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Ein Plan zur Realisierung

von Vollbeschäftigung Teil I

 

Gliederung:

 

1. Einführung in die Problematik

2. Bildungspolitische Ansätze

3. Flexibilisierung des Arbeitsmarktes

4. Gewinnbeteiligung zur verteilungspolitischen Absicherung

5. Schaffung eines sekundären Arbeitsmarktes

6. Schlussbemerkungen

 

 

1. Einführung in die Problematik

 

Die Massenarbeitslosigkeit zählt zu den wichtigsten Problemfeldern der Gegenwart. Wenn man die Politiker vor einigen Jahren danach gefragt hätte, welches politische Ziel im Rahmen der wirtschafts- und Sozialpolitik höchste Priorität besitze, hätten wohl alle demokratischen Parteien auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hingewiesen. Im Augenblick scheint das Ziel, die Börsenkrise zu überwinden, Vorrang zu haben, aber auch die Realisierung dieses Zieles ist notwendig, um auf diese Weise eine Rezession und damit Massenarbeitslosigkeit  zu vermeiden. Langfristig gesehen hatten die Arbeitnehmer bei Meinungsumfragen schon immer zum Ausdruck gebracht, dass sie der Sicherung des Arbeitsplatzes eindeutig den Vorrang vor dem Ziel einer Lohnerhöhung einräumen.

 

Man kann auch nicht bezweifeln, dass vor allem unter der rotgrünen Regierung Schröders Ansätze zur Reform des Arbeitsmarktes eingeleitet wurden, die nach allgemeinem Urteil der Öffentlichkeit als Weg in die richtige Richtung beurteilt wurden.

 

Kritik an diesen Ansätzen lässt sich allerdings in mehrerer Hinsicht äußern. Auf der einen Seite wurde vor allem von wissenschaftlicher Seite darauf hingewiesen, dass die bisherigen Anstrengungen nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung darstellten, dass wir in den Reformbemühungen noch keinesfalls am Ende angelangt seien. Auf der anderen Seite hatten die meisten Parteien – die CDU genau so wie die SPD – bei der Feststellung erster Erfolge auf dem Arbeitsmarkt den Reformkurs aufgegeben und zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, die den Erfolg in langfristiger Sicht in Frage stellen. Dies gilt z. B. für die Forderung nach Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes, nach Wiedereinführung der Pendlerpauschale wie auch der Reduzierung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

 

Anstatt dass die Politiker in ihren Reformbemühungen fortfahren, sind sie wiederum zu einem Verhalten zurückgekehrt, in dem sie darum wetteifern, der Bevölkerung möglichst viele Wahlgeschenke zu machen. Es wird hierbei verkannt, dass sich der tatsächliche Erfolg einer Reformpolitik erst in Zeiten des konjunkturellen Abschwungs feststellen lässt. Dass die Arbeitslosigkeit in Zeiten des Aufschwungs – wenn auch nicht mehr im selben Tempo und Umfang wie in früheren Zeiten – zurückgeht, ist nicht verwunderlich und kann noch nicht als Wende in der strukturellen Krise angesehen werden.

 

Erst dann, wenn die Konjunktur wieder nachlässt – und viele Faktoren sprechen dafür, dass dieser konjunkturelle Wandel bereits eingetreten ist – wird sich erweisen, ob die Reformmaßnahmen gegriffen haben, inwieweit also der konjunkturell bedingte Rückgang in der Güternachfrage auch zu einer allgemeinen Reduzierung in der Beschäftigung führt, ob also mit anderen Worten auch die strukturellen Schwächen auf dem Arbeitsmarkt bereits überwunden sind.

 

 

Es liegt keinesfalls in der Natur einer Marktwirtschaft, dass jeder Rückgang in der Güternachfrage unmittelbar auch in einem gleich großen Rückgang des realen Inlandsproduktes und hierdurch verursacht zu einem gleich großen Anstieg in der Arbeitslosigkeit führen muss. Wenn nämlich die Märkte flexibel wären, wenn also durch Datenänderungen ausgelöste Ungleichgewichte zu den entsprechenden Preisanpassungen und diese wiederum zu normalen marktkonformen Reaktionen in Angebot und Nachfrage führen würden, könnte der Rückgang in der Nachfrage zu einem großen Teil durch Rückgänge in den Preisen aufgefangen werden und es könnte gerade auf diesem Wege eine starke Reduzierung in den realen Größen vermieden werden. 

 

Gleichzeitig würde der Rückgang in der Nachfrage auf einzelnen Teilmärkten zu einem Anstieg auf anderen Teilmärkten führen, sodass das reale Inlandsprodukt keinesfalls konjunkturbedingt den nominellen Nachfrageänderungen in vollem Umfange folgen müsste.

 

Erst in den letzen Jahrzehnten kam es zu so starken strukturellen Umbrüchen, dass der normale Verlauf traditioneller Konjunkturbewegungen unterbrochen wurde. So kam es erstens zu den Hysterese-Erscheinungen, aufgrund derer sich in den Aufschwungsphasen der Arbeitsmarkt weitgehend vom Gütermarkt abtrennte, der Aufschwung auf den Gütermärkten somit erst nach einer langen Verzögerung und auch in viel geringerem Maße auf den Arbeitsmarkt übersprang.

 

Für diese Hysterese werden in der Literatur recht unterschiedliche Ursachen benannt. So wird darauf hingewiesen, dass aufgrund eines rigorosen Kündigungsschutzes in der Rezession wesentlich weniger Arbeitnehmer entlassen werden, als der Bedarf an Arbeitskräften konjunkturbedingt zurückgegangen ist. Wenn nun die Konjunktur und mit ihr die Nachfrage nach Gütern ansteigt, können die Unternehmungen zunächst auf die Arbeitskräfte zurückgreifen, welche bereits beschäftigt sind, aber bisher mangels Produktion nicht eingesetzt werden konnten mit der Folge, dass trotz größerer Produktion keine Mehrnachfrage auf den Arbeitsmärkten ausgeübt wird.

 

Währe dies der einzige Grund für die Hysterese-Erscheinungen, würde konjunkturbedingt die Arbeitsnachfrage insgesamt nicht stärker zurückgehen als auch schon vor Auftreten der Hysterese-Erscheinungen. Zwar würde die Nachfragesteigerung zu Beginn des Konjunkturaufschwungs zurückgehen, dafür würden jedoch weniger Arbeitnehmer im Konjunkturabschwung entlassen. Die Nachfragesteigerung in der Aufschwungsphase geht hier nur deshalb zurück, weil die sonst neugefragten Arbeitnehmer im Konjunkturabschwung gar nicht entlassen wurden. Aus der Sicht der betroffenen Arbeitnehmer hätte sich sogar die Situation leicht verbessert.

 

Gesamtwirtschaftlich verschlechtert jedoch ein rigoroser Kündigungsschutz, bei dem Arbeitnehmer auch dann nicht entlassen werden können, wenn sie für die Produktion nicht benötigt werden, die Beschäftigungslage. Gerade weil ein Unternehmer in seinen Bemühungen, die Krise zu überwinden, behindert wird, ist auch damit zu rechnen, dass die Anpassungszeit, die bis zum nächsten Aufschwung vergeht, verlängert wird, dass insgesamt mehr Arbeitskräfte entlassen werden und die Arbeitslosen länger als nötig arbeitslos bleiben. Ein noch so rigoroser Kündigungsschutz kann nicht verhindern, dass Unternehmungen Konkurs gehen und dass dann alle Arbeitnehmer dieser Betriebe arbeitslos werden.

