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Grundzüge der politischen Ökonomie

 

 

  Gliederung:

 

  1. Einführung

  2. repräsentative Demokratie

  3. Bürokratie

  4. Verbände

  5. Direkte Demokratie

  6. Diktatur

  7. Recht

  8. Haushalt

  9. Familie

  Anhang: Zur Theorie des Terrorismus

 

 

 

 

Anhang: Zur Theorie des Terrorismus

 

Gliederung:

 

0. Vorbemerkung

1. Historische Einführung

2. Einige begriffliche Festlegungen

3. Die Bedeutung der Religion für den Terrorismus

4. Terrorismus und Familienzusammenhalt

5. Die Rolle der Armut

6. Öffentliche Medien und Terrorismus

7. Die Rolle des Staates im Hinblick auf den Terrorismus

8. Missbrauch staatlicher Terrorismusbekämpfung

 

 

 

0. Vorbemerkung

 

Dieses Kapitel über den Terrorismus wird als Anhang dieser Vorlesung hinzugefügt. Auf der einen Seite hat gerade auch die politökonomische Sichtweise einen wesentlichen Anteil an dem Verständnis, wie es zum heutigen Terrorismus überhaupt kommen konnte und wie der Terrorismus bekämpft werden kann. Auf der anderen Seite weisen die Ausführungen zu diesem Thema in diesem Artikel noch nicht ganz die konsequente Analyse auf, um welche ich mich in den übrigen Kapiteln dieser Vorlesung bemüht habe. In den vorhergehenden Kapiteln habe ich versucht, die einzelnen Theoreme aus den Grundprinzipien der Politökonomik abzuleiten, nämlich der Auffassung, dass auch nichtwirtschaftliche gesellschaftliche Ereignisse dadurch erklärt werden können, dass die einzelnen Akteure ihre Entscheidungen aufgrund eines Rationalkalküls über Vor- und Nachteile ihres Handelns fällen.

 

Besonders deutlich wird diese Betrachtungsweise in einem ins Internet gestellten Bericht über die Sommerakademie der Schweizerischen Studienstiftung 2010 zum Thema "Ökonomie als Sozialwissenschaft" unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Bruno S. Frey (Universität Zürich) und Prof. Dr. Reiner Eichenberger (Universität Fribourg). Dort wird über folgende Ergebnisse referiert:

 

‚Wie bekämpft man wirkungsvoll den Terrorismus? Dies war die Frage, die wir uns gestellt haben. Unser Ziel war es, den Terrorismus aus einer ökonomischen Sicht zu durchleuchten und über die Veränderung der Kosten-Nutzen-Bilanz den Terrorismus einzudämmen.

 

Der Nutzen für eine terroristische Organisation ist unter anderem durch die Medienwirksamkeit und die Destabilisierung von gegebenen Institutionen gegeben. Die Kosten sind unter anderem die Gefahr, erwischt und bestraft zu werden.

 

In einem ersten Teil der Diskussion stellte sich heraus, dass die gängige Methode, mit der die Institutionen dem Terror begegnen, überhaupt nicht auf den Nutzen eines Terroranschlages eingeht und auch nicht explizit die Kosten im Visier hat.

 

Die heutigen Institutionen betrachten den Terroristen nicht als rational handelndes Wesen. Sie suchen gewisse Typen. Man hat die Vorstellung, dass Terroristen Verrückte seien. Aus dieser Sichtweise kann der ökonomische Ansatz gar nicht angewendet werden.

 

Es zeigt sich, dass es nicht einen Typ gibt, der zum Terroristen wird und dass wenn man aus der Sicht von Kosten und Nutzen den Terrorismus untersucht, sich der Terrorist sehr rational verhält. Er will größtmögliche mediale Aufmerksamkeit unter möglichst niedrigen Kosten. Wird die Terrorverfolgung verstärkt, so professionalisiert sich die Terrororganisation und verstärkt den Zusammenhalt. Es wird also schwieriger von außen Informationen über diese Organisation zu erhalten.

 

Im Folgenden wurden vier verschiedene Ansätze gezeigt, welche aus ökonomischer Sicht den Terrorismus eindämmen sollten. Dies sind:

 

Dezentralisierung (wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich): Der Nutzen eines Terroranschlages wird verringert, da durch einen Anschlag die Handlungs- und Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft weniger stark in Mitleidenschaft gezogen werden.

 

Positive Anreize setzen (Gegenteil von Bestrafung): Man versucht, Terroristen in die Gesellschaft wieder einzugliedern. Dadurch kann ein Anreiz bestehen, andere Terroristen zu verraten, wobei die Kosten sehr gering sind.

 

Schnelle Wiederherstellung der Normalsituation: Dadurch kann die Wirkung eines Terroranschlages verringert werden, da der Anschlag nicht eine lang andauernde sichtbare Wirkung hat.

 

Keine direkten Schuldzuweisungen: Die Terrororganisation will auch für die Tat verantwortlich gemacht werden, damit sie und ihre Ziele bekannt werden. Zieht man mehrere Terrororganisationen in Betracht, so ist die Aufmerksamkeit auf mehrere Organisationen verteilt. Hilfreich ist dabei die Unschuldsvermutung.‘

( siehe http://oekonomie-sozialwiss.blogspot.de/2010/07/terrorismusbekampfung.html)

 

 

1. Historische Einführung

 

Seit einigen Jahren rückt der Terrorismus immer mehr in das Bewusstsein der Völker und stellt eine der wichtigsten Bedrohungen des Weltfriedens dar.

 

Es ist nicht ganz einfach, den Terrorismus gegenüber anderen Bedrohungen des Weltfriedens abzugrenzen. Im Gegensatz zu den Bedrohungen des Weltfriedens in der Vergangenheit besonders im 20. Jahrhundert, geht diese Bedrohung nicht von Regierungen aus, die stets von einem Territorium aus agieren. Terroristen verfügen über kein eigenes Territorium und sind gerade deshalb in geringerem Maße verwundbar als dies die bisherigen feindlichen Staaten waren.

 

Natürlich bedürfen auch Terroristen räumlicher und materieller Ressourcen; so müssen Terroristen für ihre Einsätze in Lagern ausgebildet werden, sie benötigen auch finanzieller Hilfsmittel, um ihre Einsätze durchführen zu können. Beide Arten von Ressourcen können ihnen im Grunde nur von Regierungen gewährt werden, die über beides: einem Territorium und über finanzielle Ressourcen verfügen.

 

Mögen einzelne Führer der Terroristen von Hause aus noch so reich sein, terroristische Akte benötigen für die Ausbildung der Attentäter, für die Planung ihrer Aktivitäten und zur Abschirmung gegenüber der Verfolgung seitens der Staaten wesentlich mehr an materiellen Ressourcen als Einzelpersonen im Allgemeinen zur Verfügung haben. Insofern richtet sich die Bekämpfung von Terroristen auch gegen diejenigen Staaten, die den Terroristen diese Ressourcen zur Verfügung stellen.

 

Im Gegensatz zu den traditionellen Feinden können jedoch Terroristen jederzeit in andere Territorien ausweichen, vorausgesetzt, dass es Regierungen gibt, welche bereit sind, den Terroristen Unterschlupf zu gewähren oder die zu schwach sind, diese Terroristen zu verjagen.

 

Dieser Umstand bringt es nun mit sich, dass die traditionelle Strategie der gegenseitigen Abschreckung, welche unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt wurde, nicht mehr funktioniert. Die Strategie der gegenseitigen Abschreckung beruhte auf der Möglichkeit beider Kontrahenten eines Kampfes, auch dann zurückschlagen zu können, wenn der Feind überraschend einen Erstschlag durchgeführt hat. So verfügten die Großmächte USA und Sowjetunion beide über ein solch großes Waffenarsenal, dass sie auch bei einem Überraschungsangriff des Gegners mit atomaren Interkontinentalraketen immer noch in der Lage waren, aus der Luft oder See den Gegner vernichtend zu schlagen.

