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Zur Problematik der Studiengebühren

 

Hochschulpolitik zwischen allokations- und verteilungspolitischen Zielen

 

Gliederung:

 

01. Historische Einführung

02. Keine Umverteilung der Arbeit im engeren Sinn

03. Abbau institutioneller Beschränkungen

04. Senkung der privaten Ausbildungskosten durch verlorene Zuschüsse

05. Senkung der privaten Ausbildungskosten durch Kredite

06. Umverteilung durch Bildungspolitik?

07. Die allokative Problematik der Hochschulpolitik

08. Allokation und Bürokratie

09. Allokationsprobleme bei politischen Lösungen

10. Das Problem des Kollektivgüterangebotes

11. Anpassungsschwierigkeiten im Bildungssektor

12. Das Problem des Verdrängungswettbewerbes

 

 

 

01. Historische Einführung

 

Die Hochschulpolitik verfolgte in der Vergangenheit lange Zeit vorwiegend verteilungspolitische Ziele. Ausgangspunkt war die Feststellung eines Bildungsmonopols. Man verstand darunter die Tatsache, dass nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz der Bevölkerung auf Hochschulen studiert hatte. Noch im Jahre 1960 studierten z. B. in Westdeutschland bei einer Bevölkerung von etwa 56 Mio. Einwohnern nur circa 200.000 Jugendliche. In der Zwischenzeit (so z. B. im Jahre 20006) besuchten in Gesamtdeutschland immerhin 1,9 Mio. Studenten die Hochschulen. Früher war das Studium lange Zeit vorwiegend den Kindern entweder von reichen Eltern oder von Eltern, welche ebenfalls bereits studiert hatten, vorbehalten.

Diese Feststellung galt nicht nur für Deutschland, sondern für die meisten wirtschaftlich hochentwickelten Staaten. In einigen Staaten, wie z. B. in den USA war lange Zeit vor allem bestimmten rassischen Minderheiten der Zugang zu den Hochschulen auch de jure verwehrt. Hier galt es in einem ersten Schritt den Zugang zu den höheren Bildungseinrichtungen in rechtlichem Sinne zu garantieren. Dies bedeutet natürlich nicht, dass jedem – unabhängig von seinen intellektuellen Fähigkeiten – die Möglichkeit zu studieren eingeräumt werden sollte. Selbstverständlich setzt ein erfolgreiches Studium eine bestimmte Mindestfähigkeit zur Ausbildung voraus. Wer über diese Fähigkeiten nicht verfügt, brächte es ohnehin nicht zu einem erfolgreichen Studienabschluss, er wäre nicht fähig, die zum Teil sehr schwierigen Prüfungen zu bestehen.

Wollte man auch dieser Bevölkerungsgruppe einen Zugang zu den Hochschulen ermöglichen, hätte dies eine enorme Vergeudung knapper materieller Mittel zur Folge, welche an anderer Stelle sehr viel erfolgversprechender eingesetzt werden könnten. Dies gilt sowohl aus der Sicht der betroffenen Studenten wie auch der gesamten Volkswirtschaft. Verbringt ein junger Mensch mehrere Jahre ohne erfolgreichen Abschluss an der Universität, so vergeudet er seine Zeit, er hätte diese Zeit besser z. B. für die Erlernung eines handwerklichen Berufes verbringen können, er tritt später als möglich ins Erwerbsleben ein und trägt hierdurch dazu bei, dass sein Lebenseinkommen geringer als möglich ausfällt.

Gesamtwirtschaftlich hätten die für die nicht erfolgreiche Ausbildung dieser Studentengruppe eingesetzten Ressourcen zur allgemeinen Verbesserung der Lehre oder auch der Forschung eingesetzt werden können, sie hätten dadurch zur  Erhöhung der allgemeinen Produktivität beigetragen, die letztendlich auch wiederum zu einer Steigerung der Einkommen der nicht akademischen Arbeitnehmer verholfen hätte, da ja die Produktivität der einzelnen Arbeitskräfte immer auch von komplementären Produktionsfaktoren abhängt.

Die Forderung nach einem freien Zugang zu den höheren Bildungsstätten hat somit allein sicher zustellen, dass jeder, der die intellektuellen Voraussetzungen für ein Studium mitbringt, auch das Recht haben muss, ein Studium an den Hochschulen durchzuführen, unabhängig davon, welcher Einkommensgruppe und welcher Berufsgruppe die Eltern dieser Studenten angehören.

Auch die Nachfrage nach Dienstleistungen im Bildungssektor erfordert einen Preis. Bei der Inanspruchnahme eines Studienplatzes entstehen auf der einen Seite dadurch Kosten, dass Lehrpersonal eingestellt werden muss und dass Hörsäle und Bibliotheken eingerichtet werden müssen. Auf der anderen Seite benötigt der Student Lehrmaterial wie Bücher, Hefte, Taschenrechner oder auch einen Computer, um erfolgreich studieren zu können. Gerade weil die Eltern der etwas ärmeren Arbeitnehmer überfordert waren, diese Kosten selbst aufzubringen, entstand die Forderung, dass der Staat diese Kosten zu übernehmen habe, dass er auf das Erheben von Studiengebühren verzichten (Forderung nach Studiengebührfreiheit) und das Lehrmaterial kostenlos zur Verfügung stellen sollte.

Nun hat man sehr schnell feststellen müssen, dass ein im rechtlichen Sinne freier Zugang zu den höheren Bildungsstätten nicht ausreicht, um tatsächlich sicherzustellen, dass auch alle bildungsfähigen und bildungswilligen Personen die Möglichkeit erhalten, ein Studium aufzunehmen. Einer der Gründe dafür, dass in der Vergangenheit fast nur die Kinder von Akademikern und von Empfängern höheren Einkommens tatsächlich die Hochschule besucht haben, liegt darin, dass ein Studium nicht nur Kosten in dem Sinne verursacht, dass auch für die Nutzung der Bildungsgüter ein Preis gezahlt werden muss, sondern dass darüber hinaus im Zusammenhang mit dem Studium Kosten im Sinne von entgangenem Einkommen entstehen.