 

Von größerer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass ein rigoroser Kündigungsschutz in Zeiten des beginnenden Aufschwungs die Unternehmungen daran hindert, auch dann keine neuen Arbeitskräfte einzustellen, wenn aufgrund der erwarteten Mehrproduktion in Wirklichkeit der Bedarf an Arbeitsstunden ansteigt. Wir haben nämlich zu berücksichtigen, dass die Unternehmungen im Unklaren sind, ob ein neuer Auftrag bereits ein Indiz dafür darstellt, dass die Konjunktur ansteigt, dass also mit anderen Worten auch in Zukunft mit weiteren Aufträgen zu rechnen ist oder ob es sich nur um einen einmaligen zusätzlichen Auftrag handelt.

 

Haben wir einen rigorosen Kündigungsschutz, so wird ein Unternehmer nur dann Arbeitskräfte neu einstellen, wenn er sicher sein kann, dass der Aufschwung bereits begonnen hat. Solange er befürchten muss, dass es sich um einmalige Aufträge handelt, wird er bemüht sein, vor allem durch Überstunden seine Mehrnachfrage nach Arbeitsleistungen zu befriedigen. Würde er nämlich Arbeitskräfte neueinstellen und würde sich herausstellen, dass diese Aufträge einmaliger Natur waren, könnte der Unternehmer diese Arbeitskräfte kurzfristig nicht mehr entlassen, mit der Folge, dass sich seine Gewinnsituation drastisch verschlechtern würde.

 

Versucht nun die Regierung zu verhindern, dass die Mehrnachfrage nach Arbeitsstunden durch Überstunden abgedeckt wird, um auf diese Weise die Unternehmungen zu zwingen, neue Arbeitskräfte einzustellen, bestünde die Gefahr, dass die Unternehmer ganz darauf verzichten, diese Aufträge solange anzunehmen, solange nicht sicher ist, dass diese Mehraufträge auch in Zukunft anhalten.

 

Das Hinterherhinken des Arbeitsmarktes hinter dem Aufschwung auf dem Gütermarkt hat aber auch noch weitere Gründe. Eine Art Hysterese ist nämlich auch in der Anpassung der gewerkschaftlichen Lohnpolitik an die konjunkturellen Gegebenheiten festzustellen. Wir haben davon auszugehen, dass Lohnsteigerungen nur dann als konjunkturneutral eingestuft werden können, wenn die Lohnsteigerungen insgesamt dem Zuwachs in der gesamtwirtschaftlichen Steigerung der Arbeitsproduktivität entsprechen.

 

Zwar halten sich die Gewerkschaften im Allgemeinen durchaus an das Prinzip der produktivitätsorientierten Lohnpolitik. Trotzdem gibt es mehrere Gründe, weshalb sehr oft von Seiten der Lohnpolitik negative Wirkungen ausgehen, wobei die Frage, ob diese Effekte die Beschäftigung mindern oder die Inflation steigern gar nicht so sehr vom Verhalten der Tarifpartner, sondern eher von der Politik der Notenbank und natürlich auch vom Verhalten des Staates abhängt.

 

Ist nämlich die Notenbank aus Gründen der Geldwertstabilisierung nicht bereit, die Geldmenge im Umfang der Lohnsummenzuwächse zu erhöhen, kommt es aufgrund der Zunahme in der Konsumgüternachfrage zur Verknappung des Geldes, zu Zinssteigerungen, die ihrerseits das wirtschaftliche Wachstum und mit ihm die Beschäftigung drosseln. Erhöht jedoch die Notenbank die Geldmenge aufgrund der Zunahme in der Güternachfrage, schlägt sich der Anstieg in der Konsumnachfrage in Preissteigerungen nieder, ohne dass sich das Inlandsprodukt unbedingt realiter erhöht.

 

Ein erster wichtiger Grund dafür, dass die Gewerkschaften insgesamt Lohnzuwächse erzwingen, die über dem Anstieg in der Arbeitsproduktivität liegen, besteht darin, dass sich die Gewerkschaften bei ihren Lohnforderungen vorwiegend an den branchenwirtschaftlichen und nicht an den gesamtwirtschaftlichen Daten orientieren. Nun wären Lohnsteigerungen, welche sich an der Produktivitätssteigerung der jeweiligen Branche ausrichten, durchaus konjunkturneutral, wenn sich die Tarifpartner aller Wirtschaftszweige an diese Norm hielten.

 

In Wirklichkeit orientieren sich jedoch in der Regel nur diejenigen Branchen an der branchenwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung, welche überdurchschnittlich hohe Zuwachsraten zu verzeichnen haben, während Branchen mit unterdurchschnittlicher Steigerung der Arbeitsproduktivität ebenfalls am wirtschaftlichen Wachstum der Volkswirtschaft beteiligt werden wollen und sich deshalb günstigstenfalls am gesamtwirtschaftlichen Zuwachs der Produktivität oder sogar auch an den Zuwächsen der Wachstumsindustrien orientieren.

 

Dieses Verhalten ist auch durchaus verständlich, wenn man bedenkt, dass es Wirtschaftszweige wie der öffentliche Dienst gibt, in denen die Produktivitätssteigerung null beträgt und zwar nicht etwa deshalb, weil die Beschäftigten hier besonders faul und unproduktiv sind, sondern einfach deshalb, weil die Statistik nur dann einen Produktivitätszuwachs messen kann, wenn die Branche in Geldgrößen gemessen wirtschaftliche Erträge erzielt.

 

Der Produktivitätszuwachs wird immer daran gemessen, wie sich das Verhältnis zwischen Ertrag (Output) und Kosten (Input) entwickelt, der Output des Staates wird mangels erwerbswirtschaftlich erzielter Erträge am Input gemessen. Aufgrund dieses Maßstabes bleibt deshalb der Quotient zwischen Output und Input ex definitione konstant und zwar unabhängig davon, in welchem Maße die öffentliche Wirtschaft zum Zustandekommen des wirtschaftlichen Wachstums tatsächlich beiträgt.

 

Wenn man es nicht für gerechtfertigt hält, dass die Beschäftigten in der öffentlichen Wirtschaft überhaupt nicht am wirtschaftlichen Wachstum der Einkommen beteiligt werden, muss man konsequenterweise eine Ausrichtung aller Branchen, auch der Branchen mit überdurchschnittlich hohem Produktivitätszuwachs an der gesamtwirtschaftlichen Zuwachsrate fordern. Nur in diesem Falle bleibt die Lohnpolitik der Tarifpartner konjunkturneutral.

 

Ein weiterer Grund dafür, dass auch bei einer prinzipiell produktivitätsorientierten Lohnpolitik der Tarifpartner trotzdem unerwünschte Effekte auf Beschäftigung und Geldwert ausgehen, liegt darin, dass ein Teil der Produktivitätszuwächse unabhängig vom Ergebnis der Tarifverhandlungen zu effektiven Lohnsteigerungen führen. Wir haben nämlich davon auszugehen, dass der gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritt zum Teil einfach dadurch zustande kommt, dass sich Produktion und Beschäftigung weg von den unterdurchschnittlich, hin zu den überdurchschnittlich erfolgreichen Branchen und Unternehmungen verlagert. Auf diese Weise erzielt ein Arbeitnehmer, der zu einer produktiven Unternehmung oder Branche wandert, einfach deshalb höhere Löhne, weil in den Wachstumsindustrien auch überdurchschnittlich hohe Löhne gezahlt werden.