 

Der Erfolg dieser Strategie setzte jedoch voraus, dass die beiden Kontrahenten über ein Territorium verfügen und dass der Zusammenbruch eines Kontrahenten damit zusammenfällt, dass sein Territorium verwüstet oder zum größten Teil besetzt wird. Aber gerade diese Voraussetzung entfällt bei den Terroristen, da diese eben über kein Territorium verfügen und deshalb auch nicht auf diese Weise geschlagen werden können. Der Feind der Terroristen kann auf traditionelle Weise zwar u. U. die Territorien der Regierungen bekämpfen, die den Terroristen Unterschlupf gewährt haben, die Terroristen selbst können aber in ein anderes Territorium ausweichen, es sei denn keine Regierung auf der Welt – eine eher unwahrscheinliche Annahme – wäre bereit, den Terroristen Unterschlupf zu gewähren.

 

Die Gefährdung, die heutzutage von den Terroristen ausgeht, wird dadurch noch vergrößert, dass der plötzliche Zusammenbruch der Sowjetunion zumindest zu einem vorübergehenden Verlust der Kontrolle über die atomaren Waffen geführt hat. Die atomaren Waffenlager der Sowjetunion waren auf mehrere Gebiete aufgeteilt, die heute nicht mehr zu Russland gehören. Es besteht also die Gefahr, dass u. U. atomare (aber auch chemische und biologische) Waffen in der Übergangszeit aus den Beständen der ehemaligen Sowjetunion entwendet wurden und schließlich in die Hände von Terroristen gelangt sind oder auch nur noch gelangen.

 

Was sind nun die Ursachen für den in den letzten Jahren ansteigenden weltweiten Terrorismus? Man muss sich als erstes darüber klar sein, dass eine Vielzahl von ineinandergreifenden Ursachen für den heutigen Terrorismus verantwortlich ist und dass jeder Versuch, den Terrorismus durch eine einzige Ursache zu erklären, zum Scheitern verurteilt ist. Wir wollen uns in diesem Kapitel vor allem mit dem Terrorismus befassen, der von den Palästinensern ausgeht und der seine Wurzel im Islam hat. Aber ähnliche Überlegungen galten und gelten auch für den Terrorismus in Nordirland und in Spanien.

 

 

 2. Einige begriffliche Festlegungen

 

Bevor wir zu der Frage übergehen, auf welche Ursachen der Terrorismus zurückzuführen ist und mit welchen Maßnahmen er deshalb erfolgreich bekämpft werden kann, wollen wir in einem ersten Schritt klären, welche wichtigsten Merkmale der Terrorismus aufweist, welche Merkmale er mit anderen Formen der Gewalt teilt und worin er sich gegenüber sonstigen Gewaltverbrechern wie etwa gegenüber Revolutionären und Guerillakrieger unterscheidet.

 

Wie bereits der Name besagt, ist allen diesen Formen gemeinsam, dass sich diese Personen nicht den allgemeinen staatlichen Ordnungen unterwerfen, sondern mit Gewalt gegen Personen und deren Eigentum und insbesondere gegen die staatlichen Einrichtungen vorgehen. Diese Aktivitäten beschränken sich nicht nur auf verbale Verhetzung der Bevölkerung und auf Aufrufe zu Ungehorsam gegenüber dem Staat, sondern äußern sich in Bombenattentaten und mutwilliger Zerstörung von Gebäuden und anderen öffentlichen Einrichtungen. In geregelten Gesellschaften liegt das Gewaltmonopol beim Staat, alle Gewalt hat von den staatlichen Einrichtungen auszugehen und ist nur insoweit erlaubt, als die Gewaltanwendung einzelnen Personen wie z. B. den Angehörigen der Polizei eigens zur Durchsetzung der staatlichen Ordnung und unter Beachtung bestimmter Grundsätze eingeräumt wird.

 

Gemeinsam ist fast allen Formen der staatlich nicht erlaubten Gewalttaten, dass sich die Gewalttäter auf Ideen berufen, welche die Auflehnung gegen den Staat zu rechtfertigen suchen und welche sich darum bemühen nachzuweisen, dass die staatlichen Organe dem Volk schaden und dass deshalb ein Kampf gegen die staatliche Ordnung berechtigt erscheint.

 

Das wohl wichtigste Merkmal, das den Terrorismus von den anderen Formen der Gewalt unterscheidet, ist der im ersten Abschnitt dieses Kapitels bereits erwähnte Unterschied, in dem Staaten über ein bestimmtes Territorium verfügen und in dem Kriege zwischen Staaten in und um räumliche Gebiete geführt werden, während Terroristen über kein Territorium verfügen und die Möglichkeit besitzen, in andere Territorien auszuweichen, wenn sie verfolgt und geschlagen wurden.

 

Nehmen wir das Beispiel der Guerillakriege, die immer so geführt werden, dass um bestimmte räumliche Gebiete gekämpft wird und dass die Macht der Guerilla darin besteht, dass sie sich auf die zumindest passive Unterstützung der Bevölkerung verlassen können und jederzeit die Möglichkeit haben, in Gebiete auszuweichen, welche von den staatlichen Organen nicht oder nur sehr schwer kontrolliert werden können.

 

Terroristische Akte bestehen vorwiegend in Bombenattentaten, in denen besonders herausragende Gebäude zerstört oder Veranstaltungen gestört werden. Darüber hinaus richten sich diese Attentate gegen Personen, welche in Staat und Gesellschaft herausragende Funktionen wahrnehmen, wie Richter oder Staatsanwälte oder auch Unternehmer. Sie werden entführt, in Geiselhaft genommen, um z. B. Gleichgesinnte und gefangen gehaltene Sinnungsgenossen frei zu kaufen, schließlich werden sie auch auf brutale Gewalt getötet.

 

In den letzten Jahren bestanden die Terrorakte in immer stärkerem Maße in Selbstmordattentaten, bei denen sich die Gewalttäter selbst umbringen, aber gerade dadurch die Wahrscheinlichkeit wesentlich erhöhen, eine große Zahl von Bürgern mit in den Tod zu reißen. Hierin unterscheiden sich Terroristen von Soldaten bei kriegerischen Auseinandersetzungen.

 

Jeder Soldat, der an kriegerischen Handlungen beteiligt ist, läuft zwar Gefahr, hierbei verletzt zu werden und sogar umzukommen. Er hat jedoch fast immer zumindest eine geringe Chance, lebend davon zu kommen. Selbst dann, wenn der größte Teil der Armeen, die an besonders gefährlichen Schlachten beteiligt waren, umkamen, wie z. B. an den Russlandfeldzügen Napoleons und auch Hitlers oder bei der Landung der Alliierten im zweiten Weltkrieg in der Normandie, der einzelne konnte sich immer noch eine gewisse Hoffnung machen, diese Schlachten zu überleben.

 

Nur in ganz seltenen Fällen wie z. B. bei den sogenannten Himmelsfahrtskommandos oder bei den Kamikazefliegern japanischer freiwilliger Kampfflieger in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, die sich in mit Sprengstoff beladenen Flugzeugen im Selbstopferangriff (Jibaku) auf Einheiten der US-Flotte (vor allem auf Flugzeugträger) stürzten, war der Tod der Angreifenden so gut wie sicher und bewusst eingeplant.