Ein Studium stellt gewissermaßen ein Vollzeitjob dar und dauert einige Jahre und dies bedeutet, dass Akademiker auch erst einige Jahre später als die sonstigen Erwerbspersonen in das Erwerbsleben eintreten. Während der Dauer des Studiums treten somit Einkommensausfälle auf und es sind vor allem diese Einkommensausfälle, welche die Eltern von vielen Arbeitnehmern daran hindern, zuzulassen, dass ihre Kinder ein mehrjähriges Studium aufnehmen.

Die Einkommenslosigkeit während des Studiums hat zunächst zur Folge, dass einerseits  die Eltern den Lebensunterhalt ihrer Kinder weiterhin aufbringen müssen und dass andererseits die Erwartung, dass die Kinder mit zu den Lebenshaltungskosten der Haushalte der Eltern beitragen zu einer Zeit, in der Nichtakademiker bereits Erwerbseinkommen erhalten, auf mehrere Jahre in die Zukunft verschoben wird. Es kommt noch hinzu, dass ein Studium oftmals zur Folge hat, dass eine Unterkunft in einer auswärtigen Stadt notwendig wird, während erwerbstätige Arbeitnehmer sehr oft einen Arbeitsplatz finden können, auch ohne den Wohnstandort wechseln zu müssen. 

Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass Studenten während ihres Studiums – vor allem in den sogenannten Semesterferien – Einkommen erwerben. Von dieser Möglichkeit wurde in früheren Zeiten auch sehr oft Gebrauch gemacht. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass vorübergehende Erwerbstätigkeit während des Studiums den Erfolg des Studiums beeinträchtigt und die Zeit des Studiums unnötig verlängert.

Es entstand so die Forderung, den Studenten nicht nur die Hochschulgebühren zu erlassen, sondern ihnen ein reguläres Einkommen während der Dauer des Studiums zu gewähren. Diese Einkünfte können entweder in Form eines Kredites gewährt werden, der später, wenn die Studenten ins Erwerbsleben eingetreten sind, zurückzuzahlen ist. Oder aber sie werden als verlorene Zuschüsse gewährt im Sinne einer echten Einkommensumverteilung zugunsten der Studierenden.

Bildung stellt jedoch nicht nur ein verteilungspolitisches Problem dar. Wie bei der Produktion aller Güter müssen auch für die Erstellung der Bildungsgüter materielle Kosten aufgewandt werden, die knapp sind und die deshalb so effizient wie möglich eingesetzt werden sollten. Wir sprechen hierbei von dem Allokationsproblem der Bildung. Hierbei lassen sich mehrere Aspekte unterscheiden. Auf der einen Seite gilt es darauf hinzuwirken, dass Bildung so kostengünstig wie möglich erstellt wird. Auch die Erfüllung der Bildungsaufgabe kann mit recht unterschiedlichen Methoden wahrgenommen werden und diese einzelnen Methoden unterscheiden sich unter anderem darin, wie hoch die Kosten pro erstellter Bildungseinheit sind. Es gilt also Mechanismen zu entwickeln, die sicherstellen, dass auch jeweils die kostengünstigsten Verfahren eingeschlagen werden.

Auf der anderen Seite gilt es zu klären, welche Bildungsgüter und in welchem Umfang erstellt werden sollen. Gerade da die knappen Ressourcen auch für andere Verwendungsarten als für Bildungsgüter benötigt werden, muss geklärt werden, wie diese knappen Ressourcen auf Bildungs- und andere Güter aufgeteilt werden. Auch hier gibt es die Gefahr eines ‚zu viel‘, wenn auch in der jüngsten Vergangenheit eher davon gesprochen werden kann, dass zu wenige Bildungsgüter zur Verfügung gestellt wurden.

Weiterhin gilt es zu berücksichtigen, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher Bildungsgüter gibt und dass auch die Struktur des Angebotes an Bildungsgütern optimiert werden muss. So muss auf der einen Seite zwischen Forschung und Lehre unterschieden werden und es muss geklärt werden, wie viel  der dem Bildungsbereich insgesamt zur Verfügung gestellten knappen Mittel für Forschung und wie viel für Lehre ausgegeben werden soll. Für beide Bereiche gibt es auf der anderen Seite recht unterschiedliche Wissensbereiche und Berufe. Es kann die Ausbildung in den naturwissenschaftlichen oder in den geisteswissenschaftlichen bzw. in den mehr praktisch ausgerichteten oder in den mehr theoretischen Fächern ausgebaut werden.

Eine etwas andere Einteilung unterscheidet zwischen Bildung und Ausbildung. Man könnte auch davon sprechen, dass Bildungsgüter als Konsumgut oder als Produktionsfaktor nachgefragt werden können. Wem es einfach nur um das Wissen über bestimmte Zusammenhänge geht, fragt Bildung als Konsumgut nach. Wem es aber um eine berufliche Qualifikation geht, die als Voraussetzung zur Anstellung in einem bestimmten Beruf erforderlich ist, fragt eine Ausbildung als Produktionsfaktor nach.

Im Zusammenhang mit Bildung als Konsumgut geht es primär um die Aneignung, also um das Erlernen von Wissen, während es bei der Ausbildung vor allem darum geht, das erlernte Wissen zu überprüfen. Die Prüfungsleistungen spielen hierbei gegenüber dem reinen Anbieten von Lehre die größere Bedeutung.