 

Die Lohnsumme und der Anteil der Löhne am Inlandsprodukt steigen hier automatisch an, auch dann, wenn die Lohnsätze in jedem Wirtschaftszweig konstant geblieben wären. Nicht die Produktivität jeder einzelnen Unternehmung ist angestiegen, der Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Volkswirtschaft hat hier einfach deshalb zugenommen, da das Gewicht der produktiveren Branchen und Unternehmungen zugenommen hat. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass sich diese Art von Produktivitätssteigerung aufgrund der Mobilität bereits in gestiegenen Löhnen niedergeschlagen hat und deshalb nicht nochmals im Rahmen der Tarifverhandlungen zur Verteilung ansteht. Es müsste deshalb eigentlich der Anstieg in den Tariflöhnen immer etwas geringer ausfallen als der gesamtwirtschaftliche Produktivitätszuwachs.

 

Nun gilt die Feststellung, dass von den Löhnen nur dann keine negativen Auswirkungen auf die Konjunktur ausgehen, wenn sie am Produktivitätszuwachs  orientiert sind, für die Steigerungen in den Effektivverdiensten. Für die gesamtwirtschaftliche Auswirkung von Lohnsteigerungen auf Beschäftigung und Geldwert ist es unerheblich, ob die Löhne aufgrund eines Anstiegs der Tariflöhne oder der übertariflich gewährten Löhne zugenommen haben. Nun kommen dem Umstand, dass die Unternehmungen übertarifliche Lohnzuschläge gewähren, durchaus positive Funktionen zu.

 

Nur durch übertarifliche Lohnzuschläge kann eine Unternehmung eine erwünschte Differenzierung in den Lohnsätzen, die über die Differenzierung nach tariflichen Lohnklassen liegt, realisieren und nur auf diesem Wege ist eine Unternehmung in der Lage, bei Knappheit von Arbeitskräften ihre Arbeitskräfte zu halten bzw. benötigte Arbeitskräfte aus anderen Unternehmungen abzuwerben. Der für die Produktivitätssteigerung unerlässliche Wettbewerb der Unternehmungen um Arbeitskräfte kann nur dadurch stattfinden, dass einzelne Unternehmungen höhere Löhne gewähren, als durch Tarifvertrag von allen Unternehmungen gezahlt werden müssen. Übertarifliche Lohnzuschläge haben also durchaus ihre gesamtwirtschaftliche Berechtigung. In diesem Falle steht jedoch wiederum nicht der gesamte Produktivitätszuwachs bei den Tarifverhandlungen zur Verteilung an. Ein Teil des Produktivitätszuwachses wird zur Auszahlung der übertariflichen Lohnzuschläge benötigt.

 

Der wichtigste Grund dafür, dass die Lohnpolitik der Gewerkschaften zu Hysterese-Erscheinungen führt, liegt jedoch in einem weiteren Sachverhalt. Wenn sich Lohnsteigerungen, die über dem Zuwachs in der Arbeitsproduktivität liegen, negativ auf die Beschäftigung auswirken, so liegt dies vor allem an den Auswirkungen auf das Investitionsverhalten der Unternehmungen. Liegen die Lohnsteigerungen über der Arbeitsproduktivität, so verringern sie kurzfristig den unternehmerischen Gewinn und wenn sich die Unternehmungen gezwungen sehen, die Anstiege in den Lohnkosten auf den Güterpreis aufzuschlagen, verschlechtert sich ihre internationale Wettbewerbsposition. Die Unternehmungen sehen sich also veranlasst, auf diese Datenänderungen so zu regieren, dass die verringerten Absatzmöglichkeiten und Gewinne wiederum kompensiert werden.

 

Einer Unternehmung stehen vor allem zwei Strategien zur Verfügung, diese Verluste wieder wettzumachen. Sie kann die Produktion der arbeitsintensiven Produkte in das Ausland verlagern, in dem die Arbeitskosten geringer ausfallen oder aber sie kann durch Einführung kapitalintensiverer Verfahren einen Teil der Arbeitskräfte durch Kapital substituieren. In beiden Fällen geht die Nachfrage nach Arbeitskräften im Inland (vor allem im unteren Einkommensbereich) zurück. Durch Mechanisierungsprozesse werden nämlich vor allem die ungelernten Arbeitskräfte ersetzt. Der Bedarf an Facharbeitskräften kann sogar ansteigen.

 

Liegen also die Lohnsteigerungen über dem Produktivitätszuwachs, so wird es über kurz oder lang zu unerwünschten Auswirkungen in der Nachfrage nach Arbeitskräften kommen. Diese Auswirkungen kommen jedoch aufgrund von Investitionsentscheidungen zustande, die im Allgemeinen erst verzögert, nach Ablauf einiger Perioden stattfinden. Eine Investition gilt immer für mehrere Perioden und gerade aus diesen Gründen ist eine Änderung in der Produktionstechnik erst dann rentabel, wenn ein großer Teil der bisherigen Anlagen bereits abgeschrieben werden konnte.

 

Wenn eine Unternehmung gerade kürzlich eine für viele Perioden eingerichtete Anlage angeschafft hat, so lohnt sich eine Ersetzung dieser Anlage erst dann, wenn ein Großteil der Investitionskosten bereits abgeschrieben werden konnte und dies gilt auch dann, wenn nach Anschaffung dieser Anlage hohe Lohnkostensteigerungen eintreten, die eigentlich eine kapitalintensivere Anlage erwünscht sein lassen.

 

Auch wird eine Unternehmung eine Anlage mit mehrjähriger Dauer nur dann anschaffen, wenn sie davon ausgehen kann, dass die jüngst eingetretenen Lohnsteigerungen ebenfalls von Dauer sind. Es lohnt sich nicht, eine neue Anlage für z. B. 10 Jahre anzuschaffen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Lohnsteigerungen in Zukunft wiederum gemäßigter ausfallen.

 

Aus all diesen Gründen ist davon auszugehen, dass auch Lohnsteigerungen, welche sich über dem Produktivitätszuwachs befinden und die langfristig zu Rückgängen in der Beschäftigung führen, in den Perioden unmittelbar nach einer Lohnerhöhung zu keinen Entlassungen führen werden. Eine Gewerkschaft, die bewusst eine expansive Lohnpolitik betreibt, sieht sich in ihrem Verhalten bestätigt, sie glaubt nachweisen zu können, dass die von der Wissenschaft prognostizierten negativen Auswirkungen einer expansiven Lohnpolitik widerlegt seien. Sie werden an der Ideologie der Kaufkrafttheorie, wonach sich expansive (über dem Produktivitätszuwachs liegende) Lohnsteigerungen sogar beschäftigungssteigernd auswirken, festhalten.