 

Wenn wir also von diesen wenigen Ausnahmen absehen, unterscheiden sich die Selbstmordattentate der heutigen Terrorristen darin, dass der Tod des Angreifenden bewusst herbeigeführt wird, um auf diese Weise den Erfolg der beabsichtigten terroristischen Akte zu vergrößern, während bei den sonstigen kriegerischen Einsätzen für den einzelnen nicht nur eine gewisse Chance des Überlebens bestand, sondern der Tod des Angreifenden eigentlich nicht geplant und gewollt war und nur eben in Kauf genommen wurde, der Tod der eigenen Soldaten war nach wie vor ein Verlust- und nicht ein Erfolgsfaktor.

 

Ein weiterer Unterschied zwischen normalen kriegerischen Auseinandersetzungen und terroristischen Akten besteht in Folgendem: Kriege wurden im Altertum bis weit in die Neuzeit vorwiegend in Schlachten auf Feldern ausgetragen, bei denen fast nur die sich bekämpfenden Soldaten betroffen waren und verletzt wurden oder starben. Weite Teile der zivilen Bevölkerung blieben von den unmittelbaren kriegerischen Auseinandersetzungen verschont und wurden schließlich nur dadurch in Mitleidenschaft gezogen, dass Soldaten nach erfolgreichem Sieg oftmals die Städte des Gegners plünderten und verwüsteten oder auch dadurch, dass die Bevölkerungen letztlich die mit der Kriegsführung verbundenen Kosten mit einer starken Reduzierung der Realeinkommen in der Zeit während und nach dem Kriege bezahlen mussten.

 

Diese Feststellung, dass die zivile Bevölkerung weitgehend von den wirren des Krieges verschont blieb, änderte sich allerdings bereits drastisch in den beiden Weltkriegen des letzten Jahrhunderts, als die kriegsführenden Staaten dazu übergingen, durch Bombenabwürfe nicht nur die Munitionsfabriken, sondern auch die Wohngebiete des jeweiligen Gegners zu vernichten, um auf diese Weise die Bevölkerung zu zermürben und zu erreichen, dass sich die Bevölkerungen von der eigenen Regierung abwandten.

 

Hier wurde also bereits die zivile Bevölkerung in den gegenseitigen Vernichtungskampf miteinbezogen. Immerhin konnte man immer noch davon sprechen, dass das eigentliche Ziel der kriegsführenden Mächte in der Zerschlagung der Armeen und des kriegerischen Arsenals der jeweiligen Gegner lag und dass die unmittelbare Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung allenfalls duldend in Kauf genommen wurde.

 

Im zweiten Golfkrieg versuchten die Amerikaner ihre Kampfhandlungen damit zu verteidigen, dass es die Entwicklung moderner Waffen gestatte, die Bomben so gezielt einzusetzen, dass im Normalfall nur die eigentlichen strategischen Ziele getroffen würden und dass nur in Ausnahmefällen auch die nicht beteiligte Zivilbevölkerung mitbetroffen würde, man sprach in diesem Zusammenhang von nicht beabsichtigten Lateralschäden. Die Wirklichkeit zeigte allerdings, dass die Vermeidung von größeren Schäden in der Zivilbevölkerung nicht möglich war, dass nach wie vor fast immer hohe Verluste auch in der Zivilbevölkerung eingetreten sind.

 

Bei terroristischen Akten ist nun die Gefährdung der Zivilbevölkerung sehr viel größer. Es gilt nun nicht mehr, dass die kriegerischen Akte vorwiegend das Ziel verfolgen, die militärischen Ressourcen des Gegners zu vernichten und dass eine Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung lediglich in Kauf genommen, aber nicht primär gewollt wird. Vielmehr ist die primäre Absicht der Terroristen, die angegriffenen Staatengemeinschaften so zu verunsichern und in ein Chaos zu stürzen, dass letztere schließlich zusammenbrechen müssen. Dieses Ziel kann jedoch nicht dadurch erreicht werden, dass lediglich die Funktionäre des Staates angegriffen werden, vielmehr besteht ein wesentlicher Bestandteil terroristischer Akte eben gerade darin, die Bevölkerung zu verunsichern und auf diese Weise eine Führung normaler Staatsgeschäfte zu verunmöglichen.

 

Dieses Ziel lässt sich am besten dadurch erreichen, dass auch weite Teile der unbeteiligten Bevölkerung von diesen Anschlägen betroffen werden. Es wird nun nicht nur in Kauf genommen, dass unbeteiligte Personen von diesen Anschlägen negativ betroffen werden, sondern der Erfolg der terroristischen Aktion ist gerade dann gegeben, wenn Unschuldige, Kinder wie Mütter, Angehörige der verhassten Bevölkerung wie auch der eigenen Bevölkerungsgruppe getötet werden. Insoweit hat sich sehr wohl die Qualität der Gewalttaten verändert, dies gilt auch dann, wenn bereits früher die Beschädigung der Zivilbevölkerung bewusst in Kauf genommen wurde.

 

Der Terrorismus kennt zwar eine gewisse hierarchische Struktur, es gibt Führer, welche die große Linie vorgeben und die Schulung und Propaganda übernehmen und zahlreiche örtliche Zellen in den einzelnen Ländern, welche die Attentate ausführen. Es wäre jedoch falsch zu unterstellen, dass alle Planungen von der Zentrale ausgehen und dass die Zellen lediglich die von der Zentrale vorgegebenen Weisungen ausführen.

 

Ganz im Gegenteil sind die Zellen zumeist mehr oder weniger autonom, sie planen die einzelnen Attentate oft selbst und die Zentrale beschränkt sich dann darauf, zu neuen Attentaten aufzurufen. Die einzelnen Zellen stehen auch in einer gewissen Konkurrenz zueinander. Die Aktivitäten der einen Zelle stacheln die anderen an, bei Erfolg ihnen nachzuahmen, bei Misserfolg ihre Mitstreiter eventuell zu rächen.

 

Eng verwandt mit der Aufteilung nach Ebenen ist die Unterscheidung zwischen den führenden Kräften, welche die intellektuelle Planung und die logistische Vorbereitung übernehmen und dem ‚Fußvolk’, das dann die Attentate ausführt und bei den Selbstmordattentaten in den Tod geht. Hierbei erfolgt die logistische Vorbereitung nicht nur in der Zentrale; sondern auch in den Zellen gibt es eine Arbeitsteilung zwischen Führung und Planung einerseits sowie Ausführung andererseits.

 

Terroristische Akte werden aus den unterschiedlichsten Motiven heraus durchgeführt. Bei der RAF (Rote-Armee-Fraktion) waren es Bemühungen, kommunistische Ideologien umzusetzen, bei den Terrorgruppen in Nordirland und im Baskenland überwiegt die nationalistische Unabhängigkeitsbewegung, wobei in Nordirland gleichzeitig Unterschiede zwischen den vorwiegend armen Katholiken und den im Durchschnitt reicheren Protestanten mitgespielt haben. In den afrikanischen und asiatischen Staaten hingegen herrschen religiöse und zwar islamische Ideen vor, die darin münden, einen heiligen Krieg gegen die Ungläubigen zu führen und in den einzelnen Ländern islamische Gottesstaaten zu errichten.

 

 

3. Die Bedeutung der Religion für den Terrorismus

 

Die religiöse Grundlage mag also für den heutigen Terrorismus eine wichtige Rolle spielen. Wenn wir einmal von dem Terrorismus in Nordirland, wo christliche Wurzeln entscheidend waren und im Baskenland, wo stärker nationale Ideologien maßgebend sind, absehen, ist es vor allem der Islam, der den heutigen Terrorismus prägt. Es ist klar: Im Rahmen der Selbstmordattentate wird von den Attentätern der Einsatz ihres Lebens verlangt, wobei nicht nur wie bei sonstigen kriegerischen Handlungen mit dem Tod gerechnet werden muss, aber trotzdem der einzelne Kämpfer immer noch eine gewisse Hoffnung haben kann, lebend aus dem Kampf herauszukommen, sondern wobei der einzelne Attentäter mit fast hundertprozentiger  Sicherheit in den Tod geht.