Gerade die Tatsache, dass die Hochschulgebühren in sehr vielen Ländern abgeschafft wurden, hat dazu beigetragen, dass die Finanzierung der Hochschulen weitgehend aus Steuermitteln erfolgte. Nun gehen wir im Allgemeinen davon aus, dass Allokationsprobleme sehr viel effizienter im Rahmen marktwirtschaftlicher als im Rahmen bürokratischer und politischer Systeme gelöst werden können. Es ist zu prüfen, ob dieses allgemeine Urteil auch für den Bildungsbereich gilt.

Eine politische Lösung des Ausbildungsproblems bringt es mit sich, dass die Leistungen vorwiegend als Kollektivgüter angeboten werden. Es stehen zwar zunächst mehrere Alternativen zur Diskussion. Ist die Entscheidung gefällt, so kann jedoch in der Regel immer nur eine Lösung verwirklicht werden, unabhängig davon, ob größere Teile der Bevölkerung eine andere Lösung bevorzugt hätten. Im Extremfall und zwar dann, wenn die Entscheidung mit einer äußerst knappen Mehrheit gefällt wurde, kann fast die Hälfte der Wähler überstimmt worden sein. Der Vorteil marktwirtschaftlicher Systeme liegt unter anderem gerade darin, dass den unterschiedlichsten Bedürfnissen der Bevölkerung entsprochen werden kann, der Umstand, dass der eine Bevölkerungsteil die Alternative A bevorzugt, hindert nicht andere Personen daran, gleichzeitig die Alternative B in An­spruch zu nehmen.

Diese allgemeinen Mängel bei der Erstellung von Kollektivgütern gelten auch für den Bildungsbereich. Auch hier werden dann, wenn die Leistungen des Hochschulbereiches vorwiegend mit Steuermitteln finanziert werden, die Leistungen als Kollektivgüter angeboten und auch hier muss davon ausgegangen werden, dass das Kollektivgüterangebot nicht bestmöglich an den individuellen Bedarf angepasst ist.

In der Literatur wurde in diesem Zusammenhang auf zweierlei Probleme hingewiesen. Auf der einen Seite gingen Autoren wie z. B. Peter Widmaier von der These aus, dass Kollektivgüter dann, wenn sie auf privatwirtschaftlichem Wege erstellt werden, in einem zu geringen Maße angeboten werden und dass deshalb auch das Angebot an Bildungsgütern suboptimal sei. Den Grund hierfür sieht Widmaier in dem Umstand, dass bei Kollektivgütern externe Erträge entstehen, dass also die gesamtwirtschaftlichen Erträge größer sind als die den Anbietern zufließenden privatwirtschaftlichen Erträge.

Wieder andere sehen in dem Umstand, dass Bildungsgüter öffentlich und damit als Kollektivgüter angeboten werden, eine Ursache dafür, dass die Nachfrage nach diesen Gütern größer ausfällt, als es eigentlich erwünscht wäre. Wir haben davon auszugehen, dass die materiellen Ressourcen knapp sind und dass deshalb jede Ausweitung der Nachfrage auf dem Bildungsbereich gleichzeitig bedeutet, dass für die übrigen Verwendungsarten des Einkommens weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. Also wird es auch immer eine Nachfragemenge geben, von der ab eine weitere Ausweitung suboptimal wird. Zwar wird der Nutzen im Bereich der Bildung ansteigen, der hierdurch notwendig gewordene Nutzenverlust bei den übrigen Verwendungsarten des Einkommens wird jedoch dann größer sein, sodass per Saldo ein Nutzenverlust erwartet werden muss.

Der Grund dafür, dass Kollektivgüter in zu reichlichem Maße nachgefragt werden, wird darin gesehen, dass Kollektivgüter für die einzelnen Bürger wie freie Güter angeboten werden. Sie werden zwar im Allgemeinen aus dem Steueraufkommen finanziert und müssen deshalb letztendlich von den Bürgern bezahlt werden. Trotzdem erscheint das Angebot an Kollektivgütern wie ein Angebot freier Güter, da die Steuern periodisch und nicht bei der Inanspruchnahme erhoben werden und da die individuelle Höhe der Steuersumme nicht vom Umfang der Inanspruchnahme der Kollektivgüter abhängig gemacht wird.

Eine weitere Gefahr bei einer politischen Lösung wird darin gesehen, dass die im Grundgesetz verankerte Lehrfreiheit gefährdet erscheint, wenn der Staat die Bildung finanziert und damit auch die Kontrolle über Lehre und Forschung übernimmt. Natürlich besteht durchaus auch bei einer staatlichen Finanzierung der Bildungsstätten die Möglichkeit der Wahrung der Lehr- und Forschungsfreiheit, wie auch auf der anderen Seite auch dann, wenn die Lehre und Forschung privat finanziert wird, nicht unbedingt diese Freiheiten automatisch garantiert werden. Überall dort, wo Lehre und Forschung von Interessengruppen abhängig werden, besteht die Gefahr, dass über das Angebot an Finanzierungsmitteln ein nicht berechtigter Einfluss ausgeübt wird.

Politische Lösungen machen es notwendig, dass eine staatliche Bürokratie über die Verwendung der Steuermittel zumindest mitentscheidet. Bürokratien gelten jedoch als ineffizient. Sie besitzen weder die Möglichkeit, die eigentlichen Bedürfnisse der Nachfragenden zu eruieren, noch fehlen ihnen die finanziellen Anreize, das Angebot an den Bedarf auszurichten. Für Fehlentscheidungen werden Bürokraten im Allgemeinen nicht – zumindest nicht in finanzieller Hinsicht – zur Verantwortung gezogen, anderseits erfährt der Bürokrat bei besonders kreativen Lösungen – im Gegensatz zu privaten Anbietern – keinen materiellen Nutzen. Man wird deshalb auch nicht erwarten können, dass es einer staatlichen Bürokratie gelingt, das Angebot optimal an den Bedarf anzupassen.

