Gliederung:
01.
Betrachtungsweisen
02.
Methoden
03.
Zielanalyse
04.
Mittelanalyse
05.
Trägeranalyse
06.
Politische Ökonomie
07.
Wohlfahrtstheorie
08.
Ordnungsanalyse
09.
Ordnungskonzeption
10.
Ordnungsdynamik
Gliederung:
1.
Einführung in die Problematik
2.
Merkmale der einzelnen Ordnungstypen
3.
Die Unterscheidung verschiedener Ordnungssysteme
4.
Die Zieleignung der einzelnen Ordnungstypen
5.
Zur Pathologie der Ordnungstypen
1.
Einführung in die Problematik
Die
primäre Aufgabe eines Ordnungssystems liegt in der Koordination von Einzelentscheidungen.
Einer Koordination bedarf es über all dort, wo mehrere Individuen eine
Gemeinschaft bilden. Dies gilt zunächst für marktwirtschaftliche Systeme, in
denen die einzelnen Unternehmungen und Haushalte selbst darüber befinden, wie
sie ihre materiellen Ressourcen einsetzen. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass
die einzelnen Pläne einer gegenseitigen Abstimmung bedürfen.
Einer
Koordination bedarf es aber auch in einer staatlichen Planwirtschaft. Zwar
sollen hier die wirtschaftlichen Entscheidungen von einem zentralen Plan des
Staates ausgehen. Eine Koordination ist jedoch auch hier aus zweierlei Gründen
notwendig. Auf der einen Seite überstiege es die Fähigkeiten eines sonst allmächtigen
Diktators, wollte er alle anstehenden wirtschaftlichen Entscheidungen einer
Volkswirtschaft, die sich aus mehr als einer Hand voll Bürgern zusammensetzt,
allein treffen. Er bedarf hierzu einer Bürokratie, welche aus einer Vielzahl
von Bürokraten besteht und deren Umfang um so größer ist, je größer die
Volkswirtschaft ist, für die ein zentraler Plan aufgestellt werden soll.
Eine
Bürokratie besteht hierbei aus einer Vielzahl von über- und untergeordneten
Instanzen, selbst die zentrale Instanz wird aus mehreren Personen gebildet, der
Diktator, welcher das Gemeinwesens leitet, steht lediglich u. U. dieser Bürokratie
vor.
Eine
Koordination ist in einer staatlichen Planwirtschaft aber im Allgemeinen auch
deshalb notwendig, weil auch in einer sehr straffen Planwirtschaft den einzelnen
Bürgern bestimmte Freiheitsrechte zugestanden werden müssen, die selbst
wiederum einer Koordination bedürfen. Nur in einer idealtypischen Form einer
staatlichen Zentralverwaltungswirtschaft werden restlos alle anstehenden Entscheidungen
der Zentrale übertragen und sind die einzelnen Betriebe und Haushalte nur
Befehlsempfänger der Zentrale.
Es
gibt vor allem zwei Gründe, weshalb Einzelentscheidungen koordiniert werden
müssen. Ein erster Grund für einen Koordinationsbedarf liegt darin begründet,
dass von fast allen Entscheidungen eines Individuums externe, vor allem
negative Effekte ausgehen, welche einen Interessenkonflikt auslösen. Auf der
einen Seite sind die materiellen Ressourcen knapp und dies bedeutet, dass in
dem Maße, in dem sich das eine Individuum einen größeren Teil der Ressourcen
aneignet, für die übrigen Individuen weniger Ressourcen zur Verfügung stehen.
Auf der anderen Seite gehen von den Aktivitäten eines Individuums oftmals unmittelbare
Wirkungen auf das Interessenfeld der anderen Individuen aus, so z. B. wenn die
Bebauung und Nutzung eines Individuums für den Besitzer eines
Nachbargrundstücks zahlreiche Belästigungen wie Lärm, Aussichtsbehinderung etc.
mit sich bringt.
Ein
zweiter Grund dafür, dass die Aktivitäten der einzelnen Individuen koordiniert
werden müssen, liegt darin, dass die wirtschaftlichen Aufgaben in einer
modernen Gesellschaft zu einem großen Teil arbeitsteilig angegangen werden. Im
Allgemeinen produzieren die Haushalte ihren Bedarf an wirtschaftlichen Gütern
nicht selbst; es werden vielmehr Unternehmungen gebildet, in denen einzelne
Güter gemeinsam produziert werden.
