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Analyse des bestehenden Steuersystems

 

 

 

Gliederung:

 

1. Ziele und Mittel

2. Verbrauchs- und Umsatzsteuern

3. Einkommenssteuer

4. Vermögens- und Erbschaftssteuer

5. Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer

6. Sozialabgaben

7. Gewinnsteuern

8. Zölle und Subventionen

9. sonstige Steuern (Körperschaftsteuer, Grundsteuern, Gewerbesteuern)

 

 

 

Kapitel 8. Zölle und Subventionen Forts. 3

 

 

Gliederung:

 

1. Einführung

2. Zölle

    a. Einteilungskriterien

    b. Ziele der Zollpolitik

    c. Finanzzölle

    d. Schutzzölle

    e. Erziehungszölle

    f. verteilungspolitische Effekte

    g. Zollschutz und das Heckscher-Ohlin-Theorem

    h. das Zolloptimum

    i. gesamtwirtschaftliche Effekte

3. Subventionen

   a.  Funktionen und Dysfunktionen von Subventionen

   b. Der Einfluss von Subventionen auf die internationale Arbeitsteilung

   c. Einfluss auf Konsumenten- u. Produzentenrente

   d. Subvention und Wohlfahrtsänderung

   e. Reaktionen des Auslandes

4. Das Außensteuergesetz

    a. Zielsetzungen des AStG 

    b. Sind unterschiedliche Steuersätze in der EU unerwünscht?

    c. Abwehr gewisser Praktiken der MK zur Verminderung der Steuerbelastung

    d. Wohnsitzverlagerung in ein Gebiet mit niedriger Besteuerung

    e. Sicherung nicht liquidierter Wertzuwächse bei Auswanderung

    f. Ausweitung beschränkter Steuerpflicht bei Verlagerung von Kapitalanlagen ins Ausland

 

 

4. Kritische Analyse des AStG

 

4a. Zielsetzungen des AStG 

 

Die Tatsache, dass innerhalb Europas unterschiedliche Steuersätze gelten, wird als unerwünscht angesehen, da diese Unterschiede dazu führen, dass potenzielle Steuerzahler jeweils in die Länder mit den geringsten Steuersätzen abwandern und da auf diese Weise erstens dem Staat Steuermittel entgehen und da zweitens die im Inland verbliebenen Steuerzahler gegenüber den Auswanderern benachteiligt werden.

 

Grundsätzlich kann dieser Zustand auf dreierlei Weise überwunden werden: erstens dadurch, dass die EU eine die Steuersätze harmonisiert, zweitens dadurch, dass die Mitgliedsländer ihre Steuersätze an die niedrigeren Steuersätze im Ausland anpassen und drittens dadurch, dass die einzelnen Staaten Anreize setzen, um die Steuerumgehung einzudämmen.

 

Das AStG (Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen) versucht den dritten Weg zu gehen, indem es die Steuerpflicht auf Merkmale ausdehnt, die bisher nicht unbegrenzt der Steuerpflicht unterlagen. Es soll in dieser Arbeit überprüft werden, ob das AStG in der Lage ist, hierdurch die Steuereinnahmen zu vergrößern, ob der Grundsatz der Steuergleichheit hierbei durchgesetzt wurde und ob nicht andere Zielsetzungen hierbei verletzt werden, wobei geklärt werden soll, inwieweit insbesondere die in den Verfassungen der Mitgliedsländer sowie in den Verträgen der EU geltenden Freiheitsrechte verletzt werden.

 

Ausgangspunkt des AStG ist offensichtlich die Vermutung, dass unterschied-liche nationale Steuersätze per se Gemeinwohl schädigend seien, da sie  die Wettbewerbsfähigkeit einschränken und da die hierdurch ausgelösten Wanderungen zu den Ländern mit der geringsten Besteuerung enorme Steuerausfälle nach sich ziehen. Diese Vermutung gilt es im Folgenden kritisch zu hinterfragen.

 

 

4b. Sind unterschiedliche Steuersätze in der EU unerwünscht?

 

Das AStG sieht eine Einschränkung der Freiheitsrechte vor, um auf diese Weise mehr Steuereinnahmen und mehr Gerechtigkeit zu erreichen. Jede moralische Rechtfertigung im Sinne einer Gerechtigkeit beginnt mit der Gleichheitsforderung. Bezogen auf die Steuergerechtigkeit bedeutet dieses Prinzip positiv formuliert, dass jedem Bürger dann eine gleiche Steuerlast aufzuerlegen ist, wenn er die gleichen Voraussetzungen aufweist. Negativ formuliert besagt dieses Prinzip, dass der Einzelne sehr wohl selbst zu bestimmen hat, also die Freiheit hat, die vorliegenden verbleibenden Alternativen so auszuwählen, wie er es in Eigenverantwortung für richtig hält und nicht bereits deshalb belangt werden kann, wenn er in Ausübung dieser Freiheit sich für Alternativen entscheidet, bei denen er einer geringeren Besteuerung unterliegt.

 

In diesem Zusammenhang spielt die Unterscheidung zwischen Steuerflucht und Steuerumgehung eine entscheidende Rolle. Steuerflüchtig ist derjenige, welcher trotz Vorliegen der Merkmale, welche eine Steuerpflicht begründen, keine Steuer zahlt, während eine Steuerumgehung überall dort vorliegt, wo der einzelne Bürger den Versuch macht, Alternativen zu wählen, bei denen die Voraussetzungen für eine Steuerpflicht in geringerem Maße als bei anderen Alternativen vorliegen. Steuerflucht stellt deshalb eine Straftat dar und ist als solche zu verfolgen, während die bewusste Steuerumgehung eine durchaus legale Handlung darstellt und gerade deshalb vom Staat eigentlich nicht geahndet werden darf. Bei den im AStG behandelten Fällen handelt es sich aber stets – mindestens vordergründig - um Fälle der Steuerumgehung, die sich nur zum Teil als eine verkappte Steuerflucht entpuppen.