 

Hier bedarf es besonders starker Motivationen, um die einzelnen Kämpfer zu diesen Handlungen zu bewegen. Gerade die Religion, welche ihre Belohnungen nicht auf irdische Güter beschränkt, hat hier größere Möglichkeiten zur Motivation dieser terroristischen Akte. Das Versprechen, dass Selbstmordattentäter für ihre Aufopferung im Himmel belohnt werden, mag für die Terroristen ausreichen, sich selbst bis zum Selbstmord aufzuopfern. Das gilt vor allem für Menschen, welche aufgrund ihres sozialen Status keine reellen Chancen besitzen, hier auf Erden zu Reichtum zu gelangen und darüber hinaus zumeist arbeitslos sind.

 

Es ist weiterhin die Überzeugung der Terroristen, dass ein heiliger Krieg gegen alle Nichtgläubigen nicht nur nicht erlaubt, sondern sogar geboten sei, der dem heutigen Terrorismus die Kraft gibt. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Frage nach der Berechtigung oder sogar Notwendigkeit zum heiligen Krieg innerhalb des Islams äußerst umstritten ist. Dies gilt zwar genauso auch für andere Religionen, wie z. B. für das Christentum. Auch innerhalb des Christentums wurde im Mittelalter – z. B. durch den Aufruf der Päpste zu den Kreuzzügen – die Meinung vertreten, ein heiliger Krieg sei berechtigt und sogar geboten. Heute wird von den offiziellen Vertretern des Christentums vor allem von den Katholiken und den Protestanten jedoch ein heiliger Krieg wie jeder anders motivierte Krieg entschieden abgelehnt.

 

Nimmt man die Wurzel des heutigen Terrorismus ernst, so dürfte auch in der Haltung der Führer aller Kirchen der Schlüssel zur Bekämpfung des Terrorismus liegen. Zwar haben zahlreiche Kirchenfürsten - nicht nur die christlichen Bischöfe und der Papst, sondern auch einzelne Führer des Islam - den Terrorismus verurteilt. Gerade aber weil es im Islam keine einheitliche Spitze gibt, die für alle Muslime sprechen kann, ist es um so notwendiger, dass die Oberhäupter der Kirchen ihre ideologischen Unterschiede vergessen und so etwas wie eine Charta des Glaubens beschließen, in der eindeutig festgestellt wird, dass es keine heiligen Kriege geben darf, dass die Selbstmordattentate eines der größten Verbrechen der Menschheit darstellen, da sie nicht nur das eigene Leben, sondern auch das Leben unschuldiger Menschen, vor allem von Kindern fordern.

 

Es sollte herausgestellt werden, dass der Gott nicht nur der Christen, sondern auch des Islam ein gütiger und kein rächender Gott ist und somit als gerecht und barmherzig angesehen werden muss, und dass es eines der größten Frevel gegenüber Gott darstellt, wenn man in seinem Namen andere Menschen, vor allem auch unschuldige und wehrlose Kinder massenweise vernichtet. Ein Selbstmordattentäter wird nach Überzeugung aller Kirchen für seine Taten gerichtet werden und nicht, wie die Terroristenführer ihre Untergebenen glauben zu machen versuchen, eine Belohnung im Himmel erhalten.

 

 

 4. Terrorismus und Familienzusammenhalt

 

Es gibt Vorstellungen, nach denen der Terrorismus maßgebend von einzelnen Familien geprägt wird und nach denen der Terrorismus eines Tages mit diesen Familien wiederum verschwinden wird. Befassen wir uns mit dieser These etwas ausführlicher.

 

Im Hinblick auf die Frage nach der ideologischen Fundierung des Terrorismus wird man sicherlich davon ausgehen müssen, dass die Entwicklung revolutionärer Gedanken eher von einzelnen Persönlichkeiten, welche philosophische Lehren verbreiten, ausgeht und nicht unmittelbar innerhalb der Familie erfolgt.

 

Aber man hat zu unterscheiden zwischen der Entwicklung der Lehren und der Verankerung dieser Lehren in den Köpfen der Menschen. Man kann davon ausgehen, dass der Familie bei dieser Verankerung eine zentrale Rolle zufällt. Es gilt nicht nur für das Erlernen und Einüben faktischen Wissens, dass die Grundlagen hierfür bereits in der frühen Kindheit gelegt werden und die Grundlage dafür bilden, dass die heranwachsenden Jugendlichen später in der Lage und willens sind, sich weiteres Wissen in diesem Bereich anzueignen. Auch für die Übernahme moralischer und religiöser Überzeugungen bedarf es wohl einer vorbereitenden Fundierung bereits in den frühen Kindesjahren ab etwa 3 bis 4 Jahren.

 

In dieser Zeit beginnen sich die Kinder für alles, was in ihren Umkreis fällt, zu interessieren, sie fragen nach dem ‚warum und dem ‚wie’. Es hängt nun davon ab, wie die Erwachsenen – und dies sind in diesem Alter der Kinder vorwiegend die Eltern – auf diese Neugier der Kinder reagieren, ob sie bereit und in der Lage sind, die Fragen der Kinder zu beantworten oder ob sie sich einer Antwort verweigern und eher ärgerlich auf die Neugier ihrer Kinder reagieren. Das Eingehen der Eltern auf diese Fragen stellt für die Kinder eine Art Belohnung dar, sie werden weiterfragen und ein bleibendes Interesse an Wissenserwerb bis ins Erwachsenenalter entwickeln.

 

Umgekehrt gilt, dass sich dann, wenn die Eltern die Fragen ihrer Kinder abblocken, eine Abkehr der Heranwachsenden Wissensfragen gegenüber einstellt, dass sie auch in späteren Jahren nicht mehr die Bereitschaft und Fähigkeit zum Erlernen von Wissen aufbringen. Insoweit ist es sicherlich auch richtig, dass die Verankerung revolutionärer Gedanken und die ideologische Prägung der Jugendlichen vorwiegend in den Familien erfolgt, nicht unbedingt in dem Sinne, dass die ideologische Schulung bereits innerhalb der Familien erfolgt, sondern in dem Sinne, dass die Voraussetzungen dafür, dass die Jugendlichen später ideologischen Gedankengängen aufgeschlossen gegenübertreten, bereits in den Familien gelegt sein müssen.

 

Allerdings bezieht sich die These, dass terroristisches Handeln von einzelnen Familien ausgeht, weniger auf die ideologische Entwicklung revolutionärer Gedanken als vielmehr auf die Ausführung terroristischer Akte. Hier mag in der Tat die Familie, vor allem eine Großfamilie mit vielen Kindern und nahen Verwandten ausschlaggebend dafür sein, inwieweit einzelne informelle Führer wie die Eltern oder die älteren Geschwister die anderen Kinder dazu anhalten, sich an revolutionären Handlungen zu beteiligen.

 

Diese Überlegungen gelten vor allem für die Regionen, in denen die einzelnen Kinder nicht ab einem bestimmten Alter in staatlichen Schulen außerfamiliär erzogen werden oder in denen die Kinder sehr früh auf religiös ausgerichtete Koranschulen geschickt werden, in denen offen zum Hass gegenüber Andersgläubigen aufgerufen wird.