Im Zusammenhang mit dem Angebot an Bildungsgütern bestehen zwei unterschiedliche, aber trotzdem zusammenhängende Allokationsprobleme. Auf der einen Seite haben wir den Bildungsmarkt, der das Angebot der Bildungsstätten dem individuellen Bedarf der Studierenden anzupassen hat. Auf der anderen Seite haben wir den speziellen Arbeitsmarkt für Akademiker, auf dem es darauf ankommt, Angebot und Nachfrage nach akademischen Arbeitsplätzen aufeinander abzustimmen.

Dieser Abstimmungsbedarf gilt auf beiden Märkten einmal in globaler Hinsicht. Es müssen Gesamtangebot und Gesamtnachfrage in Übereinstimmung gebracht werden. Gleichzeitig muss aber auch die Struktur von Angebot und Nachfrage ausgeglichen werden. Es müssen Mechanismen entwickelt werden, um Ungleichgewichte möglichst schnell wiederum abzubauen.

Hierbei kommt es nicht nur darauf an, Ungleichgewichte auf den einzelnen Bildungs- und Arbeitsmärkten abzubauen, beide Marktsysteme müssen auch aufeinander abgestimmt werden. Wurden z. B. in einem bestimmten Beruf zu viele Akademiker ausgebildet und bleiben deshalb viele Akademiker dieses Berufes arbeitslos, so bedeutet dies natürlich auch, dass auf dem entsprechenden Bildungsmarkt zu viele Akademiker dieses Berufes ausgebildet wurden und dass deshalb das Angebot auf dem Bildungsmarkt an die Bedürfnisse auf dem Arbeitsmarkt angepasst werden muss. Da die akademische Ausbildung langwierig ist und deshalb die Flexibilität – die Anpassungsfähigkeit – dem­entsprechend gering ist, entstehen besondere Anpassungsprobleme, die unter dem Stichwort der Cobweb-Systeme diskutiert werden.

Versuchen wir nun, die angesprochenen verteilungs- und allokationspolitischen Probleme etwas genauer zu untersuchen.

 

02. Keine Umverteilung der Arbeit im engeren Sinn

 

Wenn wir über Verteilungsfragen im Rahmen der Bildungspolitik sprechen, stellt sich das Problem grundsätzlich anders dar als z. B. im Zusammenhang mit Kapital oder Grund und Boden. Gemeinsamer Ausgangspunkt für alle Verteilungsfragen ist das marktwirtschaftlich orientierte Leistungsprinzip, wonach die Einkommen entsprechend der Leistung der einzelnen Marktteilnehmer verteilt werden sollen. Wer doppelt so viel leistet als ein anderer, soll auch ein doppelt so hohes Einkommen erhalten.

Dieses Leistungsprinzip kann allerdings nur dann voll befriedigen, wenn alle Personen auch über einen gleichen Umfang an Produktionsfaktoren verfügen. Denn nur in diesem Falle entspricht gleiches Einkommen auch gleicher Leistung. Wenn jemand über mehr Produktionsfaktoren verfügt als der andere, wird er auch im Allgemeinen bei gleicher Leistung ein höheres Einkommen erzielen. Umgekehrt gilt, dass dann, wenn jeder mit einem gleichen Umfang mit Produktionsfaktoren ausgestattet wäre, ein geringeres Einkommen darauf zurückgeführt werden müsste, dass der Betreffende nicht in gleichem Maße wie die anderen Haushalte Produktionsfaktoren angeboten hatte, obwohl er dies hätte tun können, dass er sich weniger anstrengte als die anderen oder einen Teil der ihm zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren für konsumtive Zwecke eingesetzt hatte oder diese einfach brach liegen ließ.

Eine gerechte Verteilung der Einkommen setzt also eine gleiche Verteilung der Produktionsfaktoren zu Beginn voraus. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass auch jeder in jedem Zeitpunkt über eine gleiche Ausstattung an Produktionsfaktoren verfügen muss. Nehmen wir das Beispiel des Produktionsfaktors Kapital. Der einzelne kann seinen Kapitalbestand (sein Vermögen) dadurch vergrößern, dass er Teile seines Einkommens spart und diese Ersparnisse in den folgenden Perioden erwerbswirtschaftlich anlegt. Für das Kapitalangebot erhält er einen Zinsertrag, der sein Einkommen vergrößert. Gerade weil er in zukünftigen Perioden über ein höheres Einkommen verfügt, kann er auch größere Teile sparen und bringt damit die Voraussetzung dafür, dass sich das Einkommen gegenüber den anderen, die nicht sparen, weiter und nachhaltig erhöht.

Trotz dieser Unterschiede im Einkommen entspricht hier die Einkommensverteilung immer noch dem Leistungsprinzip, da ja in unserem Beispiel die Unterschiede im Einkommen auf eigene Sparanstrengungen zurückgeführt werden können. Nun können Vermögen aber auch vererbt werden und dies bedeutet, dass hier Vermögen und auf der Grundlage dieses Vermögens auch Einkommen entstehen, welche nicht mehr auf die eigenen Leistungen des jeweiligen Einkommensbeziehers zurückgeführt werden können.

Zwar ist es richtig, dass der Möglichkeit der Vererbung in unserer Gesellschaft positive Funktionen zukommen, die Vererbung stärkt den Familienzusammenhalt und es gehen sicherlich auch Wachstumsimpulse von der Möglichkeit der Vererbung aus. Trotzdem kann nicht bestritten werden, dass gerade auf diesem Wege Ungleichheiten im Einkommen entstanden sind, welche den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen widersprechen.