 

Betrachten wir nun eine Gewerkschaft, welche sich zu moderaten Lohnforderungen durchgerungen hat, da die Regierung z. B. im Rahmen einer Konzertzierten Aktion die Gewerkschaften dazu zu verpflichten versuchte, auch einen Beitrag zur Konjunkturstabilisierung zu leisten. Auch für eine moderate Lohnpolitik, welche sich an den Produktivitätszuwächsen orientiert, gilt, dass ihre nun positiven Auswirkungen auf den Beschäftigungsgrad in erster Linie über Investitionsentscheidungen und damit erst nach Ablauf einiger Perioden eintreten werden.

 

Achtet die Gewerkschaft nur auf die unmittelbaren Auswirkungen einer moderaten Lohnpolitik, so stellt sie fest, dass der erhoffte Zuwachs an Beschäftigung nicht eingetreten ist, obwohl diese positiven Effekte zu erwarten sind, eben nur erst nach Ablauf einiger Perioden. Die Gewerkschaften fühlen sich also in ihrem moderaten Verhalten nicht bestätigt und müssen gerade deshalb befürchten, dass sie im Vergleich zu den aggressiv agierenden Gewerkschaften an Boden verlieren. Es besteht hier die Gefahr, dass auch die gemäßigten Gewerkschaften ihre moderate Lohnpolitik aufgeben mit der Folge, dass der Arbeitsmarkt immer mehr von der positiven Entwicklung auf den Gütermärkten abgekoppelt wird und dass der Aufschwung auf den Arbeitsmärkten immer länger hinter dem Aufschwung auf den Gütermärkten hinterherhinkt.

 

Eine zweite entscheidende strukturelle Änderung der letzten Jahrzehnte besteht neben der Hysterese darin, dass es in Zeiten des Abschwungs zu Stagflationserscheinungen kommt. Obwohl die Güternachfrage in diesen Zeiten zurückgeht und mit ihr die Produktion und damit auch die Beschäftigung, geben die Preise der Güter oftmals nicht nach, ganz im Gegenteil sie steigen sogar bei Stagflation an. Wie haben wir uns diese zweite Änderung zu erklären?

 

In der traditionellen Unternehmungstheorie gehen wir davon aus, dass die Grenz- und Durchschnittskosten zumindest von einer bestimmten kritischen Produktionsmenge aus (dem Kostenminimum) ansteigen. Dieser Anstieg in den Stückkosten ist notwendig, um eine Tendenz zum Gleichgewicht herbeizuführen.

 

Ausgangspunkt sei z. B. ein konjunkturell bedingter Rückgang im Absatz. Um die Produktion und damit auch das Angebot an die Nachfrageänderungen anzupassen, reduzieren die Unternehmer die Produktion. Der Rückgang im Angebot hat nun auf einem funktionierenden Wettbewerbsmarkt folgende Auswirkungen. Da wir davon ausgehen, dass die Grenzkosten bei verminderter Produktion zurückgehen, sind die Unternehmer in der Lage, auch die Güterpreise zu senken. Diese Verringerung in den Güterpreisen veranlasst die Konsumenten unter normalen Bedingungen mehr von diesen Gütern nachzufragen.

 

Damit wird jedoch das zunächst entstandene Ungleichgewicht (der Angebotsüberhang) von zwei Seiten aus abgebaut. Auf der einen Seite verringert sich das Angebot, auf der anderen Seite erhöht sich die Nachfrage. Es ist somit im Allgemeinen sichergestellt, dass eine Tendenz zum Gleichgewicht gegeben ist. Das neue Gleichgewicht liegt bei der Gütermenge, bei welcher der Güterpreis gerade den Grenzkosten entspricht, in diesem Punkt realisiert der Unternehmer sein Gewinnmaximum.

 

Nun unterstellen wir in der traditionellen Theorie aber auch, dass die Grenzkosten bei sehr geringer Produktion zunächst mit wachsender Produktion ansteigen und erst ab einer kritischen Gütermenge an die Tendenz haben anzusteigen. Die Eigenschaften einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion kommen also erst ab einer bestimmten Mindestproduktionsmenge zum Zuge. Eine Cobb-Douglas-Produktions-funktion weist vor allem folgende zwei Eigenschaften auf.

 

Wird lediglich ein Produktionsfaktor bei Konstanz der übrigen Faktoren verändert, so gilt das Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag dieses variierten Produktionsfaktors. Der Grenzertrag dieses Faktors geht also bei vermehrtem Einsatz dieses Faktors zurück. Werden jedoch alle eingesetzten Produktionsfaktoren in gleichem Umfang verändert, gilt das Gesetz vom gleichbleibenden Grenzniveauprodukt. Eine Verdopplung aller Faktoren führt z. B. auch zu einer Verdopplung der Produktionsmenge.

 

Da also in der Realität die Grenz- und Stückkosten zumeist erst ab einer kritischen Gütermenge mit wachsender Produktion ansteigen, hängt die Gleichgewichtstendenz davon ab, dass die Produktion jenseits des Kostenminimums stattfindet. Würde z. B. der Rückgang in der Nachfrage nach Gütern so stark sein, dass die Produktion in den Bereich diesseits des Kostenminimums fallen würde, stiegen Grenz- und Stückkosten mit verminderter Produktion sogar an.

 

Dies hätte zur Folge, dass die Unternehmer – Gewinnmaximierung unterstellt – den Güterpreis als Reaktion auf den Nachfragerückgang sogar anheben würden. Wir erhielten eine Stagflation, bei der gleichzeitig die Beschäftigung wie auch das Ziel der Preisniveaustabilität gefährdet wäre, da die Beschäftigung mit der Produktion zurückginge und gleichzeitig die Güterpreise anstiegen.

 

Diese Veränderung in der Preis- Mengenrelation hat nun mehrere Folgen für die Überwindung der Marktungleichgewichte: Auf der einen Seite würde die Nachfrage nach Gütern nicht mehr ansteigen, die Preissteigerung hätte vielmehr einen Rückgang in der Nachfragemenge zur Folge. Nur dann, wenn der Rückgang in der Nachfragemenge geringer ausfallen würde als die Verringerung des Güterangebotes, würde der Angebotsüberhang abgebaut. Wäre der Rückgang in der Nachfrage sogar größer als im Angebot, müsste sogar mit einer Ausweitung des Ungleichgewichtes gerechnet werden.

 

In welchem Verhältnis nun die Veränderungen im Angebot und in der Nachfrage stehen, hängt vor allem von der Preisflexibilität des Angebotes sowie der Elastizität der Nachfrage ab. Ist die Preisflexibilität des Angebotes hoch, so entspricht einer relativ geringen Verminderung der Produktion ein hoher Preisanstieg. Wenn nun gleichzeitig die Nachfrageelastizität ebenfalls hoch wäre, würde der Rückgang in der Nachfrage sehr viel höher ausfallen als im Angebot mit der Folge, dass das Ungleichgewicht anstiege und eben nicht abgebaut würde.

 

Aber selbst dann, wenn die Nachfrage in geringerem Maße reduziert würde als das Angebot, würde zwar das Ungleichgewicht abgebaut werden, der Anpassungsprozess würde jedoch sehr viel langsamer vonstatten gehen als dann, wenn – wie bei normaler Reaktion – der Konjunkturabschwung zu Preissenkungen und damit zu einer Ausweitung der Güternachfrage führen würde. Der Anpassungsprozess und damit die Dauer der Abschwungsphase würden also auf jeden Fall verlängert.