 

Wie steht es nun mit der These, dass das terroristische Gedankengut eines Tages mit dem Aussterben dieser revolutionär geprägten Familien von selbst verschwindet? Es mag richtig sein, dass gewisse natürliche Entwicklungen dazu beitragen, dass der Terrorismus eines Tages ohne Maßnahmen von Seiten des Staates von der Bildfläche wieder verschwindet. So mag es der Entwicklungsprozess eines jungen Menschen mit sich bringen, dass er sich eines Tages von seiner angestammten Familie löst um eine eigene Familie gründen zu können und dieser Prozess der Ablösung erfolgt in der Tat oftmals dadurch, dass auch gerade die vom Elternhaus erlernten Werte über Bord geworfen werden und dass man bewusst Gegenideologien entwickelt, um sich besser und deutlicher gegenüber der Elterngeneration abzugrenzen.

 

Auch wird man damit rechnen müssen, dass sich Ideen, mögen sie noch so sehr in ihren Anfangsjahren überzeugend gewirkt haben, von selbst abnützen. Auch hier gilt das in der Wirtschaftswissenschaft entwickelte Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. Auch Ideen verlieren gerade dadurch, dass sie längere Zeit praktiziert werden, an Nutzen und Überzeugungskraft.

 

Ein Teil dessen, was man sich mit diesen Ideen vorgenommen hat, ist bereits erreicht, also ist die revolutionäre Tat auch nicht mehr so notwendig und dringend wie am Anfang. Weiterhin wird immer deutlicher, dass noch so hehre Ideen bei ihrer Verwirklichung auch unerwünschte Handlungen mit sich bringen, dass man z. B. zur Durchsetzung bestimmter Ziele auch Werte verletzt, welche man nach wie vor für wichtig ansieht, dass weiterhin auch sichtbar wird, dass die Führer der Revolution sehr eigennützige Ziele verfolgen oder vielleicht auch, dass die Zwecklosigkeit der revolutionären Akte immer deutlicher zu Tage tritt. Auch kann sich allmählich unter den potentiellen Attentätern die Einsicht durchsetzen, dass es ausgesprochen ungerecht ist, dass die ‚Kleinen’ ihr Leben opfern sollen, während die Führer des Terrorismus zumeist gut abgeschützt vor staatlichen Verfolgungen ihr Leben verbringen.

 

Die Elterngeneration mag noch an den revolutionären Ideen teilweise aus nostalgischen Gründen festhalten, sie sind schon zu alt, um ihre Grundüberzeugungen über Bord zu werfen und sich neuen Ideen zu erschließen. Sie sind zwar auch davon überzeugt, dass die Führer der Revolution ihre Ideen verraten haben. Um aber nicht zu der Erkenntnis kommen zu müssen, dass ihr bisheriges Handeln falsch war und dass sie vor einem Scherbenhaufen ihres Lebens stehen, flüchten sie in die Überzeugung, dass die Grundideen als solche richtig waren, dass nur die Ausführung über ihr Ziel hinausschoss.

 

Vor allem muss jedoch gesehen werden, dass revolutionäre Familien vor allem deshalb vom Aussterben bedroht sind, weil ja die Selbstmordattentate von sehr jungen Menschen ausgeübt werden, die gerade deshalb, weil sie sich schon sehr früh auf Selbstmordattentate vorbereiten und in den Tod gehen, gar nicht mehr in der Lage sind, neue Familien zu bilden und Kinder zur Welt zu bringen.

 

Wir wollen also festhalten, dass in der Tat der Entwicklungsprozess der Familien den Keim dafür in sich trägt, dass der Terrorismus eines Tages genauso plötzlich wieder verschwindet wie er zuvor gekommen ist. Wir können aber nicht erwarten, dass aus diesen Gründen der Terrorismus nur eine kurze Zeit Bestand hat und wir dürfen vor allem nicht den Schluss ziehen, dass es keiner staatlichen Maßnahmen bedürfe, um den Terrorismus zu bekämpfen.

 

Auch dann, wenn diese oben beschriebenen Gesetzmäßigkeiten vorhanden sind, kann es Jahre, sogar Jahrzehnte gehen, bis diese revolutionären Ideen sich verbraucht haben und nicht mehr wirksam sind. Es besteht durchaus Gefahr, dass ohne eine bewusste Bekämpfung der terroristischen Handlungen die bestehenden Staaten in Chaos verfallen und dass deshalb die freiheitlichen und demokratischen Ordnungen in Gefahr sind und untergehen.

 

 

5. Die Rolle der Armut

 

Wie bereits kurz erwähnt, wird oftmals in der Armut einer Bevölkerung die wichtigste Ursache für Terrorismus gesehen und die Meinung vertreten, dass der Terrorismus nur durch eine Beseitigung dieser Armut besiegt werden könnte. Mit dieser Auffassung verbunden wird die Forderung an die hochentwickelten Staaten, sehr viel mehr Entwicklungshilfe als bisher in Form von verlorenen Zuschüssen zu gewähren.

 

Es mag zugegeben werden, dass die Bekämpfung der Armut zu den wichtigsten weltweiten Zielen zählt und auch dass in der Armut eine der Wurzeln für Terrorismus liegt. Es wäre jedoch falsch zu meinen, dass mit einer erfolgreichen Armutsbekämpfung der Terrorismus ebenfalls besiegt sei. Es muss in diesem Zusammenhang nochmals darauf hingewiesen werden, dass ein Großteil der augenblicklichen Terroristen z. B. um Ben Laden aus reichen Familien entstammt und zumeist auch einen hohen Bildungsstand aufweist.

 

Die Armut mag im Zusammenhang mit Terrorismus in zweierlei Weise von Bedeutung sein. Auf der einen Seite rekurriert sich ein Teil der Kämpfer des Terrorismus aus sehr armen Ländern, die jungen Menschen aus diesen Gegenden sind nicht nur arm, sondern auch arbeitslos und haben im normalen Berufsleben keinerlei Chancen. Es ist eine alte Erfahrung, dass sich arbeitslose und arme Personen von radikalen Gedankengängen stärker einfangen lassen als normale Bewohner. Wer nichts zu verlieren hat, wird auch eher bereit sein, sich an risikoreichen Handlungen zu beteiligen.

 

Auf der anderen Seite lassen sich terroristische Aktionen in der Bevölkerung der ganzen Welt besser verteidigen, wenn die terroristischen Führer ihre Aktivitäten damit rechtfertigen, dass bestimmte Länder, vor allem die Entwicklungsländer von den reichen Nationen ausgebeutet werden.

 

Nun muss man sich darüber im Klaren sein, dass nicht jede Umverteilung zugunsten der ärmeren Länder und nicht jede Art von Entwicklungshilfe in der Lage ist, die Armut in der dritten Welt wirksam zu bekämpfen. Im allgemeinen gilt, dass nur Hilfen zur Selbsthilfe und Zuwendungen, die für Investitionen und damit zum Aufbau einer funktionierenden Industriegesellschaft eingesetzt werden, die Armut in diesen Ländern wirksam bekämpfen. Es mag auch richtig sein, dass die hochentwickelten Staaten bisher zu wenig getan haben, um die Armut in den Entwicklungsländern spürbar zu verringern. Auch ist es richtig, dass akut ausgebrochene Hungersnöte und Seuchen nur dadurch bekämpft werden können, dass schnell geholfen wird und dass zunächst einmal Lebensmittel und Medikamente geliefert werden. Langfristig wird jedoch eine solche Hilfe allein wenig geeignet sein, das Problem der Armut zu lösen.

 

Es muss nämlich darauf hingewiesen werden, dass die Bekämpfung der Armut in diesen Ländern nicht oder zumindest nicht allein bisher daran gescheitert ist, dass zu wenig Entwicklungshilfe geleistet wurde, sondern vor allem auch daran, wie diese Hilfe gewährt wurde.

