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Die schwarze Null auf dem Prüfstand

 

Die Bundesregierung gab bekannt, dass sie an dem Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes festhalten möchte. Diese Haltung wurde von den Grünen wie von den Linken kritisiert. Sie äußerten die Meinung, dass die mit der Umweltkatastrophe verbundenen Aufgaben nur dann bewältigt werden, wenn der Staat sich im großen Stile verschulde.

 

Diese Kritik vernachlässigt eine wesentliche wirtschaftliche Grundwahrheit. Da die materiellen Ressourcen knapp sind, muss notwendiger Weise jede Zunahme des Kollektivgüteranteils in gleichem Umfang den Anteil der Individualgüter reduzieren, materielle Ressourcen (die Produktionsfaktoren) können immer nur für eine Verwendung eingesetzt werden, der Zuwachs bei der einen Verwendung (Kollektivgüteranteil) führt stets zu einer Verminderung bei der anderen Verwendung (Individalgüteranteil).

 

Und diese Grundwahrheit kann nur auf zweierlei Weise umgesetzt werden. Entweder erhöht der Staat die Steuereinnahmen um den Betrag, den der Kollektivgüteranteil wachsen soll und dies bedeutet, dass das persönliche Nettoeinkommen der Privaten um eben diesen Betrag über eine Erhöhung der Steuern vermindert wird. Das nominelle Bruttoeinkommen der Privaten bleibt zwar unverändert. Wegen der Erhöhung der Steuersumme vermindert sich jedoch das privat verfügbare nominelle Einkommen.

 

Oder aber der Staat finanziert den Zuwachs an Kollektivgütern dadurch, dass er zusätzliche Kredite aufnimmt und sich deshalb in dieser Höhe zusätzlich verschuldet.

 

Bei dem erstgenannten Verfahren machen die Politiker in ihren Wahlprogrammen kund, dass sie eine Erhöhung des Kollektivgüteranteils planen und dass aus diesem Grund für private Güter weniger Ressourcen zur Verfügung stehen.

 

Die Wähler haben so die Möglichkeit, die Politiker bei der nächsten Wahl abzulehnen, wenn sie diese Veränderung nicht billigen. Die Wähler haben bei diesem Verfahren also die Möglichkeit, die politischen Grundentscheidungen mit zu entscheiden.

 

Beim zweitgenannten Verfahren wird der Eindruck erweckt, als würde die Ausweitung des Kollektivgüteranteils den Handlungsspielraum der Konsumenten nicht berühren. Ihr nominelles Nettoeinkommen ist ja konstant geblieben, sie können nach wie vor die gleiche nominelle Einkommenssumme für private Konsumgüter ausgeben.

 

Trotzdem werden die privaten Haushalte genauso belastet wie beim erstgenannten Verfahren. Da die Mehrproduktion der Kollektivgüter zur Folge hat, dass zur Produktion der Konsumgüter weniger materielle Ressourcen zur Verfügung stehen, wird das reale Angebot an Konsumgütern zurückgehen.

 

Es entsteht deshalb auf den Konsumgütermärkten ein Nachfrageüberhang und dieser führt in einer Marktwirtschaft stets zu Preissteigerungen, welche nichts anderes bedeuten, als dass die realen Nettoeinkommen und damit auch die realisierbare  Konsumgütermenge zurückgeht.

 

Da aber dieser Rückgang in den Konsummöglichkeiten nicht offen von den Politikern angekündigt wurde, besteht die Gefahr, dass die Wähler bestimmte Politiker nur deshalb gewählt haben, weil sie von dem falschen Glauben ausgingen, die Ausweitung der Kollektivgüter führe zu keiner Reduzierung des realen Konsums.

 

Die Wähler wurden also hier getäuscht und man kann in diesem Falle auch nicht mehr davon sprechen, dass die Bevölkerung in den Wahlen die Grundzüge der Politik mit bestimmen kann.

 

Gegen eine Verschuldungspolitik des Staates werden in der Öffentlichkeit viele Argumente aufgezählt. Das wichtigste Argument, dass eine Staatsverschuldung die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Wähler einschränkt, wird jedoch zumeist unterdrückt.

 

Nun werden gegen diese Argumentation in der Öffentlichkeit vor allem zwei Argumente vorgetragen: Erstens: Über eine Staatsverschuldung könnte Arbeitslosigkeit abgebaut und es könnten brachliegende Ressourcen eingesetzt werden, sodass in diesem Falle der private Konsum gar nicht eingeschränkt werden müsse. Zweitens: Die hier eingesetzten zusätzlichen Kollektivgüter stellen Investitionen dar, Investitionen ermöglichen jedoch eine Ausweitung der Produktion in der Zukunft und es sei deshalb durchaus berechtigt, dass diese Investitionen durch Kredite abgedeckt werden.

 

Wenden wir uns zunächst dem ersten Argument zu: dem Einsatz bisher unbeschäftigter Produktionsfaktoren. Dadurch, dass sich der Staat zusätzlich verschuldet, steigt die Nachfrage und bei Nachfragesteigerungen passt sich auch das Güterangebot an und wird ausgeweitet.

 

Da sich allerdings die Beschäftigungslage und auch die Ausnutzung bestehender Kapazitäten von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig unterscheidet, kommen bereits einige Branchen zu einer Vollauslastung zu einer Zeit, in denen andere Branchen noch hohe Arbeitslosigkeit und hohe Leerkapazitäten aufweisen. Kommen jedoch Branchen zu einer Kapazitätsauslastung, so verpufft die Nachfrage an diesen Stellen in Preissteigerungen, ohne dass dort die Produktion noch ausgeweitet werden kann.

