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A L L G E M E I N E

W I R T S C H A F T S P O L I T I K

V O N  B E R N H A R D  K Ü L P

 

 

 

Gliederung:

 

01. Betrachtungsweisen            

02. Methoden                              

03. Zielanalyse                             

04. Mittelanalyse                        

05. Trägeranalyse                        

06. Politische Ökonomie              

07. Wohlfahrtstheorie                

08. Ordnungsanalyse                  

09. Ordnungskonzeption           

10. Ordnungsdynamik       

 

Kapitel 10: Ordnungsdynamik Teil I

 

 

Gliederung:

 

1. Einführung in die Problematik

2. Die Frage nach der Stabilität einer Ordnung

3. Ordnung und Entwicklungsstand

4. Die Interdependenz der Ordnungen

5. Stützung einer Ordnung durch ausländische Mächte

6. Der Einfluss von Ideen und Persönlichkeiten

7. Eigendynamik der Systeme ?

8. Zur Konvergenzthese

 

 

 

1. Einführung in die Problematik

 

Ordnungen haben die Aufgabe, Einzelentscheidungen zu koordinieren. Im Rahmen der Ordnungsanalyse wird untersucht, aus welchen Grundelementen eine Ordnung bestehen kann und welche unterschiedlichen Arten einer Ordnung möglich sind. Eine Ordnungskonzeption hingegen zeigt auf, welche Ordnungssysteme erwünscht sind; sie fragt nach dem Leitbild einer Ordnung, das natürlich je nach Weltanschauung des Betrachters unterschiedlich ausfällt. Im Rahmen einer Theorie der Ordnungsdynamik hingegen wird überprüft, wie sich Ordnungen im Zeitablauf verändern, es wird die Frage gestellt, aufgrund welcher Kräfte bestimmte Ordnungen entstanden sind und welche Kräfte einen Untergang einer Ordnung herbeiführen.

 

Eine wirtschaftswissenschaftliche Theorie der Ordnungsdynamik befasst sich in aller ersten Linie mit Ordnungen des Wirtschaftsprozesses. Nun werden wir im Rahmen dieser Abhandlung sehen, dass gesellschaftliche Ordnungen auf vielfältige Weise miteinander verbunden sind, dass also z. B. eine ganz bestimmte Ordnung des Wirtschaftssystems nur im Rahmen einer demokratischen Ordnung des politischen Systems einwandfrei funktionieren kann.

 

Gerade aus diesen Gründen ist es zweckmäßig, auch die Ordnungsdynamik nichtwirtschaftlicher Subsysteme unserer Gesellschaft mit zu behandeln. Eine solche übergreifende Betrachtungsweise ist allerdings nicht nur aufgrund der inneren Zusammenhänge der einzelnen Ordnungssysteme zweckmäßig. Wir haben darüber hinaus davon auszugehen, dass die einzelnen Subsysteme unserer Gesellschaft gemeinsame Merkmale aufweisen. So haben Hans Freyer und Arnold Gehlen den Begriff der Sekundärsysteme geprägt, welche sich innerhalb des letzten Jahrhunderts herausgebildet haben und sich gegenüber den Primärsystemen der Familie und der Kleingruppe deutlich unterscheiden. Es werden hierbei vor allem drei Subsysteme unseres Sekundärsystems unterschieden: das kulturelle, das politische und das wirtschaftliche Subsystem.

 

Die einzelnen Subsysteme der Gesellschaft sind nicht nur miteinander verbunden, sondern haben gemeinsame Merkmale, aufgrund derer auch mit ähnlichen Gesetzmäßigkeiten gerechnet werden muss. In diesem Falle ist es aber auch zweckmäßig, Betrachtungsweisen unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen zur Analyse der Ordnungsdynamik heranzuziehen.

 

Wenn wir im Folgenden die Dynamik der wirtschaftlichen Ordnungen untersuchen, so geht es in erster Linie um die Entwicklung des wirtschaftlichen Gesamtsystems. Nun haben wir bereits bei der Darstellung der Ordnungsanalyse aufgezeigt, dass eine Ordnung aus einer Vielzahl von Einzelelementen zusammengesetzt ist, dass also z. B. eine Marktwirtschaft aus einer Vielzahl von Einzelmärkten gebildet ist. Hier kann es sinnvoll sein, nicht nur die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Systems, sondern auch einzelner Märkte zu untersuchen. So wurde z. B. vor allem die Eigendynamik von Währungssystemen im Rahmen der Außenwirtschaftstheorie analysiert und aufgezeigt, welche Währungssysteme als instabil bezeichnet werden müssen.