Aus diesem Grunde wird auf politischem Wege der Versuch unternommen, auch den Empfängern geringeren Einkommens die Möglichkeit zu eröffnen, sich an der Vermögensbildung zu beteiligen. Man will auf diesem Wege eine Reduzierung in der Einkommensdifferenzierung erreichen. Auf diese Weise werden entweder dem einen Vermögensteile genommen, um sie anderen zu geben, dies ist der Weg, der bei der Enteignung von Vermögen gewählt wird. Da dieser Weg allerdings in den freiheitlichen demokratischen Staaten zumeist ausgeschlossen ist, wählt man einen anderen Weg, um eine Umverteilung der Vermögen zu erreichen: Man sorgt dafür, dass der Vermögenszuwachs gerechter verteilt wird, z. B. dadurch, dass Arbeitnehmer an den Gewinnen einer Unternehmung beteiligt werden.   

Im Gegensatz zum Kapital kann die Arbeitskraft nicht in dem Sinne umverteilt werden, dass dem einen Wirtschaftssubjekt Produktionsfaktoren entzogen und diese dem anderen überlassen werden. Die Arbeitskraft ist in einem freiheitlichen Staat höchst persönlich. Trotzdem gestattet auch der Produktionsfaktor Arbeit gewisse Einflussmöglichkeiten auf seine endgültige Verteilung.

Auf einen ersten Blick hat es den Anschein, als wäre die Arbeit gleich verteilt. Für jeden Menschen hat der Tag 24 Stunden und das Jahr – falls kein Schaltjahr vorliegt – 365  Tage. Bei einem genaueren Hinsehen stellen sich jedoch auch im Hinblick auf den Produktionsfaktor Arbeit erhebliche Unterschiede in der Verteilung heraus.

Die Arbeitskraft lässt sich nämlich in recht unterschiedlicher Weise für produktive Zwecke einsetzen. Die Einsatzmöglichkeiten des Produktionsfaktors Arbeit sind jedoch unterschiedlich verteilt.

Die Aufgabe einer Verteilungspolitik kann darin gesehen werden, diese Unterschiede in den Einsatzmöglichkeiten der Arbeitskraft abzubauen. Während sich die Ungleichheiten bei der Verteilung des Produktionsfaktors Kapital allerdings in erster Linie auf die Quantität beziehen, werden die Ungleichheiten beim Produktionsfaktor Arbeit vorwiegend durch Qualitätsunterschiede begründet.

Diese Unterschiede im Hinblick auf die Verteilung des Arbeitsfaktors beginnen damit, dass das Schlafbedürfnis bei den einzelnen Menschen sehr unterschiedlich ist, sodass für die eigentliche Arbeit eine unterschiedliche Stundenzahl von Arbeitnehmer zu Arbeitnehmer zur Verfügung steht. Weiterhin unterscheidet sich auch die physische Leistungsfähigkeit der einzelnen. Die Arbeitsfähigkeit kann zeitweise oder für immer erlahmen. In diesem Zusammenhange gilt es festzustellen, dass die Arbeitsfähigkeit entscheidend davon bestimmt wird, in welchem Maße der einzelne von den sozialen Risiken der Krankheit, des Unfalls und der Arbeitslosigkeit betroffen wird. Der eine ist zeit seines Lebens weitgehend gesund und verliert nahezu nie krankheitsbedingt vorübergehend die Arbeitsfähigkeit; andere werden immer wieder von Krankheit betroffen und sind zeitweise oder auch für immer arbeitsunfähig.

Eine erfolgreiche Bekämpfung der Risiken hat nicht nur eine Verringerung des gesamtwirtschaftlichen Risikoausmaßes zur Folge. Da wie gesagt die einzelnen Wirtschaftssubjekte in unterschiedlichem Maße von den Risiken befallen werden, bedeutet eine Verringerung des Risikoausmaßes in der Regel gleichzeitig eine Nivellierung der Risikostreuung. Jeder der vier Risikotatbestände kann eine zeitweise oder immer währende Arbeitsunfähigkeit herbeiführen.

Die Einsatzmöglichkeiten des Produktionsfaktors Arbeit sind jedoch nicht nur aufgrund einer ungleichen Risikostreuung ungleich verteilt. Ungleichheiten ergeben sich weiterhin aus einer unterschiedlichen Begabungsstreuung und einer unterschiedlichen Ausschöpfung von Begabungsreserven. Wenn man von eugenischen Maßnahmen absieht, lassen sich die Unterschiede in der Begabung im eigentlichen Sinne des Wortes politisch nicht beeinflussen, da die Begabungsunterschiede in erster Linie erbbedingt sind.

Die verteilungspolitischen Maßnahmen beziehen sich in diesem Zusammenhange somit vor allem auf den Versuch, eine gleichmäßigere Ausschöpfung von Begabungsreserven zu ermöglichen. Diese Ausschöpfung der Begabungsreserven erfolgt u. a. über eine intensivere Ausbildung. Die Tatsache, dass in der Vergangenheit einem Teil der Bevölkerung der Zugang zu den weiterführenden Bildungseinrichtungen de jure oder de facto verwehrt war, wird in der Literatur als Ungleichheit der Bildungschancen bezeichnet.

Prinzipiell gibt es vor allem zwei Möglichkeiten, um dieses Bildungsmonopol abzubauen. Der Staat kann erstens die institutionellen Beschränkungen des Zugangs zu den Bildungseinrichtungen beseitigen, bzw. dort, wo ein freier Zugang aufgrund der Knappheit der Bildungsgüter nicht möglich ist, die Auslesekriterien an den Grundsätzen der Chancengleichheit und der individuellen Leistung ausrichten.

