Verfehlte Wohnungspolitik

 

Die Wohnungssituation in den Großstädten der Bundesrepblik ist derzeit katastrophal. Es herrscht erstens in den Großstädten eine enorme Wohnungsnot. Zweitens haben die Mieten ein Niveau erreicht, das von den Empfängern mittleren und unteren Einkommens kaum mehr bezahlt werden kann. Drittens ist der Anteil derjenigen Familien, welche über ein Eigenheim verfügen, im Vergleich zu ausländischen Staaten gering.

 

Hierbei hängen diese drei Probleme eng miteinander zusammen. Die hohen Mieten sind zum Teil unmittelbare Folge der Wohnungsknappheit. Der Preis einer Ware gilt in einer Marktwirtschaft als Knappeitsindikator. Die Preise, in unserem Falle also die Mieten, sind so hoch, weil das Angebot an Wohnungen wesentlich geringer ist als die Nachfrage nach diesem Gut.

 

Gleichzeitig trägt jedoch der Preisanstieg dazu bei, die Knappheit zu verringern. Steigt nämlich der Preis eines Gutes, so schlägt sich die Preiserhöhung in einem Gewinnzuwachs der Anbieter dieses Gutes nieder, diese haben also ein Interesse daran, das Angebot zu erhöhen. In dem Maße, in dem der Preis steigt, vermindert sich aufgrund eines gestiegenen Angebotes die Knappheit.

 

Gleichzeitig reagieren aber auch die Nachfrager auf Preissteigerungen mit einer verringerten Nachfrage. Auf dem Wohnungsmarkt bedeutet dies auf der einen Seite, dass überflüssiger Mietraum freigegeben wird und dass auf der anderen Seite diejenigen, welche eine Wohnung suchen, nach Möglichkeit auf eine kleinere Wohnung überwechseln.

 

Dies bedeutet, dass Preisseigerungen auf zweierlei Weise die Knappheit verringern. Der bisherige Nachfrageüberschuß wird verringert, da gleichzeitig das Angebot steigt und die Nachfrage sinkt.  Die Preissteigerung ist also in einer funktionierenden Marktwirtschaft nur vorübergehend. Langfristig sinken mit verringertem Nachfrageüberschuss auch wiederum die Preise.

 

Umgekehrt gilt, dass ein Verbot von Preissteigerungen z. B. über eine Mietgrenze nach oben die notwendige Ausweitung des Angebotes verhindert. Mietgrenzen führen zu einer Zementierung der Knappheit.

 

Natürlich führt eine solche Politik des Zulassends von knappheitsbedingten Preissteigerungen dazu, dass die Empfänger geringen Einkommens kaum mehr ohne staatliche Unterstützung in der Lage sind, die Mieten zu zahlen. Dieser Not kann jedoch dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass der Staat den Empfängern geringen Einkommens einen Mietzuschuss gewährt. Bei einer ausreichenden Höhe eines solchen Mietzuschusses seitens des Staates könnten somit diese Mängel verhindert werden, ohne dass hierdurch der Anpassungsprozess des Marktes (baldmögliches Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei kostengerechten Mieten) maßgebend verhindert wird.

 

Zwar wird in diesem Falle die Nachfrage nach Wohnraum seitens der Empfänger geringen Einkommens nicht sinken können. Trotzdem wird die Gesamtnachfrage nach Wohnraum durch die Gewährung von Mietzuschüssen kaum beeinflusst, da die Empfänger geringen Einkommens ohnehin bisher nur eine Nachfrage nach Mietraum in Höhe des Existenzminimums ausgeübt haben und deshalb auch bei einer Mieterhöhung gar nicht in der Lage gewesen wären, ihre Nachfrage nach Mietraum einzuschränken.

 

Da aber bei einer Zulassung von knappheitsbedingten, vorübergehenden Mietsteigerungen die Nachfrage seitens der Empfänger mittleren Einkommens nach wie vor auf Mieterhöhungen reagieren kann und vor allem wegen der Mietsteigerungen nach wie vor starke Anreize zur Ausweitung des Angebotes stattfinden, wird in diesem Falle der Marktprozess des baldmöglichsten Abbaus des Nachfrageüberhangs und der damit verbundenen Mietsteigerungen nicht behindert. Empfänger besonders hohen Einkommens werden genauso wie die Empfänger besonders geringen Einkommens ihre Nachfrage nach Wohnraum kaum von der Höhe der Miete abhängig sein lassen.

 

Fragen wir uns nun, worauf denn die Knappheit an Wohnungen letztendlich zurückzuführen ist und ob es auch andere Gründe als eine vorübergehende Knappheit für das hohe Mietniveau gibt.

 

Als erstes ist festzustellen, dass die Kosten auf dem Wohnungsmarkt in den letzten Jahren unter anderem aufgrund umweltpolitischer Entscheidungen angestiegen sind. Der Staat hat auf der einen Seite die Dämmvorschriften erhöht, gleichzeitig hat der Staat den Einbau neuer Heizungsanlage verlangt und hat die Kosten der Verlagerung der Stromerzeugung auf alternative Stromquellen teilweise auf den Strompreis verlagert.