Gleichzeitig
spezialisieren sich die einzelnen Unternehmungen und Haushalte auf ganz
spezifische Tätigkeiten und Güter, der eine produziert das eine Gut, der andere
ein anderes. Durch diese Spezialisierung und Arbeitsteilung steigt die
Produktivität enorm an und allen Individuen stehen im Durchschnitt wesentlich
mehr Güter zur Verfügung, als wenn jeder den Versuch unternehmen würde, seinen
Eigenbedarf für sich selbst und allein zu produzieren.
Eine
solche arbeitsteilige Produktion bedarf jedoch vielfältiger Abstimmungen. Auf
der einen Seite müssen die einzelnen Tätigkeiten innerhalb einer Unternehmung
auf einander abgestimmt werden. Auf der anderen Seite ist der einzelne zu einer
solchen Spezialisierung nur dann bereit, wenn er fest damit rechnen kann, dass
er im Austausch mit den von ihm selbst produzierten Gütern alle anderen Güter
seines Bedarfes erwerben kann.
Eine
wirtschaftliche Ordnung legt fest, welche Ziele im Einzelnen verfolgt werden,
mit welchen Mitteln diese Ziele angegangen werden und welchen Trägern
bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Die einzelnen Ordnungssysteme unterscheiden
sich in der Beantwortung jeder dieser drei Grundfragen.
Ein
marktwirtschaftliches System zeichnet sich vor allem darin aus, dass es im
Grundsatz jedem einzelnen Haushalt und jeder Unternehmung frei steht, wie er
bzw. sie seine bzw. ihre Ressourcen verwendet. In einer staatlichen Planwirtschaft
hingegen wird die Verwendung der Ressourcen von Seiten des Staates bestimmt.
2.
Merkmale der einzelnen Ordnungstypen
Die
Koordination von Einzelentscheidungen erfolgt in der Regel einmal dadurch, dass
die einzelnen Individuen Informationen erhalten, welche notwendig sind,
um die wechselseitige Anpassung der Planungsträger vorzunehmen; zum andern
erfolgen Anreize einschließlich Sanktionen, die sicher stellen, dass
sich die einzelnen auch entsprechend dieser Informationen verhalten.
Ein
Unternehmer braucht erstens Informationen darüber, wie groß die Nachfrage nach
den von ihm produzierten Gütern bei alternativen Preisen ist, welche
Güterqualitäten die Verbraucher nachfragen, wie groß die Zahl der Konkurrenten
ist, die dieses Gut oder verwandte Güter ebenfalls produzieren, zu welchen
Preisen die im Wettbewerb stehenden Unternehmer diese Güter anbieten usw. usf.
Damit
aber der Unternehmer diesen Informationen entsprechend handelt, muss
gewährleistet sein, dass der Unternehmer genau dann seinen Gewinn maximiert,
wenn er seine Produktion an den Wünschen der Verbraucher ausrichtet und dass
eine Produktionsausrichtung, welche diese Bedürfnissen unberücksichtigt lässt,
mit Verlusten bestraft wird. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass genau
diese Anreize von einem vollständigen Wettbewerb der Unternehmer ausgehen.
Informationen
lassen sich nun erstens danach unterscheiden, ob sie normativer oder
explikativer Natur sind. Normative Informationen liegen vor, wenn den
einzelnen Beteiligten mitgeteilt wird, wie sie sich zu verhalten haben. So
erhält z. B. ein Betriebsleiter in einer staatlichen Planwirtschaft von seiner
übergeordneten Behörde Anweisungen darüber, welche Güter und in welchen Mengen
er diese zu produzieren hat.
Informationen
ganz anderer Art liegen vor, wenn ein Unternehmer in einer Marktwirtschaft in
Erfahrung bringt, welche Güter und in welchen Mengen er gegebenenfalls bei
bestimmten alternativen Preisen absetzen kann. Diese Informationen
unterscheiden sich nicht nur darin, dass hier keine Anweisungen erteilt werden,
sondern dass nur über Möglichkeiten unterrichtet wird, dass keine Anweisungen
an die Betroffenen herangetragen werden. Explikative Informationen
werden in der Regel aus Eigeninitiative erworben.