 

Wovon hängt es nun ab, ob die Produktion bei Rückgang der Produktion in den Bereich der fallenden Grenz- und Stückkostenkurve gerät? Zwei Merkmale sind hierfür vor allem verantwortlich. Auf der einen Seite hängt die Produktionsmenge, bei der das Kostenminimum liegt, davon ab, wie hoch der Anteil der fixen Kosten an den Gesamtkosten liegt. Fixkosten zeichnen sich bekanntlich dadurch aus, dass die absolute Kostenhöhe nicht von der Ausbringungsmenge abhängt, sie entstehen auch dann, wenn nur eine Gütereinheit produziert würde und steigen andererseits – bis zu einer bestimmten Grenze – nicht an, wenn die Gütermenge erhöht wird.

 

Dieser Tatbestand hat zur Folge, dass die fixen Stückkosten mit wachsender Produktion zurückgehen. Je höher also der Anteil der fixen Kosten an den Gesamtkosten ausfällt, um so mehr wird der Punkt des Kostenminimums, von dem ab die gesamten Stückkosten bei Produktionsausweitung ansteigen, nach rechts verschoben und um so größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmer im Produktionsbereich der fallenden Stückkosten (bezogen auf eine Ausweitung der Gütermenge) produzieren.

 

Der Anteil der Fixkosten an den Gesamtkosten hängt nun selbst wiederum davon ab, wie hoch die Kapitalintensität der Produktion ist. Bei besonders kapitalintensiven Produktionstechniken ist auch mit sehr hohen fixen Kosten zu rechnen, da der Produktionsfaktor Arbeit zumeist als variable, der Faktor Kapital hingegen als fixe Kosten kalkuliert wird. Auch die Betriebsgröße bestimmt mit, ab welcher Produktionsmenge der Bereich steigender Gesamtstückkosten beginnt. Je größer die Kapazität einer Unternehmung ist, umso höher ist die Produktionsmenge, bei der das Kostenminimum liegt. Die Tendenz zum Großbetrieb hat somit die Gefahr einer Stagflation vergrößert.

 

Auf einen zweiten Zusammenhang muss allerdings hingewiesen werden. Bei welcher Produktionsmenge das Kostenminimum liegt, ist keinesfalls technisch eindeutig vorgegeben. Die Technik lässt den Unternehmungen in der Regel einen mehr oder weniger großen Spielraum, bei welcher das Kostenminimum liegen soll. Es ist wie bei den Verbrennungsmotoren von Kraftfahrzeugen, bei denen die Produzenten ebenfalls die Möglichkeit haben, die Geschwindigkeit, bei welcher der Spritverbrauch minimiert ist, in gewissen Grenzen selbst zu bestimmen.

 

Wenn die Unternehmungen aber die Möglichkeit haben, die Produktionsmenge, bei welcher das Kostenminimum erreicht wird, in gewissen Grenzen selbst zu bestimmen, fragt es sich,  warum sie überhaupt Anlagen herstellen (nachfragen), bei welchen die tatsächliche Produktion im Bereich noch fallender Stückkosten liegt. Solange die Stückkosten noch sinken, lohnt sich im Allgemeinen für eine Unternehmung, die Produktion auszuweiten, damit eine Reduzierung der Stückkosten herbeizuführen, die selbst wiederum Preissenkungen und damit Absatzsteigerungen ermöglicht. Warum machen die Unternehmer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch?

 

Die Antwort liegt natürlich darin, dass Anlagen für mehrere Perioden angeschafft werden. Wenn nun eine Unternehmung mit relativ hohen Wachstumsraten im Absatz rechnet, wird sie die Produktionsanlagen so wählen, dass für die zukünftigen Perioden eine Ausweitung der Produktion möglich wird, ohne dass die Stückkosten extrem ansteigen. Dies bedeutet, dass sie in der Gegenwart eventuell durchaus noch im Bereich diesseits des Kostenminimums produziert. Vor allem dann, wenn eine Unternehmung in ihren Absatzerwartungen enttäuscht wird, also mit unrealistisch hohen Wachstumsraten gerechnet hat, besteht die Gefahr, dass die Produktion die längste Zeit diesseits des Kostenminimums erfolgt.

 

Haben wir eine Stagflation, so ist nicht nur – wie gezeigt – der Gleichgewichtsprozess unterbunden bzw. stark verlangsamt. Gleichzeitig wird auch die von Keynesianern empfohlene Konjunkturpolitik in Frage gestellt. Auf eine einfache Formel gebracht geht es bei der keynesianischen Konjunkturpolitik darum, in Zeiten des Konjunkturabschwungs die staatliche Nachfrage zu steigern, also Gas zu geben und in Zeiten überhitzter Hochkonjunktur die staatliche Nachfrage zu drosseln, also zu bremsen.

 

Diese Konzeption führt jedoch dann nicht mehr zu einem vollen Erfolg, wenn wir eine Situation der Stagflation haben. Der Umstand, dass die Beschäftigung zurückgeht, verlangt vom Staat eine expansive Ausgabenpolitik, also Gas zu geben, der Umstand, dass aber zur gleichen Zeit die Güterpreise generell ansteigen, würde verlangen, dass der Staat seine Ausgaben drosselt.

 

Der Staat kann aber nicht zur gleichen Zeit Gas geben und bremsen, wird also immer nur ein Ziel der Konjunkturpolitik erreichen können. Er wird sich im Allgemeinen dafür entscheiden, dass die Beseitigung der Arbeitslosigkeit vor der Vermeidung von Inflationen Vorrang besitzt, also vorwiegend expansive Maßnahmen durchführen mit der Folge, dass die ohnehin bestehende langfristige Tendenz zur Inflation noch verstärkt wird. Da aber die Aufgabe einer optimalen Allokation bei permanenter Inflation immer weniger erfüllt werden kann, verstärkt sich die Gefahr, dass das Produktionssystem eines Tages zusammenbricht.

 

Wir haben also im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit auf der einen Seite davon auszugehen, dass die Ursachen einer zu geringen Beschäftigung heutzutage schwergewichtig nicht in konjunkturellen, sondern in strukturellen Faktoren liegen und dass auf der anderen Seite Arbeitslosigkeit, welche tatsächlich aufgrund der konjunkturellen Bewegungen marktwirtschaftlicher Systeme zurückzuführen ist, nicht mehr mit den traditionellen Methoden einer keynesianisch orientierten Konjunkturpolitik erfolgreich bekämpft werden kann.

 

Natürlich besteht in der Frage der geeigneten Maßnahmen zur Wiederherstellung einer Vollbeschäftigung nach wie vor unter Wirtschaftswissenschaftlern Uneinigkeit. Keynesianer sind weiterhin der Auffassung, dass Arbeitslosigkeit in erster Linie auf eine zu geringe Güternachfrage zurückzuführen sei und dass deshalb Vollbeschäftigung dadurch wiederhergestellt werden könne, dass der Staat seine Nachfrage mit Hilfe eines Budgetdefizites ausweitet oder privaten Unternehmungen und Haushalten finanzielle Anreize zur Nachfrageausweitung gewährt.

 

In einem Punkte allerdings sind sich Keynesianer wie Angebotstheoretiker einig: Der Staat sollte sich in keinem Falle prozyklisch verhalten. Es ist ein grundsätzlicher Fehler, wenn die Regierungen in Zeiten des konjunkturellen Abschwungs ihre Ausgaben ebenfalls reduzieren bzw. ihre Steuer- und Beitragssätze anheben. Und es ist ein genauso großer Fehler, wenn die Regierungen in Zeiten des konjunkturellen Aufschwungs die Ausgaben erhöhen bzw. Steuer- und Beitragssätze verringern.

