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Über das Wählerbild der SPD

 

 

Einige führende Mitglieder der SPD sind fest davon überzeugt, dass sie Wahlen nur aus der Opposition heraus gewinnen könnten. Als Beleg für diese eigenartige Auffassung führen sie an, dass die SPD in den letzten Jahren immer dann hehre Stimmenverluste hinnehmen musste, wenn sie zuvor an der Regierung beteiligt war.

 

Diese Auffassung verrät ein eigenartiges Bild vom Wähler. Der Wähler stellt immer wieder fest, dass zwischen den Versprechungen der Parteien vor einer Wahl und der Realisierung dieser Ankündigungen dann, wenn eine Partei die Wahlen gewonnen hat, eine große Kluft besteht. Es wird nahezu immer wesentlich weniger getan als vor den Wahlen von den Parteien versprochen wurde.

 

Nicht, dass die Parteien die Wähler bewusst täuschen wollen, dass sie gar nicht die Absicht hätten, ihre Wahlversprechungen einzuhalten, sie sind einfach nicht in der Lage, ihr Wort zu halten, sei es, dass sie mit anderen Parteien eine Koalition eingegangen sind und diese Koalitionspartner bestimmte Programmpunkte der jeweils anderen Partei entschieden ablehnen, sei es, dass sie Maßnahmen einleiten, welche nicht in der Lage sind, die angesprochenen Probleme zu lösen.

 

Die Wähler haben in einer freiheitlichen Demokratie das Recht, diejenigen Politiker zu wählen, welche ihren Wert- und Zielvorstellungen am Nächsten kommen. Welche Partei dies jeweils ist, können sie jedoch angesichts dieser Kluft zwischen Versprechungen vor der Wahl und Einlösen dieser Versprechungen nach der Wahl nur dadurch erfahren, dass sie auf die Aktivitäten der Parteien in der Regierung achten. Somit müsste eigentlich eine Partei, welche die Regierung gestellt hat und ihr Können unter Beweis gestellt hat, stets bessere Wahlchancen aufweisen als eine Partei, welche nur leere Versprechungen aus der Oppositionsbank heraus gemacht hat.

 

Nun entgegnen diese SPD-Parteimitglieder, dass die SPD zwar in der Koalition durchaus wichtige Ziele des Wahlprogramms realisieren konnte, dass es aber der ‚Merkel‘ immer wieder gelungen sei, diese Realisierungen für sich zu verbuchen.

 

Auch hier begegnen wir wiederum einem merkwürdigen Verständnis über das Wählerverhalten. Die CDU wehrt sich in einem ersten Schritt vehement gegen bestimmte Vorhaben der SPD, z. B. gegen einen einheitlichen, vom Staat verordneten Mindestlohn. Schließlich gelingt es der SPD trotzdem die CDU dazu zu bewegen, kleinlaut diesen Plänen zu zustimmen und zwar nicht deshalb, weil sie sich in der Zwischenzeit von der Richtigkeit dieser Pläne überzeugt hatte, sondern allein deshalb, weil die CDU-Führung befürchtet hatte, dass die Koalition platze, wenn sie sich diesen Plänen verweigere und dass die CDU bei drohenden Neuwahlen hohe Stimmenverluste verzeichnen müsste.

 

Auch die öffentlichen und sozialen Medien machten deutlich, dass es die SPD und nicht die CDU war, welche für diese Ziele gekämpft hatte. Wie blöd muss ein Wähler sein, der trotzdem von der Überzeugung ausgeht, dass diese ‚sozialen Errungenschaften‘ der CDU zu verdanken seien.

 

Viel näher liegt es, den Misserfolg der SPD bei den vergangenen Wahlen darauf zurückzuführen, dass viele bisherige SPD-Wähler deshalb zu anderen Parteien abgewandert sind, weil sie entweder die Ziele der SPD nicht mehr bejahen oder weil sie die SPD einfach für inkompetent halten, diese Ziele auch politisch zu realisieren.

 

Im Hinblick auf die Ziele müssen wir uns darüber klar sein, dass die Arbeitnehmerschaft, die bisherigen Stammwähler der SPD, sich gewandelt hat, sie wird mehrheitlich nicht mehr durch die Kumpels in den Zechen und durch die körperlich hart arbeitenden Stahlkocher repräsentiert. Ein Großteil der Arbeitnehmer hat heute ein Lebensstandard erreicht, der früher den Selbständigen vorbehalten war, sie besitzen ein eigenes Haus, einen oder zwei PKW’s, machen Urlaub in Übersee, sie verrichten ihre Arbeit am Schreibtisch, ihre Leistung besteht nicht mehr vordergründig in harter körperlicher Arbeit.

 

Des Weiteren hängen die Wahlerfolge einer Partei auch davon ab, mit welchen Parteien sie um die Gunst der Wähler ringen muss. Um die Regierung allein erreichen zu können, bedarf es der Stimmenmehrheit. Die Arbeitnehmerschaft, welche traditionell SPD gewählt hat, umfasst in der Regel nicht die Mehrheit der Wählerschaft.

 

Dies bedeutet, dass die SPD – wie jede Partei, welche die Regierung anführen will – weitere Bevölkerungsgruppen ansprechen muss. In dem traditionellen Wählerspektrum heißt dies, dass die SPD rechts von ihrer Stammwählerschaft neue Stimmen gewinnen muss. Der Erfolg einer solchen Strategie hängt nun entscheidend davon ab, ob im linken Spektrum die SPD eine Art Monopolstellung inne hat oder in Konkurrenz weiterer linker Parteien steht.

 

Im letzteren Fall muss sie stets befürchten, dass sie bei einer Bewegung nach rechts zwar neue Wählerstimmen erreicht, gleichzeitig aber Stimmen an die noch weiter links stehenden Parteien verliert. Die sogenannte Linke ist gerade in den letzten Jahrzehnten angestiegen und dies bedeutet, dass die SPD nur dann durch Änderung ihrer Strategie mehr Wähler per saldo gewinnen kann, wenn es ihr gelingt, neue, bisher nicht besetzte Themen anzusprechen.

 

Im Hinblick auf die Mittelwahl scheint mir die SPD in der Vergangenheit oftmals ideologische Positionen einzunehmen. Man fragt nicht in einem ersten Schritt, aufgrund welcher Zusammenhänge bestimmte sozial unerwünschte Zustände entstanden sind, man meint, das Problem einfach dadurch lösen zu können, dass man Verbote ausspricht und wenn diese keinen Erfolg zeigen, eben einfach die Verbote verschärft.

 

In unserer sehr komplexen Gesellschaft lassen sich aber soziale Probleme nur dann lösen, wenn man in einem ersten Schritt die Ursachen eines sozialen Übels erforscht, um dann in einem zweiten Schritt Maßnahmen durchzuführen, welche geeignet sind, diese Ursachen zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren.