30 Jahre
sind nun vergangen, seit im Jahre 1990 Ost- und Westdeutschland wiedervereinigt
wurden. Obwohl sich in der Zwischenzeit die Lebensverhältnisse zwischen beiden
Teilen der BRD angenähert haben, bleiben bedeutende Unterschiede nach wie vor
bestehen, zu einem beachtlichen Teil fühlen sich Ostdeutsche als im Vergleich
zu den Westdeutschen diskriminiert. Es fragt sich, warum es nach einer so
langen Zeit nicht gelungen ist, beide Teile Deutschlands so zu vereinen, dass
von keinen tiefgreifenden Unterschieden mehr gesprochen werden kann.
Hierbei muss
man sich darüber klar sein, dass auch zwischen den einzelnen westlichen
Bundesländern beachtliche Unterschiede bestehen, eine vollkommene Gleichheit in
den materiellen Verhältnissen ist zumindest in einem freiheitlichen Land überhaupt
nicht möglich. Infolgedessen ist nicht zu erwarten, dass auch in den östlichen
Bundesländern im Vergleich zu den westlichen Ländern eine vollkommene
Gleichheit erreicht werden kann, anzustreben ist lediglich, dass die
Unterschiede zwischen östlichen und westlichen Ländern auch nicht größer sein
sollten, als zwischen den westlichen Ländern untereinander.
Wenn wir uns
nach den Ursachen fragen, welche diese fehlende Anpassung erklären können, ist
vor allem darauf hinzuweisen, dass die Politiker damals unter starkem Zeitdruck
standen. Nach dem Zusammenbruch des ehemaligen DDR-Systems schien sowohl die
Sowjetunion unter ihrem Generalsekretär Gorbatschov
als auch die USA bereit zu sein, einer Wiedervereinigung beider deutschen Teile
zuzustimmen. Es wurde befürchtet, dass die Sowjetunion unter einem anderen
Generalsekretär von dieser Bereitschsaft wieder
abrücken könnte und deshalb war es (oder schien es zumindest) erforderlich,
sofort zu handeln.
Auch
innenpolitisch standen die Politiker unter Druck. Helmut Kohl sowie Willi
Brandt wetteiferten darum, wer als der Politiker in die Geschichte eingehen
wird, welcher die Wiedervereinigung beider deutscher Teilstaaten vollendet hat.
Hierbei ging Kohl offensichtlich von der Meinung aus, dass ein sofortiger Zusammenschlus ohne große Probleme der bisherigen BRD
realisiert werden könne und sozusagen aus der Portokasse finanziert werden
könne.
In
Wirklichkeit führte jedoch dieser übereilte Zusammenschluss durch Einführung
einer einheitlichen Währung, einer völlig freien Mobilität der Arbeitskräfte
sowie einem vollständigen Freihandel für alle Waren, überhaupt erst zu einem
Zusammenbruch der ehemaligen ostdeutschen Länder.
Die freie
Arbeitsmobilität führte nämlich dazu, dass ein Großteil der risikobereiten
Individuen in die westlichen Bundesländer abwanderte, weil sie sich hier
bessere Berufschancen versprachen. In Wirklichkeit setzt jedoch der Übergang
von einer staatlichen Planwirtschaft, wie sie in der DDR über 40 Jahre verwirklicht
war, zu einer sozialen Marktwirtschaft, dem vorherrschenden Wirtschaftssystem
der BRD, besonders risikofreudige Unternehmer voraus. Da aber über 40 Jahre in
der DDR eine staatliche Planwirtschaft verwirklicht war, waren die ostdeutschen
Bewohner darin erzogen worden, den Anweisungen der stsaatlichen
Behörden zu folgen und Eigeninitiative war nicht gefragt. Deshalb war nach dem
Zusammenbruch der DDR ohnehin nur ein geringer Teil der Bevölkerung gewohnt und
in der Lage, sich unternehmerisch und risikobereit zu betätigen, sodass die
Abwanderung der ohnehin geringen Anzahl risikofreudiger Persönlichkeiten nach
dem Westen für den Aufbau einer Marktwirtschaft in der ehemaligen DDR fatal wa .
In gleicher
Weise verhinderte der Umstand, dass unmittelbar nach der Wiedervereinigung
sofort eine einheitliche Währung und vollkommene Konsumfreiheit auch für die
östlichen Bundesländer eingeführt wurden, ebenfalls einen schnellen Aufbau der
Warenproduktion in der ehemaligen DDR. Die Bevölkerung der östlichen Bundesländer
kaufte fast nur noch Waren aus dem Westen, weil diese nach allgemeiner
Auffassung eine höhere Qualität aufwiesen, sodass die inländische Produktion in
den Ostländern fast auf null gefahren wurde.
Natürlich
war es richtig, dass im Allgemeinen und im Durchschnitt die Qualität der in
Westdeutschland erzeugten Waren eine höhere Qualität aufwies und den
Wunschvorstellungen der Konsumenten besser entsprach. Dies galt jedoch nicht
für restlos alle Produkte, ein beachtlicher Teil dr
bisher produzierten Konsumgüter des Ostens war durchaus qualitativ hochrangig
und hätte sehr wohl den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprochen.
Dieses
nachfragebedingte Zurückfahren der Produktion in den ehemaligen DDR-Ländern
machte es auch notwendig, dass die Treuhand den größten Teil der
Produktionsanlagen zerschlagen musste. Viele Beobachter in den östlichen
Bundesländern werfen der Treuhand vor, dass sie wahllos durchaus noch intakte
Produktionsanlagen zerschlagen hätte. Bei der Beurteilung dieses Vorwurfes muss
man allerdings berücksichtigen, dass keine menschliche Organisation 100 Prozent
optimal agiert oder agieren wird. Menschen sind nun einmal höchst unvollkommen
und auch bei besten Voraussetzungen muss man leider davon ausgehen, dass einige
Prozent der tatsächlich realisierten Maßnahmen immer objektiv betrachtet falsch
sind.
Es war also
falsch, dass man im Augenblick der Wiedervereinigung auch für die beiden Teile
Gesamtdeutschlands sofort auch in wirtschaftlicher Hinsicht alle Grenzen
aufhob. Es wäre besser gewesen, wenn zwar sofort die Wiedervereinigung in
rechtlicher Hinsicht vollzogen worden wäre, wenn aber in wirtschaftlicher
Hinsicht die Wiedervereinigung in mehreren Schritten vollzogen worden wäre.
Als auf
europäischer Ebene mit dem Euro eine einheitliche Währung eingeführt wurde, da
war dieser Einigung eine sehr lange Übergangszeit vorausgegangen, in welcher
die wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen europäischen Staaten einander
angepasst werden konnten und erst dann, als die einzelnen europäischen Staaten
bestimmte Mindestkriterien erfüllt hatten, wurde das einheitliche
Währungssystem vollzogen.
In diesem
Falle wären in einer Übergangszeit von mehreren Jahren zwei Währungsgebiete
geblieben, der westdeutsche (europäische) Euro sowie die Mark der Ostgebiete
Deutschlands. Die Notenbank hätte über Währungskorrekturen dafür sorgen müssen,
dass die Zahlungsbilanz beider Teilstaaten ausgeglichen geblieben wäre.
Die
ostdeutsche Währung wäre also zunächst abgewertet worden und diese Abwertung
hätte zur Folge gehabt, dass die Preise der aus westlichen Gebieten
importierten Waren in den östlichen
Teilen der BRD gestiegen, der in der ehemaligen DDR produzierten Waren hingegen
gefallen wären.
Diese
Preisdifferenz hätte dazu geführt, dass die Konsumenten der östlichen Teilgebiete
vermehrt Güter nachgefragt hätten, welche in den östlichen Gebieten produziert
worden wären, die Produktion in den östlichen Teilen wäre nicht vollständig
zusammengebrochen und deshalb hätte auch der kleine Teil von Individuen, welche
auch in der ehemaligen DDR für die Übernahme von unternehmerischen Risiken
bereit waren, in den Ostgebieten Chancen gehabt und der Drang nach Westen wäre
sehr viel geringer gewesen.
Wenn nun
gleichzeitig die Gelder, welche de facto nach der Wiedervereinigung zu den östlichen
Bundesländern geflossen sind, als eine Art Marshallplanhilfe gewährt worden
wären, wäre auch das Kapital zur Erneuerung der Produktionsstätten vorhanden
gewesen und in dem Ausmaß, indem die Produktivität des Ostens an den Westen
angepasst worden wäre, hätten sich die Preisverhältnisse in beiden Teilen der
BRD einander angenähert, was die
Voraussetzung für die Einführung eines einheitlichen Währungsgebietes in der
ganzen BRD gewesen wäre.
Gleichzeitig
hätte diese Übergangsphase Gelegenheit gegeben, dass sich die ehemaligen
DDR-Länder um eine Bewältigung und Aufarbeitung des kommunistischen Systems
bemüht hätten und dass die verantwortlichen Funktionäre dieses Systems zur
Verantwortung gezogen worden wären. Stattdessen konten
vor allem die Spitzenfunktionäre wie etwa Honecker, der ehemalige Generalsekräter der DDR nach Südamerika auswandern und von
dort weiterhin für ihre Ideologie werben.
Genauso
falsch war es, dass die Linke nahtlos aus der ehemaligen SED hervorgehen konnte
und sich bis heute weigert, anzuerkennen, dass der DDR-Staat ein Unrechtsstaat
war. Diese Anerkennung hätte keinesfalls bedeutet, dass man restlos alle
Maßnahmen des DDR-Regimes als verbrecherisch verworfen hätte. Auch die
Verbrechen des Nazi-Regimes wurden ja keinesfalls dadurch nur einen Deut besser, dass es Hitler
gelungen war, durch Aufrüstung die Massenarbeitslosigkeit zu überwinden. Durch
Anerkennung einzelner Maßnahmen, welche in der ehemaligen DDR ergriffen wurden,
wäre auch das Selbstwertgefühl der Bewohner der ehemaligen DDR gehoben worden.