 

Wenn ein Bürger z. B. seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, vielleicht da er dort einer geringeren Besteuerung unterliegt, so trägt er selbst dazu bei, dass die Merkmale, welche eine Besteuerung begründen, nicht mehr eintreten. Das Grundgesetz und die Verträge der Europäischen Union garantieren jedem Bürger die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, wo er sich niederlassen will. Verlegt ein Bürger seinen Standort, um auf diese Weise vielleicht, aber nicht unbedingt seine Steuerschuld zu reduzieren, übt er lediglich das durch die Verfassung garantierte Recht der Niederlassungsfreiheit aus und darf deshalb auch nicht nur deshalb durch Entrichtung einer zusätzlichen Besteuerung bestraft werden, weil er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, ohne dass er hierbei zusätzlich de facto eine Steuerflucht begangen hat. Der Staat hat in wiederholtem Maße selbst bewusst Anreize gesetzt, Merkmale zu schaffen, dass ein Bürger bei Vorliegen bestimmter Tatbestände seine Steuerlast durch Steuerumgehung reduzieren kann.

 

Ein wichtiges Beispiel hierfür stellen die in den 60er und 70er Jahren geltenden und steuerbefreienden Sonderabschreibungen im Wohnungsbau dar. Der Staat hat hier durch Zulassung von steuerlich begünstigten Sonderabschreibungen selbst die Möglichkeit für eine Steuerumgehung geschaffen, da ihm offensichtlich die Förderung des Wohnungsbaus wichtiger war als die Erzielung zusätzlicher Steuereinnahmen.

 

Kann es aber richtig sein, dass der Staat auf der einen Seite selbst Steuerumgehungsmöglichkeiten schafft und damit eine Steuerumgehung fördert, auf der anderen Seite jedoch Bürger durch Erhöhung der Steuerschuld nur deshalb bestraft, da sie von Möglichkeiten Gebrauch machen, welche zu einer Verringerung der Steuereinnahmen führen? Darüber hinaus muss im Zusammenhang mit der Frage der Berechtigung einer Zusatzbesteuerung überprüft werden, ob nicht im Zuge der durch das AStG neu eingeführten Steuertatbestände umgekehrt der Grundsatz der Steuergleichheit sogar verletzt wird.

 

Es ist z. B. zu überprüfen, ob ein Bürger, welcher seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, das einen geringeren Steuersatz vorsieht, benachteiligt wird, wenn er – anders als sesshafte Bürger – nicht liquidierte Vermögenszuwächse versteuern lassen muss. Ob eine Zusatzbesteuerung gerechtfertigt ist, hängt nämlich entscheidend davon ab, wie die unterschiedlichen internationalen Steuersätze erklärt werden müssen. Es gibt im Grunde vier mögliche Ursachen dafür, dass in ausländischen Staaten geringere Steuersätze als im Inland erhoben werden:

 

Ein erster möglicher Grund für unterschiedliche Steuersätze liegt darin, dass der ausländische Staat einen geringeren Anteil seiner Kollektivgüter am Inlandsprodukt als das Inland vorsieht. Ein geringerer Umfang an Kollektivgütern erfordert jedoch auch einen geringeren Bedarf an Steuereinnahmen.

 

Ein zweiter möglicher Grund dafür, dass ein ausländischer Staat geringere Steuersätze als der eigene Staat erhebt, kann auch darin begründet sein, dass die staatlichen Behörden des Auslandes oder eine ausländische Volkswirtschaft insgesamt eine höhere Produktivität aufweisen und deshalb auch den gleichen Umfang an Kollektivgütern mit einem geringeren Steuervolumen finanzieren können.

 

Ein möglicher dritter Grund für geringere Steuersätze kann darin liegen, dass dieser Staat trotz geringerer Steuersätze insgesamt höhere oder zumindest gleich hohe Steuereinnahmen als die anderen Länder erzielt mit der Folge, dass der gleiche Umfang an Kollektivgütern trotz geringerer Steuersätze wiederum finanziert werden kann. Ein geringerer Steuersatz führt nämlich in aller Regel zu einer Zunahme des Volkseinkommens. Aus diesen Gründen können die Steuereinnahmen als Produkt aus Steuersatz mal Einkommen bei einer Steuersatzsenkung sogar ansteigen.

 

 

Ein letzter vierter Grund für geringere Steuersätze kann schließlich darin liegen, dass ein ausländischer Staat seine Kollektivgüter zu einem überdurchschnittlichen Prozentsatz nicht über Steuern, sondern über Kredite finanziert. Auch hier kann dieser Staat trotz geringerer Steuereinnahmen den gleichen Umfang an Kollektivgütern erstellen als das Inland.

 

Die ersten drei möglichen Bestimmungsgründe für unterschiedliche Steuersätze führen nicht zu unerwünschten Ergebnissen und es ist deshalb auch nicht berechtigt, dass die Staaten hier Maßnahmen ergreifen, welche die Bürger daran hindern sollen, diese unterschiedlichen Steuersätze auszunutzen. Lassen sich nämlich erstens niedrigere Steuersätze damit erklären, dass in bestimmten Ländern ein geringerer Anteil an Kollektivgütern angestrebt wird und dadurch insgesamt weniger Steuereinnahmen benötigt werden, entsprechen der geringeren Steuerbelastung auch geringere Leistungen des Staates. Der Auswandernde wird hier gar nicht wirklich begünstigt, er zieht nur einen geringeren Kollektivgüteranteil am Volkseinkommen vor.

