Folgt man dem Urteil der sozialen Medien und einiger Politiker der Grünen, Linken und der SPD, hat die thüringische FDP eindeutig den bisher unter den Parteien der Mitte allgemein anerkannten Grundsatz verletzt, nicht mit der AFD zu koalieren.
Gleichzeitig habe auch die thüringische CDU, welche ebenfalls den FDP-Kandidaten mitgewählt hatte, mit diesem Grundsatz gebrochen und die Bundes-CDU insgesamt sei in diesem Zusammenhang in eine schwere Führungkrise geraten, da es ihr nicht gelang, die thüringische CDU dazu zu bewegen, die Wahl des FDP-Spitzenpolitikers zu verhindern.
Aber stimmen diese Urteile wirklich? Kamen sie nicht etwa nur dadurch zustande, dass man bisherige Grundsätze politischen Handelns über Bord geworfen hat und den Grundsatz der Abgrenzung nach rechts und links missverstanden hat?
Bisher bestand Einigkeit darin, dass man einem Politiker nur eindeutig belegbare Handlungen vorwerfen dürfe. Was für Angeklagte in einem Strafprozess gilt, dass nämlich im Zweifel für den Angeklagten (in dubio pro rero) entschieden werden müsse, gilt für Politiker, welche für das Allgemeinwohl tätig sind, a fortiori.
In unserem Fall belegbar ist lediglich, dass die AFD an die thüringische FDP ein Schreiben gerichtet hat, in der sie der FDP eine Zusammenarbeit anbietet und dass weiterhin die FDP dieses Schreiben nicht beantwortet hatte.
Ob weitere Gespräche zwischen FDP und AFD in
dieser Frage stattgefunden haben, ist nicht erwiesen, wird nur vermutet.
Weiterhin wird argumentiert, dass es nach 30 Jahren Wiedervereinigung Zeit sei, die Linken als verfassungstreue Partei anzuerkennen.
Was ist dies für eine eigeartige Argumention? Für die Frage, ob eine Partei als eine extreme (also nicht auf dem Boden der Verfassung stehende) Organisation eingestuft werden muss, kommt es nicht auf die Frage der Zeit, sondern allein darauf an, ob in dieser Organisation mit extremen verfassungsfeindlichen Aktionen gerechnet werden muss.
Die Linken wurden bisher als eine extreme Partei eingestuft wegen des nahtlosen Übergangs von der SED zur Linken Partei sowie vor allem, dass sie es ablehnen, die ehemalige DDR als Unrechtsstaat anzuerkennen.
Weiterhin sind die Linken nicht bereit, die Grundsätze der Nato anzuerkennen, wobei die Mitgliedschaft zur Nato in der Außenpolitik einen verfassungsmäßigen Rang einnimmt.
Zur Einordnung einer Partei als extreme Organisation kommt es auch nicht auf die Haltung der derzeitigen Parteispitze an. Es mag durchaus zugegeben werden, dass einige führende Parteipolitiker der Linken auf dem Boden der Verfassung stehen. Herr Lucke, der ehemalige Gründer der AFD, stand auch auf dem Boden der Verfassung.
Aber darauf kommt es nicht an. Parteispitzen können – wie das Beispiel der AFF zeigt – jederzeit ausgewechselt werden. Bewusst werden von extremen Politikern gemäßigte Politiker an der Spitze einer extremen Partei geduldet, um auf diese Weise überhaupt – ohne eine blutige Revolution – Regierungsverantwortung übernehmen zu können.
Stets wird es extreme, verfassungsfeindliche Politiker geben, welche die Parteien am linken oder rechten Rand dazu benutzen, um die demokratische Verfassung abzulösen.
In der Diskussion um die kürzlichen Ereignisse in Thüringen scheint mir auch ein falsches Verständnis vom Ausschluss einer extremen Partei vorzuherrschen.
Wesentlich allein ist es zu verhindern, dass extreme Parteien an der Regierung beteiligt werdenund und dass sie damit die Möglichkeit erhalten, die demokrarische Ordnung zu beseitigen.
Es reicht hierbei nicht aus, dass die radikalen Parteien in der Minderheit bleiben. Das Beispiel des Nationalsozialismus hat gezeigt, dass radikale Parteien auch dann, wenn sie als Regierungsmitglieder in der Minderheit sind, die Möglichkeit erhalten, die demokratische Verfassung auszuschalten, hierzu reicht es aus, dass die radikalen Politiker Schlüsselstellungen erlangen.
