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Stärkerer Schutz für Verkehrsteilnehmer

 

 

Seit einigen Jahren ist die Europäische Gemeinschaft und vor allem der EuGH bemüht, die Position der Bahn- und Flugreisenden zu stärken, indem die Unternehmungen verpflichtet werden, bei Ausfällen und auch Verspätungen, Entschädigungszahlungen zu leisten.

 

In der Öffentlichkeit werden diese Maßnahmen und Gerichtsentscheidungen so verstanden, dass die Reisenden auf Kosten der Unternehmungen entlastet werden. Dies ist jedoch keinesfalls immer oder auch nur in der Regel der Fall.

 

Die meisten europäischen Unternehmungen der Bahn- und Flugzeugbranche sind gewinnorientiert, ihr Hauptziel besteht darin, durch Angebot der Verkehrsleistungen Gewinne zu erzielen. Und Verluste können nur vermieden werden, wenn mindestens alle Kosten per saldo auf den Güterpreis aufgeschlagen werden.

 

Diese Unternehmungen sind also bemüht, zusätzliche vom Staat auferlegte Kosten auf den Preis weiterzuwälzen. Und soweit dies gelingt, haben die Reisenden in ihrer Gesamtheit die Kosten für diese Entschädigungen selbst zu zahlen.

 

Natürlich müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Unternehmungen diese Kosten auch auf den Güterpreis weiterwälzen können.

 

Die Überwälzungsmöglichkeiten hängen nun entscheidend von der Marktstellung der Nachfrager und Anbieter ab, wobei sich diese Marktstellung am Verhältnis der Nachfrageelastizität im Bezug auf den Preis bestimmen lässt.

 

Je größer die Nachfrageelastizität ist, um so mehr haben die Nachfrager die Möglichkeit, bei Preissteigerungen auf andere Verwendungsarten auszuweichen und um so weniger gelingt es den Unternehmungen, die Kosten weiterzuwälzen, da die Erhöhung der Stückerträge kompensiert und überkompensiert wird durch Verringerung der Menge an Dienstleistungen.

 

Umgekehrt gilt, dass Unternehmungen um so weniger die Möglichkeit haben, Kostensteigerungen auf den Preis abzuwälzen, je höher der Fixkostenanteil ist und damit die gesamten Stückkosten nur dadurch verringert werden können, dass sie vollausgelastet produzieren. Damit wird jedoch eine Überwälzung der Kostensteigerungen wesentlich schwerer, da die Konsumenten zu Preissteigerungen nur bereit sind, wenn das Angebot geringer als bisher ausfällt.

 

Ob und in welchem Umfang eine Preisüberwälzung gelingt, hängt aufgrund dieser Zusammenhänge insbesondere davon ab, ob von dieser Kostensteigerung auch die potentiellen Konkurrenten betroffen sind. Wenn nämlich alle Unternehmungen einer Branche in gleicher Weise von Kostensteigerungen betroffen sind, können sie davon ausgehen, dass auch die Mitbewerber willens sind, diese Kosten weiterzuwälzen, dies bedeutet aber, dass bei Überwälzung dieser Kosten auf den Preis keine Gefahr besteht, dass Kunden zu Mitbewerbern abwandern.

 

Dies bedeutet aber auch, dass es sich für die Unternehmungen lohnt, Kostensteigerungen auf den Preis abzuwälzen. Trotz Preissteigerungen geht die Nachfrage nicht zurück, mit den Stückerträgen steigen somit in diesem Falle auch die Gesamterträge an und können somit die Kostensteigerungen kompensieren.

 

Im Verkehrsbereich sind nun die Bedingungen für eine Preisüberwälzung von vom Staat verordneten Kostensteigerungen besonders günstig. Der größte Teil der Verkehrsteilnehmer sieht nämlich keine Möglichkeit, auf andere Verkehrsmittel auszuweichen. Ausweichmöglichkeiten sind im Allgemeinen nur im Nahverkehr gegeben, während im Fernverkehr der einzelne Verkehrsteilnehmer zumeist auf das Angebot der Fluggesellschaften bez. der Bahn angewiesen ist.

 

Eine Überwälzung ist in aller Regel vor allem aber deshalb möglich, weil bei einer vom Gesetzgeber veranlassten Kostensteigerung alle Konkurrenten von dieser Maßnahme betroffen sind. Eine Unternehmung, welche plant, diese Kostensteigerungen auf den Preis weiterzuwälzen, kann also davon ausgehen, dass auch seine Mitbewerber ebenfalls diese Kostensteigerung erfahren haben und die Absicht haben, den Preis ebenfalls anzuheben. Dies bedeutet aber, dass keine Gefahr besteht, dass Kunden wegen der Preissteigerung zur Konkurrenz überwechseln.