 

Staatliches Handeln auf umweltpolitischem Gebiet war dringend notwendig geworden, da in der Vergangenheit ein Teil der Kosten, welche im Zusammenhang mit der Produktion und dem Konsum der Volkswirtschaft entstanden sind, nicht in die Kosten der Unternehmungen und damit auch nicht in die Preise der Endprodukte eingegangen sind.

 

Eine befriedigende Lösung der wirtschaftlichen Probleme setzt jedoch voraus, dass alle einer Volkswirtschaft entstehenden Kosten auch in den Unternehmungsbilanzen und damit auch in den Preisen berücksichtigt werden und dass darüber hinaus zwischen den Unternehmungen ein fairer, aber intensiver Wettbewerb stattfindet. In Wirklichkeit wurde in der Vergangenheit jedoch ein großer Teil der Kosten im Zusamenhang mit der Umweltzerstörung nicht von den Privaten getragen, es wurde so getan, als handle sich hierbei um freie Güter.

 

Dass also die privaten Kosten auch im Wohnungsbereich im  Zusamenhang mit der Heizung der Wohnungen und dem allgemeinen Stromverbrauch in den letzten Jahren angestiegen sind, liegt in der Natur der Sache, da in der Vergangenheit nicht alle gesamtwirtschaftlichen Kosten im Zusammenhang mit Wohnungen in den Güterpreis eingegangen sind. Eine befriedigende Lösung des Umweltprobems setzt jedoch voraus, dass bei der Produktion aller Güter sämtliche einer Volkswirtschaft entstehenden Kosten in den Güterpreis eingehen.

 

Der Anstieg der Mieten aufgrund zusätzlicher umweltpolitisch motivierter Kosten war also notwendig. Es spricht jedoch vieles dafür, dass aufgrund der von den Regierungen gewählten Mitteln zur Erhaltung der Umwelt die Kosten stärker angestiegen sind als notwendig. Wenn der Staat nicht nur die Ziele der Umweltpolitik vorgibt, sondern auch vorschreibt, mit welchen Mitteln diese Ziele zu erreichen sind, verhindert er kostengünstige Lösungen. Nur dann, wenn auch für die öffentlichen Güter Eigentumsrechte, die sogenannten Umweltverschmutzungsrechte, geschaffen werden, wird jeweils die für eine Volkswirtschaft günstigste Lösung gefunden.

 

Diese Einführung von Umweltzertifikaten wird in der Öffentlichkeit oftmals damit kritisiert, dass diese Politik zu keiner Reduktion der Umweltverschmutzung führe, da ja die an der einen Stelle eingesparten Umweltzertifikate an andere Unternehmungen verkauft würden, welche ihre Produktion und damit den Ausstoß an Umweltverschmutzung ausweiten könnten.

 

Diese Kritik geht an der eigentlichen Zielsetzung der Zertifikastionslösung vorbei. Das primäre Ziel der Umweltzertifikate wird nämlich erst in zwei Schritten erreicht. In einem ersten Schritt geht es darum, dass die Unternehmungen einen starken Anreiz erhalten, dadurch den Bedarf an Umweltzertifikaten zu verringern, dass sie neue Technologien entwickeln, welche bewirken, dass pro Produktionseinheit weniger Umweltschäden verursacht werden.

 

In diesem Fall können die bisherige Produktion und damit auch Beschäftigung erhalten bleiben, auch wenn die Summe der Umweltzertifikate verringert wird. Das Ziel dieser Politik besteht nun darin, dass die Regierung einen Teil der bisher ausgegebenen Umweltzertifikate zurückkaufen kann, ohne dass - wie das ohne Umweltzertzifikate der Fall wäre - die Beschäftigung zurückginge. Es ist also klar, dass der Erfolg dieser Politik voraussetzt, dass die Regierung auch Umweltzertifikate zurückkauft.

 

In der Öffentlichkeit wird oftmals beklagt, dass der soziale Wohnungsbau in den letzten Jahren stark zurückgegangen sei und dass auf diese Weise die Wohnungsnot verstärkt und das Mietniveau in noch stärkerem Maße erhöht wurde.

 

Diese Schlussfolgerungen verkennen, dass sowohl die Knappheit an Wohnungen als auch ein zu hohes Mietniveau auf dem Wege des sozialen Wohnungsbaus nicht überwunden werden können. Eine der wichtigsten Merkmale des sozialen Wohnungsbaus besteht darin, dass die Anbieter der im sozialen Wohnungsbau geförderten Wohnungen in den Mieten nur die Kosten berechnen dürfen. Auf diese Weise stehen die Anbieter von Wohnungen nicht mehr unter dem Zwang, nach Kostensenkungen Ausschau zu halten, denn Kosten werden hier ersetzt. Die Unternehmer erhalten sogar einen Anreiz, Kosten zu „produzieren“.

