institution unter anderen, andere politische Institutionen wie vor allem die Wahlen und das Parlament üben die dem Staat zugedachten Funktionen in viel stärkerem Maße als eine demokratische Partei aus. Diese Unterscheidung in der Rolle einer Partei gilt sowohl im Hinblick auf die Machtfülle als auch in den speziellen Funktionen, welche einer Partei in den unterschiedlichen Staatsformen zukommt.

 

Als erster Unterschied ist hervorzuheben, dass es in einer modernen Diktatur immer nur eine, die alles beherrschende Partei gibt, während in einer Demokratie stets mehrere, oft sogar eine Vielzahl von Parteien nebeneinanderbestehen.

 

In einer repräsentativen Demokratie konkurrieren die einzelnen Parteien gegenseitig um die Macht. Wenn aufgrund des Wahlausgangs eine Partei die Mehrheit der Wählerstimmen erreicht hat, fallen den Politikern dieser Partei zwar die politische Macht zu, trotzdem ist diese Macht im Vergleich zu der Partei einer Diktatur in mehrerer Hinsicht beschränkt. Sie gilt nur für eine Legislaturperiode, am Ende der Legislaturperiode haben sich alle Parteien erneut der Wahl zu stellen und man kann auch nicht davon sprechen, dass die Partei, welche bisher die Regierung gestellt hat, größere Startchancen als die anderen Parteien hat. Zwar bringt der Umstand, dass eine Partei als Regierungspartei über den Staatsapparat verfügt, durchaus gewisse Vorteile gegenüber den bisherigen Oppositionsparteien, diesem Vorteil steht jedoch der Nachteil gegenüber, dass sich die Regierungspartei an ihren eigenen Ergebnissen messen lassen muss, während die Opposition es leichter hat, zu versprechen, dass sie es besser machen wird als die bisherige Regierungspartei.

 

Ein weiterer Unterschied in der Position der Parteien innerhalb der verschiedenen Staatsformen liegt darin, dass die Macht der demokratischen Parteien auf die in der Verfassung umschriebenen Aktivitäten beschränkt ist, während sich die Partei einer Diktatur in aller Regel über die Verfassung stellen kann. Formal gesehen gibt es zwar in fast allen Diktaturen auch eine Verfassung, die sogar in ähnlicher Weise wie die Verfassungen der Demokratien Freiheitsrechte festlegt, die Praxis zeigt jedoch, dass die Diktatoren nicht bereit sind, sich an diese Beschränkungen zu halten, die Verfassungen dienen nur als Alibi gegenüber dem Ausland, ohne dass sie den Machthabenden irgendwelche Grenzen auferlegen.

 

 Folgt man den Ausführungen Joseph Schumpeters, dem Begründer der Politökonomik, so stellen die Parteien Organisationen dar, die gegründet wurden, einem Politiker, der sich für das Präsidentenamt bewirbt, zur Wahl zu verhelfen. Die Beschränkung auf diese Funktion einer Wahlhilfe mag zwar in den Anfängen der repräsentativen Demokratie in den USA gegolten haben, in der Zwischenzeit beschränken sich die Parteien in den USA nicht nur auf diese Aufgaben, sie sind schon lange Organisationen, die durch ihr Parteiprogramm beschrieben werden und die auch die Wahl zum Präsidentenamt überstehen. In den europäischen Demokratien hatten die Parteien ohnehin schon seit jeher diese weitergehenden Funktionen. Trotzdem kann man davon sprechen, dass die eigentliche Funktion einer Partei in einer repräsentativen Demokratie darin besteht, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die eigenen Abgeordneten bei der Wahl gewinnen und somit im Parlament über die Mehrheit der Abgeordnetensitze verfügen.

 

Demgegenüber stellt die Partei in einer modernen Diktatur die zentrale Schaltstelle schlechthin dar. Von ihr gehen die Weisungen an alle anderen Organe des Staates aus. Die Regierung sowie das Parlament – falls es überhaupt noch tagt – sind mehr oder weniger Befehlsempfänger der Partei.  Diese Beziehungen gelten zunächst für das Verhältnis zwischen Parteiführung und dem Regierungsapparat. Bei der Analyse der repräsentativen Demokratie hatten wir zwar auch gesehen, dass von der Idee her die Regierung die Exekutive darstellt, welche die vom Parlament verabschiedeten Gesetze ausführt. Wir hatten aber gesehen, dass aus den verschiedensten Gründen der staatlichen Bürokratie eine viel größere Machtfülle zukommt, als dies eigentlich vom Prinzip der Gewaltenteilung her angedacht war. Aber auch schon von der demokratischen Zielsetzung her hat die Exekutive unabhängig zu sein. Diese Unabhängigkeit verliert die Regierung, sie ist nun nicht Ausführungsorgan der Legislative, sondern der Partei.

 

Weiterhin ist auch die Stellung der Partei gegenüber dem Parlament in der modernen Diktatur eine ganz andere als in der repräsentativen Demokratie. Bei den Abstimmungen im Parlament geht es nur darum, die von der Parteiführung festgelegten Entscheidungen zu bestätigen, also abzunicken. Natürlich wird auch in einer repräsentativen Demokratie eine gewisse Parteidisziplin verlangt, ohne die keine Regierung funktionsfähig bleiben kann. Trotzdem muss die Regierung in einer repräsentativen Demokratie immer darum bangen, ob ihr Gesetzesentwurf auch im Parlament die erforderliche Mehrheit findet, schließlich ist der einzelne Abgeordnete nur seinem Gewissen verantwortlich und im allgemeinen gibt es sehr wohl fast immer mehrere relativ starke Flügel einer Partei, die sich keineswegs als reine Befehlsempfänger der Regierungsspitze verstehen.

 

Das Prinzip der Gewaltenteilung ist aber nicht nur in dem Verhältnis der Regierungspartei zur Exekutiven sowie zur Legislative durchbrochen, die starke Trennung von Exekutive und Rechtssprechung, die sich im Ansatz in jedem freiheitlichen Rechtsstaat findet, wird in der Diktatur ebenfalls nicht eingehalten. Auch die Staatsanwaltschaft sowie die Richter sind in der Diktatur keineswegs unabhängig, sondern folgen den von der Partei beschlossenen Vorgaben. Dass in den meisten Diktaturen überhaupt noch ein von der Partei getrenntes Richteramt vorgesehen ist und die Verfassungen formal gesehen den Richtern die Befugnisse der Beurteilung der Straftaten zugestehen, hat allein die Funktion, nach außen gegenüber anderen demokratischen Staaten den Eindruck zu erwecken, dass auch in der Diktatur die rechtsstaatlichen Prinzipien eingehalten werden.

 

Die Partei in einer Diktatur erfüllt auch gegenüber der Bevölkerung eine ganz andere Funktion als die Parteien in einer repräsentativen Demokratie. In einer Demokratie werben die Parteien um die Gunst der Wähler. Auf der einen Seite haben die Abgeordneten gewissermaßen das Ohr am Puls der Bevölkerung, sie versuchen herauszufinden, welche Bedürfnisse im Hinblick auf politische Lösungen die Mehrheit der Bevölkerung hat. Auf der anderen Seite versuchen die Parteien natürlich auch ihre Vorstellungen von einer befriedigenden Ordnung durchzusetzen, sie sind sich jedoch darüber im Klaren, dass das letzte Wort der Wähler hat und dass es den Abgeordneten, welche sich zur Wahl stellen, obliegt, bei der Bevölkerung um ihre Ideen zu werben.