 

 

2. Die Frage nach der Stabilität einer Ordnung

 

Mit dem Begriffspaar ‚stabil ‚ und ‚nichtstabil’ haben wir bereits das erste Thema einer Theorie der Ordnungsdynamik angesprochen. Der Begriff der Stabilität ist im Rahmen der Gleichgewichtstheorie geprägt worden. Dort wird zwischen der Frage nach der Existenz und der Stabilität eines Gleichgewichtes unterschieden.

 

Von einem Gleichgewicht sprechen wir dann, wenn Angebot und Nachfrage ex ante übereinstimmen. Ex post entsprechen sich Angebot und Nachfrage ex definitione, das heißt: das Angebot, das tatsächlich abgesetzt wird, entspricht in seinem Wert den tatsächlich nachgefragten und bezogenen Gütern; ex post sind Angebot und Nachfrage nichts anderes als zwei verschiedene Seiten ein und desselben Tauschvorganges.

 

Die ex ante - Betrachtung hingegen bezieht sich auf die von den Anbietern geplante bzw. die von den Nachfragern geplante Gütermenge. Hier können wir nicht unterstellen, dass beide Größen sich immer entsprechen; da die Angebots- und Nachfrageentscheidungen von unabhängigen Wirtschaftseinheiten (den Unternehmungen und den Haushalten) getroffen werden, ist es sogar wahrscheinlich, dass zunächst beide Größen nicht übereinstimmen, dass also kein Gleichgewicht gegeben ist, dass dieses Gleichgewicht erst durch den Marktprozess herbeigeführt werden muss.

 

Man spricht nun im Rahmen der Gleichgewichtstheorie davon, dass immer dann ein Gleichgewicht existiert (möglich ist), wenn die Angebotskurve einen Schnittpunkt mit der Nachfragekurve aufweist, wenn also ein Preis denkbar ist, bei dem die Wirtschaftspläne der Anbieter und Nachfrager im Hinblick auf das betrachtete Gut übereinstimmen. Die Anbieter planen die gleiche Gütermenge wie die Nachfrager.

 

 

 

 

Auch wenn nun ein Gleichgewichtspunkt existiert, bedeutet dies noch lange nicht, dass dieses Gleichgewicht von einer beliebigen Ausgangslage (also von einem Ungleichgewicht aus) automatisch angesteuert wird. Mit diesem Problem befasst sich die Frage nach der Stabilität des Gleichgewichtes. Von einem stabilen Gleichgewicht wird nur dann gesprochen, wenn von einem beliebigen Ausgangspunkt der Markt von sich aus das Ungleichgewicht abbaut, wenn also eine automatische Tendenz zum Gleichgewicht besteht.

 

Diese Frage nach der Stabilität eines Gleichgewichtes ist vor allem deshalb von Bedeutung, da wir in Wirklichkeit davon ausgehen müssen, dass permanent Datenänderungen eintreten, welche zu einer Verschiebung der Angebots- und Nachfragekurven und damit auch des Schnittpunktes beider Kurven führen, sodass die Frage nach der Stabilität des Gleichgewichtes nicht nur eine einmalige Frage darstellt, sondern sich immer wieder von Neuem stellt.

 

Im Allgemeinen wird unterstellt, dass ein Markt ein stabiles Gleichgewicht aufweist, da Ungleichgewichte zu Preisvariationen führen und diese Preisänderungen sowohl die Anbieter wie auch die Nachfrager veranlassen, ihre Wirtschaftspläne an diese veränderte Situation anzupassen.

 

Voraussetzung ist allerdings, dass die Preisreaktionen auf Marktungleichgewichte normal verlaufen, dass also Nachfrageüberhänge zu Preissteigerungen, Angebotsüberhänge hingegen zu Preissenkungen führen. Eine solche Reaktion ist nicht immer zu erwarten. Nehmen wir den Fall, dass der Anteil der Fixkosten, also derjenigen Kosten, welche unabhängig davon entstehen, ob und wie viel produziert wird, besonders hoch ist. In diesem Falle führt nämlich ein Rückgang in der Nachfrage und ein also hierdurch ausgelöster Angebotsüberhang zu einem Anstieg in den Stückkosten mit der Folge, dass die Unternehmungen bestrebt sind, die Preise zu erhöhen. Preiserhöhungen veranlassen jedoch die Nachfrager, weniger Produkte zu kaufen, obwohl nur bei einer Mehrnachfrage der Angebotsüberhang abgebaut werden könnte.