Ein
zweites Unterscheidungsmerkmal möglicher Informationen liegt in der möglichen Bündelung
der Informationen. Eine Information kann nur schwach gebündelt erfolgen; es
werden hier die notwendigen Schritte einzeln aufgezählt und umschrieben. Auf
der anderen Seite kann die Bündelung so stark sein, dass die Information nur
noch in einem Symbol besteht, dass die Mitteilung dieses Symbols
ausreicht, um dem Adressaten die notwendigen Informationen mitzuteilen.
Eine
starke Bündelung der Informationen erfolgt z. B. in einem Geldsystem im
Vergleich zur reinen Tauschwirtschaft. Im Rahmen eines Geldsystems werden alle
Güter in Preisen bewertet, die Angabe der Preise reicht aus, um eine eindeutige
Rangordnung der einzelnen Güter vorzunehmen. In einer Marktwirtschaft lassen
sich die meisten entscheidungsrelevanten Informationen in Geldgrößen bewerten.
In
ähnlicher Weise arbeiten auch demokratische Wahlsysteme mit einer starken
Bündelung. Die einzelnen Parteien mögen sich noch so sehr nach den unterschiedlichsten
Kriterien unterscheiden, am Ende entscheidet allein die Anzahl der Wahlstimmen
darüber, wer als Sieger aus den Wahlen hervorgeht. Alle politisch relevanten Einflussfaktoren
lassen sich also auch hier schließlich in Stimmenverhältnissen
ausdrücken.
Das
bürokratische System zeichnet sich demgegenüber durch eine sehr schwache
Bündelung der Informationen aus. In zahlreichen Gesetzen und Verordnungen wird
festgelegt und genau umschrieben, wie sich die Untergebenen zu verhalten haben.
In ähnlicher Weise arbeitet auch ein Verhandlungssystem mit einer großen Menge
an Informationen. Um zu erfahren, welche Verhandlungsposition eine Gewerkschaft
gegenüber den Arbeitgebern erreicht hat, bedarf es zahlreicher Informationen,
eine einzelne Bezugsgröße reicht im Allgemeinen nicht aus, um die Verhandlungsführer
mit ausreichend Informationen zu versorgen.
Ein
gewerkschaftlicher Verhandlungsführer muss z. B. über die Produktivität der
Arbeitskräfte, über die Gewinnlage der Unternehmer, über die Verbindlichkeit
der Aufträge und über die materiellen Folgen für den Fall, dass wegen eines
Streiks die Waren nicht rechtzeitig ausgeliefert werden können, unterrichtet
sein, um Entscheidungen über Lohnforderungen und Drohung mit Streik sachgerecht
zu entscheiden.
Verbinden
wir beide Unterscheidungsmerkmale (starke / schwache Bündelung, normativ /
explikativ) miteinander erhalten wir vier unterschiedliche Arten der
Informationsgewinnung:
Die
Informationen eines Ordnungssystems können erstens stark gebündelt und
normativer Natur sein. Ein wichtiges Beispiel für diese erste Art der Informationsgewinnung
sind die Verkehrsampeln. Das System der Verkehrsampeln regelt die Vorfahrt an
Straßenkreuzungen lediglich über die Farben: rot, gelb und grün. Weiterer Informationen
bedarf es nicht, um eindeutig zu bestimmen, wer gerade Vorfahrt hat und wer
anhalten muss.
Informationen
können zweitens stark gebündelt und explikativer Natur sein. Eine solche
Informationsart liegt wie bereits erwähnt in der Geldwirtschaft, aber auch im
Wahlsystem vor. Der Preis bestimmt, welche Ware gekauft wird, genauso wie die
Stimmenverhältnisse darüber entscheiden, wer in einer Demokratie die Macht
erhält.
Drittens
kennen wir normative Informationssysteme mit einer schwachen Bündelung. Jedes Gesetz
und jede Verordnung entspricht diesem Informationstyp. Eine Verordnung z. B.
regelt sehr ausführlich, was bestimmte Individuen zu tun und zu lassen haben.
Viertens
schließlich kennen wir den Informationstyp, welcher nur schwach bündelt und
explikativer Natur ist. Wir erwähnten bereits als Beispiel die Verhandlungen
der Tarifpartner; hier wird eine ganze Anzahl von Informationen zwischen den
Verhandlungspartnern ausgetauscht.