 

In der modernen Diktatur hingegen ist auch die Bevölkerung Befehlsempfänger der Parteien. Letztere verfügen darüber, welche Einheitsliste bei den Wahlen zu wählen ist. Hierzu muss die Bevölkerung von der Richtigkeit der Parteibeschlüsse überzeugt werden, die Parteizentrale wird zum Indoktrinationsorgan. Hierbei kommt es noch nicht einmal in erster Linie darauf an, sicher zustellen, dass der einzelne Wähler auch die von der Partei gesetzten Vorgaben wählt. Dieses Ziel kann die Parteiführung auch dadurch erreichen, dass die Wahlabgabe nicht geheim, sondern öffentlich erfolgt oder dass die Wahlzettel einfach gefälscht werden.

 

Viel wichtiger ist es, die Bevölkerung bei der Stange zu halten, zu verhindern, dass sie in die geheime Opposition abwandert und auf diese Weise die Gefahr eines Umsturzes bewirkt. Wie wir noch weiter unten sehen, ist keine noch so starke Diktatur so stark, dass ein Umsturz vollkommen unmöglich wird. Eine im Untergrund agierende Opposition kann auch in einer Diktatur nicht unbegrenzt kontrolliert und zerschlagen werden, auch besteht die Gefahr, dass innerhalb der Partei selbst Widerstand erwächst, der schließlich zum Umsturz führen kann. Im Gegensatz zu der im Geheimen operierenden Opposition in der Bevölkerung, verfügen mögliche Rivalen innerhalb der Parteiorganisation sehr wohl über die Macht, gegebenenfalls eine Ablösung eines Diktators zu erzwingen.

 

Damit kommen wir zu einem letzten Unterschied in den Parteifunktionen zwischen Demokratie und Diktatur. Auch das Innenverhältnis, die Beziehungen zwischen den einzelnen Parteimitgliedern und der Parteiführung gestaltet sich in Diktaturen anders als in den Demokratien. Die Partei einer Diktatur ist straff gegliedert, weist eine hierarchische Untergliederung auf, Die Weisungen erfolgen stets von oben nach unten. Je mehr ein einzelnes Parteimitglied in dieser Hierarchie aufrückt, um so mehr steigen seine Machtbefugnisse.

 

Auch die Parteien kennen natürlich eine hierarchische Gliederung, auch hier hat die Parteispitze das Sagen. Trotzdem besteht ein entscheidender Unterschied in der Struktur der Parteien. In demokratischen Organisationen besteht nicht nur eine einseitige Weisungsrichtung nach unten. An der Erarbeitung der Parteiprogramme und politischen Zielsetzungen wirken im Grunde genommen alle Parteimitglieder mit. Es liegt dann eher am Engagement des Einzelnen, wie schnell er in der Parteihierarchie aufsteigt, er kann auch dadurch Einfluss gewinnen, dass er nicht die Führungsspitze, sondern eben die Mehrheit der Parteimitglieder von seinen Ideen überzeugt. In einer Diktatur ist es hingegen wohl kaum möglich, dass ein untergeordnetes Parteimitglied gegen den Willen der Parteispitze allein durch die Kraft seiner Argumente an Einfluss innerhalb der  Partei gewinnt.

 

 

5. Das Umfunktionieren der Wahlen

 

Die allgemeinen Wahlen zum Parlament stellen im Rahmen der repräsentativen Demokratie die wichtigste Institution dar, die sicherstellen soll, dass die politischen Entscheidungen am Willen der Bevölkerung ausgerichtet werden. Im zweiten Kapitel haben wir gesehen, dass Voraussetzungen dafür, dass diese Ziele auch tatsächlich erreicht werden, darin bestehen, dass erstens den Wählern echte Alternativen geboten werden, und dass zweitens diese Wahlen allgemein, gleich und geheim sind. Ein Politiker mag noch so sehr Macht angesammelt haben und gegen den Willen der Mehrheit verstoßen haben, spätestens bei der nächsten Wahl hat die Mehrheit des Volkes die Möglichkeit, unliebsame Politiker abzuwählen.

 

In der Natur einer Diktatur liegt es, dass der Diktator nicht vom Volke gewählt wird und zumeist durch einen Umsturz an die Macht kommt und dass er auch nicht gewillt ist, seine einmal errungene Macht wieder abzutreten. Man könnte aus dieser Sicht vermuten, dass in einer Diktatur auch keine Wahlen vorgesehen sind, ja dass sie die Ziele des Diktators eher gefährden. Trotzdem finden in den modernen Diktaturen sehr wohl allgemeine Wahlen statt und wir haben uns deshalb die Frage zu stellen, welche Funktionen denn den Wahlen in einer Diktatur zukommen, wenn es nicht darum geht, die politischen Führer durch das Volk wählen zu lassen.

 

Im Rahmen einer historischen Betrachtung stellen wir fest, dass einige moderne Diktatoren gar nicht durch einen Umsturz an die Macht gelangt sind. Sie wurden entweder, wie dies in der ehemaligen DDR der Fall war, durch die sowjetische Besatzungsmacht mit Gewalt eingesetzt. Oder aber, wie dies am Ende der Weimarer Republik mit dem Einzug der Nationalsozialisten in den Reichstag der Fall war, durch normale Wahlen vom Volke gewählt und haben erst später, als Hitler durch den Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler eingesetzt wurde, einen Staatsstreich von innen heraus durchgeführt, indem sie nahezu alle demokratischen Einrichtungen beseitigten. Aber selbst hier wurden in unterschiedlichen Abständen noch bis 1938 Wahlen zum Reichstag abgehalten.

 

Alle diese Wahlen erfüllen jedoch keinesfalls die oben aufgeführten Voraussetzungen dafür, dass die Wahlen den Willen der Bevölkerung zum Ausdruck bringen. Dies wird schon dadurch klar, dass der Bevölkerung in diesen Wahlen keine Alternativen offen gelassen werden, es steht nur eine von der Parteiführung aufgestellte Einheitsliste zur Wahl und das Recht der einzelnen Bürger besteht dann nur noch darin, dass der einzelne Wähler der Einheitsliste zustimmen kann oder sich der Stimme enthält.

 

Aber auch diese minimalen Rechte werden dadurch noch beschnitten, dass die Wahlen nicht mehr als geheim charakterisiert werden können. Bisweilen wird zwar daran festgehalten, dass formal gesehen geheim abgestimmt wird, aber die Wähler werden dann auf anderem Wege, dadurch etwa, dass sie in Gruppen geschlossen zur Wahl marschieren, dass sie offen bekunden, wie sie gewählt haben und dass sie stets befürchten müssen, über ihr Wahlverhalten bespitzelt zu werden, beeinflusst.

 

Auch bei einer formal gesehen geheimen Wahl können die Machthaber dann, wenn in einem Wahlbezirk überdurchschnittlich hohe Gegenstimmen und Enthaltungen festgestellt werden, Rückschlüsse darüber ziehen, welche Bevölkerungsgruppen gegen die Vorschläge der Partei votiert haben und diesen dann mit Repressalien drohen. Man braucht hierzu nur die Aufteilung eines Wahlkreises in einzelne Wahllokale möglichst engmaschig vornehmen und schon lassen sich Rückschlüsse über das Wahlverhalten nicht unbedingt jedes einzelnen, aber doch einzelner Gruppen durchaus ziehen.