 

Wie aber die gesamten knappen Ressourcen auf Individualgüter und Kollektivgüter aufgeteilt werden sollen, ist keine Frage der Moral, sondern hängt von den nationalen Bräuchen einer Bevölkerung ab und sollte darüber hinaus auch von jedem Einzelnen frei entschieden werden können. Höhere Risikofreude führt zu einem höheren Individualgutanteil, während Risikoscheue zumeist mit dem Wunsch eines hohen Kollektivgüteranteils einhergeht. Diese individuelle Entscheidung sollte nicht vom Staat beeinflusst werden.

 

Wenn ein Staat zweitens einen gleich großen Kollektivgüterbestand zu geringeren Preisen (Steuern) anbieten kann als andere Länder, ist es in erster Linie Sache des Staates, der seine Leistungen weniger effizient anbieten kann, seine Produktivität zu erhöhen. Ein vermehrter Zuzug in die produktiveren Staaten erhöht die internationale Gesamtwohlfahrt und sollte deshalb nicht durch staatliche Anreize zum Verzicht einer Abwanderung in den Abwanderungsländern unterbunden werden.

 

Bei der Diskussion über die Erwünschtheit unterschiedlicher Steuersätze hatten wir drittens bisher stillschweigend unterstellt, ein geringerer Steuersatz würde auch immer zu geringeren Steuereinnahmen führen und deshalb geringere Staatsleistungen zur Folge haben. Diese Annahme entspricht nicht der Wirklichkeit. Die mögliche Ausgabensumme des Staates hängt immer von der Steuersumme ab und diese entspricht dem Produkt aus Steuersatz und Steuergrundlage, also z. B. dem zu versteuernden Einkommen oder der zu versteuernden Umsatzsumme. Verändert ein Staat seinen Steuersatz, so verändert sich nämlich in aller Regel auch die Steuergrundlage und zwar fast immer in entgegengesetzte Richtung. Dies bedeutet, dass eine Senkung des Einkommenssteuersatzes zu einer Senkung des Preisniveaus, dies wiederum zu einer Zunahme der Nachfrage und des Einkommens führt.

 

Eine Steuersatzsenkung wird also in jedem Falle im Hinblick auf die Steuersumme dadurch teilweise kompensiert, dass das Einkommen steigt. Es gibt mehrere Beispiele dafür, dass aufgrund einer Steuersatzsenkung die Steuereinnahmen sogar gestiegen sind. Dies galt z. B. in der Vergangenheit für Irland, aber auch für die USA unter Präsident Reagan, als gerade aufgrund einer Steuersatzsenkung die Steuereinnahmen drastisch erhöht werden konnten. Dies bedeutet also, dass bei einer Steuersatzsenkung keinesfalls immer geringere Steuersummen anfallen und deshalb der Auswanderer eine geringere Steuersumme zu entrichten hat. Auch ist der inländische Staat wiederum dafür verantwortlich, dass er seinen Steuersatz suboptimal festlegt. Bleibt also die vierte Möglichkeit, dass ein Staat deshalb mit einem geringeren Steuervolumen auskommen kann, weil er einen Teil des Kollektivgüterbedarfs über Kredite finanziert.

 

Eine solche Lösung ist in der Tat im Allgemeinen unerwünscht, da eine defizitäre Finanzierung der Staatsausgaben zumeist generelle Preissteigerungen nachsichzieht und vor allem im Rahmen einer Währungsunion Anreize schafft, die Stabilitätsbemühungen aufzugeben. Hier wird der Einwandernde per saldo gar nicht begünstigt, er zahlt zwar eine geringere Steuersumme, wird jedoch dadurch wiederum zusätzlich belastet, dass er wegen der inflationären Tendenzen mit seinem Einkommen weniger Güter erwerben kann. In diesem vierten Fall ist es jedoch durchaus erwünscht, dass der Staat Maßnahmen ergreift, um diese Wanderungsprozesse zu unterbinden. Allerdings wäre es effizienter, wenn in der Verfassung wie in der BRD ein prinzipielles Neuverschuldungsverbot ausgesprochen würde, sodass die Regierungen gar nicht die Möglichkeit hätten, einen Teil der Kollektivgüter über Defizite zu finanzieren.

 

 

4c.  Abwehr gewisser Praktiken multinationaler Konzerne

 

Multinationale Konzerne sind bemüht, durch Manipulierung der Verrechnungspreise ihre Gewinne in die Länder mit dem geringsten Einkommenssteuersatz zu verschieben. Folgendes willkürlich gewählte Beispiel soll diese Praktiken veranschaulichen: 

 

Wir unterstellen, dass ein Konzern zwei rechtlich selbstständige Aktiengesellschaften als Tochtergesellschaften gegründet habe, die Unternehmung (A) mit Sitz in Deutschland und die andere Unternehmung (B) mit Sitz in Lettland. Unternehmung A verarbeite ein Halbfabrikat zu einem Konsumprodukt und liefere dieses Konsumprodukt an eine Handelsgesellschaft in Deutschland. Die Kosten zur Herstellung des Halbfabrikates im lettischen Werk beliefen sich für die gesamte Lieferung auf 400 Millionen €. Werk A habe zusätzlich zu den Kosten der Halbfabrikate weitere Kosten in Höhe von 200 Mill. € aufzubringen. Die Handelsgesellschaft bezahle schließlich für die gesamte Lieferung der Konsumprodukte 900 Millionen €.