 

Wenn aber eine Überwälzung der Kostensteigerungen ganz generell stattfindet, ist die vom Gesetzgeber geplante Entlastung der Reisenden durch Erstattungspflicht bei Ausfällen und Verspätungen zu Lasten der Unternehmungen gar nicht eingetreten. Zwar werden diejenigen Reisenden, welche von Ausfällen und Verspätungen betroffen sind, entlastet, dies erfolgt aber zu Lasten derjenigen Reisenden, welche eine normale Flug- oder Bahnfahrt hatten, die Gewinnsituation der Unternehmungen ist nicht verschlechtert worden.

 

Diese Überlegungen gelten für Reisende, welche die Flug- oder Bahnfahrt aus privaten Gründen unternehmen. Nun müssen wir allerdings davon ausgehen, dass vor allem im Flugverkehr ein Großteil der Reisenden diese Fahrten aus Geschäftsgründen unternimmt. Die zusätzlichen Kosten werden in diesen Fällen von den Unternehmungen, welche diese Flüge für ihre Arbeitnehmer veranlassen, gezahlt.

 

Aber auch diese Unternehmungen sind nicht gewillt, diese Kosten zu tragen, auch sie werden diese Kostensteigerungen auf ihre Verkaufspreise weiterwälzen. Und da auch hier diese Kostensteigerungen auch für die Konkurrenten gelten, gelingt dieser Versuch auch in aller Regel.

 

Und diese Entwicklung bringt es mit sich, dass die vom Gesetzgeber veranlassten zusätzlichen Kosten nicht etwa von den Reisenden der Bahn oder der Luftfahrt allein, sondern ganz allgemein von der Gesamtheit der Verbraucher getragen wird.

 

Kommen wir nun zu der Frage, wieweit denn eine solche Lastenaufteilung erwünscht ist. Im Allgemeinen gehen wir davon aus, dass sich die einzelnen Individuen gegenüber den Risiken des Lebens unterschiedlich verhalten. Es gibt risikoscheu und risikofreudige Menschen.

 

Ein risikoscheuer Bürger ist nur dann zufrieden, wenn möglichst alle Risiken abgedeckt sind. Er wird zwar nicht verhindern können, dass aus den unterschiedlichsten Gründen Ausfälle im Reiseverkehr auftreten, er wünscht sich jedoch, dass ihm diese Ausfälle möglichst wenig zusätzliche Kosten verursachen. Er wünscht sich also möglichst für alle Ausfälle einen Ersatz der hierbei auftretenden zusätzlichen Kosten. Das gelingt jedoch nur dadurch, dass jeder Reisende an den Zusatzkosten beteiligt wird.

 

Wer risikofreudiger ist, wird eine Lösung bevorzugen, bei der zusätzliche Kosten nur dann anfallen, wenn er von Ausfällen tatsächlich betroffen ist. Er nimmt es in Kauf, dass er bei Ausfällen tatsächlich zusätzliche Kosten aufbringen muss. Er nimmt dies jedoch in Kauf, da er zuversichtlich ist, dass er von Ausfällen zumeist verschont wird und dass er in den wenigen Ausfällen akzeptable Ausweichlösungen findet.

 

Durch die Einrichtungen einer Versicherung wäre es nun möglich, den unterschiedlichen Bedürfnissen der Reisenden zu entsprechen. Der Risikoscheue wird eine Versicherung abschließen und damit gegen die meisten Risiken abgesichert sein. Er muss allerdings dafür einen Preis, die Versicherungsgebühr zahlen.

 

Der Risikofreudige hingegen spart diese Gebühr, nimmt aber dafür in Kauf, dass im Risikofalle höhere Kosten auftreten, er vertraut darauf, dass ihm dann eine tragbare Ersatzlösung zur Verfügung steht.

 

Wählt man also die gesetzgeberische Lösung, kann dem Bedürfnis der Risikofreudigen nicht entsprochen werden, nur den Bedürfnissen der Risikoscheuen wird entsprochen.

 

Welche dieser beiden Lösungen als besser bezeichnet wird, hängt aber auch entscheidend davon ab, welche unerwünschten Nebenwirkungen gegenüber anderen politischen Zielen auftreten.

 

Nun wird man davon ausgehen können, dass derjenige, dessen durch Ausfälle hervorgerufene zusätzliche Kosten alle abgedeckt werden, Fernreisen stärker bevorzugt als derjenige, welcher diese zusätzlichen Kosten selbst tragen muss. Er wird sich häufiger fragen, ob Fernreisen wirklich notwendig sind, ob die Bedürfnisse nach Erholung nicht fast genauso gut erfüllt werden können, wenn man in geringerem Maße Fernreisen wählt und seine Urlaubsorte in der Heimat wählt.

 

Dies bedeutet jedoch, dass aus umweltpolitischen Gründen Lösungen zu bevorzugen sind, welche zu einer Verringerung von Fernreisen führen, da gerade die Umweltverschmutzung bei Fernreisen besonders gravierend sind.