 

Eine solche prozyklische Politik ist falsch, weil sie die konjunkturellen Ausschläge noch verstärkt. Sowohl die Ausgabenkürzungen wie auch die Erhöhungen der Steuern und Beiträge verringern in Zeiten des konjunkturellen Abschwungs die Gesamtnachfrage nach Gütern und tragen deshalb zu einer Verstärkung der Abschwungsfaktoren bei. In gleicher Weise gilt, dass Ausgabensteigerungen sowie Reduzierungen in den Steuer- und Beitragssätzen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ausweiten und damit den Umfang der Inflation verstärken. Prozyklisches Verhalten löst somit einen Anstieg in der Amplitude der Konjunkturbewegungen und damit der Instabilität der gesamten Volkswirtschaft aus.

 

Genau ein solches Verhalten lässt sich jedoch bei den Politikern jeder Richtung feststellen. Nach dem Motto, man wolle nun, da sich ein Aufschwung zeige, auch die Bürger am Aufschwung teilhaben lassen, wurden Steuer- und Beitragsreduzierungen größten Ausmaßes und großzügige Ausgabensteigerungen beschlossen. Man verbaut sich dadurch gerade die Möglichkeit, in den Zeiten des kommenden Abschwungs über die Mittel zu verfügen, welche benötigt werden, soll der Staat nicht seinerseits dazu beitragen, die Krise zu verschärfen.

 

Wieweit es mit den bisherigen Maßnahmen gelungen ist, die strukturelle Krise an den Arbeitsmärkten zu überwinden, kann erst dann festgestellt werden, wenn es zu einem konjunkturellen Abschwung gekommen ist. Marktwirtschaftliche Systeme schreiten in konjunkturellen Bewegungen voran, es wäre illusorisch, wollte man jegliches Auf und Ab in den wirtschaftlichen Aktivitäten vermeiden. Das einzige was man im Hinblick auf die Konjunktur politisch veranlassen kann, besteht darin, dass man auf der einen Seite über eine prozyklische Finanzpolitik des Staates die konjunkturellen Ausschläge nicht noch vergrößert und dass man auf der anderen Seite dazu beiträgt, dass sich die konjunkturellen Abschwünge nicht voll in realen Größen und damit in Beschäftigungsrückgängen auswirken.

 

Ein solches Urteil über prozyklisches Verhalten wird wohlbemerkt von Vertretern des Keynesianismus als auch der Angebotstheoretiker vertreten, wenn auch etwas unterschiedlich begründet. Keynesianer gehen von der Überzeugung aus, dass der Staat die Aufgabe habe und auch dazu in der Lage sei, die Konjunktur zu stabilisieren und zwar dadurch, dass er eine antizyklische (kompensatorische) Finanzpolitik betreibt, während Angebotstheoretiker von der Auffassung ausgehen, dass es im Hinblick auf die Konjunkturstabilisierung das beste sei, dass der Staat auf konjunkturelle Bewegungen im Rahmen seiner Finanzpolitik gar nicht reagiere, vielmehr seine Ausgaben und Einnahmen langfristig festlege. Sowohl prozyklisches wie auch antizyklisches Verhalten des Staates würde die Gefahr mit sich bringen, dass die Konjunkturausschläge eher noch verstärkt werden.

 

Es gibt eine vor allem von den Gewerkschaften vertretene Variante einer keynesianischen Konjunkturpolitik, welche die konjunkturelle Arbeitslosigkeit nicht nur durch eine staatliche Fiskalpolitik zu bekämpfen versucht, welche vielmehr darüber hinaus von der Vorstellung ausgeht, dass auch mit Hilfe einer expansiven Lohnpolitik die Arbeitslosigkeit überwunden werden könne. Von einer expansiven Lohnpolitik wird hierbei dann gesprochen, wenn die Lohnsätze bewusst über den jeweiligen Anstieg in der Arbeitsproduktivität angehoben werden. Eine solche Forderung wird mit der sogenannten Kaufkrafttheorie begründet.

 

Keynesianisch ist eine solche Politik insofern, als in dieser Theorie von der keynesianischen Aussage ausgegangen wird, dass Arbeitslosigkeit durch eine zu geringe Güternachfrage ausgelöst werde und dass deshalb die Gesamtnachfrage ausgeweitet werden müsse. Im Gegensatz zu dem Versuch, die Arbeitslosigkeit dadurch zu überwinden, das der Staat seine Nachfrage durch Defizite im Staatsbudget ausweite, wird im Rahmen der Kaufkrafttheorie die These vertreten, dass die zum Abbau der Arbeitslosigkeit notwendige Zunahme in der Güternachfrage dadurch zu erfolgen habe, dass die Löhne bewusst über den Anstieg in der Arbeitsproduktivität angehoben werden sollten.

 

Mit den Lohnsätzen stiege nämlich auch das Lohneinkommen und mit diesem die Konsumgüternachfrage an. Aufgrund dieses Anstiegs im Konsumgüterabsatz könnten die Unternehmer die Produktion und mit ihr die Beschäftigung ausweiten, bzw. eine drohende Reduzierung von Produktion und Beschäftigung vermeiden.

 

Eine solche Politik verfehlt jedoch ihr Ziel. Sie setzt das voraus, was sie eigentlich beweisen soll. Eine Erhöhung der Lohnsätze führt nur dann zu einer Erhöhung der Lohneinkommen und damit auch der Konsumnachfrage, wenn man entgegen der neoklassischen Theorie außer Acht lässt, dass Steigerungen in den Lohnkosten zu einem Rückgang in der Beschäftigung führen können und damit bewirken, dass das Lohneinkommen gar nicht ansteigt, wenn die Lohnsätze zunehmen.

 

Die Kaufkrafttheorie kann sich auch gar nicht auf die keynesianische Theorie berufen, da diese eindeutig zwischen effektiver und induzierter Nachfrage unterscheidet. Eine Nachfragesteigerung wirkt sich nur dann produktions- und beschäftigungssteigernd aus, wenn diese autonom, also nicht induziert aufgrund von Einkommenssteigerungen erfolgt. Im Hinblick auf die Konsumgüternachfrage unterscheiden wir in der keynesianischen Theorie zwischen einer Bewegung entlang der Konsumfunktion und der Verschiebung der Konsumfunktion selbst. Ein neues Gleichgewicht stellt sich auf den Konsumgütermärkten nur dann ein, wenn sich die Nachfragefunktion nach oben verschiebt und damit der Schnittpunkt zwischen Nachfrage- und Angebotskurven nach rechts verschoben wird.

 

Steigt die Konsumgüternachfrage hingegen aufgrund von Lohneinkommenssteigerungen, also induziert an, so verschiebt sich der Gleichgewichtspunkt überhaupt nicht, würden die Unternehmungen vorübergehend die Produktion ausdehnen, so entstünden auf den Konsumgütermärkten Angebotsüberhänge, welche die Unternehmungen veranlassen würde, die Produktion und mit ihr die Beschäftigung erneut zu reduzieren.