 

Als erstes besteht immer die Gefahr, dass die Zuwendungen – weder direkt noch indirekt – gar nicht den ärmsten Menschen zukommen und für den Aufbau einer Produktionskapazität eingesetzt werden, sondern dass sie schwergewichtig dazu verwandt werden, den Konsum der Reichen und Mächtigen zu verstärken und dort, wo Industrieanlagen begonnen werden, ineffiziente Techniken eingesetzt werden, welche in dieser Form die Produktivität nicht fördern, sondern lediglich aus Prestigegründen von den Machthabern eingeleitet wurden. Entwicklungshilfe sollte stets produktiv, nicht konsumtiv ausgegeben werden. Kommt die Entwicklungshilfe nicht den Armen, sondern den Machthabern zugute, besteht die Gefahr, dass die Gefahr des Terrorismus eher ansteigt als zurückgeht.

 

Als zweites besteht die Gefahr, dass Entwicklungshilfe einfach deshalb verpufft, weil eine funktionsfähige Industriegesellschaft voraussetzt, dass die Bevölkerung überhaupt erst zu einem erwerbsbewussten Verhalten erzogen werden muss. Es reicht nicht aus, die Ärmsten mit Lebensmitteln zu versorgen, solche Konsumgeschenke können nicht erwerbsmäßig erzogene Personen dazu verleiten, jede produktive Tätigkeit aufzugeben und von den Geschenken zu leben. Sind die Geschenke aufgebraucht, ist die Armut und Not noch größer als vorher, da ja in diesem Falle vorsorgende, produktive Tätigkeiten sogar im Vergleich zu der Zeit vor der ausgebrochenen Hungersnot reduziert wurden.

 

Das Funktionieren einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft setzt Erwerbsverhalten in zweierlei Hinsicht voraus: Es bedarf auf der einen Seite einer ausreichenden Gruppe von Persönlichkeiten, welche bereit sind, unternehmerische Risiken auf sich zunehmen. Es gibt Völker, welche schon von jeher genügend solche Unternehmerpersönlichkeiten hervorgebracht haben, hierzu zählen vor allem zahlreiche asiatische Länder, während in anderen Ländern, vor allem in Afrika diese Voraussetzungen erst durch Anreize von Seiten des Staates geschaffen werden müssen.

 

Auf der anderen Seite muss diese Bereitschaft zu erwerbswirtschaftlichem Denken und Verhalten aber auch in der großen Masse der Arbeitnehmer bestehen, denn die Armut kann nur überwunden werden, wenn die Arbeitnehmer bereit sind, einer geregelten und andauernden Tätigkeit nachzugehen, welche ihnen ein permanentes Einkommen liefert und diese in die Lage versetzt, auch Perioden, in denen aufgrund individueller Schicksalsschläge (wie Krankheit etc.) kein reguläres Einkommen erworben werden kann, zu überbrücken. In manchen Entwicklungsländern, welche noch ganz in den Anfängen der wirtschaftlichen Entwicklung stehen, besteht die Gefahr, dass viele Arbeitnehmer einen etwas größeren Bezug von Einkommen dafür verwenden, solange auf geregelte Arbeit zu verzichten, bis diese Einkommensquelle aufgebraucht ist.

 

Es besteht noch eine dritte Gefahr im Zusammenhang mit einer falsch angelegten Entwicklungshilfe. Es kommt nämlich nicht nur darauf an, dass der Bevölkerung in den Entwicklungsländern materiell geholfen wird. Hilfe, welche nur in Zuwendungen besteht, läuft leicht Gefahr, dass diese Hilfe aus einem Selbstbewusstsein dieser Bevölkerung heraus abgelehnt wird und falls sie angenommen wird, leicht zu ungewollten Abhängigkeiten führt. In diesem Falle ist jedoch die Terrorismusgefahr nicht gebannt. Die Bereitschaft, den Parolen der Revolutionäre zu folgen, stammt dann nicht mehr aus der Armut, sondern eben aus der Abhängigkeit von den reicheren Ländern, die ebenfalls unerwünscht ist und gegen die man sich auflehnt. Besteht jedoch die Entwicklungshilfe vorwiegend aus einer Hilfe zur Selbsthilfe, wird auch dem Bedürfnis eines jeden Volkes auf Selbstachtung besser entsprochen.

 

 

 6. Öffentliche Medien und Terrorismus

 

Eine besondere Rolle in der Entwicklung des Terrorismus kommt den öffentlichen Medien zu. Zunächst kann sicherlich festgestellt werden, dass eine Berichterstattung über terroristische Handlungen notwendig ist und durchaus bestimmte Funktionen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus erfüllen kann.

 

So macht eine ausführliche Berichterstattung über den Terrorismus auf die Gefahren aufmerksam, die mit ihm verbunden sind und zeigt die Notwendigkeit auf, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und sorgt für eine Bereitschaft der Öffentlichkeit, solche Gegenmaßnahmen zu akzeptieren. Auch können umgekehrt die öffentlichen Medien mit ihrer Kritik an einer überzogenen Reaktion der Politiker dafür sorgen, dass nur das unbedingt notwendige Ausmaß an Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus durchgeführt wird.

 

Weiterhin kann sich der einzelne Bürger im Einzelfall auf die Gefahren einstellen und auf diesem Wege unter Umständen sein Risiko, von den terroristischen Aktionen betroffen zu werden, verringern. Wenn z. B. erwartet wird, dass terroristische Akte im öffentlichen Verkehr stattfinden, kann der einzelne seine eigene Betroffenheit dadurch verringern, dass er in diesen Zeiten nur dann die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt, wenn dies nicht vermieden werden kann.

 

Die Aussichten, sich auf diesem Wege besser zu schützen, sind allerdings minimal. Es ist ja in aller Regel nicht bekannt, wann und wo genau diese terroristischen Akte stattfinden werden: Zumeist hat der einzelne Bürger gar nicht die Möglichkeit dieser Gefahr auszuweichen, weil er berufsbedingt die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen muss; auch besteht die Möglichkeit, dass die Terroristen aufgrund der Warnung in den öffentlichen Medien Ort und Zeitpunkt ihrer Aktivitäten verändern.

 

Drittens schließlich bestünde die Möglichkeit, dass gerade aufgrund der Berichterstattung und der hierdurch eingeleiteten Maßnahmen des Staates die Terroristen auf geplante Attentate verzichten, da sie nun als erfolglos eingestuft werden müssen. Aber auch hier ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich die Terroristen auf diese Weise verhalten. Auf der einen Seite sind die Attentate von langer Hand vorbereitet und können gar nicht mehr kurzfristig umdisponiert werden. Auf der anderen Seite liegt der ‚Erfolg’ der Attentate ja nicht nur darin, dass Menschen getötet und verletzt werden oder dass Gebäude zerstört werden; die Attentate bezwecken in erster Linie, die Öffentlichkeit zu verunsichern und dieser Zweck ist zumindest teilweise auch dann erfüllt, wenn keine größeren Menschenopfer zu beklagen sind, wenn nur die Gefahr bestand, dass Menschenleben gefordert werden.

 

Neben diesen durchaus positiven Funktionen der Berichterstattung über terroristische Aktivitäten durch die öffentlichen Medien können jedoch auf diese Weise sehr wohl auch negative Wirkungen ausgehen. Für den Erfolg der Attentate aus der Sicht der Terroristen ist es nämlich ganz entscheidend, dass diese publik werden, nur dann ist zu erwarten, dass Panik aufkommt, dass die Politiker zu Maßnahmen gedrängt werden, die eigentlich den Wertvorstellungen freiheitlicher Rechtsstaaten wiedersprechen und dass auf diese Weise eine Revolution vorbereitet werden kann, welche die bestehende Rechtsordnung zerstört.