Er kann zweitens einen Teil der direkten und indirekten Bildungskosten übernehmen, sodass der vom einzelnen Bildungswilligen bei der Inanspruchnahme der Bildungseinrichtungen zu zahlende Preis wesentlich unter die gesamtwirtschaftlichen Kosten fällt.

 

03. Abbau institutioneller Beschränkungen

 

Bis vor etwa 4 Jahrzehnten erreichte nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz der Bevölkerung die höheren Bildungsstätten. Im Jahre 1960 studierten in Westdeutschland 200.000, 1970 510.000, und in Gesamtdeutschland studierten 1995 1.6 Mio. und 2006 1,9 Mio. In der Vergangenheit war also einem großen Teil der Bevölkerung der Zugang zu den höheren Bildungsstätten  de facto verwehrt.

Eine institutionelle Beschränkung des freien Zugangs zu den Bildungseinrichtungen kann auf formell gesetzlichem, aber auch auf informellem Wege erfolgen. Es genügt somit nicht, institutionelle Beschränkungen auf dem Gesetzeswege abzubauen. Es ist durchaus möglich, dass de jure ein freier Zugang zu den Bildungsgütern gewährt wird, und dass trotzdem bestimmte Bevölkerungsgruppen de facto vom Zugang ausgeschlossen bleiben oder ihnen zumindest der Zugang bedeutend erschwert wird (Problem der Rassendiskriminierung in einzelnen Staaten). Allerdings sehen sich die Regierungen oftmals veranlasst, aufgrund eines Nachfrageüberhanges einen Numerus clausus einzuführen, sodass auch aus diesen Gründen der freie Zugang zu den höheren Bildungsstätten verhindert werden kann.

 

04. Senkung der privaten Ausbildungskosten durch verlorene Zuschüsse

 

Aber auch dann, wenn es gelingt, alle institutionellen Beschränkungen, sowohl die formellen wie die informellen, abzubauen, darf nicht erwartet werden, dass die Bildungsgüter in dem erwünschten Ausmaß nachgefragt werden. Das Ziel einer breiten Streuung der Bildungsgüter kann nämlich nicht nur an Beschränkungen auf der Angebotsseite scheitern, es ist vielmehr damit zu rechnen, dass auch Nachfragefaktoren diesem Ziel hinderlich sind. Die mit der Ausbildung verbundenen Kosten erscheinen vielen zu hoch, um die Bildungsgüter in vollem Maße in Anspruch zu nehmen.

Ein zweiter Maßnahmenkomplex bezieht sich somit auf die Senkung des Effektivpreises, der bei der Inanspruchnahme der Bildungsgüter zu entrichten ist, oder was gleichbedeutend ist, auf die teilweise oder gesamte Übernahme der mit der Ausbildung verbundenen Ausgaben. Diese mit der Ausbildung verbundenen Ausgaben beruhen auf zwei grundverschiedenen Tatbeständen. Auf der einen Seite sind mit der Ausbildung wie mit der Inanspruchnahme eines jeden Gutes bestimmte Kosten verbunden. Es müssen Lehrstätten errichtet, Lehrkräfte angestellt und Lehrmittel angeschafft werden. Die Summe dieser Aufwendungen wollen wir als die Ausbildungskosten im engeren Sinne bezeichnen.

Soweit die von den Bildungswilligen zu entrichtenden Gebühren kostendeckend sind, fallen die durchschnittlichen Ausbildungskosten pro Inanspruchnahme der Bildungsgüter mit diesen Gebühren zusammen. Auf der anderen Seite kann der Bildungswillige während seiner Ausbildungszeit in der Regel keiner Erwerbstätigkeit oder doch nur in vermindertem Maße nachgehen. Die Ausbildung verursacht somit zweitens einen Einkommensausfall, der ebenfalls zu den mit der Ausbildung verbundenen Kosten im weiteren Sinne gerechnet werden muss.

In einer Reihe von Staaten gingen die Regierungen in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg dazu über, die Ausbildungskosten im engeren Sinne teilweise oder ganz zu übernehmen. Die Teilnahme an den einzelnen Bildungseinrichtungen ist entweder gebührenfrei oder die Höhe der Gebühr liegt weit unter den effektiven gesamtwirtschaftlichen Durchschnittskosten der Inanspruchnahme.

In der Diskussion um die Abschaffung oder Wiedereinführung von Studiengebühren überwiegt allerdings der Allokationsaspekt, den wir später behandeln werden. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass auch bei Erhebung von Studiengebühren die eigentlichen Ausbildungskosten im engeren Sinn nicht unbedingt beim Studierenden liegen, da der Staat u. U. Kredite zur Finanzierung der Studiengebühren gewähren kann. Die Erfahrungen zeigen allerdings, dass selbst eine vollständige Gebührenfreiheit nicht ausreicht, die finanziell begründete relativ geringe Inanspruchnahme der Bildungseinrichtungen seitens der Empfänger geringen Einkommens entscheidend zu vergrößern.

Es wurde deshalb der Versuch unternommen, zumindest einen Teil der mit der Ausbildung verbundenen Einkommensverluste auszugleichen. Zwei Möglichkeiten eines solchen finanziellen Einkommensausgleiches werden diskutiert und praktiziert: Auf der einen Seite kann den Bildungswilligen ein Kredit gewährt werden, den diese nach Abschluss der Ausbildung und nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit zurückzuzahlen haben. Auf der anderen Seite können auch verlorene Zuschüsse gewährt werden.