Wenden
wir uns dem zweiten Merkmal einer Koordination: den Anreizen zu. Hier können
wir erstens zwischen positiven und negativen Anreizen unterscheiden.
Positive Anreize zeichnen sich dadurch aus, dass sie die erwünschten Aktivitäten
belohnen, negative Anreize hingegen, dass sie Handlungen, welche unerwünscht
sind, sanktionieren (bestrafen). Ein positiver Anreiz wäre z. B. eine Prämie,
ein negativer Anreiz ein Bußgeld.
Zweitens
können wir die Anreize danach unterscheiden, welche seelische Instanz sie
ansprechen, wobei das materielle Interesse, das Gewissen oder das Ansehen in der
Gemeinschaft angesprochen werden können. Kombinieren wir diese beiden
Eigenschaften erhalten wir insgesamt sechs mögliche Typen eines Anreizes.
Ein
Anreiz kann sich erstens an das materielle Interesse richten und positiver
Natur sein: Jede Preissenkung stellt für den Käufer einen Anreiz dar, von dem
betreffenden Gut mehr nachzufragen, genauso wie Preiserhöhungen den Verkäufern
einen Anreiz geben, mehr von diesem Gut zu produzieren und anzubieten.
Preisvariationen
stellen jedoch zweitens gleichzeitig materielle negative Anreize dar. Dieselbe
Preissenkung, welche dem Käufer einen positiven Anreiz gewährt, veranlasst den
Produzenten, von diesem Gut weniger zu produzieren; und die gleiche
Preissteigerung, welche den Produzenten dazu animiert, von einem Gut mehr zu
produzieren, veranlasst den Käufer dieser Ware, weniger nachzufragen.
Nehmen
wir drittens den Fall eines positiven Anreizes, der das soziale Ansehen fördern
soll. Ein Beispiel hierfür wäre ein Orden, welcher einem Bürger dafür verliehen
wird, dass er sich für die Gemeinschaft eingesetzt hat, die Ordensverleihungen
geben den Bürgern einen Anreiz, mehr für die Gemeinschaft zu tun.
Eine
öffentliche Diffamierung stellt viertens ein negativer Anreiz dar, welcher das
soziale Ansehen des Diffamierten anspricht: Durch die Diffamierung werden
einzelne Bürger dafür bestraft, dass sie ein nicht erwünschtes Verhalten
gezeigt haben. Sie sollen auf diese Weise von den unerwünschten
Verhaltensweisen (z. B. vom Drogenkonsum) abgeschreckt werden.
Von
dieser Art Diffamierung sind allerdings jene Formen zu unterscheiden, welche
gegenüber Menschen mit bestimmten angeborenen Merkmalen ausgeübt werden, so z.
B. die Diffamierung von Ausländern, welche z. B. aufgrund ihrer Hautfarbe
diffamiert werden. Da diese Merkmale nicht abgelegt werden können, stellen sie
auch keine echte Abschreckung dar. Natürlich erfolgt eine solche Diffamierung
oftmals deshalb, um auf diese Weise die betreffenden Personen dazu zu bewegen,
das Land zu verlassen.
Ein
positiver Anreiz, welcher sich an das Gewissen wendet, erfolgt fünftens z. B.
dann, wenn die Bürger aufgefordert werden, vorwiegend solche Waren zu kaufen,
welche im eigenen Land produziert wurden.
Ein
letzter sechster Anreiz, welcher negativer Natur ist und sich an das Gewissen
der Beteiligten richtet, liegt z. B. bei den Maßhalteappellen der Politiker
vor. So wurden z. B. die Tarifpartner im Rahmen der Konzertierten Aktion
aufgefordert, nur solche Lohnsteigerungen zu beschließen, welche nicht über den
vom Staat festgelegten Lohnleitlinien liegen. Wegen der in der BRD gültigen
Tarifautonomie war es nicht möglich, die Tarifpartner zu einem solchen die
Geldwertstabilität fördernden Verhalten zu zwingen; man appellierte deshalb an
das soziale Gewissen (an die soziale Verantwortung) der Gewerkschaften und
Arbeitgeber, alle Lohnsteigerungen zu unterlassen, welche die
Geldwertstabilität gefährden könnten.