 

Wir haben oben bereits darauf hingewiesen, dass die einzelnen terroristischen Aktionen in der Regel keinesfalls von einer Zentrale aus ausgeführt werden, sondern dass sich die zentralen Stellen zumeist darauf beschränken, zu bestimmten Aktionen aufzurufen und die einzelnen möglichen Attentäter zu schulen. Es sind zumeist mehr oder weniger autonom arbeitende örtliche Zellen, welche die einzelnen Taten planen und ausführen.

 

Diese örtlichen Zellen stehen – wie ebenfalls bereits gezeigt – in einem gegenseitigen Wettbewerb zueinander. Durch die Berichterstattung von Seiten der öffentlichen Medien erfahren die einzelnen Gruppen vom Erfolg oder Misserfolg ihrer Mitstreiter und werden gerade hierdurch zu weiteren Taten angestaffelt, sei es, dass man bei einem Erfolg der anderen die Konkurrenten noch überbieten will oder auch nur darin bestätigt werden will, dass terroristische Akte erfolgreich sein können, sei es dass bei Misserfolg diese Scharte ausgewetzt werden soll und ihre Mitstreiter gerächt werden sollen.

 

Je mehr Beachtung terroristische Akte erlangen, um so mehr finden sich die Terroristen bestätigt, da ja die beabsichtigte Verunsicherung in der Öffentlichkeit nur zu erwarten ist, wenn diese Taten auch publik werden und möglichst auf den vordersten Schlagzeilen der Presse oder des Fernsehens stehen. Man muss also befürchten, dass ohne jegliche Berichterstattung das Ausmaß terroristischer Akte wesentlich geringer ausfallen würde.

 

Daraus kann natürlich nicht der Schluss gezogen werden, dass die Berichterstattung von Seiten des Staates verboten werden sollte und dass bei Übertreten dieser Verbote gesetzliche Strafen für diejenigen Presseorgane verhängt werden sollten, die diese Gebote nicht beachten. Auf der einen Seite haben wir bereits aufgezeigt, dass von der Berichterstattung sehr positive Wirkungen gerade auch im Hinblick auf die Bekämpfung des Terrorismus ausgehen. Auf der anderen Seite ist die Freiheit der öffentlichen Medien in unserer Verfassung garantiert und dieser Freiheit kommt in freiheitlichen Rechtstaaten eine unverzichtbare Aufgabe zu.

 

In einem Rechtstaat wird den staatlichen Organen das Machtmonopol eingeräumt. Überall dort, wo einseitige Macht entsteht, besteht aber auch die Gefahr des vereinzelten Machtmissbrauches. Um diesen Machtmissbrauch so gering wie möglich zu halten, haben die Väter einer freiheitlichen demokratischen Ordnung wie vor allem Montesquieu vorgeschlagen, eine Teilung der Gewalten (der Legislative, der Exekutive und der Rechtssprechung) in jeder demokratischen Verfassung fest zu verankern.

 

Aber auch die Gewaltenteilung kann nicht jeden Machtmissbrauch unterbinden. Es besteht im Einzelfall immer die Gefahr, dass sich die Führungskräfte der einzelnen Gewalten kennen und zusammen arbeiten, vor allem dann, wenn sie gemeinsam die gleiche elitäre Hochschule besucht haben und sich in gemeinsamen Clubs regelmäßig treffen. Es besteht hier immer die Gefahr, dass einzelne, welche die Straftaten verfolgen sollen, ein Auge zudrücken und die Straftaten vertuschen, wenn diese von Angehörigen der gleichen ‚Kaste’ begangen wurden.

 

Hier kommt den Medien in der Aufdeckung von Machtmissbrauch staatlicher Organe eine entscheidende Kontrollfunktion zu. Auf der einen Seite ist es nun sehr viel schwerer, Straftaten zu vertuschen, auch ist der Anreiz, solche Straftaten nicht zu begehen, sehr viel größer, da die Wahrscheinlichkeit, dass Straftaten von den öffentlichen Medien offengelegt werden, groß ist. Da auch die öffentlichen Medien in Konkurrenz zueinander stehen, läuft jedes Organ, das aus Solidarität heraus bestrebt wäre, Nachrichten zu unterdrücken, Gefahr, im Wettkampf die führende Position zu verlieren. Nichts festigt die Position der Medien mehr, als den Machtmissbrauch der Führenden aufzudecken.

 

Diese Überlegungen zeigen, dass auch dort, wo von der Berichterstattung über den Terrorismus Gefahren ausgehen, ein schlichtes Verbot solcher Berichterstattung weder gesetzlich möglich noch auch erwünscht wäre. Eine Einschränkung in der Berichterstattung über den Terrorismus kann nur durch eine Selbstkontrolle der Medien erfolgen. So kann dafür Sorge getragen werden, das bei der Ausbildung der Journalisten die Notwendigkeit einer sachlichen und nicht aufbauschenden Berichterstattung betont wird und dass darüber hinaus ein eigens hierfür eingerichtetes Organ darüber wacht, dass sich die einzelnen Medien auch freiwillig an diese Grundsätze halten.

 

 

 7. Die Rolle des Staates im Hinblick auf den Terrorismus

 

Es wird oft die Meinung geäußert, terroristische Akte seien eine Antwort auf militärische Aktionen der westlichen Mächte. So wurde z. B. davor gewarnt, Krieg mit den Taliban in Afghanistan oder gegen Saddam Hussein zu beginnen, da diese selbst wiederum Akte des Terrorismus auslösen könnten und damit eine Spirale der Gewalt hervorrufen würde.

 

Diese Beziehungskette besteht sicherlich in dieser einfachen Form nicht. Wenn man danach fragt, von welchen Faktoren es denn abhängt, ob und wann und in welchem Ausmaß die Terroristen zuschlagen, so wird man davon ausgehen müssen, dass der Umfang des Terrorismus vor allem von zwei Dingen abhängt: erstens von den Zielvorstellungen der Terroristen also von dem Willen der Terroristen, terroristische Akte zu begehen und zweitens von den Möglichkeiten dieser Gruppe zu diesen Aktionen.

 

Die Zielvorstellungen der islamitischen Terroristen sind zur Zeit eindeutig religiös bestimmt, diese Terroristen sind davon überzeugt, dass sie einem göttlichen Befehl folgen, mit allen Möglichkeiten - auch mit Gewalt - das Reich der Gläubigen auf der ganzen Welt zu errichten und alle Nichtgläubigen und auch diejenigen Gläubigen, die zu diesem Kampf nicht bereit sind, zu vernichten. Ein auf solche Art motivierter Terrorist braucht keinen weiteren Anlass um loszuschlagen, er wird immer kämpfen, wenn er die Möglichkeit dazu hat. Er wird aktiv, wenn er diese Art von Aktionen im Hinblick auf sein langfristiges Ziel als lohnend oder geboten ansieht, sofern er nur die Möglichkeiten hierzu hat.

 

Wenn die Terroristen vorübergehend keine Aktionen durchführen, so nicht deshalb, weil die Nichtgläubigen sich ruhig und kompromissbereit gezeigt haben, sondern weil den Terroristen die Mittel zur Ausführung von Attentaten fehlten. Sie sind gewillt, bis zum ‚Endsieg’, also bis zur vollständigen Vernichtung der traditionellen Mächte in den Ländern der Ungläubigen weiter zukämpfen. Wichtigstes Ziel der Bekämpfung des Terrorismus muss also sein, an den Ressourcen anzusetzen, welche Terroristen zur Verfügung haben. Denn jeder größere terroristische Einsatz bedarf insbesondere hoher finanzieller Mittel, es gilt dafür zu sorgen, dass den Terroristen der Zugang zu finanziellen Ressourcen so weit wie immer möglich versperrt wird.