 

Sehr viel besser wäre es gewesen, wenn der Staat in stärkerem Maße dafür gesorgt hätte, dass der Wettbewerb zwischen den Anbietern von Wohnungen gestärkt würde, in diesem Falle würde es den Unternehmungen nützen, wenn sie Kostensenkungen und damit Gewinnsteigerungen erzielen könnten, der gegenseitige Wettbewerb unter den Anbietern von Wohnungen würde sie auch zwingen, die Kostensenkungen zumindest teilweise an die Mieter weiterzugeben. Stattdessen fand in den letzten Jahren trotz Marktaufsicht auf dem Wohnungsmarkt eine Vermachtung statt.

 

Die derzeitige Wohnungsnot wird weiterhin vor allem dadurch bestimmt, dass in den letzten Jahrzehnten ein immer größerer Teil der Gesamtbevölkerung in die Städte, insbesondere auch in die Großstädte, zog. Auf der einen Seite fanden viele Arbeitnehmer im ländlichen Raum keinen Arbeitsplatz, auf der anderen Seite hielten die ländlichen Gemeinden nicht Schritt mit der Verbesserung des kulturellen Angebotes. Zu Vergnügungen müssen die Landbewohner zumeist in die nahegelegenen Städte ziehen, auch die Versorgung mit ärztlichen Diensten ist in den meisten Landkreisen höchst unbefriedigend.

 

Dass derzeit auf dem Lande so wenig Arbeitsplätze angeboten werden, hängt vor allem damit zusammen, dass das Infrastrukturnetz auf dem Lande nicht ausreichend ausgebaut ist. Es mangelt an geteerten Straßen und Zugverbindungen, vor allem aber an einem ausreichenden Internetnetz. Die im Grundgesetz geforderte Startchancengleichheit ist jedoch nur bei ausreichender Infrastruktur in allen Gegenden Deutschlands möglich.

 

Dass auch das kulturelle und medizinische Angebot derzeit auf dem Lande unbefriedigend ist, hängt selbst wiederum damit zusammen, dass bei der Bereitstellung dieser Dienste hohe Fixkosten entstehen, aufgrund derer sich dieses Angebot nur bei großer Nachfrage bezahlt macht.

 

Bei ausreichendem Angebot der Infrastrukturen (Straßennetz, Zugverbindung sowie vor allem durchgehend ausreichendes Internetz in allen Räumen) kann erwartet werden, dass auch auf dem Lande Industrieanlagen und damit ausreichend Arbeitsplätze entstehen. Gute Arbeitsmöglichkeiten, verbunden mit einem vergleichbaren Angebot an kulturellen und medizinischen Leistungen, würde die Berteitschaft der Bevölkerung, aufs Land zu ziehen, stärken.

 

Da jedoch wegen der hohen Fixkosten ein Ausbau kultureller sowie medizinischer Leistungen nur in Städten ab einer bestimmten Größe gewinbringend oder zumindest kostendeckend möglich ist, bedarf es des Ausbaus mobiler Angebote. So können z. B. Theateraufführungen auch auf dem Lande stattfinden, indem die Theater der Städte auch Angebote auf dem Lande machen. Diese Veranstaltungen können an Sommertagen im Freien, z. B.  auf dem Marktplatz, oder im Winter in einem Kulturzentrum stattfinden, das für unterschiedliche Veranstaltungen genutzt werden könnte.

 

Oder aber spezialisierte Ärzte der Großkliniken könnten bei Bedarf auch in Kliniken auf dem Lande hospitieren und auch hochspezialisierte Geräte könnten in mobilen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden.

 

Zuletzt ein kurzes Wort zu dem derzeit geringen Ausbau von Eigenheimen. Da derzeit Eigentumswohnungen vorwiegend von Großunternehmungen gebaut werden und sie vor allem in einer Umwandlung von Billigwohnungen zu Luxuswohnungen genutzt werden, versuchen Politiker die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen zu verbieten.

 

Hier wird bildlich gesprochen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Die unerwünschte Praxis der großen Wohnungskonzerne unterbindet man am besten dadurch, dass man die Bildung von Monopolen – das Hauptanliegen des Neoliberalismus – unterbindet. Es ist jedoch in hohem Maße erwünscht, dass der Anteil der Eigenheime und des breitgestreuten Wohnungseigentums vergrößert wird. Auf der einen Seite bietet Wohnungseigentum dem Wohnungsbesitzer sehr viel mehr Freiheit in der Ausgestaltung der Wohnung. Auf der anderen Seite sind die Gesamtkosten des Wohnungseigentums auch nicht größer als bei Mietwohnungen, vor allem, wenn diese Wohnungen in ländlichen Räumen mit geringeren Grundstückpreisen und mit den neuen Technologien des Wohnungsbaus errichtet werden.

 

Damit die Bereitschaft zum Wohnungseigentum steigt, wäre es allerdings notwendig, neue Finanzierungsmodelle für Wohnungseigentum zu entwickeln, die es auch Empfängern geringeren Einkommens ermöglicht, Wohnungseigentum zu erwerben.