 

Auch die Reaktionen im Angebot und in der Nachfrage auf die Preisvariationen müssen normal verlaufen, um von einer Gleichgewichtstendenz zu sprechen. Von einer normalen Nachfragereaktion (Elastizität der Nachfrage) spricht man immer dann, wenn Preissenkungen zu einer Mehrnachfrage, Preissteigerungen zu einer Mindernachfrage führen. Analog hierzu liegt eine normale Angebotselastizität dann vor, wenn Preissteigerungen zu Angebotseinschränkungen, Preissenkungen hingegen zu einer Verminderung im Angebot führen.

 

Auch im Hinblick auf Elastizitäten müssen wir bisweilen mit anormalen Reaktionen rechnen. Nehmen wir den Fall der Kleinschiffer, welche lediglich ein Schiff besitzen und deren Einkünfte nahe am Existenzminimum liegen. Kommt es hier zu einer generellen Preissenkung, so sehen sich diese Kleinschiffer veranlasst, ihr Angebot auszuweiten, um so das Existenzminimum noch zu erreichen, obwohl eine Gleichgewichtstendenz ceteris paribus nur zu erwarten wäre, wenn das Angebot zurückginge.

 

Der Fall inferiorer Güter zeigt, dass auch die Nachfrage bisweilen anormal verlaufen kann. Bei inferioren Gütern steigt die Nachfrage bei Preiserhöhungen. Erklärt wird diese Reaktion damit, dass eine Preiserhöhung das Realeinkommen reduziert und dass besonders Empfänger geringen Einkommens sich gezwungen sehen, ihre Nachfrage auf minderwertige Produkte zu verlagern. Statt Butter wird dann z. B. Margarine konsumiert und zwar obwohl annahmegemäß der Fettpreis gestiegen ist. (Wir unterstellen hierbei, dass Margarine als ein weniger geschätztes Produkt angesehen wird.)

 

Diese Überlegungen lassen allerdings nicht den Schluss zu, die Gleichgewichtstheorie ginge davon aus, dass in jedem Augenblick oder auch nur in der Mehrzahl der Fälle ein Gleichgewicht erwarten werden könnte oder dass es zumindest erwünscht wäre, dass Angebot und Nachfrage sich möglichst oft entsprechen. Ganz im Gegenteil gehen wir davon aus, dass die Datenänderungen, welche Ungleichgewichte auslösen, in der Regel erwünscht sind, da sie entweder die Produktionstechnik verbessern (= technischer Fortschritt) oder darin bestehen, dass die Konsumenten ihre Nachfrage an ihrem individuellen Bedarf ausrichten. Ein Haushalt stellt z. B. fest, dass er seinen Nutzen vergrößern könnte, wenn er seine bisherigen Nachfrageentscheidungen korrigieren würde.

 

Wichtig ist allein, dass diese Datenänderungen und die durch sie ausgelösten Ungleichgewichte dazu führen, dass Anpassungsprozesse automatisch ausgelöst werden, welche verhindern, dass es zu einer Kumulation und damit zu einer permanenten Vergrößerung des Ungleichgewichtes kommt. Keine Wirtschaftseinheit hat die Fähigkeit, beliebig große Verluste beliebig lang zu ertragen.

 

Unternehmungen müssen Konkurs anmelden und scheiden deshalb aus dem Marktprozess aus, wenn die Verluste eine bestimmte kritische Grenze überschreiten. Wo diese Grenze im Einzelnen liegt, hängt dann vom Umfang des Eigenkapitals und von der Kreditwürdigkeit der einzelnen Unternehmung ab. Ähnliches gilt für Haushalte, die sich im Allgemeinen ebenfalls nur solange verschulden können, solange sie kreditwürdig sind und/oder über Vermögen verfügen.

 

Wir wollen also festhalten: Ein Markt kann nur dann als stabil angesehen werden, wenn Ungleichgewichte immer wieder abgebaut werden. Die Stabilität hängt dann im Einzelnen davon ab, wie viel Datenänderungen tatsächlich eintreten, in welchem Umfang diese Datenänderungen zu Ungleichgewichten führen, wie schnell und wie stark die Preise auf diese Ungleichgewichte und darüber hinaus wie schnell und wie stark Angebot und Nachfrage auf diese Preisvariationen in normaler Richtung reagieren.

 

Im Rahmen der dynamischen Preistheorie (Theorie des Cobwebsystems) wurde allerdings gezeigt, dass wir nicht immer davon ausgehen können, dass bei normalen Reaktionen der Marktteilnehmer ein kontinuierlicher Annäherungsprozess stattfindet. Oftmals nähert sich der Preis in periodischen Schwankungen dem neuen Gleichgewicht, da die Anpassungsprozesse über ihr Ziel hinausschießen, also z. B. zu so großen Reaktionen im Angebot führen, dass nicht nur der Angebotsüberhang abgebaut wird, sondern sogar nun ein Nachfrageüberhang entsteht.