 

Wenn also die Wahlen in einer Diktatur gar nicht die Funktion erfüllen können und auch gar nicht sollen, die sie in einer repräsentativen Demokratie zu erfüllen haben, fragt sich, warum denn die Machthaber dennoch an dieser Einrichtung von Wahlen festhalten. Es lassen sich hierbei vor allem zwei Funktionen unterscheiden, eine Funktion, die nach außen gegenüber der Weltöffentlichkeit gerichtet ist und eine Funktion nach innen, welche auf das Verhalten der Bevölkerung zielt.

 

Auch eine Diktatur kann es sich nicht leisten, sich gegen den Rest der Welt zu stellen und die im übrigen Teil der Welt eingehaltenen Prinzipien eines freiheitlichen Rechtsstaates offen zu verletzen. Die Mehrheit der modernen Diktaturen sind deshalb im Allgemeinen bestrebt, nach außen den Eindruck zu erwecken, auch sie respektierten den Volkswillen, auch in den Diktaturen würden letzten Endes die Diktatoren von der Bevölkerung gewählt.

 

Nach innen erfüllen Wahlen in einer Demokratie die Funktion, die Bevölkerung einzulullen, ihnen vorzumachen, sie hätten genauso wie in einer repräsentativen Demokratie die Möglichkeit, ihre politischen Führer zu wählen und gegebenenfalls bei Unzufriedenheit auch abzuwählen. Dieser Versuch der Diktatoren kommt z. B. deutlich dadurch zum Ausdruck, dass die Kommunisten in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg von Volksdemokratien sprachen.

 

Der Begriff der Demokratie bringt aber bereits zum Ausdruck, dass das Volk in einer Demokratie Souverän ist und dass deshalb alle Gewalt vom Volke ausgeht. Wenn man deshalb von Volksdemokratie spricht, will man offensichtlich auf mehrfache Weise betonen, dass in diesen Staatsformen in viel stärkerem Maße als bei den freiheitlichen Demokratien das Volk das Sagen habe. Aber bereits Gottfried Ephraim Lessing hat in seiner ‚Minna von Barnhelm‘ festgestellt, dass man selten von der Tugend spricht, welche man hat.

 

Mit den Wahlen in Diktaturen will man aber nicht nur der Bevölkerung vorgaukeln, dass auch in dieser Staatsform alle Gewalt vom Volke ausgeht, über die Wahlen und die hierzu vorbereitenden Propagandafeldzüge soll die Bevölkerung auch auf das politische System eingeschworen werden, die Wahlen dienen auch zur Indoktrination.

 

Für den Erhalt und die Stabilität der Diktatur ist es wesentlich, dass der größte Teil der Bevölkerung die Machtausübung der herrschenden Klasse zumindest duldet und dass sie nicht auf einen Umsturz des Systems hinarbeitet. Da es aber nun im Allgemeinen offensichtlich wird, dass ein Großteil der durchgeführten Maßnahmen den Interessen der Bevölkerung zuwiderläuft, ist es notwendig, die einzelnen Bevölkerungsgruppen immer wieder auf die Erwünschtheit der einzelnen Ziele des Parteiprogramms einzuschwören. Hierzu dienen viele Einrichtungen, wie z. B. Schulungen, aber eben auch öffentlich durchgeführte Wahlen.

 

Man  kann sich nun die Frage stellen, ob es aus der Sicht der Diktatoren nicht gefährlich ist, solche Wahlen abzuhalten. Besteht nicht die Gefahr, dass doch sehr große Teile der Bevölkerung ihren Unmut dadurch aussprechen, dass sie entweder den Wahlen fernbleiben oder offen gegen die Einheitslisten der Partei stimmen?

 

Im allgemeinen ist dieses Risiko relativ gering. Auf der einen Seite haben wir bereits darauf hingewiesen, dass in einer Diktatur die Geheimhaltung der Stimmabgabe auf vielfältige Weise unterlaufen werden kann. Es kommt noch hinzu, dass die Ergebnisse einer Wahl gefälscht werden können, indem entweder Stimmzettel verloren gehen oder präparierte Stimmzettel zu den amtlichen Stimmzetteln hinzugefügt werden.

 

Gegenüber der Weltöffentlichkeit nützen diese Versuche relativ wenig. Gerade der Umstand, dass keine neutralen Wahlbeobachter zugelassen werden oder auch von einer nahezu 100%igen Wahl der vorgeschlagenen Einheitslisten gesprochen wird, macht es deutlich, dass alles für eine Manipulation der Wahlen spricht, bei einer wirklich freien Entscheidung sprechen sich niemals 100% der Wähler für ein bestimmtes Ergebnis aus und auch die Tatsache, dass keine neutralen Wahlbeobachter zugelassen werden, ist bereits ein Indiz  dafür, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht.

 

 

6. Die Rolle des Parlaments

 

Neben der allgemeinen Wahl zählt auch die Tätigkeit im Parlament zu den wichtigsten Organen einer jeden repräsentativen Demokratie. Das Parlament ist die Legislative, von der aus alle Gesetze eines Landes beschlossen werden. Genauso wie die allgemeinen Wahlen sicherstellen, dass die gesamte Bevölkerung an der Auswahl der Repräsentanten eines Volkes beteiligt wird, soll die Tätigkeit im Parlament sicherstellen, dass die vom Volk gewählten Abgeordneten für die wichtigsten anstehenden Sachentscheidungen verantwortlich sind.

 

Wir haben bereits gesehen, dass in einer modernen Diktatur diese Aufgaben des Parlaments vom Diktator und in seinem Auftrag von der Staatsbürokratie wahrgenommen werden. Eine Diktatur könnte also sehr wohl auf die Einrichtung eines Parlaments verzichten. In der Tat gab es Diktatoren wie z. B. auch Adolf Hitler, welche das Debattieren im Parlament als ausgesprochen lästig empfanden und deshalb auch nur bei besonderen Anlässen das Parlament zur Beratung anstehender politischer Fragen heranzogen.

 

Trotzdem kennen die realen Diktaturen wohl alle das politische Organ des Parlaments, in denen dann auch zumeist sogar regelmäßig Beratungen über fast alle anstehenden größeren Fragen stattfinden. Welche Funktionen hat nun eine solche Einrichtung in der modernen Demokratie zu erfüllen, wenn ihr nicht wie in repräsentativen Demokratien die Aufgabe der Legislative zukommt?

 

Ähnlich wie für die allgemeinen Wahlen vor dem Volk erfüllt die Tätigkeit des Parlaments in einer Diktatur ebenfalls eine zweifache Funktion, eine, welche nach außen gerichtet ist und für die Weltöffentlichkeit gespielt wird, eine andere, welche nach innen gerichtet ist und einmal für das reibungslose Funktionieren des Staatsapparates verantwortlich ist, zum andern dazu beitragen soll, dass auch die interne Öffentlichkeit, also die Bevölkerung die politischen Aktivitäten mitträgt.