Auch in der Frage, was denn ein Ausschluss radikaler Parteien eigentlich bedeutet, scheinen mir überzogene Vorstellungen vorzuherrschen.
Diese Forderung bezieht sich allein darauf, dass den radikalen Parteien keinerlei Mitarbeit in der Regierung gewährt wird und dass sie damit Machtpositionen erlangen, aufgrund derer sie die Demokratie zerstören können.
Es gibt aber keinen Sinn, auch zu verlangen, dass eine Abstimmung, bei der die Mehrheit nur durch die Stimmen der radikalen Parteien erreicht wird, bereits als Bruch der Forderung nach Ausschluss radikaler Parteien angesehen wird.
Dies würde nämlich bedeuten, dass man es den radikalen Parteien ermöglicht, die Politik der demokratischen Regierungen zu torpedieren.
Eine Maßnahme wird nicht bereits deshalb zu einer verfassungsfeindlichen Maßnahme, weil auch radikale Parteien für diese Maßnahme stimmen. Wenn eine bestimmte Maßahme als wohlfahrtssteigernd angesehen wird, spielt es keine Rolle, ob auch radikale Parteien für diese Lösung gestimmt haben, sofern nicht aufgrund dieser Abstimmung den radikalen Parteien eine Beteiligung an der Regierung eingeräumt wird.
Der Nutzen, den die Gemeinschaft aufgrund einer konkreten poltischen Maßnahme erfährt, wird in keinster Weise dadurch vermindert, dass auch radikale Parteien diese Maßnahme befürworten.
Wenn man auch Maßnahmen ablehnt, welche nur deshalb ergriffen werden, weil radikale Parteien ebenfalls für diese Maßnahme gestimmt haben und die ohne die Stimmen extremer Parteien nicht eine Mehrheit erlangt hätten, gibt man den radikalen Parteien die Möglichkeit, die Funktionsfähigkeit einer Regierung zu untermenieren. Man verhindert dadurch, dass gemeinwohlfördernde Maßnahmen zustandekommen.
Und diese Schlussfolgerungen gelten auch für den Fall, dass eine Regierung mit den Stimmen radikaler Parteien gewählt worden ist, wohlbemerkt immer vorausgesetzt, die radikalen Parteien werden nicht sozusagen als Belohnung ihrer Stimmabgabe mit ins Kabinett genommen.
Nach der letzten Wahl in Thüringen konnte ohnehin keine Regierung gebildet werden, ohne dass eine der beiden radikalen Parteien (Linke und AFD) die Regierung zumindest toleriert, also für diese Regierung stimmt, obwohl sie nicht an der Regierung selbst beteiligt wird.
Weder die FDP noch die CDU haben somit – richtig verstanden – den Grundsatz, keine Koalition mit der AFD einzugehen, verletzt. Auch kann man der Führungsspitze der CDU nicht vorwerfen, sie habe diese Grundsätze ebenfalls verletzt.
Auch der Vorwurf, die CDU habe in dieser Frage versagt und befindet sich deshalb in einer Führungskrise, ist unberechtigt. Zu jeder Zeit haben sowohl die Kanzlerin wie auch die Pareivorsitzende klar betont, dass eine Zusammenarbeit mit der AFD nicht in Frage kommt.
Dass ein Landesverband bisweilen andere Entscheidungen als der Bundesvorstand treffen kann, entspricht der Rechtslage.
Ein Ausschluss eines Landesverbandes wäre im übrigen nur dann angezeigt gewesen, wenn der Landesverband tatsächlich eine Regierungskoalition mit der AFD eingegangen wäre. Dies war jedoch nachweislich bei richtiger Interpretation der Ausschlussforderung nicht der Fall.
Langfristig schaden solche fragwürdigen Interpretationen der Demokratie, weil sich immer mehr Politiker angeekelt aus der Politik zurückziehen und weil deshalb immer weniger Gemeinwohlziele die aktuelle Politik bestimmen.
Die Forderung nach Neuwahlen, ohne dass zuvor an eine grundlegende Reform des Wahlrechtes nachgedacht wird, bringt keine dauerhafte Lösung. Aufgrund der Meingungsumfragen wissen wir, dass Neuwahlen vermutlich keine grundlegende Änderung bringen werden, da Linke wie Rechte Stimmen hinzugewinnen werden und gleichzeitig FDP und CDU an Stimmen verlieren werden.