 

Da in der keynesianischen Theorie die Arbeitslosigkeit damit erklärt wird, dass die Konsumgüterneigung stets kleiner eins ist, steigt bei einem Anstieg der Lohnstückkosten der nominelle Wert des Angebotes immer stärker als die Nachfrage. Das Angebot steigt in nomineller Hinsicht immer um den vollen Wert der Lohnkostensteigerung, während die Nachfrage wegen einer Konsumneigung kleiner eins notwendigerweise in geringerem Maße ansteigt.

 

Eine Entlastung auf dem Gütermarkt würde jedoch voraussetzen, dass der Wert der Nachfrage stärker steigt als der Wert des Angebotes. Eine expansive Lohnpolitik erhöht somit die Güternachfrage nur in nominellem Sinne, eine positive Beschäftigungswirkung könnte jedoch nur erwartet werden, wenn die reale Nachfrage nach Konsumgütern ansteigen würde. Die Nachfragesteigerung verpufft hier also in Preissteigerungen.  

 

A. P. Lerner – einer der bedeutendsten Keynesianer – hat ein modifiziertes Modell der Kaufkrafttheorie entwickelt, das viel besser den Grundannahmen der Keynesianischen Theorie entspricht. Er unterstellt, dass dann, wenn die Löhne stärker steigen als die Arbeitsproduktivität, die Einkommensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer verschoben werde. Da man nun davon ausgehen kann, dass die Arbeitnehmer einen kleineren Prozentsatz ihres Einkommens für Ersparnisse verwenden als die Selbständigen, führe diese Umverteilung in den Erwerbseinkommen automatisch dazu, dass die gesamtwirtschaftliche Konsumquote ansteige. Dies bedeutet jedoch eine Verschiebung der Nachfragefunktion nach oben mit der Konsequenz, dass das neue Gleichgewicht auf den Gütermärkten bei einer höheren Produktion und damit auch Beschäftigung liege. Auf diesem Umweg führe somit eine expansive Lohnpolitik in der Tat zu einem positiven Beschäftigungseffekt und damit zu einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit.

 

Diese Überlegungen setzen allerdings voraus, dass sich die Lohnquote tatsächlich aufgrund des Übergangs zu einer expansiven Lohnpolitik erhöht. Genau diese Schlussfolgerung wurde jedoch von Nicholas Kaldor – einem weiteren führenden Vertreter des Keynesianismus – bezweifelt. Gerade dann, wenn man die Grundannahmen der keynesianischen Theorie (die Abhängigkeit der makroökonomischen Größen allein von den Nachfragefaktoren) unterstellt, kommt es nur dann zu einer Erhöhung der Lohnquote, wenn die Sparquote der Arbeitnehmer ansteigt.

 

Diese Feststellung gilt unabhängig davon, in welchem Ausmaß die Lohnsätze angehoben werden. Ohne Zunahme der partiellen Sparquoten verpufft die Erhöhung der Lohnsätze in Preissteigerungen. Wenn in einem keynesianischen Modell die Konsum- und Investitionsneigung unverändert bleiben, bleibt auch das makroökonomische Gleichgewicht bei der bisherigen Produktionsmenge, die Unternehmer haben dann die Möglichkeit, die nominellen Steigerungen in den Lohnkosten auf die Güterpreise abzuwälzen.

 

Wir kommen somit zu dem Ergebnis, dass auf der einen Seite Arbeitslosigkeit zu einem beachtlichen Teil auf nichtkonjunkturelle Bestimmungsgründe zurückgeführt werden muss und dass selbst in den Fällen, in denen die Arbeitslosigkeit Folge eines konjunkturellen Abschwungs ist, die von der keynesianischen Theorie formulierten Instrumente zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht mehr greifen, da sich – vor allem wegen Auftretens von Stagflation und Hysterese – der konjunkturelle Verlauf gegenüber den Tagen von John Maynard Keynes gewandelt hat.

 

Dies bedeutet natürlich nicht, dass Arbeitslosigkeit überhaupt nicht durch politische Maßnahmen bekämpft werden kann, dass wir einfach Arbeitslosigkeit als Schicksal jedes marktwirtschaftlichen Systems hinnehmen müssten. Wir müssen vielmehr andere Reformkonzepte zur Erreichung der Vollbeschäftigung entwickeln, andere Ursachen verlangen auch andere Maßnahmen. Wir wollen im Folgenden ein solches Reformkonzept entwickeln, wobei die einzelnen Elemente dieses Plans keinesfalls neu sind, sondern sehr wohl von anderen Seiten bereits vorgestellt wurden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass es einer Vielzahl von Maßnahmen bedarf, um nachhaltige Vollbeschäftigung herbeizuführen, dass eine Maßnahme allein – mag sie noch so wichtig sein – nicht ausreichen dürfte, das Problem der Massenarbeitslosigkeit befriedigend zu lösen.

 

Es sind vor allem vier Ansatzpunkte, welche für eine nachhaltige Reform des Arbeitsmarktes notwendig erscheinen. Als erstes gilt es die Bildungspolitik zu reformieren. Die empirischen Erfahrungen zeigen, dass von Arbeitslosigkeit vor allem Arbeitnehmer ohne Ausbildung betroffen sind. Die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden ist bei den ungelernten Arbeitern am größten, gleichzeitig sind Arbeitnehmer mit einer akademischen Ausbildung von einer unterdurchschnittlichen Arbeitslosenquote betroffen.

 

Internationale und auch zahlreiche nationale Untersuchungen haben gleichzeitig gezeigt, dass das deutsche Bildungswesen im Argen liegt und im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld angesiedelt ist. Hierbei hat sich auf der einen Seite herausgestellt, dass in der BRD sehr viel weniger für Ausbildung ausgegeben wird als in den anderen führenden Industrienationen. Auf der anderen Seite werden in der BRD die zur Verfügung stehenden Ressourcen äußerst ineffizient eingesetzt. Eine Bildungsreform ist nicht nur eine Frage mangelnder Bildungschancen und damit ein Verteilungsproblem. Gleichzeitig müssen auch die allokativen Aspekte der Bildungspolitik stärker in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden. Unser erster Vorschlag einer Reform besteht deshalb in einem bildungspolitischen Ansatz.

 

An zweiter Stelle geht es um eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Erkenntnis, dass Arbeitslosigkeit ein Marktungleichgewicht darstellt und dass in dem Maße Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann, in dem die Gleichgewichtskräfte des Marktes unterstützt werden.

 

Ungleichgewichte entstehen normalerweise immer dann, wenn Datenänderungen eintreten und infolgedessen die bisherigen Verhaltensweisen nicht mehr den volkswirtschaftlichen Knappheitsverhältnissen entsprechen. Es wäre jedoch falsch, wollte man dieses Problem dadurch in den Griff bekommen, dass man Datenänderungen als solche zu reduzieren versucht. Die Wohlfahrtssteigerungen in den modernen Volkswirtschaften lassen sich zu einem großen Teil eben auf die Möglichkeit der Datenänderungen zurückführen.

 

Dies gilt auf der einen Seite für den technischen Fortschritt, der dazu beiträgt, die Qualität der angebotenen Güter zu verbessern, die Kosten zur Produktion dieser Güter zu verringern und auch neue Güter zur Befriedigung unserer Bedürfnisse zu kreieren. Auf der anderen Seite bringt es die Konsumfreiheit der Bürger mit sich, dass in einem langwierigen ‚error and trial Prozess‘ die Konsumnachfrage immer besser an die eigentliche Bedürfnislage angepasst werden kann und damit der Forderung nach einer möglichst effizienten und optimalen Allokation immer besser entsprochen werden kann.