 

Obwohl für die Halbfabrikate eine ganz bestimmte Kostensumme aufgebracht werden muss, kann die Konzernleitung die Preissumme, welche die deutsche Aktiengesellschaft für den Erwerb der Halbfabrikate bezahlen muss, mehr oder weniger willkürlich festlegen.  Wir wollen zwei Beispiele bringen:

 

In Fall I sei vorgesehen, dass das lettische Werk die Halbfabrikate zum Verrechnungspreis von 400 Mill. €, also zum Kostenpreis abgebe, in Fall II habe hingegen die Konzernleitung beschlossen, dass das lettische Werk die Halbfabrikate zum Preis von 700 Mill. € liefere und somit einen Gewinn in  Höhe von 300 Mill. € erziele. Die Gewinnsituation beider Teilgesellschaften  stellt sich nun wie folgt dar:

 

 

 

 

Diese beiden Beispiele zeigen, dass die Konzernleitung durch willkürliche Festsetzung der Verrechnungspreise die Gesamtgewinnsumme beliebig auf die beiden Tochtergesellschaften aufteilen kann. Wenn nun z. B. die Kapitalertragssteuer in Deutschland  25% und in Lettland 15% betrage, hat der Konzern bei einem Gesamtgewinn von 300 Mill. € im Fall 1 25% von 300 = 75 Mill. €, im Fall 2 hingegen nur 15% von 300 = 45 Mill. € an Kapitalertragssteuer zu entrichten.

 

Der Konzern kann also durch Reduzierung der Verrechnungspreise der in Lettland hergestellten Halbfabrikate immerhin bis zu 30 Mill. €, das heißt 10 % von der Bruttogewinnsumme an Steuerzahlungen einsparen. Hier soll also das AStG helfen, diese Umgehung der Kapitalertragssteuer zu verhindern bzw. zu mildern, in dem das Finanzamt dann zur Ermittlung der Steuerschuld diese Verrechnungspreise korrigieren kann, wenn diese von den handelsüblichen Werten abweichen.

 

Wir haben nun zu überprüfen, inwieweit diese Korrektur erfolgreich ist und inwieweit unter Umständen mit negativen Sekundärwirkungen auf andere Ziele der Wirtschafts- und Finanzpolitik zu rechnen ist. Wir hatten bereits festgestellt, dass zu den wichtigsten Zielen des AStG die Verhinderung der Steuerumgehung zählt und dass auf diese Weise die Steuereinnahmen des Staates verbessert werden sollen und gleichzeitig dem Gebot der Steuergleichheit entsprochen werden soll, das dann offensichtlich verletzt wird, wenn diejenigen, welche der Steuerpflicht entsprechen, mehr Steuern zu zahlen haben als diejenigen, welche die Steuer umgehen.

 

Ob auf diesem Wege eine de facto Erhöhung der Steuereinnahmen zu erwarten ist, hängt davon ab, wie stark die Möglichkeiten der multinationalen Konzerne sind, auch dieser Verschärfung des Steuerrechts auszuweichen. Sofern es sich bei den Produkten, bei denen die Verrechnungspreise manipuliert werden, um Unikate handelt, welche nur von diesem einen Konzern angeboten werden, hat es die staatliche Finanzbehörde ohnehin schwer, einen geeigneten Bezugspreis zu finden.

 

Es besteht hier immer die Gefahr, dass der Konzern auf dem Gerichtswege die Preisfestsetzung des Staates mit Erfolg verhindern kann. Auch gilt es zu bedenken, dass der betroffene Konzern oftmals die Spezifikation der in Frage stehenden Produkte leicht verändern kann, sodass dann die staatliche Behörde wiederum zusätzliche Schwierigkeiten hat, einen geeigneten Vergleichspreis zu finden. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage von Bedeutung, ob die Tochtergesellschaften des jeweiligen Konzerns alle in einem Mitgliedsstaat der EU angesiedelt sind. Das Preisverhalten von Tochtergesellschaften im außereuropäischen Raum dürfte für deutsche Behörden sehr viel schwerer zu kontrollieren sein,  auch dürfte die Bereitschaft der ausländischen Staaten bei der Festsetzung der Preise Rechtshilfe zu leisten, geringer sein.

 

Wie steht es aber mit der Zielsetzung, auf dem Wege des AStG Steuergleichheit zu erreichen? Bei jeder Erhebung von Steuern gleich welcher Art muss berücksichtigt werden, dass Steuerzahler und Steuerträger auseinanderfallen können. Wenn es den betroffenen Konzernen gelingt, die erhöhte Steuerlast auf die Preise der Endprodukte abzuwälzen, hat sich der Abstand in der Steuerlast der betroffenen Konzerne gegenüber denjenigen, welche die Steuer nicht umgehen, nicht verringert.

 

Ob Steuern überwälzt werden können, ist in erster Linie eine Frage der Marktmacht der betroffenen Konzerne. Stehen sie in Wettbewerb mit Konkurrenten gleicher Produkte (sind sie also Oligopolisten), und waren auch die Konkurrenten bestrebt, durch Steuerumgehung die Steuerlast zu verringern, so ist die Überwälzungsmöglichkeit groß. Haben die Konzerne eine Monopolmacht auf den Märkten der Endprodukte, haben sie ohnehin die Macht, die erhöhten Steuern auf den Endpreis abzuwälzen.

 

Also gelingt es der Steuerbehörde nur dann die betroffenen Konzerne stärker zu belasten, wenn letztere in Konkurrenz zu anderen Unternehmungen stehen, welche zusätzlich nicht den Weg der Steuerumgehung gegangen sind. Überhaupt ist der im Rahmen des AStG beschrittene Weg aus ordnungspolitischen Gründen fragwürdig. Das AStG ist ein typisches Beispiel einer marktinkonformen Maßnahme. Nach der Überzeugung des Ordoliberalismus hat zwar der Staat das Recht, die Ergebnisse des Marktprozesses zu korrigieren, wenn übergeordnete Werte verletzt werden. Er sollte aber stets nur auf indirekte Weise die Daten zu beeinflussen versuchen, welche die Entscheidungen der Unternehmer bestimmen. Die Festsetzung der Preise  sei nach wie vor den Unternehmungen vorbehalten. Ein direkter Eingriff in den Markt durch staatliche Festsetzung der Preise sei nicht nur – wie bereits gezeigt – oft ineffizient, sondern habe gleichzeitig einen unerwünschten Einfluss auf die gesamtwirtschaftlichen Ziele.

