Das
Konjunkturprogramm der Bundesregierung wird in der Öffentlichkerit
zumeist gelobt, es wird nur die Befürchtung geäußert, dass auf diese Weise die
zukünftigen Generationen belastet werden. Diese Befürchtung ist nicht neu,
generell wird gegen eine staatliche Verschuldung immer schon die Belastung der
zukünftigen Generationen eingewandt.
Dieser
Vorwurf ist jedoch in dieser Verallgemeinerung nicht berechtigt. Zur Begründung
dieses Vorwurfes wird eine mikroökonomische Betrachtung herangezogen.
Für Privatpersonen wie private Haushalte oder private Unternehmungen gilt
generell, dass jede Verschuldung in der Zukunft zurückgezahlt werden muss, die
heute empfangenen Gelder sind nur Kredite und keine endgültigen Zuschüsse.
Diese für
mikroökonomische Einheiten geltende Regel, dass Kredite in der Zukunft zuückgezahlt werden müssen, gilt jedoch nur in
eingeschränktem Umfang für die Staatengemeinschaft. Richtig bleibt nur, dass
eine Verschuldung eines Staates gegenüber anderen Staaten in gleicher Weise in
Zukunft zurückgezahlt werden muss.
Anderes gilt
jedoch, wenn man die Verschuldung des Staates gegenüber seinen Bürgern
betrachtet. Der Staat handelt in einer Demokratie im Auftrag der Wähler und
dies bedeutet, dass sich hier die Staatengemeinschaft gewissermaßen bei sich
selbst verschuldet. Wenn der Staat in Zukunft seine Schulden tilgt, so zahlt er
seine Schulden an zukünftige Individuen. Die Staatengemeinschaft in ihrer
Gesamtheit wird somit durch die Tilgung von in der Vergangenheit aufgenommenen
Krediten nicht ärmer.
Vielleicht
gilt es als unerwünscht, dass die Kredite vorwiegend an die reichere
Bevölkerung ausgezahlt werden und deshalb aus verteilungspolitischen Gründen
negativ beurteilt werden. Diese Kritik richtet sich jedoch gegen die
Einkommensverteilung. Korrekturen an der Einkommensverteilung lassen sich
jedoch nicht mit fiskalpolitischen Maßnahmen erreichen. Vor allem Kaldor hat gezeigt, dass die Einkommensverteilung nur dann
nachhaltig zugunsten der Arbeitnehmer verändert werden kann, wenn die
Arbeitnehmer ihre Sparneigung erhöhen.
Unabhängig
davon, dass für verteilungspolitische Ziele andere Maßnahmen notwendig werden,
die Vorstellung, dass eine Rückzahlung der staatlichen Kredite vorwiegend zu
Lasten der ärmeren Bevölkerungsschichten erfolge, entspricht nicht ganz der
Wirklichkeit, da das Steueraufkommen, aus dem die Zurückzahlungen der
staatlichen Kredite finanziert werden,
aufgrund der Steuerprogression ebenfalls vorwiegend aus den höheren
Einkommen entstammt.
Diese
Überlegungen können allerdings nicht zu dem Schluss führen, dass die
zukünftigen Generationen gar nicht durch die heutige Politik belastet werden
können. Nur die These, dass es die Verschuldungspolitik des Staates sei, die zu
einer Belastung der zukünftigen Generationen führe, ist falsch. Wenn der Staat
z. B. die vorhandenen knappen Rohstoffe über Gebühr einsetzt, dann überlässt er
der zukünftigen Generation zuwenig Ressourcen und
schadet auf diese Weise der zukünftigen Generation.
Wieweit die
zukünftige Generation belastet wird, ist auch eine Frage der Verwendung der
Staatseinnahmen. Je mehr der Staat seine Ausgaben für konsumtive Zwecke
verwendet und je weniger deshalb Investitionen durchgeführt werden, um so
geringer ist das wirtschaftliche Wachstum und um so geringer ist deshalb auch
die Wohlfahrt der zukünftigen Generation.
Wenn also
von der Gesamthöhe der Verschuldung des Staates keine negativen Wirkungen auf
die zukünftige Generation ausgehen, so bedeutet dies trotzdem keinesfalls, dass
deshalb eine staatliche Verschuldungspolitik erwünscht oder zumindst
unbedenklich sei. Die Beurteilung einer staatlichen Verschuldung hängt immer
von der Gesamtheit aller Wirkungen ab, wir haben lediglich daraufhin gewiesen,
dass die These von der Belastung der zukünftigen Generation fragwürdig ist, es
ist damit nicht entschieden, ob nicht andere Argumente gegen eine staatliche
Verschuldungspolitik sprechen.