Befassen wir uns zunächst mit der Gewährung verlorener Zuschüsse. Eine gewisse Berechtigung für eine teilweise Gewährung von Zuschüssen besteht in dem Umstand, dass Bildung z. T. den Charakter externer Erträge aufweist. Von externen Erträgen sprechen wir immer dann, wenn bei der Produktion von Gütern bzw. bei der Leistungserstellung nicht nur denjenigen Nutzen zufließt, die dieses Produkt bzw. diese Leistung unmittelbar nachfragen. Im Bildungssektor geht eine unmittelbare Nachfrage zunächst von den Studierenden aus. Sie sind es in erster Linie, die dadurch, dass sie ausgebildet werden, ihre Arbeitsqualifikation erhöhen, damit ihre Berufschancen verbessern und auch Aussicht auf höheres Einkommen in der Zukunft erhalten.

Trotzdem ist das Studium auch für die übrigen Arbeitnehmer, die nicht studiert haben, von Vorteil. Die Aktivitäten der Hochschulen kommen nämlich indirekt der gesamten Bevölkerung zugute, indem neue, produktivere Verfahren entwickelt werden, welche zu einer Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens der gesamten Bevölkerung führen. Gleichzeitig setzt der Betrieb dieser neuen Verfahren voraus, dass hochqualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt werden. Insoweit ist nur dann eine allgemeine Wohlfahrtssteigerung zu erwarten, wenn ein Land über ausreichend hochqualifizierte Fachkräfte verfügt und insoweit profitieren also auch die Arbeitnehmer, welche nicht studiert haben, von dem Studium einiger weniger hochqualifizierter Arbeitnehmer.

Der Umstand also, dass im Zusammenhang mit der Ausbildung der Studenten externe Erträge anfallen, rechtfertigt es, dass die Kosten der Ausbildung nicht allein von denjenigen aufgebracht werden, welche studieren, sondern auch von der Allgemeinheit. Allerdings wird man trotz dieser Zusammenhänge darauf hinweisen müssen, dass der größte Nutzen aus der Ausbildung nach wie vor die Auszubildenden erfahren, da diese ebenfalls in den Genuss der allgemeinen Wohlfahrtssteigerung kommen, zusätzlich aber im Allgemeinen ein wesentlich höheres Lebenseinkommen als die übrigen, nicht akademischen Arbeitnehmer erhalten. Im Hinblick auf die externen Erträge ist es also nur gerechtfertigt, dass ein Teil – und zwar der kleinere Teil – der Ausbildungskosten von der Allgemeinheit getragen wird.

Nun sind die finanziellen Möglichkeiten des Staates stets begrenzt. Es entsteht hier deshalb die Frage, ob der Bezug dieser Einkünfte von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht werden soll. Zwei Kriterien sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Auf der einen Seite sollten nur dann verlorene Zuschüsse gewährt werden, wenn der Antragsteller bestimmte Leistungsnachweise erbringt. So könnte z. B. ein Hochschulgebührennachlass sowie der Bezug von Stipendien davon abhängig gemacht werden, dass der Studierende pro Semester zwei mindestens mit gut bewertete Leistungsscheine vorweist. Auf diese Weise wäre sichergestellt, dass der Begünstigte auch aller Wahrscheinlichkeit nach das Studium erfolgreich zu Ende führen kann und dass deshalb diese Steuermittel nicht umsonst ausgegeben und deshalb vergeudet wurden.

Neben diesem Kriterium der Leistungsnachweise könnte darüber hinaus der Bezug dieser Gelder von der Bedürftigkeit der Betroffenen abhängig gemacht werden. Es ist sicherlich nicht sinnvoll und berechtigt, auch Jugendlichen von sehr reichen Eltern die Zuschüsse zu gewähren, welche ohne weiteres in der Lage währen, die Gesamtkosten des Studiums zu übernehmen. Da materielle Mittel immer knapp sind, würde eine Auszahlung solcher Gelder auch an Reiche – unabhängig von der Einkommenshöhe der Eltern – immer auch bedeuten, dass den Bedürftigen nur noch weniger Zuschüsse gewährt werden könnten. Aus verteilungspolitischen Gründen wird man also den Bezug dieser Zuschüsse auf Studierende beschränken müssen, deren Eltern ein bestimmtes Einkommen nicht überschreiten.  

Allerdings führen verlorene Zuschüsse langfristig zu einer inversen Einkommensumverteilung. Die Gruppe der Akademiker zählt nämlich bezogen auf das Lebenseinkommen eindeutig zu den Empfängern höherer Einkommen. Es ist aber prinzipiell unerwünscht, dass der Staat Einkommen invers, d. h., von den Empfängern geringeren Einkommens zu den Empfängern höheren Einkommens umverteilt. Die finanzielle Situation der Studenten ist nicht deshalb kritisch, weil ihr Lebenseinkommen im Durchschnitt zu gering ist, sondern deshalb, weil sie während der Dauer des Studiums über zu geringe finanzielle Ressourcen verfügen. Es bedarf also eher einer zeitlichen Umschichtung des Lebenseinkommens der Akademiker als einer echten personellen Einkommensumverteilung. Dies bedeutet jedoch, dass eher der Weg eines Kredites als der verlorener Zuschüsse gewählt werden sollte.

Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass der Einkommensunterschied zwischen Akademikern und sonstigen Personen nicht an dem Durchschnitt der augenblicklichen Einkommen gemessen werden kann. Bildung stellt eine Investition in ‚human capital‘ dar. Nur der Gegenwartswert über das gesamte Lebenseinkommen kann darüber Auskunft geben, in welchem Maße sich die Einkommen verschiedener Bevölkerungsgruppen unterscheiden. Es gilt daran zu erinnern, dass die Akademiker sehr viel später ins Berufsleben eintreten und teilweise auch sehr viel früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Das Lebenseinkommen der Akademiker bezieht sich also im Allgemeinen auf eine sehr viel kürzere Erwerbsphase.