 

In einer freien Marktwirtschaft erfolgt die Anpassung der Produktion an den Bedarf der Konsumenten über die Preisrelationen, welche in einer funktionierenden Wettbewerbsgesellschaft jeweils die Knappheitsverhältnisse widerspiegeln. Indem der Staat nun einzelne Preise korrigiert, verändert er die Preisrelationen und verhindert auf diese Weise, dass die Produktion bestmöglich an den Bedarf der Konsumenten angepasst wird.

 

Nun mag man einwenden, dass ja gerade die Verrechnungspreise der multinationalen Konzerne selbst wiederum den Knappheitsverhältnissen nicht mehr entsprechen, wenn die Konzerne diese Preise so manipulieren, dass die Gewinne jeweils in den Ländern der niedrigsten Steuersätze anfallen. Diese Feststellung  ist zwar richtig, aber darin liegt nicht das eigentliche Problem. Von Bedeutung ist vielmehr, dass der Staat gar nicht in der Lage ist, die Preise so zu verändern, dass sie den Knappheitsverhältnissen entsprechen und deshalb ihre Funktion erfüllen können. Bei dem Versuch des AStG, die Verrechnungspreise der multinationalen Konzerne zu korrigieren wird eine – aus volkswirtschaftlicher Sicht - falsche Entscheidung durch eine andere, genauso falsche Entscheidung ersetzt.

 

Im Grunde genommen gleicht also die im AStG beschrittene Vorgehensweise einem Kurieren am Symptom. Ein Erfolg einer politischen Maßnahme kann jedoch nur dann erwartet werden, wenn der Versuch gemacht wird, die eigentlichen Ursachen des Übels zu bekämpfen. Die eigentliche Ursache dafür, dass die Konzerne durch Manipulierung der Verrechnungspreise tatsächlich die Steuerschuld umgehen können, liegt nun darin, dass die rechtlichen von den tatsächlichen Machtverhältnissen abweichen. Rechtlich gesehen handelt es sich bei den beiden Tochtergesellschaften um zwei selbstständige Unternehmungen, obwohl in Wirklichkeit der Konzern über die Entscheidungen der Tochtergesellschaften genauso bestimmt, wie wenn die Teilgesellschaften ein einziges Unternehmen darstellen würden.

 

Würde die rechtliche Form der tatsächlichen Gestaltung entsprechen, wären die Möglichkeiten der Steuerumgehung nicht mehr gegeben. Ein Konzern kann einerseits in die Entscheidungsbefugnisse faktisch unabhängiger Unternehmungen nicht mehr unmittelbar  eingreifen, andererseits läge die Steuerhoheit stets in dem Lande, in dem der Konzern seinen Sitz hat.

 

Der faktische Einfluss eines Monopolisten auf seine Marktpartner müsste natürlich gleichzeitig durch eine effektive Monopolkontrolle verhindert werden. Die Möglichkeit, durch Manipulation der Verrechnungspreise zu erreichen, dass die Steuerhoheit gerade in das Land fällt, in dem die geringsten Steuersätze erhoben werden, bestünde in diesem Falle für den Konzern nicht mehr.

 

 

4d. Wohnsitzverlagerung in ein Gebiet mit niedriger Besteuerung

 

Wenden wir uns nun einer Steuerumgehung zu, welche in einer Verlagerung des Wohnsitzes in ein Gebiet besteht, in welchem ein geringerer Steuersatz für Kapitalerträge als im Ursprungsland gilt. Folgendes Beispiel sei unterstellt:

 

Unterstellt sei, dass Person A ihren Wohnsitz schon immer in der BRD hatte und ein Sparbuch über 10.000 € bei einer deutschen Bank besitze. Person A beschließe nun, nach Lettland auszuwandern, ohne jedoch das Sparbuch bei der deutschen Bank aufzulösen. Wäre Person A nicht ausgewandert, so hätte sie den jährlichen Zinsertrag entsprechend der in der BRD geltenden Abgeltungssteuer versteuern müssen. Dadurch, dass jedoch Person A ihren Wohnsitz ins Ausland und zwar nach Lettland verlagert hat, ist A für die hier in Deutschland anfallenden Zinsen - ohne AStG - nicht mehr unbegrenzt steuerfähig.  Es gilt nur noch eine begrenzte Steuerfähigkeit. Bei  begrenzter Steuerfähigkeit gilt keine Steuerpflicht  für Zinsen aus Bank- und Sparguthaben.

 

Aus der Befürchtung heraus, dass die Wohnsitzverlagerungen in ein Gebiet mit niedriger Besteuerung in hohem Maße stattfindet, um auf diese Weise Steuern zu sparen, dass aus diesem Grunde der BRD hohe Steuerausfälle entstehen oder dass sich der Staat u. U. gezwungen sieht, die Steuersätze für den Kapitalertrag an die geringeren Steuersätze des Auslandes anzupassen, sieht das AStG bei einer Wohnsitzverlagerung in ein Gebiet mit niedriger Besteuerung vor, unter gewissen Voraussetzungen die an und für sich geltende beschränkte Steuerpflicht der Ausgewanderten wiederum auszuweiten.

 

Folgende 3 Voraussetzungen werden im AStG genannt:

 

Erstens: Wohnsitzverlagerung in ein Gebiet mit niedriger Besteuerung (Niedrigsteuerland)

 

Zweitens: Der Steuerpflichtige war in den letzten zehn Jahren vor dem Wegzug mindestens fünf Jahre als deutscher Staatsangehöriger unbeschränkt steuerpflichtig.

 

Drittens: Der Steuerpflichtige hat nach wie vor wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland.

 

Sind diese Voraussetzungen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht erfüllt, so unterliegen für einen Zeitraum von zehn Jahren zusätzlich zur beschränkten Steuerpflicht weitere Einkünfte der deutschen Einkommensteuer, soweit dies nicht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen wird.