 

Kein Staatensystem kann sich gegenüber den restlichen Ländern dieser Erde isolieren, es bedarf vielfältiger Zusammenarbeit mit ausländischen Staaten, sei es, dass diese Volkswirtschaften die Rohstoffe liefern, über welche die eigene Nation nicht verfügt, welche aber zur Aufrechterhaltung der Wirtschaft unerlässlich sind, sei es, dass ein Staat Bündnispartner benötigt, wenn der eigene Staat von fremden Mächten angegriffen wird oder wenn der Diktator selbst andere Staaten angreifen möchte, aber hierfür Bündnispartner benötigt, die ihn in diesem Kampf unterstützen oder den Rücken frei halten, um auf diese Weise nicht in einen Zweifrontenkrieg verwickelt zu werden.

 

 In der Binnenfunktion des Parlaments soll auf der einen Seite die Bevölkerung auf die anstehenden politischen Fragen eingeschworen werden, schließlich muss verhindert werden, dass sich weite Teile der Bevölkerung von der Führung abwenden und in den Untergrund abwandern und dies kann am besten dadurch erreicht werden, dass in einer Art inszenierten Staatstheater das Spielen einer Demokratie vor den Augen der Bevölkerung inszeniert wird.

 

Auch ist der Umstand, dass auf dieser Bühne Reden gehalten werden, dazu geeignet, den politischen Nachwuchs auf die Aufgaben in der parteilichen Bürokratie vorzubereiten, sie auch gleichzeitig in ihrer Treue zur Partei zu kontrollieren und jeweils die am besten geeigneten Führungskräfte auszuwählen.

 

 

7. Die Bedeutung der Staatsbürokratie

 

Wenn wir die wirtschaftlichen und politischen Gesellschaftssysteme miteinander vergleichen, dann entspricht der Diktatur die Zentralverwaltungswirtschaft. Zwischen diesen beiden Gesellschaftssystemen bestehen jedoch nicht nur insoweit Gemeinsamkeiten, als beide Systeme rein formal ähnliche Grundzüge aufweisen. Zwischen beiden Systemen besteht darüber hinaus auch insofern eine Verbindung, als Diktaturen im Allgemeinen bestrebt sind, alle gesellschaftlichen Bereiche, also auch die wirtschaftlichen zu lenken. Ein marktwirtschaftliches System schafft Freiheiten, welche auch über das wirtschaftliche System hinaus die unumschränkte Stellung des Diktators bedrohen. Eine Diktatur bedarf also eines riesigen bürokratischen Verwaltungsapparates. Innerhalb dieser staatlichen Bürokratie erlangen die Polizei, das Militär sowie die Propagandaabteilung eine besondere Bedeutung.

 

Nun kommt natürlich kein Staat und damit auch keine repräsentative Demokratie ohne Polizei und ohne ein Militär aus. In jeder Gesellschaft muss davon ausgegangen werden, dass einzelne Bürger die Strafgesetze verletzen und deshalb verfolgt und bestraft werden müssen. Es ist die Polizei, welche potenzielle Straftäter verfolgt und damit die Voraussetzungen dafür schafft, dass diese abgeurteilt werden können. Ein demokratischer Staat mag noch so sehr in seinen Beziehungen friedliche Ziele verfolgen, es besteht jedoch trotzdem die Gefahr, dass ein friedlich gesonnenes Land von anderen Staaten angegriffen wird und dass deshalb jeder Staat ein Militär benötigt, um sich gegen Angriffe von außen zu wehren und ein Drohpotenzial aufzubauen, um mögliche Angriffe zu verhindern.

 

Wenn also jeder größere Staat einer Polizei und eines Militärs bedarf, um sich gegen Anfeindungen von innen und außen zur Wehr zu setzen, so erfüllen diese beiden staatlichen Organe dennoch in den freiheitlichen Demokratien eine unterschiedliche Funktion. Auf der einen Seite zeichnen sich Diktaturen in aller Regel dadurch aus, dass sie einen sehr viel größeren Polizeiapparat aufweisen und dass auch das Militär sehr viel mehr Soldaten umfasst.

 

Auf der anderen Seite sehen die Diktaturen fast ausnahmslos besondere Abteilungen der Polizei, oft als geheime Staatspolizei bezeichnet vor, um auch solche Bürger zu verfolgen, welche gar nicht gegen die bestehenden Gesetze verstoßen haben, welche lediglich eine andere politische Meinung äußern und deshalb für die politischen Machthaber eine potenzielle Bedrohung darstellen. Geheim sind diese Organe vor allem auch deshalb, weil die Verfassungen der modernen Diktaturen zumeist sogar die sonst in freiheitlichen Staaten postulierten Menschenrechte umfassen, sodass die politisch Verfolgten zumeist noch nicht einmal formell gegen die bestehende Verfassung verstoßen haben.

 

Die polizeilichen Organe der Diktaturen unterscheiden sich jedoch nicht nur in ihrem Umfang von den Polizeibehörden freiheitlicher Staaten. Auch die Art und Weise, wie die Angehörigen der Polizei in Diktaturen agieren und die Mittel, welche zum Einsatz kommen, unterscheiden sich zwischen beiden Gesellschaftssystemen entscheidend. Ähnliches gilt auch für das Militär. Wenn ein Staat sich nicht darauf beschränkt, sich gegen äußere Angriffe zu wehren, sondern selbst Angriffskriege plant, bedarf es nicht nur einer größeren Streitmacht, auch die Art der eingesetzten Waffen unterschieden sich je nach dem, ob das Schwergewicht auf einer Verteidigung oder auf einen Angriff ausgerichtet ist.

 

In freiheitlichen Rechtsstaaten sind der Polizei bei Erfüllung ihrer Aufgaben durch die Verfassung eindeutige Grenzen gesetzt. Ein Verfolgter ist solange, als er noch nicht von einem ordentlichen Gericht rechtsgültig verurteilt wurde, als Unschuldiger zu behandeln, vor allem ist es den Ermittlungsbeamten der Polizei strikt untersagt, dass Foltermethoden angewandt werden, um die Angeklagten zu einem Geständnis zu bewegen.

 

Ein noch so großer und ausgebauter Polizeiapparat reicht aber sicherlich nicht aus, um sicherzustellen, dass der Staat vor allen inneren Anfeindungen verschont bleibt. Im Allgemeinen stellen die Familie und auch sonstige informelle Gruppierungen Institutionen dar, die sich sehr wohl gegen staatliche Infiltration mit Erfolg abschirmen können. Um nun auch in die Sphäre dieser informellen Gruppierungen einzudringen, bedienen sich die modernen Diktaturen einer umfangreichen Bespitzelung. So wird davon berichtet, dass z. B. die geheime Staatspolizei auf den größten Teil der Verdächtigten und später Verfolgten nicht etwa dadurch aufmerksam wurde, dass sie selbst die geheimsten Zirkel ausfindig machte, sondern dass ein Großteil der für eine Verhaftung notwendigen Informationen von freiwilligen Spitzeln erfolgte, wobei sogar Verdächtigungen eigener Familienangehöriger zu diesen Ergebnissen führten.

 

Eine besondere Frage entsteht im Zusammenhang mit der Verbreitung des Internets. Auf der einen Seite besteht die Möglichkeit, dass der Staat genauso wie private Gruppierungen an eine Vielzahl von persönlichen Daten herankommt, die in freiheitlichen Staaten dem persönlichen Datenschutz unterliegen.