Allerdings dürfte bei diesem Vergleich der Einkommen weniger die tatsächliche Erwerbsphase von Bedeutung sein, als diejenige, die erwartet werden kann. Der Eintritt ins Erwerbsleben kann durch eine nicht erforderliche Ausweitung des Studiums verzögert werden. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass bei der Frage der Berechtigung einer Umverteilung zugunsten der Akademiker nur die Studienlänge berücksichtigt werden sollte, die aus sachlichen Gründen notwendig ist.

Andererseits ist damit zu rechnen, dass – wie bereits erwähnt – ein Teil der Akademiker früher als andere Berufsgruppen aus dem Erwerbsleben ausscheidet. So gilt, dass aufgrund eines höheren Stresses im Berufsleben bei den Führungskräften die Gefahr größer ist, krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden zu müssen. Empirische Untersuchungen in den USA hatten ergeben, dass nur diejenigen Akademiker ein höheres Lebenseinkommen als der Rest der Bevölkerung beziehen, die über das 55. Lebensjahr hinaus erwerbstätig bleiben.

 

 

05. Senkung der privaten Ausbildungskosten durch Kredite

 

Allerdings ist der freie Markt nicht in der Lage, diese zeitliche Umschichtung in befriedigendem Maße ohne staatliche Hilfe durchzuführen. Die Banken sind nur bei entsprechenden finanziellen Sicherheiten bereit, Kredite zu gewähren. Diese liegen jedoch nicht vor. Deshalb bedarf es sehr wohl einer nicht marktlichen Einrichtung zur Organisation von Ausbildungskrediten. Auch dann, wenn man in der Finanzierung des Studiums in erster Linie ein Problem der zeitlichen Umschichtung des Lebenseinkommens sieht, sind im Zusammenhang mit der Abwicklung dieser Finanzierung sozialpolitische Aspekte verbunden.

Es entsteht erstens die Frage, in welcher Zeitspanne diese Kredite eingelöst werden sollen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in die ersten Jahre der Berufstätigkeit oftmals die Gründung einer Familie und die Einrichtung einer Wohnung fallen, sodass der Bedarf im Vergleich zu dem Einkommen in diesen Zeiten relativ hoch ist. Es spricht also vieles dafür, dass mit der Rückzahlung der Kredite nicht unmittelbar nach Beendigung des Studiums begonnen werden muss und dass vor allem der Rückzahlungsbetrag pro Periode sowohl der Einkommenshöhe als auch dem objektiven Bedarf in den einzelnen Lebensphasen angepasst werden sollte.

Es bleibt die weitere Frage, ob auch diejenigen zur Kreditrückzahlung verpflichtet werden sollen, die zwar in den Genuss der Kredite gekommen sind, aber aufgrund eines vorzeitigen Abbruches des Studiums oder trotz der Ausbildung nicht - wie beabsichtigt - in eine höhere Einkommensstufe aufsteigen konnten. Im Allgemeinen wird die Meinung vertreten, dass nur diejenigen diese Kredite zurückzuzahlen haben, die in ihrem Studium erfolgreich waren und deshalb aufgrund eines überdurchschnittlich hohen Einkommens auch in der Lage sind, diesen Kredit zurückzuzahlen. Die Zurückzahlungspflicht wird somit für diejenigen verneint, die ihr Studium abgebrochen haben, bzw. die Examina nicht bestanden haben. Die Rückzahlungspflicht sollte auch solange gestundet werden, als der einzelne trotz erfolgreichen Studienabschlusses keine adäquate Beschäftigung gefunden hat.

Weiterhin entspricht es weitgehender Überzeugung, dass die Studienkredite zumindest nicht zu normalen Marktzinsen verzinst werden sollten. Ein verminderter Zinssatz scheint vor allem aufgrund des oben dargestellten externen Ertrags durchaus gerechtfertigt.

Selbstverständlich lassen sich auf diesen aufgezeigten Wegen (durch Abbau der institutionellen Beschränkungen und durch finanzielle Unterstützungen der Bildungswilligen) nicht alle Schwierigkeiten beseitigen. So weisen psychologische Untersuchungen darauf hin, dass eine Ausschöpfung der Bildungsreserven in der ersten Generation nicht in vollem Maße gelingen kann, da die Gefahr besteht, dass bereits in der vorschulischen Kindheit – und zwar aufgrund mangelnder Ausbildung der Eltern – Bildungsmöglichkeiten endgültig verbaut wurden.

Die Grundlagen der Ausbildungsfähigkeit werden bereits in den ersten drei oder vier Kindheitsjahren gelegt. Ein Kind beginnt sehr früh, nach dem ‚Wie‘ und dem ‚Warum‘ aller Ereignisse in seinem unmittelbaren Lebensbereich zu fragen. Nur dann, wenn die Eltern bereit und in der Lage sind, das Wissensbedürfnis ihrer Kinder zu befriedigen, werden die Vorrausetzungen dafür geschaffen, dass das Kind auch für spätere Jahre lernwillig und lernfähig wird. Werden hingegen die Fragen der Kinder abgeblockt, verliert der Heranwachsende das Interesse am Lernen und wird auch in späteren Jahren nur sehr schwer in der Lage sein, dem Lernstoff in den Schulen und Hochschulen zu folgen.

Es besteht hier die Gefahr, dass sich auch dann, wenn der Staat die materiellen Voraussetzungen für ein Studium aller an und für sich begabter Jugendlichen schafft, in der ersten Generation, die diese staatliche Förderung erfährt, trotzdem noch kein durchschlagender Erfolg einstellt, da in den ersten Lebensjahren dieser Jugendlichen die Weichen für einen Aufbau der Lernfähigkeit falsch gestellt wurden.

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Fortsetzung folgt!