 

Diese zunächst partiellen Preissteigerungen weiten sich jedoch wegen der vielseitigen Beziehungen der Substitution und Komplementarität sehr schnell auch in den anderen Branchen aus, sodass stets damit gerechnet werden muss, dass ein großer Teil dieser Mehrnachfrage in Preissteigerungen verpufft und gar nicht zu der erwünschten Ausweitung der Gesamtproduktion führt. Und dies bedeutet, dass die Wähler auf jeden Fall damit rechnen müssen, dass eine defizitär finanzierte Ausweitung der Kollektivgüter über Preissteigerungen zu einer beachtlichen Minderung des Konsums führt.

 

Aber auch dann, wenn wir von diesen strukturellen Effekten absehen, sind Zweifel angebracht, ob die keynesianische Verschuldungspolitik langfristig tatsächlich zu einem spürbaren Abbau der Arbeitslosigkeit führt.

 

Obwohl nahezu alle größeren Industrienationen des Westens in der Nachkriegszeit den Versuch unternommen haben, über eine keynesianische Verschuldungspolitik Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, ist die Massenarbeitslosigkeit seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht gesunken, vermutlich sogar gestiegen. Hierbei liegt die Arbeitslosenrate in den Ländern, die sich in besonders hohem Umfang verschuldet haben, deutlich über der Arbeitslosenrate derjenigen Länder, welche sich um ein ausgeglichenes Staatsbudget bemüht haben.

 

Allerdings ist es kurzfristig – aber eben nur für kurze Zeit – gelungen, auf dem Wege einer keynesianischen Defizitpolitik Rezessionen und Depressionen zu bekämpfen. Dies gilt weniger für den New Deal Roosevelts, da damals die Arbeitslosenrate erst sehr spät spürbar gesenkt werden konnte, vor allem aber auch deshalb, weil Roosevelt keine Defizitpolitik im Sinne Keynes verfolgte, sondern über staatliche Notstandsarbeiten die Reduzierung der Arbeitslosenrate erreicht hatte.

 

Sehr viel mehr Erfolg hatte Karl Schiller, als er in seiner Eigenschaft als Finanz- und Wirtschaftsminister die erste große Rezession der Nachkriegszeit in der BRD erfolgreich bekämpfte.

 

Dass Schiller mit seinen keynesianischen Bemühungen kurzfristig Erfolg hatte, obwohl langfristig kein Erfolg eingetreten ist, kann sehr wohl erklärt werden. Die mit dem Defizit des Staatsbudgets verbundenen zusätzlichen Staatsaufträge führtem über Preissteigerungen zu einem Zuwach in der Gewinnsumme mit der Folge, dass die Unternehmer zu einer Ausweitung der Produktion bereit waren.

 

Gewinn- und Preissteigerungen bedeuten jedoch gleichzeitig, dass die Lohnquote und das Reallohneinkommen zurückgingen. Dies rief die Gewerkschaften auf den Plan, die Nominallöhne wurden an die veränderte Situation angepasst.

 

Damit gingen jedoch auch die Gewinnerwartungen der Unternehmer zurück und damit entfiel der Anreiz, die Produktion auf dem erhöhten Niveau zu halten. Da die Unternehmungen aufgrund eines rigorosen Kündigungsschutzes auch nicht in der Lage sind, Arbeitnehmern zu kündigen, wenn die Produktion zurückgefahren werden muss, entfiel dann auch auf lange Sicht die Bereitschaft der Unternehmungen zu einer Produktionsausweitung.

 

Wenden wir uns nun dem zweiten Gegenargument zu, nachdem staatliche Investitionen durchaus mit Krediten finanziert werden dürfen, da ja mit den Investitionen auch die zukünftige Produktion ansteigt.

 

Im Prinzip leuchtet diese Argumentation zunächst ein. Trotzdem muss berücksichtigt werden, dass die zukünftige Produktion aufgrund heutiger Investitionen nur dann ansteigt, wenn keine Fehlinvestitionen stattfinden. Hierzu ist jedoch stets eine Rentabilitätsrechnung notwendig.

 

Diese findet jedoch aus mehreren Gründen bei staatlichen Investitionen nicht statt. Da es für Kollektivgüter keinen Markt gibt, fehlen auch die Bewertungsmaßstäbe, welche den Wert der Investitionen festlegen. Auch fehlt den Politikern der Anreiz, die Investitionen auf ihren Marktwert hin zu überprüfen. Während die privaten Unternehmer bei Fehlinvestitionen Verluste erleiden, bei Erfolg jedoch Gewinne erzielen, kommt den Politikern weder ein Gewinn bei erfolgreichen Investitionen zugute, noch erleiden sie bei Fehlinvestitionen Verluste.

 

Vor allem gilt auch hier wiederum, dass in dem Maße, in dem der Staat Investitionen durchführt, materielle Ressourcen benötigt werden, welche deshalb nicht mehr für private Zwecke (privater Konsum oder Finanzierung privater Investitionen) zur Verfügung stehen.

 

Auch hier wird das private Realeinkommen im Umfang der staatlichen Investitionen reduziert, entweder dadurch, dass aufgrund erhöhter Steuern das Nettoeinkommen reduziert wird oder dadurch, dass über Preissteigerungen die Kaufkraft des gleichbleibenden Nominaleinkommens vermindert wird. Da bei dem zweiten Weg die Wähler über die zu erwartenden politischen Wohlfahrtsgewinne getäuscht werden, kann nur der Weg über angemessene Steuererhöhungen empfohlen werden.

 

Wenn allerdings eine Reduzierung des privaten Konsums als politisch unerwünscht angesehen wird, könnte man die zusätzlichen staatlichen Investitionen auch dadurch finanzieren, dass man den staatlichen Konsum reduziert.