 

Auf der anderen Seite macht es jedoch gerade das Internet möglich, dass oppositionelle Gruppen miteinander kommunizieren können, ohne dass der Staat die Möglichkeit besitzt, diese Informationskanäle zu kontrollieren und zu unterbinden. Es können sehr schnell Informationen über bestimmte Adressen verbreitet werden, die dann wiederum aus dem Internet herausgenommen werden können, bevor der Staat entdecken konnte, von welchen Adressen diese unerwünschten Informationen ausgesandt wurden. In ähnlicher Weise können oppositionelle Kräfte mit mobilen Sendern arbeiten, welche ihren Standort bereits verlegt haben, bevor es der staatlichen Überwachungsbehörde gelungen ist, den Standort dieses Senders zu orten. Auf diese Weise rennt der Staat hinter den unerwünschten Ausstrahlungen immer einen Schritt hinterher.

 

Schließlich kommt auch der Propagandaabteilung in einer modernen Diktatur eine besondere Rolle zu. Die Aufgabe dieser Behörden dienen einmal dazu, die Bevölkerung immer wiederum von der Erwünschtheit der politischen Maßnahmen zu überzeugen und sie in das politische Leben einzuspannen. Auf der anderen Seite erfüllt auch diese Einrichtung den Zweck, das Ausland davon zu überzeugen, dass auch in der Diktatur letztendlich die Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung berücksichtigt werden. Darüber hinaus dient die Propaganda auch dazu, gewisse Angriffspläne zu verschleiern, die Weltöffentlichkeit in dem Glauben zu bestärken, dass die Diktatur durchaus an einem friedlichen Zusammenleben der Nationen interessiert sei, auch dann, wenn in Wirklichkeit ein Angriffskrieg vorbereitet wird.

 

 

8. Die einzelnen Wettbewerbsmittel

 

In den ersten Kapiteln dieser Vorlesung hatten wir gesehen, dass die repräsentative Demokratie dadurch geprägt ist, dass eine Vielzahl von Politikern im Wettbewerb untereinander um die Macht kämpfen und dass es vor allem diesem Wettbewerb zu verdanken ist, dass letztendlich der Wille des Volkes ausgedrückt durch den Mehrheitswillen zum  Zuge kommt.

 

Zu Beginn dieses Kapitels hatten wir das Gegenstück zu einer Demokratie in einer Monarchie oder Diktatur gesehen, wobei diese Staatsform – wie der Name bereits ausdrückt – dadurch ausgezeichnet ist, dass nur ein einzelner Politiker die politischen Geschicke bestimmt.

 

Etwas voreilig könnte man aus diesen Überlegungen den Schluss ziehen, dass in einer solchen Staatsform auch kein Wettbewerb stattfindet, in der Sprache des Wirtschaftswissenschaftlers ausgedrückt dass das politische Geschehen von einem Monopol geleitet wird, das in keinerlei Weise von anderen  Konkurrenten eingeschränkt werde.

 

Diese Schlussfolgerung wäre jedoch falsch. In Wirklichkeit zeigt die geschichtliche Erfahrung, dass auch in den Monarchien und Diktaturen sehr wohl ein erbitterter Kampf zwischen einzelnen Rivalen geführt wird, ja dass sogar die Intensität und Brutalität dieses permanenten Machtkampfes noch sehr viel größer ist als er in einer repräsentativen Demokratie je ausgetragen wird.

 

Also nicht die Abwesenheit von Wettbewerb ist es, was die Diktatur von einer repräsentativen Demokratie unterscheidet, sondern eher die Art und Weise, wie dieser Wettbewerb ausgetragen wird. Fragen wir uns also, worin denn die Unterschiede in der Art des Wettbewerbs zwischen Diktatur und repräsentativer Demokratie liegen.

 

Als erstes fällt auf, dass der Wettbewerb in einer Diktatur keine wie auch geartete Begrenzung der Wettbewerbsmittel kennt. In einer Demokratie schreibt die Verfassung vor, welche Wettbewerbsmittel erlaubt und welche verboten sind. Auch die Politiker sind den allgemeinen Gesetzen unterworfen, also dürfen vor allem nicht die sittlichen Verbote und die hieraus abgeleiteten Strafrechtgesetze wie Mord und Diebstahl, persönliche Bereicherung durch Korruption und die Unwahrheit verletzt werden. Die Diktatur kennt demgegenüber keine solche Begrenzungen, hier gilt, dass alles erlaubt ist, was dem Staat, ja sogar in aller Regel nur dem Herrscher nutzt. Wir werden weiter unten in der Diskussion um den Fürsten von Machiavelli noch ausführlicher auf diese Wettbewerbsmittel eines Diktators eingehen.

 

Ein zweiter wesentlicher Unterschied zwischen beiden Staatsformen besteht darin, dass in einer Demokratie der Wettbewerb vor dem Volke ausgetragen wird. Das Volk ist gewissermaßen der Schiedsrichter, der darüber entscheidet, welchem Politiker für die nächste Legislaturperiode die Macht zugesprochen wird.

 

Demgegenüber ist es für den Ausgang dieses Wettbewerbes  in einer Diktatur von alleiniger Bedeutung, welcher Bewerber über die größere Machtfülle verfügt und wer auch die größte Fähigkeit besitzt, diese Machtfülle geschickt einzusetzen. In einer Diktatur gilt das Gesetz vom Fressen oder Gefressen werden. Derjenige Machthaber obsiegt, dem es gelungen ist, seine Rivalen außer Gefecht zu setzen und diese falls notwendig durch Meuchelmord beseitigen zu lassen.

 

Eine dritter wesentlicher Unterschied zwischen Diktatur und repräsentativer Demokratie besteht darin, dass in einer Demokratie die Dauer sowohl des Wettbewerbs wie auch der Amtsperiode des jeweiligen Regierenden begrenzt ist. Die Auseinandersetzung zwischen den Parteien vor dem Volk als Schiedsrichter ist auf einen Wahlkampf einiger weniger Wochen vor der Wahl im Wesentlichen beschränkt.

 

Natürlich ist es richtig, dass auch innerhalb einer Legislaturperiode vor allem im Parlament selbst eine permanente Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition stattfindet, dieser Schlagabtausch hat jedoch im Normalfall nicht zur Folge, dass die Regierungsparteien ihre Macht mit den Oppositionsparteien teilen müssen.

 

Im Normalfall verfügt die Regierung über eine Mehrheit und kann deshalb die von ihr selbst präferierten Lösungen auch durchsetzen. Nur dann, wenn Gesetzesvorlagen zur Diskussion stehen, welche eine qualifizierte Mehrheit zur Annahme voraussetzen oder wenn die Regierung die Mehrheit in der Volksvertretung verloren hat oder schließlich wenn die Länder bestimmten Gesetzen zustimmen müssen und die Regierung in der Länderkammer über keine Mehrheit mehr verfügt, haben die Regierungsparteien ihre Macht mit den Oppositionsparteien zu teilen.