 

Es mag eingeräumt werden, dass einzelne Führer sehr reichen Familien entstammen und insoweit über beachtliche Finanzmittel verfügen. Trotzdem reichen diese Mittel bei weitem nicht aus, terroristische Aktionen in großem Umfang durchzuführen. Es müssen Kämpfer rekrutiert und in eigens eingerichteten Lager für den Kampf mit den Feinden ausgebildet werden, für jedes größere Attentat muss eine Logistik aufgebaut werden, welche den Gegenmaßnahmen der bedrohten Staaten standhält. Die Beschaffung des Materials, welches für die Attentate benötigt wird, erfordert hierbei wohl die geringsten finanziellen Aufwendungen.

 

Gerade weil die terroristischen Aktivitäten weltweit durchgeführt werden, bedienen sich die Terroristen auch des internationalen Bankenapparates, um die Vielzahl der eingesammelten Spenden sowie die Zusendung der an Ort und Stelle benötigten Finanzmittel zu transferieren. Hier gibt es Ansatzpunkte zur Bekämpfung des Terrorismus, in dem die in den Zentren der hochindustrialisierten Ländern angelegten Konten gesperrt werden.

 

Terroristen müssen weiterhin ausgebildet werden und dies ist nur möglich, wenn ihnen Gebiete zur Verfügung gestellt werden, in denen potentielle Terroristen ausgebildet werden können. Es gilt somit auch dafür zu sorgen, dass keine Regierungen den Terroristen das Recht einräumen, auf ihrem Territorium solche Ausbildungslager zu betreiben.

 

Natürlich bedarf die terroristische Führung auch zahlreicher Menschen, die bereit sind, für diesen heiligen Krieg zu kämpfen, notfalls unter Einsatz ihres Lebens. In diesem Zusammenhang spielt die Armut in der Tat bei der Entstehung und Ausbreitung des Terrorismus eine entscheidende Rolle, da arbeitslose und arme Jugendliche sich für den Terrorismus schneller begeistern lassen als Jugendliche, die einen hohen Lebensstandard und eine berufliche Laufbahn vor Augen haben.

 

Aber man sollte den Einfluss der Armut einer Bevölkerung auch nicht überschätzen. Wir haben oben bereits daraufhingewiesen, dass sich auch intellektuelle Jugendliche aus den obersten Kreisen einer Bevölkerung für den Terrorismus einsetzen. Die Führungskräfte vor allem des islamistischen Terrorismus entstammen wohl nahezu alle aus sehr wohlhabenden und politisch einflussreichen Familien. Das Argument mit der Armut gilt also vorwiegend nur für das „Fußvolk“ des Terrorismus, für diejenigen also, welche die Selbstmordattentate vollbringen, weniger für die Führungskräfte des Terrorismus.

 

Eine erfolgreiche Bekämpfung des Terrorismus setzt weiterhin voraus, dass die bedrohten Staaten in der Lage sind, die vorbereitenden Aktionen der einzelnen Terroristen aufzudecken und die einzelnen potentiellen Attentäter sowie ihre unterstützenden Mitstreiter schon vor Ausführung der Attentate dingfest zu machen. Hierzu bedarf es vor allem in einem freiheitlichen Rechtsstaat einer Vielzahl von Gesetzen, welche die Verhaftung der potentiellen Attentäter überhaupt erlaubt. Wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, liegen jedoch gerade hier zahlreiche Missbrauchsmöglichkeiten.

 

 

 8. Missbrauch staatlicher Terrorismusbekämpfung

 

Zunächst muss man sich darüber im Klaren sein, dass eine 100%ige Bekämpfung des Terrorismus nicht möglich sein kann, zumindest nicht in dem Sinne, dass überhaupt keine Attentate mehr stattfinden. Die Durchführung von Attentaten hängt im Einzelfall von einer Vielzahl von Zufallsfaktoren ab, sodass es bei noch so starker Gegenwehr eines Staates nicht gelingen kann, die Gefahr solcher Attentate vollständig zu beseitigen.

 

Andererseits muss man sich weiterhin auch darüber im Klaren sein, dass jede erfolgreiche Bekämpfung des Terrorismus auch für die gesamte Bevölkerung und damit auch für viele Personen, welche überhaupt nichts mit dem Terrorismus zu tun haben, beachtliche Einschränkungen ihres Handlungsspielraumes mit sich bringt.

 

Hierbei wird die Privatsphäre der Bürger eingeschränkt und es werden damit Grundrechte auf Unversehrtheit verletzt, welche an und für sich in der Verfassung geschützt sind. Es muss also bei jedem Versuch, den Schutz gegen den Terrorismus zu verbessern, sehr genau abgewogen werden, inwieweit eine weitere Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte überhaupt in der Lage ist, den Schutz vor terroristischen Aktionen entscheidend zu verbessern.

 

Diese Abwägung der einzelnen hiervon betroffenen Rechtsgüter ist vor allem auch deshalb notwendig, weil die eigentliche Gefahr des Terrorismus weniger darin liegt, dass bei Attentaten Menschen sterben, verletzt werden und materieller Schaden verursacht wird. Mag die Zahl der bei einem Attentat getöteten und verletzten Menschen noch so groß sein, dem Terrorismus ist es bisher nicht gelungen und es wird ihm vermutlich auch nicht gelingen, auf diesem direkten Wege die Ordnungen der freiheitlich demokratischen Staaten ernsthaft zu bedrohen.

 

Die größere Gefahr besteht darin, dass sich die Staaten im Kampf gegen den Terrorismus solcher Maßnahmen bedienen, welche den Grundideen einer freiheitlichen Ordnung widersprechen, dass sich weiterhin auf diesem Wege immer mehr Menschen von unseren staatlichen Ordnung abwenden, bis schließlich die demokratischen Staaten sich kaum mehr von Diktaturen unterscheiden und jederzeit von Revolutionären gestürzt werden können.

 

Eine ganz andere Gefahr des Missbrauchs liegt in den zahlreichen Staaten vor, welche bereits heute die Form einer Diktatur aufweisen. Hier besteht nämlich die Gefahr, dass der berechtigte Kampf gegen den Terrorismus von den diktatorischen Regimes dazu benutzt wird, Oppositionelle als unliebsame Terroristen zu bezeichnen und sie so zu verfolgen und abzuurteilen.

 

Diese Gefahr ist vor allem deshalb groß, da die Bekämpfung des Terrorismus nur dann Erfolg haben kann, wenn die einzelnen Staaten international bei der Verfolgung der Terroristen zusammenarbeiten. Gerade weil Terroristen vorwiegend von Regionen heraus agieren, welche nicht die Staatsform eines freiheitlichen Rechtsstaates aufweisen, sind die Regierungen der freiheitlichen Rechtstaaten darauf angewiesen, im Kampf gegen den Terrorismus mit allen Regierungen – unabhängig von ihrer Staatsform – zusammenzuarbeiten.

 

Diese so umworbenen Staaten können diese Situation ausnutzen und offen auch Oppositionelle, welche auf friedlichem Wege eine Reform ihrer Staatswesen anstreben, als Terroristen behandeln, ohne dass diese Strafverfolgungen von Seiten der freiheitlichen Staaten offen gebrandmarkt werden können. Die Duldung solcher Verfolgungen ist dann oft der Preis, welche die freiheitlichen Staaten ‚zahlen’, um im Kampf gegen den Terrorismus Erfolge aufzuweisen.