 

Kritisch ist anzumerken, dass hier der Staat bewusst Anreize setzt, um eine Auswanderung in ein anderes Land zu erschweren, obwohl die Verträge der Europäischen Union die Niederlassungsfreiheit ausdrücklich garantieren. Nun hat der Europäische Gerichtshof  in seinem Urteil vom 11. März 2004 entschieden, dass eine Wegzugbesteuerung dem Gebot der Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages widerspricht, wenn die Verlagerung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat der EU erfolgt.

 

Dieses Urteil dürfte sinngemäß auch auf die im AStG vorgesehene Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht bei Wohnsitzverlagerung in ein Gebiet mit niedriger Besteuerung  angewandt werden müssen. Es bleibt die Frage, was rechtens ist, wenn Personen aus der BRD in ein nicht europäisches Land auswandern und trotzdem noch wirtschaftliche Interessen in der BRD ( wie z. B. ein Sparbuch bei einer deutschen Bank) besitzen.

 

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes beschränkt sich zwar auf Wohnsitzverlagerungen innerhalb der Europäischen Union. Trotzdem widerspricht die Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht immer den Grundsätzen einer freien Wirtschaft, wonach jedem Bürger das Recht eingeräumt wird, jederzeit nach eigenem Gutdünken in ein Land freier Wahl auszuwandern. Auch hier würde eine Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht dieses Recht auf Auswanderung genau so einschränken, wie die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union beschnitten würde. Wir hatten im zweiten Teil dieses Beitrages bereits darauf hingewiesen, dass international unterschiedliche Steuersätze durchaus erwünscht sein können und dass deshalb mit der Auswanderung eine Steigerung des Gemeinwohls verbunden sein kann, die es nicht - auch bei Steuerminderung nicht - zu unterdrücken gilt.

 

Darüber hinaus haben wir gezeigt, dass der alternative Weg einer Reduzierung der Steuersätze keineswegs immer oder auch nur in der Mehrzahl der Fälle  zu einer Reduzierung der Steuersumme führt, da jede Steuersatzsenkung in aller Regel mit einem Anstieg des Gesamteinkommens verbunden ist.

 

 

4e.  Sicherung nicht liquidierter Wertzuwächse bei Auswanderung

 

Wenden wir uns nun dem im AStG behandelten dritten Fall einer Steuerumgehung zu: der sogenannten Wegzugbesteuerung. Wiederum beginnen wir die kritische Analyse mit einer Umschreibung dieses zweiten Tatbestandes anhand eines konkreten Beispiels:

 

Wir betrachten zwei Steuerpflichtige: A und B. Beide hatten ihren bisherigen Wohnsitz in der BRD. Steuerpflichtiger A verlege nun im Zeitpunkt T seinen Wohnsitz nach Frankreich, der Steuerpflichtige B bleibe in der BRD. Beide hätten vor 5 Jahren Anteile an einer deutschen Unternehmung im Werte von 10.000 € erworben, deren Kurswert im Zeitpunkt T gegenüber dem Erwerbsjahr um 50% Prozent, also auf 15.000 € angestiegen sei. Beide haben im Zeitpunkt T diese Papiere nicht – auch nicht im Umfang der Kursgewinne – veräußert und damit den Wertzuwachs nicht liquidiert. Nach deutschen Steuerrecht sind Kursgewinne erst dann zu versteuern, wenn die Gewinne durch Verkauf der Wertpapiere realisiert werden und deshalb anderweitig verwendet werden können. Also hat B im Zeitpunkt T den Einkommenszuwachs nicht zu versteuern. 

 

Da A hingegen im Zeitpunkt T nach Frankreich überwechselt, hat er entsprechend dem AStG den Kursgewinn in diesem Zeitpunkt auch dann zu versteuern, wenn er die Wertpapiere nicht veräußert und damit den Gewinn  nicht ausgezahlt bekommt. Da keine Veräußerung dieser Wertpapiere stattfand und damit auch nicht bekannt war, welchen Gewinn B bei einer Veräußerung tatsächlich erzielt hätte, wird von der staatlichen Behörde ein fiktiver Gewinn entsprechend den in diesem Zeitpunkt geltenden Börsenkursen angenommen.

 

Wir unterstellen nun, dass beide Personen A und B im Zeitpunkt T+5 ihre Wertpapiere verkaufen und dass der Wert dieser Papiere an der Börse in der Zwischenzeit gerade wiederum so stark gefallen sei, dass der ursprüngliche Wert von 10.000 € beim Ankauf dieser Papiere erzielt wurde. Da die in der BRD verbliebene Person B keinen zusätzlichen Kursgewinn erzielt hat, hat sie auch keinen Einkommenszuwachs im Zusammenhang mit diesen Wertpapieren zu versteuern, während Person A beim Wechsel des Wohnsitzes den damals realisierten Kursgewinn versteuern musste. A hat nun nach AStG nur dann einen Anspruch auf Zurückzahlung der bei der Auswanderung fälligen Wegzugsteuer, wenn die Erträge aus diesen Wertpapieren nicht betrieblicher Natur sind (§ 6,6 AStG).

 

 

 

 

 

Obwohl also beide Personen A und B im Hinblick auf den betrachteten Wertpapierbesitz einen gleichen Ertrag erzielt hatten, musste A eine höhere Steuersumme an den Staat abführen als B. Somit ist hier der Grundsatz der gleichen Steuerbelastung verletzt.