 

Die meisten Verfassungen sehen darüber hinaus vor, dass Politiker höchstens ein zweites oder drittes Mal für den Posten des Regierungschefs oder des Staatspräsidenten antreten dürfen. Eine solche Begrenzung mag zwar auf den ersten Blick unzweckmäßig erscheinen, denn sie verlangt unter Umständen, dass nicht immer der best geeignete Kandidat gewählt werden kann. Die historische Erfahrung hat jedoch gelehrt, dass ein politischer Führer um so mehr Macht erringen kann, je länger er im Amt bleibt und dass eine unbegrenzte Machtfülle nahezu immer auch zu Machtmissbrauch verleitet.

 

Auch hat die Erfahrung gezeigt, dass sich selbst hervorragende Persönlichkeiten mit der Zeit verbrauchen, also in ihrem Können nachlassen. Diese Tatsache mag damit zusammenhängen, dass wohl jeder Politiker, vor allem auch gerade die  fähigsten Politiker von gewissen Sichtweisen ausgehen, welche immer nur Lösungen für einen begrenzten Teil der anstehenden Probleme gestatten; mit der Zeit verringert sich dann der Vorrat an Lösungsmöglichkeiten und eine erfolgreiche Politik kann erst dann wieder betrieben werden, wenn Politiker an die Macht kommen, welche von einer ganz anderen Grundüberzeugung ausgehen.

 

Diese zeitliche Beschränkung entfällt nun weitgehend in einer Diktatur. Der Diktator erringt die Macht in der Absicht, für sein gesamtes Leben die politische Führung zu übernehmen, seine Amtszeit ist nicht auf eine oder zwei Legislaturperioden beschränkt. Während seiner Amtszeit übt der Diktator zwar die vollkommene Machtfülle aus, sie ist jedoch auch im Normalfall nicht unbedingt unbestritten, es finden vielmehr permanent Bestrebungen von Rivalen statt, den Herrscher zu stürzen, der Diktator hat also seine Macht auch permanent zu verteidigen und gerade weil die Macht des Diktators permanent bedroht ist, sehen sich Diktatoren oftmals veranlasst, ihre Rivalen ermorden zu lassen, da nur ein toter Rivale keine Gefahr mehr bedeutet.

 

Welcher Machtmittel sich Diktatoren tatsächlich bedienen, hatte Machiavelli in seinem 1513 veröffentlichten Werk: der Fürst ausführlich beschrieben. Dieses Werk legt nicht nur dar, welcher Mittel sich die Fürsten tatsächlich bedienen, sondern es will auch aufzeigen, welche Mittel zum Machterhalt eines Politikers führen und welche anderen Mittel für diese Zwecke ungeeignet sind.

 

Die Absicht, welche Machiavelli mit dieser Arbeit verfolgte, wurde in der Folgezeit missverstanden. Es wurde die Meinung vertreten, Machiavelli wolle mit diesem Werk die Herrschaft der Fürsten rechtfertigen und ihnen Anleitungen darüber geben, wie sie ihre Macht erhalten können. Dieses Werk wurde deshalb von der damaligen Öffentlichkeit verdammt und Friedrich der Große verfasste 1739 als Gegenschrift den Antimachiavell (der dann 1740 in einer überarbeiteten Fasung von Voltaire veröffentlicht wurde ), in dem vor allem die Beachtung moralischer Werte  gefordert und ein Angriffskrieg verurteilt wurde. Leider hatte sich ja Friedrich der Große, als er dann selbst König geworden war, an diese Grundsätze nicht gehalten und sowohl im schlesischen Krieg sowie im siebenjährigen Krieg Österreich ohne vorhergehende feindliche Handlungen seines Gegners angegriffen.

 

Machiavelli war überzeugter Republikaner und verfolgte das Ziel, die Fremdherrschaft und Zerstückelung des damaligen Italiens durch Schaffung eines vereinigten italischen Staates zu überwinden. Er war zunächst in Diensten der Medici, wurde jedoch nach dem Sturz des florenzischen Fürstentums eben von den Medicis gefoltert. Er erhoffte zwar durch Abfassung seines ‚Fürsten‘ die Gunst der Medici wiederzuerlangen, diese Arbeit fand jedoch keineswegs die Zustimmung der Medici oder der anderen herrschenden Fürsten und Päpste.

 

Folgt man dem Urteil von Carlo Schmid, dessen demokratische Gesinnung unbestritten ist, in seiner 1956 veröffentlichten Arbeit über den Fürsten, so würde man die Absichten Machiavellis gründlich missdeuten, wenn man unterstellen würde, dass seiner Meinung nach Politik nur erfolgreich sei, wenn sie mit Gift und Dolch und Lügen ihre Ziele verfolge. Machiavelli wolle vielmehr nur darauf hinweisen, dass es Situationen gebe, in denen ein Staat überhaupt nur überleben könne, wenn er sich auch dieser an und für sich unmoralischen Mittel bediene. Selbstverständlich dürften amoralische Verhaltensweisen dann nicht eingesetzt werden, wenn die politischen Ziele des Überlebens auch ohne diese Mittel erreicht werden könnten.

 

Wenn man will kann man Machiavelli als Vorläufer Bernard de Mandeville sehen, der in seiner berühmten 1714 herausgegebenen Schrift über die Bienenfabel darlegte, dass Laster wie Luxus und Neid zu einer Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt führten. In beiden Schriften wird deutlich zwischen den vielleicht amoralischen Motiven der Handelnden und der Wirkung dieser Handlungen auf das Wohl der Gesamtbevölkerung unterschieden. Nicht das Motiv, derentwillen ein Mächtiger bestimmte Handlungen vollbringt, ist entscheidend, sondern allein die Wirkung dieser Maßnahme auf die Bevölkerung. Gerade eigennützige Handlungen kämen sehr oft dem  Allgemeinwohl sogar besser zugute, als dann, wenn von den Mächtigen erwartet wird, dass sie vollkommen uneigennützig und nur das Allgemeinwohl im Auge bei all ihren Entscheidungen handelten.

 

Nun gilt es klar zu sehen, dass die Vorstellungen Mandeville‘s in ihrer Gesamtheit keinesfalls der Generallinie des Frühliberalismus entsprach. Adam Smith, der als Begründer der Nationalökonomie und des Frühliberalismus gilt, ist nie den Übertreibungen Mandeville‘s gefolgt, er war keinesfalls der Meinung, dass Laster und Verbrechen eine notwendige und ausreichende Voraussetzung dafür seien, dass dem Allgemeinwohl entsprochen werde. Smith beschränkt sich vielmehr auf die Aussage, dass dann, wenn die wirtschaftlichen Entscheidungen nicht vom Staat gefällt werden, sondern jeder einzelne über seine Geschicke selbst entscheiden könne, quasi eine unsichtbare Hand auch dafür sorgen würde, dass – obwohl von den einzelnen Individuen gar nicht beabsichtigt – das Allgemeinwohl verwirklicht werde.

 

In der Weiterentwicklung dieser liberalen Ideen wurde dann gezeigt, dass es sehr wohl eines Ordnungsrahmens bedürfe, um sicherzustellen, dass auch immer das allgemeine Wohl zum Zuge kommt, eines Ordnungsrahmens, der durchaus bestimmte Handlungsweisen wie z. B. Mord und Betrug verbietet, der aber immer mehrere Alternativen zulässt. Zu diesen Voraussetzungen zählt vor allem das Vorhandensein eines intensiven und fairen Wettbewerbes der Unternehmer um die Kunden, sowie des Umstandes, dass Produzenten und damit auch die letztlich die Konsumenten für alle Kosten, welche sie durch Produktion und Konsum der Volkswirtschaft verursachen, aufkommen müssen.