 

 

Beschreibung: arb1

 

 

In extremen Fällen kann sich der Markt sogar vom Gleichgewichtspunkt immer mehr entfernen oder wie ein Perpetuum mobile immer wiederum um die Ausgangslage pendeln.

 

 

Beschreibung: arb2

 

Beschreibung: arb3

 

 

Bei unseren bisherigen Überlegungen bezogen wir unsere Betrachtung auf ein vorgegebenes Marktsystem mit festen gleichbleibenden Spielregeln. Wir können allerdings unsere Gleichgewichtsbetrachtung auf die Frage ausdehnen, ob der Markt – das jeweils untersuchte Ordnungssystem – in der Lage ist, auch seine Spielregeln der veränderten Situation so anzupassen, dass das Marktsystem erhalten bleibt.

 

Nehmen wir nochmals den Fall eines hohen Fixkostenanteils. Wir können davon ausgehen, dass zu Beginn der Industrialisierung der Anteil der Fixkosten im Allgemeinen gering war und dass gerade deshalb das Angebot auf Ungleichgewichte normal reagierte. Im Zuge der Mechanisierung der Produktion wurde jedoch die Kapitalintensität der Produktion immer mehr vergrößert mit der Folge, dass auch der Anteil der Fixkosten an den Gesamtkosten immer mehr anstieg. Wir hatten oben gesehen, dass in einer solchen Situation die Unternehmer bemüht sind, diese Erhöhung in den Fixkosten durch Preissteigerungen wiederum zu kompensieren und dass deshalb in zunehmendem Maße mit anomalen Preisreaktionen gerechnet werden muss.

 

In einer solchen Situation ist der Markt bei Beibehaltung der bisher erfolgreichen Spielregeln nicht mehr in der Lage, eine Gleichgewichtstendenz herbeizuführen, er wird instabil. Es bedarf einer Anpassung der Spielregeln an die veränderte Situation und man wird nur dann von stabilen Marktsystemen sprechen können, wenn sie eine solche Anpassung der Spielregeln ermöglichen.

 

In diesem Zusammenhang entsteht jedoch ein definitorisches Problem der Identifikation. Ein Ordnungssystem zeichnet sich ja durch einen Satz von Spielregeln aus. Ändern sich diese Spielregeln, entsteht die Frage, ob man überhaupt noch vom selben System sprechen kann, ob nicht die Änderung auch nur einer einzigen Spielregel bedeutet, dass ein verändertes Ordnungssystem entstanden ist.

 

Auf diese Frage sind zweierlei Antworten möglich. Man kann nach dem Umfang und der Qualität der Änderung zwischen konstitutiven und akzidentiellen Änderungen unterscheiden und solange noch von dem gleichen Ordnungssystem sprechen, solange nur akzidentielle Spielregeln geändert wurden. So weisen die Ordnungssysteme in der Wirklichkeit eine Reihe von historisch bedingten Merkmalen auf, welche für den Gleichgewichtsprozess von untergeordneter Bedeutung sind. Es dürfte deshalb zweckmäßig sein, nur auf Änderungen in den Merkmalen abzuheben, welche für den Koordinationsmechanismus konstitutiv sind. Es bleibt jedoch bei dieser Betrachtungsweise das Problem, dass in der Realität der Marktprozess sicherlich auch Änderungen in konstitutiven Merkmalen erfahren hat, dass wir aber trotzdem noch von Marktprozessen sprechen.

 

Eine zweite mögliche Antwort auf das Identifikationsproblem besteht darin, dass man jedes System als ein historisches Gebilde auffasst, das ähnlich wie Lebewesen einen Beginn aufweist, das sich weiterhin entwickelt und an die Änderungen in der Umwelt permanent anpasst und eines Tages abstirbt. Man würde in diesem Falle nur bei einem vollständigen Zusammenbruch des Marktsystems von dem Übergang zu einem anderen Ordnungssystem sprechen.

 

Nun zeigt gerade das Beispiel der Weimarer Republik, dass auch diese Betrachtungsweise auf Schwierigkeiten stößt. Das marktwirtschaftliche System wurde nämlich in dieser Zeit durch zahlreiche dirigistische Eingriffe in den Markt so stark ausgehöhlt, dass es seine eigentlichen Funktionen nicht mehr erfüllen konnte; rein äußerlich gesehen lag zwar nach wie vor ein marktwirtschaftliches System vor, das jedoch seine eigentlichen Funktionen nicht mehr erfüllen konnte, sodass in Wirklichkeit eigentlich bereits ein Übergang zu einem anderen System vorlag.