 

 

4f. Ausweitung beschränkter Steuerpflicht bei Verlagerung von Kapitalanlagen ins Ausland

 

Wenden wir uns nun dem vierten im AStG geregelten Fall der sogenannten Hinzurechnungsbesteuerung zu, bei der Einkünfte einer ausländischen Tochtergesellschaft ihren inländischen Gesellschaftern für die Besteuerung hinzuge-rechnet werden können. Wiederum wollen wir mit einem Beispiel  beginnen:

 

Wir wollen unterstellen, dass eine Person A, deren Wohnsitz in der BRD liegt, eine Tochtergesellschaft in Form einer selbstständigen AG in einem anderen Mitgliedsland der EU gründet und die in seinem Besitz befindlichen Wertpapiere im Werte von 100 Mill. €  in diese Tochtergesellschaft einbringt. Bisher hatte Person A die Zinsen aus diesem Wertpapierbesitz entsprechend der in der BRD geltenden Abgeltungssteuer (15%) in Deutschland versteuern müssen. Solange nun die bei der ausländischen Tochtergesellschaft anfallenden Zinsen nicht ausgeschüttet werden, ist nur der im Ausland geltende Körperschaftssteuersatz zu bezahlen, der annahmegemäß unter 15% liege.  Durch diese Transaktion hatte also A eine Steuerersparnis  erzielt.

 

Nun liegen dieser Steuerersparnis im Grunde zwei von einander zu unterscheidende Tatbestände zugrunde. Erstens wurde eine Wertanlage, die vorher in unmittelbarem Besitz von A war, in eine selbstständige Kapitalgesellschaft eingebracht. Da im Allgemeinen die Körperschaftssteuer, welche eine Art Einkommenssteuer für juristische Personen darstellt, einen geringeren Steuersatz vorsieht als die entsprechende Einkommenssteuer für natürliche Personen, führt dieser Vorgang unabhängig davon, ob dieser Transfer in eine in Deutschland oder in einem ausländischen Staat ansässige Unternehmung eingebracht wird,  in aller Regel zu einer Steuerersparnis, solange die Zinsen nicht ausgeschüttet werden, also sofort wieder angelegt werden. Diese Steuerumgehung wird offensichtlich vom Gesetzgeber als nicht unerwünscht angesehen.

 

Zweitens rührt jedoch die Steuerersparnis zum Teil auch daher, weil die Wertanlage ins Ausland transferiert wurde und dieses Land annahmegemäß geringere Steuersätze als die BRD vorsieht. Offensichtlich wird dieser Transfer vom Gesetzgeber als unerwünscht angesehen. Es bleibt unklar, warum die gleichen Steuerumgehungstatbestände unterschiedlich bewertet werden, je nachdem, ob der Transfer, der die Steuerersparnis gebracht hatte, innerhalb des Inlandes oder zwischen zwei Staaten vollzogen wird.

 

Der EuGH hat in der Cadbury-Schweppes-Entscheidung eine Hinzurechnung nur dann mit der Niederlassungsfreiheit für vereinbar erklärt, wenn auch objektiv ein Missbrauch zur Ausnutzung unterschiedlicher Besteuerungsniveaus vorliegt. Ob der vierte Teil des AStG dem entspricht, ist derzeit umstritten. Das AStG versucht die Gültigkeit einer Hinzurechnungsbesteuerung daran zu messen, ob folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

 

1. An einer ausländischen Gesellschaft sind unbeschränkt Steuerpflichtige zu mehr als der Hälfte beteiligt.

 

2. Die ausländische Gesellschaft erzielt Einkünfte, für welche die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist (passive Einkünfte genannt). Hierbei wird anhand eines Kataloges festgelegt, für welche Einkünfte die Unternehmung keine Zwischengesellschaft darstellt. Prinzipiell fallen keine Erträge unter diesen Tatbestand, welche aufgrund einer produktiven Tätigkeit erwirtschaftet wurden.

 

3. Die passiven, zusätzlich zu versteuernden Einkünfte unterliegen einer niedrigeren Besteuerung als in der BRD.

 

Sind diese drei Voraussetzungen erfüllt, werden die passiven Einkünfte der ausländischen Gesellschaft dem zu versteuernden Einkommen des unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters hinzugerechnet, allerdings abzüglich der darauf entfallenden ausländischen Steuern und im Verhältnis seiner Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft; sie  unterliegen der deutschen Besteuerung.

 

Auch hier ist zu bemängeln, dass sich der Gesetzgeber auf ein Kurieren an Symptomen beschränkt. Die eigentliche Ursache für eine etwaige missbräuchliche Steuerumgehung liegt darin, dass man begonnen hat, nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen, also Unternehmungen der Steuerpflicht zu unterwerfen.

 

Diese Einteilung verkennt, dass alle produktiven Tätigkeiten den alleinigen Zweck verfolgen, Güter und Leistungen für die Endverbraucher - und dies sind immer natürliche Personen – zur Verfügung zu stellen. Unternehmungen haben die alleinige Aufgabe, durch produktive Tätigkeiten aus dem Bestand an natürlichen Ressourcen schließlich konsumreife Güter herzustellen. Einen selbstständigen Nutzen aus Gütern können also nur die Konsumenten und nicht die Unternehmungen ziehen, deshalb gibt es auch keinen Sinn, Unternehmungen als juristische Personen zu besteuern. Alle Güter, welche eine Unternehmung herstellt, kommen somit letzten Endes den Konsumenten zugute und dies sind immer natürliche Personen. 

 

Da nun die Staaten der Fiktion folgen, dass es neben natürlichen Personen auch juristische Personen gibt, die ebenfalls zur Steuerpflicht herangezogen werden müssen und darüber hinaus nicht von einem einheitlichen Prinzip ausgehen, das festlegt, ob der Wohnsitz oder die Ertragsquelle bestimmt, wer letzten Endes besteuert werden soll, wird diese Verkomplizierung, welche überhaupt erst die Steuerumgehung ermöglicht, noch vergrößert.

