Sprache als politisches Mittel

 

 

Seit einiger Zeit bestehen Bestrebungen, die Sprache auf politischem Wege zu beeinflussen, um auf diese Weise die Gefahren, welche von bestinmten Reizwörtern ausgehen, einzudämmen.

 

So wird neuerdings die Forderung erhoben, den Begriff ‚Rasse‘ aus dem Grundgesetz durch ein weniger verfängliches Wort zu ersetzen. Oder aber schon seit längerer Zeit wird der Versuch unternommen, über Korrekturen der Sprache geschlechtliche Diskriminierungen abzubauen. So werden in Gesetztestexten, Satzungen und Ausschreibungen jeweils das männliche und das weibliche Geschlecht erwähnt.

 

Es fragt sich jedoch, ob man auf diesem Wege einen positiven Einfluss auf die anstehenden politischen Probleme nehmen kann, ob also der Rassismus vermindert oder ob die geschlechtliche Diskriminierung mit Erfolg auf diese Weise bekämpft werden kann. Ganz im Gegenteil wird man befürchten müssen, dass der Kampf gegen Rassismus politisch erschwert wird, wenn man das Kind nicht mehr beim Namen nennen darf.

 

Befassen wir uns etwas ausführlicher mit dem Versuch, durch Änderung der Sprache geschlechtliche Diskriminierungen zu verringern. Auch hier haben wir wieder den Versuch, die politischen Ziele einfach dadurch zu erreichen, dass man das erwünschte Verhalten per Gesetz oder Verordnung vorschreibt, anstatt dass man in einem ersten Schritt die eigentlichen Ursachen eines unerwünschten Zustandes erforscht, um dann in einem zweiten Schritt mit den Ursachen auch das eigentliche Übel zu beseitigen.

 

Das hier vorliegende sprachliche Problem entsteht in der deutschen Sprache vor allem dadurch, dass es drei Artikel gibt: den männlichen Artikel „der“, den weiblichen Artikel „die“ sowie den sächlichen Artikel ‚das‘.

 

Nun gibt es allerdings eine Vielzahl von Begriffen, welche nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Nehmen wir den Begriff „Hund“. Hier verwenden wir diesen Begriff mit dem männlichen Artikel, obwohl hier nicht etwa nur die männlichen Tiere angesprochen sind. Wenn man speziell den mänlichen Hund ansprechen will, spricht man vom Rüden, bei weiblichen Hunden von der Hündin.

 

Umgekehrt wird der Begriff „Katze“ mit dem weiblichen Artikel versehen, es ist die Katze, von der gesprochen wird, wiederum unabhängig davon, welches Geschlecht das angesprochene Tier hat. Hier spricht man vom Kater, wenn speziell die männliche Rasse dieser Gattung angesprochen wird.

 

Für die Gattung ‚Mensch‘ stellen wir ähnliche Entwicklungen in der Sprache fest. So spricht man vom Vorstand (männlicher Artikel) oder von der Crew (weiblicher Artikel) unabhängig davon, welches Geschlecht die Mitglieder des Vorstandes bzw. der Crew haben. So wird man auch davon sprechen, dass sich die Ministerpräsidenten Europas versammelt hatten, unabhängig davon, ob eine Frau oder ein Mann die Regierung anführt. Man spricht hier von einem Ministerpräsidenten (mänliches Geschlecht), um anzudeuten, dass die Frage des Geschlechtes hierbei keine Rolle spielt, man spricht aber z. B. Frau Merkel als Bundeskanzlerin an, wenn man sie persönlich als weibliche Person anreden möchte.

 

Eigentlich wäre es erwünscht, dass Begriffe, welche es nicht mit dem Geschlecht der betreffenden Person zu tun haben, mit einem anderen, dritten Artikel benannt werden. Es gibt zwar in der deutschen Sprache in der Tat drei Artikel, neben dem männlichen und weiblichen Artikel auch den sächlichen Artikel. Von der Namensgebung her ist in der Tat ein sächlicher Artikel, der also auf die Sache und nicht auf das Geschlecht abhebt, eigentlich genau der richtige Kandidat für Begriffe, die sich auf kein Geschlecht beziehen. Trotzdem bringt der sächliche Artikel keine Lösung des hier vorliegenden Problems, da der dritte Artikel zumeist angewandt wird, wenn man den Betreffenden klein, ja sogar bisweilen lächerlich machen will. So spricht man z. B. von einem Männlein und will diesen Menschen als besonders klein und als lächerlich bezeichnen.