 

Man wird deshalb zweckmäßiger Weise einen Mittelweg bevorzugen; man wird einen eng begrenzten Satz von Merkmalen benennen, welche für das Vorliegen eines bestimmten Ordnungssystems konstitutiv sind und ohne die nicht mehr vom gleichen System gesprochen werden kann, trotzdem aber auch dann noch von einem zwar geänderten, aber dennoch marktwirtschaftlichen System sprechen, wenn sich die Spielregeln so geändert haben, dass der Anpassungsprozess sichergestellt ist.

 

Nun hatten wir bereits oben davon gesprochen, dass die Frage nach der Ordnungsdynamik nicht nur für die gesellschaftlichen Systeme insgesamt, sondern auch für ein Subsystem, also z. B. für einzelne Märkte gestellt werden kann. Die Problematik der Stabilität einer Ordnung lässt sich sehr anschaulich anhand der Entwicklung der Währungsordnung bzw. des Devisenmarktes veranschaulichen.

 

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde im Rahmen des IWF-Systems (Internationaler Währungsfonds) ein System fester Wechselkurse mit dem Dollar als Leitwährung geschaffen. Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde dieses System weltweit durch ein System flexibler Wechselkurse abgelöst, wobei allerdings für die europäischen Staaten wiederum ein System fester Wechselkurse das EWS-System (Europäisches Währungssystem) geschaffen wurde, mit dem ECU als künstliche Korbwährung.

 

Man kann nun zeigen, dass das IWF-System ein ausgesprochen instabiles System darstellte. Der endgültige Zusammenbruch dieses Systems in den 70 er Jahren war primär systembedingt, d. h. also in der Struktur des Systems selbst verankert. In diesem System werden Devisenbilanzungleichgewichte, welche vor allem durch expansive Konjunkturpolitik einzelner Staaten ausgelöst wurden, nur dadurch abgebaut, dass lediglich die Nichtleitwährungsländer gezwungen waren, durch Intervention der Notenbanken auf den Devisenmärkten für einen Devisenbilanzausgleich zu sorgen. Das Leitwährungsland hingegen kann ein Defizit in der Devisenbilanz jederzeit dadurch abbauen, dass die eigene Geldmenge ausgeweitet wird und dass Defizite mit internationaler Währung, die zugleich die Währung des Leitwährungslandes ist, bezahlt werden.

 

Dieses System ist aus zweierlei Gründen instabil: Einmal deshalb, weil die Mitgliedsstaaten den Anspruch auf eine autonome Konjunkturpolitik aufrechterhalten und gleichzeitig die Währungsrelationen konstant halten wollen. Beides zugleich ist aber nicht möglich. In dem Maße, als durch Datenänderungen immer wieder Ungleichgewichte in den Devisenbilanzen entstehen, können diese innerhalb eines freiheitlichen Systems nur dadurch wiederum abgebaut werden, dass entweder die nationalen Preisniveaus oder aber der Wechselkurs an diese veränderte Situation angepasst werden. Auf Dauer ist es nicht möglich, den Wechselkurs stabil zu halten und gleichzeitig den Mitgliedsländern zu erlauben, eine selbständige, autonome Konjunkturpolitik zu betreiben. Verursachen die Mitgliedsländer durch ihre expansive Konjunkturpolitik in unterschiedlichem Umfang Devisenbilanzdefizite, so sind nur die Nichtleitwährungsländer angehalten, durch währungspolitische Maßnahmen für einen Abbau der Ungleichgewichte Sorge zu tragen.

 

Zum andern trug der Umstand, dass das Leitwährungsland (die USA) die Möglichkeit besaß, Defizite in der Devisenbilanz jederzeit durch Vermehrung der eigenen Währung zu begleichen, nicht nur dazu bei, dass hierdurch eine weltweite Inflationstendenz ausgelöst wurde; damit, dass auf diese Weise die Relation zwischen Goldreserven der USA und der internationalen Geldmenge immer mehr verwässert wurde, schwand die Bereitschaft der Notenbanken der Nichtleitwährungsländer ihre Währungsreserven in Dollars zu halten; die Wahrscheinlichkeit, dass man bei Bedarf jederzeit die Dollars in Gold umwandeln konnte, ging drastisch zurück, mit der Folge, dass immer mehr Länder – Frankreich voran – bestrebt waren, ihre Devisenbestände in Gold umzuwandeln. Damit waren aber die USA eines Tages gezwungen, den freien Umtausch von Dollar in Gold einzustellen.