 

Natürliche Personen zahlen ihre Steuern dem Grundsatz nach an die Staaten, in denen diese Personen ihren ersten Wohnsitz haben. Juristische Personen werden hingegen grundsätzlich an der Quelle besteuert. Unterlägen nur natürliche Personen der Steuerpflicht und würde z. B. nur das Prinzip des Wohnsitzes angewandt, gäbe es gar nicht die Möglichkeit, durch Verlagerung von Kapitalanlagen ins Ausland die Steuerpflicht auf legale Weise zu umgehen.

 

Mit dieser Aufspaltung zwischen natürlichen und juristischen Personen  sorgten die Staaten für eine Verschleierung der tatsächlichen Steuerhöhe. Es wird der Eindruck erweckt, als müsse der Steuerzahler im Durchschnitt nur 25% seiner Kapitalerträge an den Staat als Abgeltungssteuer entrichten. In Wirklichkeit werden diejenigen Unternehmer, welche ihre Unternehmung in Form einer Kapitalgesellschaft betreiben,  zwei Mal zur Kasse gebeten.

 

Zunächst unterliegt der Kapitalertrag der Unternehmung als Körperschaftssteuer der Steuerpflicht und nur der verbleibende Gewinn steht dann zur Verwendung den Anteilseignern zu. Dieses verbleibende Einkommen unterliegt dann zusätzlich der Einkommenssteuer. Zwar versucht der Gesetzgeber durch Abzugsmöglichkeiten oder durch Teileinkünfteverfahren diese Doppelbesteuerung zu mindern, jedoch mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

 

 

Ein Grund dafür, dass der Staat zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheidet, liegt nun daran, dass der Staat Einkommen, welche an die Anteilseigner (also an die natürlichen Personen) ausgeschüttet werden, höher besteuert als Einkommen, welche nach wie vor der Unternehmung zur Verfügung stehen. Der niedrigere Steuersatz bei Nichtausschüttung lässt sich damit rechtfertigen, dass durch die Zurverfügungstellung von Einkommensteilen für investive Zwecke insgesamt zur Erhöhung der Produktivität und damit zur allgemeinen Wohlfahrtssteigerung beigetragen wird und somit diese Teile eines Gewinneinkommens gerade nicht für Konsumzwecke der Anteilseigner zur Verfügung stehen. Aus der Sicht des Staates wurde nun befürchtet, dass gerade der Umstand, dass nicht ausgeschüttete Gewinne niedriger besteuert werden, die Kapitaleigner dazu verleiten könnte, durch Belassen der Gewinne in der Unternehmung, Steuern zu sparen, und dass dem Staat deshalb unberechtigter Weise Steuereinkünfte vorenthalten werden.

 

Diese Befürchtung besteht jedoch nicht zu Recht. Man kann nicht auf der einen Seite einen gesamtwirtschaftlichen Vorteil darin sehen, dass Einkommensteile in der Unternehmung verbleiben und für produktive Zwecke eingesetzt werden und gleichzeitig in demselben Vorgang eine unerwünschte Steuerumgehung sehen. Zwar mag es richtig sein, dass die Kapitaleigner über ihre Einlagen mehr Gestaltungsfreiheit und Macht erlangen. Gleichzeitig trägt jedoch die investive Anlage von Einkommensteilen auch zur Sicherung der Arbeitsplätze bei. Deshalb ist die Nichtausschüttung von Gewinnen im Prinzip durchaus als Gemeinwohl fördernd anzusehen.

 

Die durch erweiterte Investitionsmöglichkeiten erzielte Produktivitätssteigerung kommt dann letzten Endes über mögliche Preissenkungen auch den Konsumenten und damit der Allgemeinheit zugute. Aus diesen Gründen ist es durchaus berechtigt, dass nicht ausgeschüttete Gewinne immer mit einem geringeren Steuersatz als ausgeschüttete Gewinne zu versteuern sind. Und dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, aus welchen Motiven heraus Personen ihre Gewinne zur Wiederverwendung in den Unternehmungen belassen.

 

Die Art und Weise, mit welcher das AStG die Hinzurechnungsbesteuerung durchführt, gibt darüber hinaus zu der Befürchtung Anlass, dass im Zusammenhang mit der Auslegung dieses Gesetzes Rechtsungleichheit und darüber hinaus Rechtsunsicherheit entsteht. Das AStG kennt nämlich keinen exakt definierten Maßstab dafür, wann eine Verlagerung von Kapitalanlagen ins Ausland eine zusätzliche Steuerpflicht auslöst.

 

Die Überprüfung, wann denn ein Tatbestand gegeben ist, der eine Hinzurechnungsbesteuerung auslöst, wird anhand eines Kataloges der Beispiele geklärt, bei denen keine Hinzurechnungsbesteuerung durchgeführt werden soll. Eine solche Vorgehensweise wäre vielleicht angebracht, wenn wir uns in einer stationären Gesellschaft befinden würden, in der alle Gepflogenheiten, Verhaltensweisen und Gegebenheiten unverändert bleiben. In Wirklichkeit leben wir in einer dynamischen Gesellschaft, in der sich permanent Änderungen in den Verhaltensweisen und Daten ergeben, sodass solche Kataloge sehr schnell überholt werden.

 

Es entsteht auf diese Weise bei der Rechtssprechung ein sehr hoher Interpretationsbedarf, der notwendiger Weise dazu führt, dass diese Paragraphen von unterschiedlichen Richtern ungleich ausgelegt werden. Zumindest bis zur Klärung dieser Streitpunkte durch eine höchstrichterliche Instanz können hierdurch gleiche Tatbestände unterschiedlich entschieden werden und somit  kann der Grundsatz der Rechtsgleichheit verletzt werden. Zusätzlich entsteht eine hohe Rechtsunsicherheit, da die einzelnen Betroffenen nie im Voraus wissen können, wie bestimmte Tatbestände im Falle des Rechtsstreites entschieden werden.