Die Koordinationsleistung eines
Ordnungssystems hängt allerdings nicht nur von der Art der Information und der
Anreize ab. Koordination verlangt von den Beteiligten stets eine wechselseitige
Anpassung und diese Anpassung unterscheidet sich unter anderem danach, wie
schnell und wie differenziert auf Änderungen reagiert werden kann. Hierbei
lässt sich zwischen einem zeitlichen, funktionellen und personellen Differenzierungsgrad
unterscheiden.
In
zeitlicher Hinsicht können sehr unterschiedliche Zeiträume verstreichen, bis
eine Anpassung an die Datenänderungen überhaupt möglich ist. Nehmen wir den
Markt, in dem – zumindest im Prinzip – eine Anpassung des eigenen Verhaltens an
die Datenänderungen (z. B. an eine Preissteigerung) unmittelbar nach Eintreten
der Datenänderung möglich ist. Erfährt ein Haushalt, dass sich die Preise
bestimmter Gemüsesorten drastisch erhöht haben und ist es für einen Haushalt
zweckmäßig, andere Gemüsesorten zu verbrauchen, so kann der Haushalt diese
Anpassung unmittelbar nach der Preisänderung vornehmen.
Natürlich
ist auch im Marktgeschehen bisweilen mit Verzögerungen in der Anpassung zu
rechnen. So verhindern Kündigungsfristen die sofortige Minderung in der
Nachfrage nach den Arbeitskräften, bei denen Lohnsteigerungen eingetreten sind.
Kündigungsfristen stellen jedoch bereits Korrekturen des Marktes dar, die
aufgrund politischer Ziele nachträglich eingeführt wurden. Es gibt aber auch Anpassungsverzögerungen,
welche in der Natur des Produktionsprozesses liegen.
Wenn
eine Unternehmung eine Produktionsanlage erworben hat, welche eine Produktion
für eine Vielzahl von Jahren ermöglicht, ist es nicht vorteilhaft, bei Preissenkungen
einer anderen Produktionsanlage, welche jedoch in etwa die gleiche Funktion
erfüllt, unmittelbar die alte Anlage stillzulegen und eine neue Anlage zu
erwerben. Eine Unternehmung wird im Allgemeinen erst dann die neue billigere
oder technisch bessere Anlage erwerben, wenn die Lebensdauer der vorhandenen
Anlage weitgehend abgelaufen ist.
Nehmen
wir als Gegenbeispiel die Wahlprozesse im Rahmen einer staatlichen Demokratie.
Gewählt wird in der Regel in Abständen von vier bis fünf Jahren. Treten innerhalb
dieser Wahlperiode Änderungen ein, welche aus der Sicht der Wähler eine andere
Zusammensetzung der Regierung erwünscht sein lassen, so können die Wähler im
Allgemeinen diese Änderung erst nach Ablauf der Wahlperiode vollziehen. Es
verstreicht also hier ein sehr viel längerer Zeitraum, bis auf die
Datenänderungen reagiert werden kann.
Natürlich
gibt es auch hier Ausnahmen von dieser Regel. Bei besonders drastischen
Ereignissen sehen manche Verfassungen vor, dass auch vorzeitig eine neue Wahl
anberaumt werden kann; oder aber die Regierung sieht sich aufgrund besonderen
Unmutes in der Bevölkerung veranlasst, vorzeitig zurückzutreten und damit den
Weg für Neuwahlen frei zumachen. Hier wäre also dann die Verzögerungsperiode
verringert. Trotz dieser Ausnahmen im Wahlprozess und auf den Märkten kann
jedoch davon ausgegangen werden, dass in wirtschaftlichen Systemen sehr viel
schneller auf Datenänderungen reagiert werden kann als in politischen
Wahlsystemen. Der zeitliche Differenzierungsgrad eines Marktsystems ist
sehr viel größer als der eines politischen Wahlsystems.
Die
Anpassungstiefe kann sich zweitens je nach Ordnungssystem auch in funktioneller
Hinsicht unterscheiden. Eine Anpassung an Datenänderungen hat ein anderes
Ergebnis, je nachdem, ob viele oder wenige Alternativen zur Diskussion stehen.
Nehmen wir als erstes das Beispiel der Politik und unterstellen ein
Mehrheitswahlsystem, in welchem vorwiegend zwei Parteien mit einander konkurrieren.