 

Diese Gefahr hätte nur dann vermieden werden können, wenn die USA freiwillig – ohne dass sie hierzu gezwungen worden wären – darauf verzichtet hätten, durch expansive Geld- und Fiskalpolitik ihre eigene Geldmenge auszuweiten.

 

Die Instabilität des IWF-Systems ergab sich jedoch noch aus einem weiteren Grund. Der Umstand, dass die Notenbanken der Nichtleitwährungsländer gezwungen sind, durch Intervention (d. h. durch An- und Verkauf von Devisen) auf den Devisenmärkten den Wechselkurs stabil zu halten, hat die Art der Spekulation verändert. Nun unterscheiden wir im Allgemeinen zwischen stabilisierender und destabilisierender Spekulation. Bei der stabilisierenden Spekulation rechnet der Spekulant bei einem erwarteten Anstieg des Devisenkurses damit, dass über kurz oder lang der Wechselkurs wiederum fallen wird, er wird deshalb Devisen abstoßen; er trägt damit zur Verminderung im Wechselkursanstieg bei und bewirkt hierbei gleichzeitig, dass das Devisenbilanzungleichgewicht abgebaut wird.

 

Bei der destabilisierenden Spekulation rechnet hingegen der Spekulant damit, dass die Kursvariationen anhalten (dass also z. B. der augenblickliche Kursanstieg andauert), er wird deshalb auch schon seinen zukünftigen Bedarf an Devisen durch bereits heutigen Kauf befriedigen, damit die Nachfrage nach Devisen und mit ihr schließlich den Kursanstieg vergrößern. Das Ungleichgewicht wird also bei destabilisierender Spekulation größer.

 

Nun kann man davon ausgehen, dass eine stabilisierende Spekulation vorwiegend von sachkundigen Maklern (Brokern) vorgenommen wird, während sich eine destabilisierende Spekulation vor allem bei Laien, deren Informationen über den Devisenmarkt begrenzt sind, feststellen lässt. Das System fester Wechselkurse begünstigt nun eine Spekulation bei den Laien. Der Umstand, dass die Notenbanken zu einer stabilisierenden Intervention auf den Devisenmärkten verpflichtet sind, hat nämlich zur Folge, dass das Währungsrisiko beim Kauf und Verkauf von Devisen extrem gering wird. Ist nämlich das Defizit der Devisenbilanz permanent hoch, werden also auf Dauer mehr Devisen nachgefragt als angeboten, so erhöht sich der Druck auf die Defizitländer, den amtlich festgelegten Devisenkurs zu erhöhen, da keine Notenbank in der Lage ist, auf unbegrenzte Zeit Devisen anzubieten und damit den bisher festgelegten Kurs zu stützen.

 

Spekuliert man also im Rahmen eines Systems fester Wechselkurse, so ist das damit verbundene Risiko extrem gering; das schlimmste, was passieren kann, ist dass die Neufestsetzung des Devisenkurses auf sich warten lässt. Die Heraufsetzung des Devisenkurses wird aber über kurz oder lang auf jeden Fall kommen, man wird also auf Dauer keine Überraschungen erleben und deshalb die vor der Aufwertung eingekauften Devisen mit Gewinn wieder abstoßen können.

 

Es wird zwar oftmals behauptet, dass Spekulationen vorwiegend in Systemen flexibler, nicht aber in Systemen fester Wechselkurse stattfinden. Spekulationen über Wechselkursänderungen könnten nur dann erwartet werden, wenn der Wechselkurs tatsächlich schwanken kann. Wäre der Wechselkurs im Zeitablauf vollkommen konstant, hätte man auch keinerlei Spekulation zu erwarten.

 

Diese Betrachtungsweise verkennt zweierlei. Auf der einen Seite wirkt die Spekulation als solche nicht unbedingt destabilisierend, dies gilt nur für einen Teil der Spekulationen nämlich für die sogenannte destabilisierende Spekulation, diese findet jedoch gerade in Systemen fester Wechselkurse vermehrt statt. Auf der anderen Seite muss man auch in einem System fester Wechselkurse davon ausgehen, dass kurzfristig sehr wohl Wechselkursschwankungen stattfinden, dass der Wechselkurs nur längerfristig konstant gehalten werden kann. Datenänderungen finden in jedem System statt; darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass gerade der Umstand, dass in den traditionellen Systemen der festen Wechselkurse die Notenbanken berechtigt waren, eine autonome Konjunkturpolitik zu betreiben, automatisch dazu führt, dass der Umfang der konjunkturpolitischen Maßnahmen unterschiedlich ausfällt und dass gerade deshalb vermehrt Devisenbilanzungleichgewichte und damit kurzfristige Wechselkursschwankungen zu erwarten sind.