 

Machiavelli hat somit entscheidendes zum Verständnis der Wirkungsweise gesellschaftlicher Systeme beigetragen. Es wäre jedoch falsch, wollte man ihm insoweit folgen, dass zur Aufrechterhaltung des Staates alle Mittel, auch diejenigen die unter normalen Bedingungen als amoralisch verurteilt werden, erlaubt seien. Die Staatsraison ist keinesfalls die allen anderen Grundwerten übergeordnete Zielsetzung. Der Zweck heiligt in diesem Sinne nicht alle Mittel.

 

Rein formal gesehen heiligt natürlich in einem gewissen Sinne der Zweck immer die Mittel. Ein Mittel hat in seiner Eigenschaft als Mittel niemals einen Eigenwert, seinen Wert erfährt es immer aus den Zielen, um derentwillen sie durchgeführt werden. Trotzdem ist die Aussage, der Zweck heilige alle Mittel in dem Sinne, wie sie normaler Weise verwendet wird, eindeutig falsch. Wenn wir zur Erreichung eines Zieles ein ganz bestimmtes Mittel einsetzen, können wir nicht davon ausgehen, dass von diesem Mittel nur positive Wirkungen auf eben diese Zielgröße ausgehen.

 

Ganz im Gegenteil müssen wir befürchten, dass fast von jeder Maßnahme auch andere Ziele negativ berührt werden. In unserer realen Welt gehen in aller Regel von allen Ursachen, die wir setzen, eine Vielzahl von Wirkungen auf recht unterschiedliche Problemgrößen aus. Und in diesem Sinne ist ein Mittel immer nur dann gerechtfertigt, wenn die Vielzahl aller Wirkungen per saldo als erwünscht, also wohlfahrtssteigernd angesehen werden können.

 

Oft wird in diesem Zusammenhange davon gesprochen, dass Politiker gerade um das Wohl der Allgemeinheit willen bisweilen durchaus auch Schuld auf sich nehmen müssen. Wenn man  auch in einem gewissen Sinne dieser Bewertung folgen kann, ist diese Aussage in einem formalen Sinne zunächst falsch. Von Schuld können wir nur dann sprechen, wenn jemand etwas unterlässt, zu dem er verpflichtet ist oder etwas tut, das er nicht tun darf. In beiden Fällen kann man aber nur von Schuld sprechen, wenn der Betroffene die Handlung, die er tun sollte, auch wirklich tun kann. Etwas komplizierter sind die Verhältnisse bei den Taten, die man nicht tun sollte. Man  kann sie ja in aller Regel einfach unterlassen.

 

Trotzdem ist ein Politiker im Sinne Max Webers zu einer Verantwortungsethik verpflichtet, er muss die Alternative treffen, welche unter den möglichen Alternativen den  höchstmöglichen Nutzen bzw. die geringsten Schäden verursacht. Er kann in diesem Sinne sehr wohl zu einer Handlung gezwungen sein, bei der durchaus einzelnen Personen großer Schaden zugefügt wird. Auch dann, wenn sich der Politiker dafür entscheidet, nichts zu tun, besteht die Gefahr, dass einzelnen Personen durchaus Schaden entsteht und es ist durchaus möglich, dass der Schaden der Alternative: Nichtstun größer ausfällt, als der Schaden der mit bestimmten Handlungen verbunden ist.

 

Man kann hier davon sprechen, dass ein Politiker bisweilen zu einer tragischen Handlung im Sinne der altgriechischen Tragödie verpflichtet ist, man spricht dann davon, dass der Politiker gar nicht darum herumkommt, Schuld auf sich zu laden. In einem wirklichen Sinne liegt hier natürlich keine Schuld vor, da er ja gar nicht in der Lage war, einen geringeren Schaden zu verursachen, er hat annahmegemäß das bestmögliche gewählt.

 

 

9. Umsturz und Revolution

 

Es sind die allgemeinen Wahlen in der repräsentativen Demokratie, welche darüber entscheiden, welche Politiker dem Parlament angehören und welche die Regierung stellen können. In gleicher Weise sind es auch in einer repräsentativen Demokratie die Wahlen, die bewirken, dass diejenigen Politiker, welche nicht die Mehrheit der Wählerstimmen erreichen können, nicht mehr ins Parlament einziehen können und nicht mehr die Regierungsverantwortung übernehmen können.

 

Wir haben in den vorhergehenden Abschnitten dieses Kapitels gesehen, dass es in aller Regel auch in einer Diktatur allgemeine Wahlen gibt, dass aber diese Wahlen gerade nicht darüber entscheiden, wer an der Spitze eines Staates die politischen Geschicke eines Landes leiten kann. Diese Aufgabe fällt in einer Diktatur dem Umsturz und der Revolution zu. Diktatoren kommen in aller Regel durch einen revolutionären Umsturz an die Macht und es ist im allgemeinen auch wiederum eine Revolution, welche zum Sturz eines diktatorischen Machthabers führt. Wir wollen diesen abschließenden Abschnitt dazu benutzen, um die Unterschiede zwischen diesen beiden Mechanismen der Wahl und der Revolution aufzuzeigen.

 

Bei einer Wahl hat jeder Bürger eines Landes das Recht, seine Stimme abzugeben und somit darüber mit zu entscheiden, welcher Politiker die politische Führung übernehmen darf. Auch besitzt jeder Bürger nur eine Stimme, sodass das Gewicht der einzelnen Bürger gleich verteilt ist. Schließlich ist die Stimmabgabe geheim, sodass jeder Wähler auch ohne Einfluss von außen seine Stimme abgeben kann.

 

Demgegenüber nimmt an einer Revolution immer nur ein kleiner Teil der Bevölkerung teil, mögen noch so viel Massen sich am gewaltsamen Sturz der Regierung beteiligen und den Anschein erwecken, dass das ganze Volk an der Revolution beteiligt sei. Beim Umsturz ist auch der Einfluss, den einzelne am Umsturz ausüben, recht unterschiedlich verteilt, es gibt einzelne Führer, welche die Revolution anzetteln und es gibt breite Massen, welche dem Aufruf dieser Führer folgen. Derjenige, welcher einen Umsturz einleitet, muss auch bereits vor der Revolution über Macht verfügen, da die bestehenden Regierungen ja durchaus über eine Streitmacht verfügen, welche Umsturzversuche vereitlen können. Die Beteiligung an der Revolution ist alles andere als geheim, sie findet öffentlich auf den Straßen und den Regierungsgebäuden vor allen Augen der Öffentlichkeit statt, trotzdem sind die Mitläufer in aller Regel für ihre Handlung nicht zur Verantwortung zu ziehen, da die revolutionären Aktionen weitgehend anonym erfolgen.

 

Während die Stimmabgabe bei den allgemeinen Wahlen in der repräsentativen Demokratie kontrolliert und individuell erfolgt und der einzelne rational darüber entscheiden kann, welcher Partei und welchem Politiker er seine Stimme geben möchte, ist der Umsturz eine Massenerscheinung, die Mitläufer treffen ihre Entscheidung nicht mehr rationell nach Abwägung aller Vor- und Nachteile, sondern lassen sich von den Führern der Revolution emotional leiten, ohne sich zumeist der Folgen ihrer Handlungen klar zu werden.