 

Ganz anderes gilt übrigens für den Begriff „Fräulein“. Das Fräulein genoß im Mittelalter einen besonders hohen Wert, die Ritter brachten dem Fräulein besondere Hochachtung entgegen. Deshalb trifft es auch nicht den Kern der Sache, wenn eine unverheiratete Frau - von einem Mann als Fräulein angeredet - diesen Gruß mit ‚Männlein‘ erwiedert. Es wird hier der Mann zu Unrecht als Männlein verunglimpft, obwohl die Anrede mit ‚Fräulein‘ mindestens in früheren Zeiten als Ehrerbietung zu gelten hatte.

 

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine Unterhaltung eines Studenten mit meiner Lehrerin Frau Professor Elisabeth Liefmann-Keil. Diese war übrigens eine der ersten Frauen, welche im Nachkriegsdeutschland in den Wirtschaftswissenschaften eine ordentliche Professur innehatte. Der Student wollte ihr besonders schmeicheln und redete sie mit ‚Frau Professorin‘ an. Sie ließ ihn gar nicht ausreden und fuhr ihm um den Mund: „Dies heißt Frau Professor, der Professorenberuf hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.‘

 

Diese Auffassung scheint mir auch die einzig angemessene Haltung zu sein. Es ist eigenartig, dass gerade diejenigen, welche beklagen, dass zur Zeit Frauen oftmals allein wegen ihres Geschlechtes nicht für bestimmte Führungspositionen ausgewählt wurden, bei der Wortwahl in jedem Einzelfall auf die Erwähnung beider Geschlechter Wert legen. Wenn man dafür eintritt, dass bei der Besetzung von Führungspositionen oder auch allen Arbeitsplätzen das Geschlecht des Bewerbers keine Rolle spielen sollte, warum sollen dann bei der Ausschreibung dieser Positionen eigens beide Geschlechter aufgezählt werden?

 

Diese Forderung (jeweils beide Geschlecher aufzuführen) enthält eine weitere Ungereimtheit. Die gleichen Befürwörter einer solchen begrifflichen Regelung vertreten ebenfalls die Auffassung, es gebe nicht nur zwei, sondern drei Geschlechter. Also müßten doch konsequenter Weise nicht zwei, sondern drei Geschlechter Erwähnung finden.

 

In Wirklichkeit scheint mir ohnehin die These von den drei Geschlechtern fragwürdig. Es gibt nur eine weibliche Eizelle und eine männliche Samenzelle. Richtig ist zwar, dass in jedem Menschen weibliche und männliche Merkmale vorliegen und ein Mann (eine Frau) wird nur deshalb als Mann (Frau) bezeichnet, weil in ihm (ihr) die männlichen (die weiblichen Merkmale) überwiegen. Und in der Tat gibt es Menschen, die zwar äußerlich z. B. als Mann geboren wurden, sich aber trotzdem als Frau fühlen, da die inneren Merkmale in starkem Maße weiblicher Natur sind. Wollte man bei der Geschlechterbezeichnung diesem Tatbestand entsprechen, müsste man nicht von drei, sondern von einer Vielzahl von Geschlechtern sprechen, da es auch sehr unterschiedliche Mischungsverhältnisse zwischen männlichen und weiblichen Merkmalen bei den einzelnen Menschen gibt.

 

Es scheint mir also überflüssig und unangebracht, in jeder Ordnung beide Geschlechter dort zu erwähnen, wo eigentlich das Geschlecht keine Rolle spielen sollte. Aber wenn man schon sich dafür entscheidet, in jeder Ordnung eigens zu erwähnen, dass beide Geschlechter angesprochen sind, dann sollte man mindestens (z. B. durch eine Klammer gekennzeichnet) beide Bezeichnungen ausschreiben, also z. B. davon sprechen, dass ein Schreiner bzw. eine Schreinerin gesucht werden.

 

Eine solche Sprachregelung hätte gegenüber der heutigen Praxis den Vorteil, dass man den fraglichen Text ganz normal aussprechen kann. Bei der heute üblichen Vorgehensweise entstehen kaum aussprechbare Wortungetüme wie z. B. Schreiner *innen.

 

Entstehungsgeschichtlich hat sich die Sprache im Verhalten der Menschen entwickelt und die einzelnen Worte werden auch nicht durch Gesetze oder Verordnungen des Staates festgelegt. Der Duden schreibt nicht vor, wie geschrieben oder gesprochen werden muss, sondern welche Worte sich allgemein durchgesetzt haben. Bei einer solchen Vorgehensweise kann sehr viel besser mit einer allgemeinen Akzeptanz als dann gerechnet werden, wenn die einzelnen Worte vom Staat vorgeschrieben werden. Bei dieser Praxis sollte es auch bleiben.