 

Die These, dass die Systeme flexibler Wechselkurse also deshalb instabiler sind, da bei flexiblen Wechselkursen der Umfang von Spekulationen größer sei und damit der Umfang der Wechselkursschwankungen auch notwendiger Weise größer ausfallen müsse als in Systemen fester Wechselkurse, ist somit falsch, da nur ein Teil der Spekulation die Instabilität vergrößert und da ein System fester Wechselkurse den Anteil destabilisierender Spekulation erhöht. In Systemen flexibler Wechselkurse ist es jedoch nicht eindeutig, wie sich die Wechselkurse in Zukunft entwickeln werden, gerade deshalb wird ein Teil der Spekulanten mit steigenden, ein anderer Teil mit sinkenden Wechselkursen rechnen; diese unterschiedlichen Erwartungen tragen jedoch dazu bei, dass der negative Einfluss der Spekulation vermindert wird.

 

Zugunsten eines Systems fester Wechselkurse wird oftmals auch angeführt, dass ein internationaler Handel nur dann erwartet werden könne, wenn die Wechselkurse weitgehend stabil seien. Nur so könnte das mit dem Außenhandel verbundene Risiko auf ein Niveau gesenkt werden, das überhaupt Außenhandel zulasse.

 

Außenhandel sei zwar erwünscht, da er die Produktivität und damit das Wohlfahrtsniveau der Nationen vergrößere. Auch sei es richtig, dass jeder Unternehmer mit seinen produktiven Tätigkeiten mehr oder weniger große Risiken eingehe, da kein Unternehmer sicher sein könne, dass die Konsumenten ihre Produkte in angebotenem Umfang und in der angebotenen Qualität nachfragen werden. Das Risiko bei internationalen Tauschgeschäften sei jedoch wesentlich höher als bei vergleichbaren nationalen Tauschgeschäften. Auf der einen Seite sei es sehr viel schwieriger, verlässliche Informationen aus dem Ausland als aus dem Inland zu beziehen. Auf der anderen Seite gehe in den freien Wechselkurs im Grunde genommen jede Datenänderung auf der Welt ein, während sich die nationalen Preisverhältnisse immer nur auf relativ wenige Datenänderungen im Inland beziehen. Um also überhaupt einen internationalen Handel zu ermöglichen, sei es notwendig, dass die Wechselkurse einigermaßen konstant gehalten werden.

 

Dieses Argument leuchtet nicht ein. Ein Unternehmer, welcher das mit dem Wechselkurs verbundene Risiko scheut, hat jederzeit die Möglichkeit, durch Termingeschäfte dieses Risiko auf andere abzuwälzen. Gerade weil auf freien Devisenmärkten die Vorstellungen über die weitere Entwicklung des Devisenkurses auseinanderfallen, wird es fast immer Händler geben, die zu Termingeschäften bereit sind und das damit verbundene Risiko (gegen einen Aufschlag) auf sich nehmen. Ein risikoscheuer Importeur, welcher erst für die zukünftige Periode einen Devisenertrag erwartet, kann also bereits heute für einen im bekannten Preis diese erst in Zukunft anfallenden Devisen anbieten.

 

Beide bisher behandelten Währungssysteme zeichneten sich dadurch aus, dass Preis- und Mengenänderungen stets durch Variationen des Angebotes und der Nachfrage ausgelöst werden. Das System der flexiblen Wechselkurse unterscheidet sich vom System der freien Wechselkurse nur dadurch, dass die Notenbanken auf den Devisenmärkten als Anbieter oder Nachfrager auftreten und aufgrund ihrer Gewichte den Devisenkurs entscheidend beeinflussen können.

 

Nun war ein Teil der Ökonomen lange Zeit in der Frage skeptisch, ob die Preiselastizitäten auf den Devisenmärkten ausreichen, um einen Abbau von Devisenbilanzungleichgewichten herbeizuführen. Nun ist dies ein Problem, das im Prinzip für alle Märkte gilt, eine Gleichgewichtstendenz besteht eben nur dann, wenn Angebot und Nachfrage in ausreichendem Maße auf Preisvariationen reagieren.

