In der Öffentlichkeit wird davon gesprochen, dass die bereits geimpften Bürger nicht von der Verpflichtung der Einhaltung der im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie verhängten Beschränkungen (Abstandsregel und Maskenpflicht) befreit werden dürften, solange nicht alle Bürger, welche zu einer Impfung bereit sind, auch geimpft wären.
Dies käme einer Privilegierung der bereits geimpften Bürger gleich und müsste auf jeden Fall vermieden werden, da ja die bereits Geimpften ohnehin begünstigt seien, da bisher nur ein kleiner Teil der Bürger geimpft werden konnte.
Während einzelne Politiker wie z. B. auch Außenminister Maas vorgeschlagen haben, für Geimpfte diese Verpflichtungen aufzuheben, wird von den meisten führenden Politiker wie auch in den öffentlichen Medien eine solche Bevorzugung der bereits Geimpften vehement abgelehnt.
Hierbei liegt ein gravierendes Missverständnis vor, in diesem Zusammenhang überhaupt von Privilegierung zu sprechen. Die geforderten Regeln (Abstandsregel, Gesichtsschutz) stellen ja keine Einschränkung der im Grundgesetz für alle Bürger garantierten Freiheisrechten dar. Freiheit endet in jedem Einzelfall dort, wo die Freiheit und das Wohlbefinden Anderer maßgeblich beeinträchtigt wird. Ohne diese Einschränkung könnte von der Ausübung der Freiheitsrechte eine Beinträchtigung der Freiheit oder des Wohlbefindens anderer Bürger gravierend eintreten, welche im schlimmsten Fall sogar zum Tode führen kann.
Im alltäglichen Leben halten wir es für selbstverständlich, dass man bewusst gewisse Einschränkungen, also Kosten im Sinne von Nutzenentgängen hinnimmt, um gerade hierdurch per saldo Nutzenzuwächse zu erzielen. Nicht die Höhe der Kosten, sondern allein die Differenz zwischen Nutzengewinnen und Kostensteigerungen entscheidet darüber, ob per saldo ein Gewinn oder ein Verlust vorliegt.
Nicht nur im Zusammenhang mit dem Coronavirus treten beachtliche Beeinträchtigungen unserer Wohlfahrt ein. So kann das Grippevirus bei einzelnen Menschen zu starken gesundheitlichen Gefahren führen und beispielsweise zu hohem Fieber führen, das den Betroffenen zwingt, zuhause zu bleiben und das Bett zu hüten.
Dieser Umstand bedeutet jedoch keinesfalls, dass die nicht von Grippe betroffenen Bürger als privilegiert gelten und deshalb ebenfalls zuhause bleiben sollten.
Das Festhalten an der Meinung, eine Lockerung der im Zusammenhang mit dem Cornavirus geforderten Regeln dürfe nicht für die bereits geimpften Bürger gewährt werden, ist auch dysfunktional und bestärkt die Uneinsichtigen in dem Glauben, dass Coronavirus sei ungefährlich und bedürfe keiner Verhaltenseinschränkungen. Sie erhalten auf diese Weise neue (angebliche) Beweise dafür, dass die Regeln auch dort durchgesetzt werden, wo keine Gefahr für andere ausgehe.
Auch besteht die Gefahr, dass Gerichte diese Vorschriften für verfassungswidrig halten, da Einschränkungen eben nur dann erlaubt sind, wenn von bestimmten Verhaltensweisen Schäden für andere Bürger zu erwarten sind.
Nun wird immer wieder behauptet, es sei noch gar nicht nachgewiesen, dass von den Geimpften nicht doch eine Ansteckung anderer ausgehe. Auch diese Meinung beruht meineserachtens auf einem Mißverständnis der wissenschaftlichen Beweisführung. Die empirischen Wissenschaften sind nämlich gar nicht in der Lage, das Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Ereignisse hundertprozentig und für alle Zeiten festzustellen.
Die Schlussfolgerungen aller empirischen Wissenschaften sind immer nur vorübergehend in dem Sinne, dass die bisherigen empirischen Untersuchungen diese Schlussfolgerung nahelegen. Es muss stets damit gerechnet werden, dass in Zukunft aufgrund weiterer empirischer Untersuchungen die bisherigen Erkenntnisse korrigiert werden müssen. Und dies ist deshalb so, weil es keine sichere Methode gibt, um festzustellen, ob man tatsächlich alle Bestimungsgründe für das Vorliegen oder nicht Vorliegen eines bestimmten Zusammenhanges bereits erkannt hat.
Selbst dann, wenn man tatsächlich alle relevanten Bestimmungsgründe kennen würde, bleibt jede empirische Feststellung als vorübergehende Hypothese, da wir nicht ausschließen können, dass in Zukunft neue Bestimmungründe auftreten und zwar dadurch bedingt, dass wir in einer offenen Welt leben.
Der Hinweis, dass möglicher Weise auch ein Geimpfter andere Personen anstecken kann, reicht somit nicht aus, um daraus praktische Forderung abzuleiten. Denkbar ist nahezu alles; würde man alle denkbaren Möglichkeiten als ausreichenden Grund politischen Handelns ansehen, wäre überhaupt keine politische Handlung mehr möglich, da jede denkbare Wirkung möglich (also nicht auszuschließen) ist.
Deshalb können und dürfen sinnvoller Weise nur solche Wirkungen bei politischen Entscheidungen Berücksichtigung finden, bei denen überzeugende Anhaltspunkte vorliegen, dass auch ohne bisher exakte Beweisführung bestimmte Auswirkungen wahrscheinlich sind.
Genau dies ist jedoch nicht gegeben. Nach bisherigem Wissensstand führt eine Impfung dazu, dass die in dem Körper des Geimpften eingedrungenen Viren unschädlich gemacht werden. Es ist unklar, warum solche unschädlich gemachten Viren zwar bei dem zuerst eingedrungenen menschlichen Körper keine Schäden mehr anrichten, wohl aber dann, wenn dieses behandelte Virus in einen anderen menschlichen Körper eindringt.
Natürlich ist es durchaus denkbar, dass in Einzelfällen auch ein Geimpfter weiterhin durch Corona-Viren geschädigt wird und dass aus den gleichen Gründen auch andere Pesonen wiederum angesteckt werden können. Dies ändert jedoch nichts an unseren Schlussfolgerungen. Es geht nicht darum, restlos alle Infektionen auszuschließen, dies wäre gar nicht möglich, sondern die Infektionsgefahr soweit zu verringern, dass unser Gesundheitssystem nicht zusammenbricht.