Eine
Defizitpolitik des Staates ist vor allem deshalb negativ zu beurteilen, weil
sie die Rechte des Wählers schmälert. Der Wähler kann nur dann feststellen,
welche Partei seinen Wertvorstellungen und seinem Wohl am besten entspricht,
wenn ihm alle Vor- und Nachteile der staatlichen Aktivität bekannt sind. Ein
Wähler erhält aufgrund der von den Parteien in Aussicht gestellten
Staatsausgaben bestimmte Leistungen, er wird aber gleichzeitig dadurch
belastet, dass in dem Ausmaß, in dem knappe materielle Ressourcen für die
Staatsausgaben eingesetzt werden, diese nicht mehr zur Produktion von
Individualgütern verwendet werden können. Das Programm einer Partei wird das
Wohl eines Bürgers nur dann fördern, wenn die durch die Staatsausgaben hervorgerufenen
Wert- und Nutzensteigerungen größer sind als die Verminderungen im Konsum,
welche aufgrund der Staatsausgabensteigerung zu erwarten sind.
Wenn der
Staat seine Ausgaben über Steuern finanziert, erfährt der Wähler über die Verminderug seines verfügbaren Einkommens, was ihm die
Ausgaben des Staates kosten. Werden jedoch die Staatsausgaben damit finanziert,
dass der Staat sich verschuldet, wird dem Wähler vorgegaukelt, die Leistungen
des Staates seien für ihn kostenlos, da ja bei einer Kreditfinanzierung das
nominelle privat verfügbare Einkommen nicht vermindert wird. Das reale
privatverfügbare Einkommen geht hier jedoch trotzdem zurück, da die Güterpreise
steigen. Die Preise steigen, weil das reale Angebot der Konsumgüter bei
gleichbleibender Nachfrage zurückgeht.
Der Wähler
trifft deshalb eine für ihn falsche Entscheidung. Preissteigerungen werden von
Unternehmungen ausgeführt, obwohl in diesem Falle die eigentliche Ursache der Preisteigerung beim Staat liegt und deshalb der Eindruck
entsteht, dass der Staat für diese Preissteigerungen nicht verantwortlich sei.
Nun wird von
Keynesianern eingewandt, bei Unterbeschäftigung steige aufgrund der
Mehrnachfrage des Staates das reale Einkommen, sodass die Ausgabensteigerung
des Staates keine reale Minderung des privatverfügbaren Einkommens nachsichziehe.
Diese
Überlegungen unterstellen jedoch stillschweigend, dass die
gesamtwirtschaftliche Durchschnittskostenkurve bei einem Anstieg der Nachfrage
solange konstant bleibt, bis Vollbeschäftigung erreicht sei. Diese Annahme
entspricht jedoch nicht der Wirklichkeit. Bei einem konjunkturellen Anstieg
geraten einige Wirtschaftszweige bereits zu einer Zeit an ihre
Kapazitätsgrenze, in der nach wie vor gesamtwirtschaftliche Arbeitslosigkeit
herrscht, da entweder Rohstoffe oder auch Fachkräfte knapp werden.
Die Preise
dieser Güter steigen deshalb an, obwohl in der gesamten Volkswirtschaft noch
keine Vollbeschäftigung und Auslastung ihrer Produktionskapazizät
erreicht ist. Da ein Teil dieser Güter selbst wiederum Zwischenprodukte anderer
Güter sind, steigen auch deren Kosten und damit auch die Preise allgemein an.
Und dies bedeutet, dass die Wähler bei einer defizitären Finanzierung sehr wohl
Wohlfahrtsverluste aufgrund von Preissteigerungen erfahren und dass deshalb der
Wähler bei einer defizitären Finanzierung der Staatsausgaben nicht darüber
unterrichtet wird, welche Kosten ihm aufgrund der Staatsausgaben entstehen.
Da nun in
der Öffentlichkeit die defizitäre Finanzierung der Staatsausgaben nur
kritisiert wird, da sie angeblich die zukünftige Generationen belaste und da
dieses Argument falsch ist, besteht die Gefahr, dass die Wähler die
Verschuldungspolitik für unbedenklich halten, da ihnen als
wirtschaftswissenschaftliche Laien der Überblick über die gesamten Wirkungen
fehlt. Somit trägt der Hinweis auf die angeblichen negativen Wirkungen auf die
zukünftige Gefahr eher dazu bei, die Verschuldungspolitik fälschlicher Weise
für unbedenklich zu halten.
Zum
Abschluss sei daran erinnert, dass die Forderung nach einem ausgeglichenen
Budget nicht eine prozyklische Finanzpolitik miteinschließt. Von prozyklischer
Politik spricht man dann, wenn der konjunkturbedingte Rückgang der
Steuerreinnahmen dszu führt, dass auch die
Staatsausgaben reduziert werden. Eine solche Politik würde zu einer
Verschärfung der Rezession führen und ist deshalb zu unterlassen. Die Forderung
nach einem Budgetausgleich verlangt lediglich, dass langfristig, das heißt für
einen gesamten Konjunkturzyklus, Staatsausgaben und Steuereinnahmen
übereinstimmen müssen, dieses Ziel kann auch erreicht werden, wenn in Zeiten der
Rezession Defizite und in Zeiten der Hochkonjunktur gleichhohe Überschüsse
erzielt werden.