 

Trotzdem besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen allgemeinen Gütermärkten und dem Devisenmarkt. Auf allgemeinen Gütermärkten reicht es aus, dass Angebot und Nachfrage normal reagieren und dass die Summe der Elastizitäten größer null ist. Für Devisenmärkte gilt jedoch die verschärfte Bedingung (die Marshall-Lerner-Bedingung), dass die Summe der Nachfrageelastizitäten (bei unendlich großen Angebotselastizitäten!) größer eins ist.

 

Dieser Unterschied lässt sich daraus erklären, dass sich der Preis auf allgemeinen Gütermärkten auf die Gütermenge, dass sich aber der Devisenkurs auf Wertgrößen bezieht. Das Gut, das auf Devisenmärkten gehandelt wird, ist die Devise; der Umfang der nachgefragten Devisen hängt jedoch nicht nur von der Anzahl der nachgefragten Importgüter, sondern gleichzeitig auch von der Höhe der Preise ab.

 

Steigt z. B. der Devisenkurs, so gehen hiervon auf die Devisennachfrage zwei unterschiedlich verlaufende Wirkungen aus. Die Nachfrage nach importierten Gütern geht im normalen Falle zurück, der effektiv zu zahlende Preis steigt jedoch. Es hängt nun von der Elastizität der Mengen-Nachfrage ab, ob die Nachfrage nach Devisen steigt oder fällt. Wäre die Elastizität gerade eins, dann würden sich die Mengen- und Preiseffekte gegenseitig aufheben, die Nachfrage nach Devisen bliebe trotz Anstieg des Devisenkurses konstant. Nur dann, wenn die Elastizität größer eins ist, überwiegt der ansteigende Preiseffekt, die Devisennachfrage steigt dann ebenfalls. Es gilt die Marshall-Lerner-Bedingung, wonach nur dann eine Gleichgewichtstendenz auf den Devisenmärkten besteht, wenn die Summe der Importnachfrageelastizitäten (des In- und Auslandes) größer eins ist.

 

Die Frage nach der ausreichenden Höhe der Importnachfrageelastizitäten stellt sich übrigens gleichermaßen für Systeme flexibler wie fester Wechselkurse. Im Falle flexibler Devisenkurse ist es der Wechselkurs, im Falle fester Wechselkurse sind es die Veränderungen in den nationalen Preisniveaus, welche die Anpassungen auf den Devisenmärkten auslösen. So hängt die Importnachfrage des Inlandes letztlich immer von den nationalen Güterpreisen ab. Im System flexibler Wechselkurse verändert sich zunächst der Wechselkurs, aber mit ihm auch die Anzahl inländischer Geldeinheiten, die für eine Importgütereinheit entrichtet werden muss; im System fester Wechselkurse werden über Änderungen in der inländischen Geldmenge die inländischen Preise unmittelbar verändert.

 

Wenn man also der Überzeugung ist, dass die tatsächlichen Importnachfrageelastizitäten nicht ausreichen, um einen Abbau des Devisenbilanzdefizits zu bewirken, so versagt das System fester Wechselkurse gleichermaßen wie das System flexibler Wechselkurse. Es bedarf also in diesem Falle einer Devisenzwangswirtschaft, um einen Ausgleich von Angebot an und Nachfrage nach Devisen herbeizuführen.

 

Empirische Untersuchungen, die in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg durchgeführt wurden, schienen den Elastizitätspessimismus zu bestätigen. Die Summe der ermittelten Importnachfrageelastizitäten schien in der Tat geringer als eins zu sein, sodass also die Marshall-Lerner-Bedingung nicht erfüllt schien.

 

In der Zwischenzeit ist man jedoch in der Frage der Elastizitäten optimistischer. Auf der einen Seite konnte man zeigen, dass die tatsächlichen Importelastizitäten größer sind als ursprünglich vermutet; die negativen Ergebnisse konnten nur dadurch erzielt werden, dass man außer Acht ließ, dass neben Preisvariationen auch Mengenvariationen im beobachteten Zeitraum stattfanden.

 

In der Frage der für ein Gleichgewicht notwendigen Elastizitäten wurde darauf aufmerksam gemacht, dass wir in der Realität keinesfalls in der Regel von unendlich großen Angebotselastizitäten ausgehen können, dass aber bei Unterstellung endlicher Angebotselastizitäten die Summe der Importnachfrageelastizitäten etwas geringer sein darf, um Ungleichgewichte in der Devisenbilanz abzubauen. Eine von J. Robinson entwickelte Formel unterrichtet hierbei über das genaue Ausmaß der benötigten Nachfrageelastizitäten.

 

Fortsetzung folgt!