 

Die Wahlen in repräsentativen Demokratien finden weiterhin regelmäßig in periodischen Abständen statt, welche lang genug sind, um der Regierung die Zeit zu geben, ihr Regierungsprogramm durchzuführen, andererseits aber auch kurz genug, um, zu verhindern, dass Politiker ihre Macht für lange Zeit missbrauchen können. Revolutionen finden in Diktaturen nach keinem festgelegten Zeitplan statt. Es gab im geschichtlichen Verlauf Diktaturen, welche über mehrere Generationen hinweg Bestand hatten, wobei das System – wie z. B. im kommunistischen System Nordkoreas – den Begründer der Diktator überlebt hat und die Macht an einen Sohn oder Vertrauten übergeben wurde. Es gab aber – wie z. B. im späteren altrömischen Kaiserreich – Monarchien, bei denen ein Machthaber (der römische Kaiser) nur einige wenige Tage im Amt blieb.

 

 Karl Popper hat einmal festgestellt, dass der eigentliche Vorteil einer Demokratie darin besteht, dass Politiker abgewählt werden können, wenn ihre Handlungen nicht mehr dem Willen der Bevölkerung entsprechen. Fragen wir uns deshalb, wie groß der Unwille der Bevölkerung sein muss und wie viel Zeit verstreicht, damit unter den Bedingungen der beiden Staatsformen (Demokratie und Diktatur) eine Abwahl eines unliebsamen Politikers erfolgen kann.

 

In dem Kapitel über die repräsentative Demokratie haben wir gesehen, dass spätestens nach Ablauf einer Legislaturperiode von etwa 4 bis 5 Jahren eine Abwahl eines unliebsamen Politikers erfolgen kann. Allerdings haben wir auch gesehen, dass die Sensibilität eines demokratischen Systems in dieser Frage entscheidend von dem jeweiligen Wahlsystem abhängt. Wir haben in diesem Zusammenhang zwischen einem Verhältniswahlrecht und einem Mehrheitswahlrecht unterschieden. Beim Verhältniswahlrecht entspricht die prozentuale Aufteilung der Abgeordnetensitze im Parlament der Aufteilung der Bevölkerung, wenn also 45% der Wähler eine Partei XY gewählt haben, dann erlangt diese Partei auch 45% der Parlamentssitze. Beim Mehrheitswahlrecht hingegen gelangen nur die Kandidaten ins Parlament, die in einem Wahlkreis die Mehrheit der Stimmen erlangt haben.

 

Wir hatten in Kapitel 2 dieser Vorlesung gezeigt, dass unter dem Regime eines  Mehrheitswahlrechts Unzufriedenheit der Bevölkerung sehr viel schneller als unter den Bedingungen eines Verhältniswahlrechtes zu einer Ablösung der Regierung durch die Opposition führt. Zumeist reichen einige wenige Prozentpunkte bei der Wahl aus, um eine Regierung zu stürzen. Der Grund für diesen Unterschied liegt darin, dass bei Mehrheitswahlrecht in aller Regel eine Partei nur dann die Regierung übernehmen kann, wenn sie über die Mehrheit der Stimmen verfügt, während bei einem Verhältniswahlrecht zumeist mehrere Parteien eine Koalitionsregierung bilden und deshalb auch kleine Parteien, welche nur einen kleinen Prozentsatz der Stimmen erlangen konnten, trotzdem Regierungsverantwortung übernehmen können.

 

Wie die Weimarer Republik gezeigt hat, bilden unter dem Regime eines reinen Verhältniswahlrechtes zumeist die gleichen Parteien in der Mitte des Parteispektrums die Regierung, in der Opposition befinden sich dann vor allem die radikalen Parteien, welche ohnehin nicht bereit sind, die Verfassung anzuerkennen. Ein Stimmenwandel bei einer allgemeinen Wahl bringt hier nur noch dann einen grundlegenden Wandel im politischen Geschehen, wenn es den radikalen Parteien gelingt, die Führung zu übernehmen. Der Unmut der Bevölkerung muss aber sehr ausgeprägt sein wie z. B. während der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, damit sich die Bevölkerung mehrheitlich für radikale Parteien entscheidet. Unter dem Regime eines reinen Verhältniswahlrechts ist das demokratische System nicht mehr in der Lage, auf eine normale Unzufriedenheit der Bürger mit der bestehenden Regierung schnell genug zu reagieren.

 

Für eine Diktatur gilt, dass die Schwelle, welche zu einem Sturz der bestehenden Regierung führt, noch wesentlich größer ist als unter dem demokratischen Regime des Verhältniswahlrechts. Es ist ein kleinerer Schritt von der Unzufriedenheit mit den herrschenden Politikern bei der nächsten Wahl seinen Unmut dadurch zu äußern, dass man seinen Stimmzettel für eine radikale Partei abgibt als sich aktiv an einer Revolution zu beteiligen. Gemessen an der oben erwähnten Feststellung Karl Poppers liegt der wichtigste Nachteil einer Diktatur darin, dass sehr viel Unmut der Bevölkerung zusammenkommen muss, bis schließlich ein Sturz einer unbefriedigenden Regierung möglich wird.

 

Dieser Nachteil stellt allerdings nicht die einzigen Kosten dafür dar, dass eine Abwahl eines Politikers in einer Diktatur nur durch einen gewaltsamen Umsturz möglich ist. Wesentliche Unterschiede zwischen beiden Staatsformen ergeben sich auch im Hinblick auf die Kosten der beiden Abwahlverfahren. Natürlich ist auch das Abhalten einer allgemeinen und geheimen Wahl in einer repräsentativen Demokratie mit erheblichen Kosten verbunden.

 

Mit viel Werbeaufwand müssen sich die Parteien den Wählern vorstellen, es müssen Wahllokale eingerichtet und vielfältige Kontrollen durchgeführt werden, um einen Wahlmissbrauch zu verhindern. Diese Kosten sind jedoch relativ klein gegenüber den Nachteilen, welche der Bevölkerung im Zusammenhang mit einem politischen Umsturz zugefügt werden. Ein Umsturz ist in aller Regel mit Tötungsdelikten, vor, während und auch nach der Revolution verbunden, vor Beginn  der Revolution soll der Gegner möglichst geschwächt werden und dies gelingt am besten, wenn die Gegengruppe wichtige Repräsentanten ermorden lässt.

 

Während der Revolution sind viele Tote  zu beklagen, da die meisten Revolutionen blutig verlaufen, schließlich ist die herrschende Partei nicht bereit, ohne Verteidigung ihren Platz zu räumen. Nach erfolgtem Umsturz gilt es die bisher herrschende Gruppe möglichst auszulöschen, um eine Rückkehr dieser Gruppe an die Macht zu verhindern.

 

Ein gewaltsamer Sturz einer Regierung ist zumeist darüber hinaus auch von einer Vernichtung von Sachvermögen verbunden, vor allem dadurch, dass bei der Machtergreifung Straßenschlachten stattfinden, bei denen nicht nur die Vermögen der streitenden Parteien, sondern auch vieler Unbeteiligter (so etwa die Besitzer von kleineren Geschäften in den umliegenden Straßen) vernichtet oder beschädigt werden.