 

Die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte führt zu einem schnelleren Abbau der Arbeitslosigkeit und gilt somit in erster Linie für die Lösung eines allokativen Problems. Vordergründig hat es den Anschein, dass damit aber gleichzeitig verteilungspolitische Zielvorstellungen verletzt werden. Eine Flexibilisierung wird sicherlich dazu führen, dass insgesamt geringere Lohnsteigerungen möglich werden und dass deshalb die berechtigten Interessen, die Arbeitnehmer am Wachstum des Inlandsproduktes angemessen zu beteiligen, verletzt zu sein scheinen. Die Tatsache, dass es mächtige Gewerkschaften gibt, bringt die Gefahr mit sich, dass aus diesen verteilungspolitischen Zielsetzungen heraus der Versuch unternommen wird, diese Flexibilisierungsbemühungen immer wieder zu torpedieren. Also bedarf es stets einer die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes begleitenden Verteilungspolitik zugunsten der Arbeitnehmer.

 

Nun wird der Anteil der Arbeitnehmer am Inlandsprodukt nicht nur von der Höhe der nominellen Lohnsätze bestimmt. Gerade die gesamtwirtschaftliche Verteilungstheorie von Kaldor hat gezeigt, dass reale Lohnsteigerungen überhaupt nur zu erwarten sind, wenn die Arbeitnehmer ihr Sparverhalten verändern und größere Teile ihres Einkommens sparen. Gleichzeitig gilt, dass der Anteil der Arbeitnehmer am Inlandsprodukt nicht nur durch Lohnsteigerungen, sondern auch durch eine Beteiligung an den Unternehmergewinnen vergrößert werden kann.

 

Wenn man also durchsetzen könnte, dass expansive Lohnsteigerungen (Lohnzuwächse jenseits des Zuwachses der Arbeitsproduktivität) vermieden werden und wenn die dadurch entstehenden Verminderungen im Wachstum der Lohnsätze dadurch kompensiert würden, dass die Arbeitnehmer an den Unternehmergewinnen beteiligt werden, ginge die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte nicht mehr auf Kosten der Einkommen der Arbeitnehmer, es wäre nicht nur den allokativen, sondern auch den distributiven Zielsetzungen entsprochen.

 

Eine Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer ist jedoch nicht nur notwendig, um die zur Herstellung von Vollbeschäftigung erforderliche Flexibilisierung der Arbeitsmärkte polittisch durchzusetzen. Vor allem Martin Weitzman hat gezeigt, dass eine Gewinnbeteiligung nicht nur deshalb wünschenswert ist, weil sie die Einkommensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer verändern kann. Weitzman glaubt nachweisen zu können, dass der Grad der Arbeitslosigkeit unmittelbar verringert werden kann, wenn die Arbeitnehmer einen Teil ihres Einkommens in Form von Gewinnbeteiligung erhalten. Ein dritter Teil eines Reformplanes wird somit in der Verbreitung einer Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer liegen.

 

Nun können wir nicht erwarten, dass in der rauen Realität jemals ein Zustand erreicht wird, bei dem jegliche Arbeitslosigkeit abgebaut ist. Wir leben nicht im Schlaraffenland oder im Nirwana. Ein wohlfahrtspolitisches Modell eines optimalen Arbeitsmarktes kann zwar aufzeigen, auf welche Richtungen unsere politischen Bemühungen hinzielen sollten, sie kann aber niemals die volle Realität umschreiben, in der Realität muss immer davon ausgegangen werden, dass Fehler gemacht werden und dass aufgrund dieser Fehler immer ein gewisser Umfang an Arbeitslosigkeit bestehen bleibt.

 

Wir wollen diesen Sachverhalt am Beispiel der Reform im Bildungswesen kurz verdeutlichen. Diese Reform braucht Zeit, sehr viel Zeit sogar. Wenn die Arbeitnehmer ein bestimmtes Alter überschritten haben, sind sie physisch gar nicht mehr in der Lage, die bisherigen Bildungsmängel zu beseitigen. Die Lernfähigkeit der Menschen geht nämlich mit wachsendem Alter zurück.

 

Noch wichtiger ist der Hinweis der Lernpsychologie, dass eine Lernfähigkeit nur dann erworben werden kann, wenn schon im frühen Kindesalter (sogar vor dem Alter der Einschulung) bei den Kindern eine Lernmotivation erzeugt wird. Erfolgte diese Lernmotivation im frühen Kindealter nicht, so sind noch so große Anstrengungen im späteren Alter nicht in der Lage, diese Mängel auszugleichen. Schon aus diesen Gründen wird bei einem großen Teil der heute lebenden Arbeitnehmer ­– nicht nur der älteren Jahrgänge – diese Versäumnisse der Vergangenheit nicht mehr aufgeholt werden können.

 

Wir haben also davon  auszugehen, dass eine noch so vorbildliche Umsetzung der Reformziele nicht verhindern kann, dass zunächst für eine sehr lange Zeit Arbeitslosigkeit größeren Umfangs bestehen bleibt. Es bedarf deshalb eines vierten Ansatzpunktes, um auch schon heute bzw. in naher Zukunft die Situation dieser von Arbeitslosigkeit betroffenen Arbeitnehmergruppe zu verbessern.

 

Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass ein noch so großzügig ausgebautes System der Arbeitslosenversicherung nicht in der Lage ist, die Grundanliegen der Masse der Arbeitslosen einigermaßen befriedigend zu lösen. Es geht nicht nur darum, dafür Sorge zu tragen, dass alle Bürger – auch die Arbeitslosen – während ihrer Zeit der Arbeitslosigkeit über ein Einkommen verfügen, das zumindest dem kulturellen Existenzminimum entspricht. Die Masse der Arbeitnehmer braucht eine Beschäftigung, um ein einigermaßen befriedigendes Leben führen zu können, ein Einkommen in Höhe des Existenzminimums reicht nicht aus, um diese allgemeinen Grundbedürfnisse zu befriedigen. Zu der im Grundgesetz geschützten Menschenwürde gehört auch das Recht auf eine Beschäftigung.

 

In diesem Zusammenhang verdienen die Pläne zur Schaffung eines sekundären Arbeitsmarktes besondere Beachtung. Die Arbeitnehmer, welche arbeitslos werden und auf dem normalen, primären Arbeitsmarkt vorübergehend keinen Arbeitsplatz finden, erhalten hier die Möglichkeit, in  der Zeit der Arbeitslosigkeit auf dem normalen Markt von öffentlich-rechtlichen und privaten caritativen Einrichtungen vorübergehend beschäftigt zu werden. Wenn es gelingt, solche sekundären Einrichtungen allgemein einzurichten, dass arbeitslose Arbeitnehmer in allen Regionen und auch in allen Berufen vorübergehende Beschäftigung finden können, dann würde in der Tat dem Anliegen der Arbeitslosen sehr viel sachgerechter entsprochen als bei den bisherigen Lösungen der Arbeitslosenversicherung allein. Wir werden allerdings sehen, dass eine solche Einrichtung nur funktionieren kann, wenn bestimmte Spielregeln eingehalten werden.

 

Fortsetzung folgt!