Ist ein Wähler mit der Politik der augenblicklichen Regierung unzufrieden, hat
er bei der nächsten Wahl lediglich die Möglichkeit, zur Oppositionspartei
überzuwechseln.
Jede
Partei stellt in ihrem Wahlprogramm eine Kombination von Lösungen
unterschiedlicher Problemfelder zusammen. Es ist durchaus möglich, dass ein
einzelner Wähler eigentlich die Wirtschaftspolitik und Kulturpolitik der Partei
A, aber die Sozial- und Außenpolitik der Partei B präferiert; trotzdem muss er
sich für eine Partei entscheiden und damit das von dieser Partei angebotene Lösungsbündel
akzeptieren.
Haben
wir ein Proporzwahlsystem, so sind die Wahlmöglichkeiten des Wählers zwar etwas
größer, er kann dann in der Regel zwischen mehreren Parteien wählen; es bleibt
jedoch die Beschränkung, die darin besteht, dass er sich für ein Lösungsbündel
einer Partei entscheiden muss.
Ganz
anders sind im Allgemeinen die Wahlmöglichkeiten eines Konsumenten in einem
Marktsystem. Er wird hier bei Anpassungsprozessen nicht gezwungen, zwischen
einigen wenigen Güterbündeln zu wählen. Er kann im Prinzip bei jedem einzelnen
Gut, das er nachfragt, frei entscheiden, welche Güterart er wählt; der Umstand,
dass er sich bei Lebensmitteln für Bio-Waren entschieden hat, zwingt ihn nicht
zu einer ganz bestimmten Wahl z. B. bei Möbeln.
Natürlich
ist es denkbar, dass sich bestimmte Güterzusammenstellungen aus
weltanschaulichen oder aber auch aus modischen Gründen anbieten, wer
Bio-Lebensmittel bevorzugt wird aus grundsätzlichen Überlegungen heraus auch z.
B. Energiearten bevorzugen, welche aus erneuerbaren Energierohstoffen gewonnen
wurden. Aber auch hier wird man davon ausgehen müssen, dass Marktsysteme
insgesamt eine größere Anzahl von Alternativen ermöglichen als politische
Wahlsysteme. Der funktionelle Differenzierungsgrad der Märkte ist größer als
die Differenzierung politischer Systeme.
Unterschiede
in den Ordnungssystemen ergeben sich drittens auch im personellen
Differenzierungsgrad. Auf Märkten werden Individualgüter, in politischen
Systemen hingegen Kollektivgüter angeboten. Der Umstand, dass sich das eine
Individuum für das Gut A entschieden hat, zwingt in marktwirtschaftlichen Systemen
nicht die anderen Individuen ebenfalls sich für das Gut A zu entscheiden. Die
Entscheidungen der einzelnen Individuen sind im Markt grundsätzlich von
einander unabhängig.
Natürlich
gehen von den Entscheidungen des einen Individuums auch Einflüsse auf die
Entscheidungen der anderen aus. Die Tatsache, dass das eine Individuum von
einem bestimmten Gut mehr nachfragt, erhöht den Preis und über den Preis die
Nachfrageentscheidung der anderen Individuen. Darüber hinaus gibt es Bemühungen
z. B. durch Mode die Nachfrage der einzelnen Konsumenten so zu beeinflussen,
dass alle Individuen möglichst ähnliche Güter nachfragen.
Aber
hier handelt es sich weniger um Anreize, welche vom wirtschaftlichen Subsystem
ausgehen als vielmehr um Einflüsse des kulturellen Subsystems. Trotzdem sind
die Entscheidungen der einzelnen im juristischen Sinne unabhängig von einander,
der Einzelne kann sehr wohl diesen Einflüssen trotzen und sich nicht an der allgemeinen
Mode ausrichten.
In
politischen Systemen werden hingegen die Leistungen grundsätzlich als Kollektivgüter
angeboten, die der gesamten Bürgerschaft oder zumindest doch einem großen Teil
zugute kommen, der Einzelne hat nicht die Möglichkeit, ein anderes Kollektivgut
zu konsumieren als seine Mitbürger; er kann sich zwar durch Einfluss auf die
Politiker darum bemühen, dass Kollektivgüter seiner Wahl angeboten werden, er
hat jedoch in diesen Bemühungen nur dann Erfolg, wenn eine Mehrheit der Wähler
ebenfalls diese Güter bevorzugt.
Fortsetzung folgt!